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Verkehrsunfall zwischen zwei Motorrädern bei Überholvorgang

Risiko Überholvorgang: Zwei Motorräder kollidieren auf Landstraße

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat im Fall eines Verkehrsunfalls zwischen zwei Motorrädern während eines Überholvorgangs entschieden. Der Beklagte, der den Unfall verursacht hat, wird zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt. Das Gericht bestätigt, dass der Beklagte für den Unfall allein verantwortlich ist, da er gegen Verkehrsregeln verstoßen und den Überholvorgang unter gefährlichen Bedingungen durchgeführt hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 15 U 72/14  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Alleinige Haftung des Beklagten: Der Beklagte wird als alleiniger Verursacher des Unfalls eingestuft, da er beim Überholen grob gegen Verkehrsregeln verstoßen hat.
  2. Schmerzensgeld und Schadensersatz: Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger Schmerzensgeld sowie materielle und immaterielle Schäden zu erstatten.
  3. Verstoß gegen Überholvorschriften: Der Unfall ereignete sich während eines Überholvorgangs, bei dem der Beklagte die Gegenfahrbahn nicht richtig einsehen konnte.
  4. Kein Mitverschulden des Klägers: Das Gericht findet keine Hinweise auf ein Mitverschulden des Klägers am Unfall.
  5. Schwere Verletzungen des Klägers: Der Kläger erlitt schwere Verletzungen, darunter die Amputation eines Beines.
  6. Berufung erfolglos: Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts wird abgewiesen.
  7. Zahlung von außergerichtlichen Kosten: Der Beklagte muss auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers tragen.
  8. Endgültige Entscheidung: Eine Revision gegen das Urteil ist nicht zugelassen, womit die Entscheidung endgültig ist.

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Verkehrsunfälle zwischen Motorrädern: Die Herausforderung bei der Schuldfrage

Unfall zwischen Motorrädern beim Überholen
(Symbolfoto: DarSzach /Shutterstock.com)

Bei Verkehrsunfällen zwischen Motorrädern während Überholvorgängen kann die Schuldfrage komplex sein. Laut Experten ist es wichtig, die Umstände des Unfalls genau zu betrachten. Wenn ein Motorrad beim Überholen mit einem Linksabbieger kollidiert, ist nicht automatisch der Linksabbieger schuld. Ein Motorradfahrer, der eine Kolonne überholt, muss sicherstellen, dass er dabei niemanden gefährdet. Bei einem missglückten Überholvorgang kann es zu schweren Unfällen kommen. Im folgenden Beitrag wird ein konkretes Urteil zum Thema Verkehrsunfall zwischen zwei Motorrädern bei Überholvorgang vorgestellt und besprochen.

Dramatische Kollision bei Überholmanöver: Ursachen und Folgen

Am Tag des Unfalls befuhr der Beklagte, gekennzeichnet mit dem amtlichen Kennzeichen X, eine Landesstraße und überholte einen von Zeuge A gelenkten Pkw. Er versuchte anschließend, ein weiteres Fahrzeug zu überholen, was zur fatalen Begegnung mit dem Kläger führte. Der Kläger, ohne erforderliche Fahrerlaubnis und mit dem Kennzeichen Y unterwegs, kam auf der Gegenfahrbahn entgegen. Wegen einer Geländekuppe erkannte der Beklagte zu spät, dass ihm der Kläger entgegenkam. Beide Motorradfahrer stießen zusammen, wobei schwere Verletzungen entstanden. Der Kläger erlitt eine Amputation des linken Beines und musste umfangreiche medizinische Behandlungen durchlaufen. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten leistete Vorschüsse, die der Kläger teilweise auf materielle Schäden und Schmerzensgeldansprüche verrechnete.

Rechtliche Auseinandersetzung: Schadenersatz und Haftungsfrage

Der Kläger forderte Schadenersatz und ein angemessenes Schmerzensgeld, da er den Beklagten als alleinigen Verursacher des Unfalls ansah. Er behauptete, korrekt gefahren zu sein, während der Beklagte die Schuld teilweise dem Kläger zuschrieb. Er argumentierte, der Kläger sei zu weit links gefahren und hätte aufgrund fehlender Fahrerlaubnis nicht adäquat reagieren können. Das Landgericht gab der Klage vollumfänglich statt, indem es den Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld und weiteren Kosten verurteilte. Es begründete dies damit, dass der Beklagte den Unfall grob verkehrswidrig verursacht habe.

OLG Frankfurt urteilt: Überholen unter Risiko

Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Es wies darauf hin, dass der Beklagte den Unfall allein verursacht habe, da er die Gegenfahrbahn beim Überholen nicht einsehen konnte. Dies stellt einen gravierenden Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO dar. Zudem sei die Kollision der Motorräder auf der Fahrbahnseite des Klägers erfolgt, was die Alleinschuld des Beklagten unterstreicht. Das Gericht legte dar, dass der Beklagte beim Überholen die gesamte Strecke hätte überblicken müssen, was offensichtlich nicht der Fall war.

Das Urteil: Schmerzensgeld und vollständige Haftung

Das OLG Frankfurt bestätigte die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 75.654,53 Euro und weiterer Kosten an den Kläger. Der Beklagte wurde verpflichtet, alle materiellen und immateriellen Schäden des Klägers zu tragen. Dies schließt erhöhte Mietkosten für eine behindertengerechte Wohnung und weitere Folgekosten ein. Das Gericht betonte, dass die schweren Verletzungen des Klägers, insbesondere die Amputation, ein angemessenes Schmerzensgeld rechtfertigen. Das Urteil zeigt deutlich auf, dass bei Verkehrsverstößen, insbesondere bei riskanten Überholmanövern, mit schwerwiegenden rechtlichen und finanziellen Konsequenzen zu rechnen ist.

Das Urteil des OLG Frankfurt setzt damit ein klares Signal hinsichtlich der Verantwortung und Haftung im Straßenverkehr, besonders bei riskanten Überholmanövern. Es unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Verkehrsregeln und der vorausschauenden Fahrweise zur Vermeidung schwerwiegender Unfälle und deren Folgen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was umfasst der Überholvorgang nach § 5 StVO und welche Anforderungen sind dabei zu erfüllen?

Der Überholvorgang nach § 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO) umfasst mehrere Aspekte und Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass ein Überholvorgang stattfindet, wenn ein Verkehrsteilnehmer, der sich auf derselben Fahrbahn in derselben Richtung bewegt, von hinten an einem anderen vorbeifährt.

Gemäß § 5 StVO sind folgende Anforderungen zu erfüllen:

  • Es ist grundsätzlich links zu überholen.
  • Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist.
  • Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.
  • Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden.
  • Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen sind rechtzeitig und deutlich anzukündigen, dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.
  • Es darf nicht überholt werden, wenn die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m beträgt.
  • Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.
  • Schienenfahrzeuge sind rechts zu überholen. Nur wer das nicht kann, weil die Schienen zu weit rechts liegen, darf links überholen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass es bestimmte Situationen gibt, in denen das Überholen verboten ist, wie z.B. bei unklarer Verkehrslage, an Fußgängerüberwegen und wenn bestimmte Verkehrszeichen (z.B. Zeichen 276 und 277) ein Überholverbot anzeigen.

Verstöße gegen diese Regeln können zu Bußgeldern, Punkten in Flensburg und in schweren Fällen sogar zu einem Fahrverbot führen.

Welche Rolle spielt das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 StVO im Kontext von Verkehrsunfällen?

Das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) spielt eine wesentliche Rolle im Kontext von Verkehrsunfällen. Es besagt, dass Fahrzeuge auf Straßen möglichst weit rechts fahren müssen, um die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf des Verkehrs zu gewährleisten.

Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot können zu Verkehrsunfällen führen und werden entsprechend geahndet. Beispielsweise wurde in einem Urteil des AG Singen ein Verkehrsunfall zwischen zwei Fahrzeugen behandelt, der durch einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot verursacht wurde. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des Rechtsfahrgebots und die Notwendigkeit für Fahrer, sich stets an die Verkehrsregeln zu halten.

Die Missachtung des Rechtsfahrgebots kann zu Bußgeldern und Punkten im Verkehrszentralregister führen. Die Höhe der Strafe richtet sich nach der Schwere des Verstoßes. Bei Verstößen, die zu einem Unfall führen, sind die Strafen in der Regel höher. So kann beispielsweise das Missachten des Rechtsfahrgebots bei Gegenverkehr und daraus resultierender Gefährdung zu einem Bußgeld von 80 Euro und einem Punkt im Verkehrszentralregister führen. Wenn ein Unfall die Folge ist, erhöht sich das Bußgeld auf 100 Euro.

Es ist zu erwähnen, dass es Ausnahmen vom Rechtsfahrgebot gibt, wie beispielsweise bei Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen gemäß § 7 StVO. Diese Ausnahmen sind in der Regel auf eine hohe Verkehrsdichte zurückzuführen.

Daher ist das Rechtsfahrgebot ein wichtiger Faktor zur Vermeidung von Verkehrsunfällen und trägt maßgeblich zur Sicherheit auf den Straßen bei.

Wie wird Schmerzensgeld nach deutschem Recht bemessen und welche Faktoren fließen in die Entscheidung ein?

Die Bemessung von Schmerzensgeld nach deutschem Recht ist eine komplexe Angelegenheit, da es keine festen Sätze oder Formeln gibt. Stattdessen wird eine individuelle Bewertung der Kriterien vorgenommen, die auf den spezifischen Umständen des Falles basiert. Die Grundlage für den Anspruch auf Schmerzensgeld bildet § 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Es gibt mehrere Faktoren, die in die Entscheidung einfließen:

  • Art und Ausmaß der Verletzung: Die Intensität und Dauer der Schmerzen, die durch die Verletzung verursacht wurden, sind entscheidend. Je stärker und länger die Schmerzen, desto höher ist in der Regel das Schmerzensgeld. Auch das Ausmaß der körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung spielt eine Rolle.
  • Folgeschäden: Wenn der Geschädigte dauerhafte oder chronische Leiden oder einen irreparablen Schaden davonträgt, kann das Schmerzensgeld höher ausfallen.
  • Ursache der Verletzung: Wie es zur Verletzung kam und ob der Schädiger vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, kann ebenfalls den Anspruch auf Schmerzensgeld beeinflussen.
  • Eingriffsintensität: Wenn eine Operation notwendig ist, um das gesundheitliche Wohlbefinden des Geschädigten wiederherzustellen, kann dies auch einen Einfluss auf die Höhe des Betrags haben.
  • Vermögensverhältnisse des Verursachers: Die finanzielle Situation des Verursachers kann ebenfalls berücksichtigt werden.
  • Mitverschulden des Geschädigten: Wenn der Geschädigte eine Mitschuld am Ausmaß der Verletzung trägt, kann dies die Höhe des Schmerzensgeldes reduzieren.
  • Dauer der Beeinträchtigung: Je länger jemand mit den Folgen zu kämpfen hat, desto höher wird das Schmerzensgeld.

Es ist zu beachten, dass die endgültige Entscheidung über das Schmerzensgeld und seine Höhe immer vom Richter getroffen wird, der alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Schmerzensgeldtabellen können eine erste Orientierung bieten, aber sie sind nicht bindend und können die individuelle Beurteilung durch den Richter nicht ersetzen.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 15 U 72/14 – Urteil vom 26.02.2015

Die Berufung des Beklagten gegen das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 30. Januar 2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des landgerichtlichen Urteils teilweise wie folgt klargestellt wird:

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1. …

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.05.2013 erhöhte Mietkosten zu erstatten, die ihm durch den Umzug in eine behindertengerechte Wohnung in 06 nebst Stellplatz für seinen Pkw direkt am Haus entstanden sind und entstehen werden.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom ….2011 zu ersetzen, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 30.01.2014 sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aus dem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom ….2011 geltend.

An diesem Tag befuhr der Beklagte mit seinem Motorrad, amtliches Kennzeichen X, die Landesstraße … aus O1 kommend in Richtung O2. Dabei überholte er zunächst den in seiner Fahrtrichtung vor ihm fahrenden, vom Zeugen A gelenkten, Pkw und beabsichtigte, anschließend auch den vor dem Fahrzeug des Zeugen A fahrenden Pkw der Zeugin B zu überholen. Zur gleichen Zeit befuhr der Kläger – ohne im Besitz einer dafür erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein – mit seinem Motorrad, amtliches Kennzeichen Y, die … in entgegengesetzter Richtung. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten bzw. wegen einer Geländekuppe stellte der Beklagte erst unmittelbar nachdem er zum Überholen des Pkw der Zeugin B angesetzt hatte bzw. nach links ausgeschert war, fest, dass ihm der Kläger auf der Gegenfahrbahn entgegen kam. Während des vom Beklagten gleichwohl durchgeführten Überholvorgangs kam es sodann jeweils auf der linken Seite der Motorräder zu einem streifenden Anstoß. Infolgedessen kamen sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu Fall und zogen sich dabei schwerste Verletzungen zu, die beim Kläger unter anderem noch am Unfalltag im Wege einer Notfalloperation die Amputation des linken Beines bis oberhalb des Kniegelenkes erforderlich machten. Nach seiner stationären Aufnahme im C-Krankenhaus wurde der Kläger zunächst in der Zeit vom ….2011 bis ….2011 auf der Intensivstation ärztlich versorgt und anschließend vom ….2011 bis ….2011 auf der unfallchirurgischen Abteilung. Daran schloss sich in der Zeit vom ….2011 bis ….2011 eine Rehabilitationsbehandlung in der Klinik D in O3 an. Aufgrund der mit der Beinamputation einhergehenden körperlichen Behinderung musste der Kläger unter anderem seine bisherige Wohnung aufgeben und in eine behindertengerechte Wohnung nebst KfZ-Stellplatz umziehen.

Außergerichtlich hat die E AG als Haftpflichtversicherer des am Verkehrsunfall beteiligten Motorrades des Beklagten an den Kläger Vorschüsse in Höhe von insgesamt 45.000 € unter Rückforderungsvorbehalt mit der Maßgabe gezahlt, dass diese frei verrechenbar seien. Die an ihn gezahlten Vorschüsse hat der Kläger in Höhe eines Betrages von 20.654,53 € auf die ihm infolge des Verkehrsunfalles entstandenen materiellen Schäden verrechnet und den Restbetrag in Höhe von 24.345,47 € auf das von ihm wegen der erlittenen Verletzungen geltend gemachte Schmerzensgeld.

Der Kläger hat behauptet, zum Unfallzeitpunkt habe er mit seinem Kraftrad die … angemessen weit rechts, jedenfalls mit einem Abstand von mindestens 0,5 m zur Mittellinie befahren. Der Anstoß der Motorräder sei deshalb auf der von ihm befahrenen Fahrbahnhälfte erfolgt, so dass der Beklagte den Verkehrsunfall allein verursacht und verschuldet habe. Insoweit hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass der Beklagte deshalb die ihm infolge des Verkehrsunfalles entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu 100 % zu ersetzen habe. Im Hinblick auf die erlittenen Verletzungen hat der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 € für angemessen gehalten.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 777,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm vermehrte Bedürfnisse in Form höherer Mietkosten seit dem 01.05.2013 zu erstatten,

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, sämtliche weiter aus dem Unfallereignis vom …2011 entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu 100 % zu tragen, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Mit Schriftsatz vom 30.09.2013 hat der Beklagte unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt, verpflichtet zu sein, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis zu 25 % zu ersetzen, und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, der Kläger sei nahe der Straßenmitte gefahren, wobei sich seiner Meinung nach die Kollisionsstelle der Motorräder sogar noch leicht auf der von ihm befahrenen Fahrbahnhälfte befunden und der Kläger mit den linkseitigen Fahrzeugteilen seines Motorrades die Fahrbahnmitte überragt habe. Allenfalls möglich sei, dass sich beide Motorräder zum Unfallzeitpunkt direkt an der Fahrbahnmitte befunden hätten. Hinzu komme, dass der Kläger wohl mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h gefahren sei, bevor er sein Krad kurz vor dem Unfall noch abgebremst habe. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, den Kläger treffe ein weit überwiegendes, zumindest jedoch hälftiges Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalles, insbesondere deshalb, weil er die … deutlich zu weit links befahren habe. Hinzu komme, dass er wegen der fehlenden Fahrerlaubnis keine Ausbildung zum Motorradfahren absolviert habe und deshalb entsprechend unsicher gefahren und es ihm auch nicht möglich gewesen sei, nach rechts auszuweichen, um die Kollision der Motorräder zu vermeiden. Im Übrigen wird hinsichtlich des diesem Rechtsstreit zugrundliegenden Sachverhalts auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil vom 30.01.2014 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Durch dieses Teilanerkenntnis- und Schlussurteil hat das Landgericht der Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme in vollem Umfange stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.654,53 € und weitere 777,19 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, vermehrte Bedürfnisse in Form höherer Mietkosten ab dem 01.05.2013 zu zahlen und sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu 100 % aus dem Verkehrsunfallereignis vom …2011 zu tragen, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen angeführt, der Beklagte habe den Unfall grob verkehrswidrig herbeigeführt, wobei für einen Verstoß gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten bereits der Grundsatz des Anscheinsbeweises spreche. Außerdem habe der Beklagte den Unfall alleine verschuldet, was sich aufgrund der glaubhaften Aussagen der vernommenen Zeugen sowie des vom Sachverständigen F im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens erstatteten Sachverständigengutachtens vom 10.05.2012 und dessen Ausführungen anlässlich seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.01.2014 ergebe, der bei seiner Beurteilung des Verkehrsunfallgeschehens die für den Beklagten günstigste Variante zugrunde gelegt habe (gemeint ist insoweit ein vom Sachverständigen ermittelter Kollisionspunkt von 0,6 m von der Fahrbahnmitte entfernt auf der Fahrbahn des Klägers) . So habe der Sachverständige plausibel dargelegt, dass die Kollision der Motorräder realistischer sogar 1,3 m von der Fahrbahnmitte auf der vom Kläger befahrenen Fahrbahnhälfte stattgefunden habe. Demgegenüber sei der Unfall für den Kläger unvermeidbar gewesen, der keine Reaktionsmöglichkeit mehr gehabt habe, weil ihm nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen lediglich ein Zeitraum von 0,7 Sekunden verblieben sei, um auf das Fahrverhalten des Beklagten zu reagieren. Insoweit habe es weder der Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens noch eines Schriftsatznachlasses auf die im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.01.2014 durchgeführte Beweisaufnahme bedurft. Aus der Terminsverfügung sei ersichtlich gewesen, dass der Sachverständige als solcher geladen worden sei, wobei folgerichtig auch das von ihm im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens erstattete Gutachten per Beschluss beigezogen worden sei, was sich als zweckmäßig und prozessökonomisch erweise.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er dessen Abänderung und Abweisung der Klage begehrt, soweit er die Klageforderung nicht mit Schriftsatz vom 30.09.2013 anerkannt hat.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht sei zu Unrecht von seiner Alleinhaftung ausgegangen. Dies insbesondere deshalb, weil es den eklatanten Verstoß des Klägers gegen das Rechtsfahrgebot nicht angemessen gewürdigt und unberücksichtigt gelassen habe, dass es ohne ein mittiges Fahren niemals zu dem Verkehrsunfall bzw. Zusammenstoß gekommen wäre. Dabei habe sich das Landgericht verfahrensfehlerhaft unter anderem auf das Gutachten des Sachverständigen F gestützt, der zu keinem Zeitpunkt im vorliegenden Rechtsstreit zum Sachverständigen bestellt worden sei. Seine Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.01.2014 habe deshalb die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nicht ersetzen können, wobei das Landgericht außer Acht gelassen habe, dass selbst nach den unrichtigen Feststellungen des Sachverständigen F der Kläger mindestens mit einem Abstand von 1,5 m zum rechten Fahrbahnrand gefahren sei. Davon abgesehen habe der Sachverständige F auch nicht die für ihn günstigste Variante zugrunde gelegt, sondern eingeräumt, dass bei der günstigsten Variante nochmals hätte nachberechnet werden müssen.

Das Landgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass es dem Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit oder der notwendigen Fahrzeugbeherrschung ein Leichtes gewesen wäre, auf sein Fahrverhalten durch Ausweichen nach rechts oder durch Bremsen zu reagieren. Insoweit habe sich der Umstand ausgewirkt, dass der Kläger nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen sei und ein entsprechend ausgebildeter und befähigter Motorradfahrer in der konkreten Situation den Unfall hätte vermeiden können. Schließlich werde nach wie vor bestritten, dass der Verkehrsunfall teilweise auf der vom Kläger befahrenen Richtungsfahrbahn stattgefunden habe. Insoweit gehe er, der Beklagte, davon aus, dass sich der Unfall maximal soweit links ereignet habe, wie sich die Mittellinie der Straße befinde. Das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld sei übersetzt. Insbesondere sei die anscheinend vorgenommene Schmerzensgelderhöhung aufgrund des Verhaltens der Beklagtenseite vollkommen abwegig und verfehlt, wobei zudem nicht berücksichtigt worden sei, dass er den Umfang der erlittenen Verletzungen bestritten habe. In diesem Zusammenhang habe das Landgericht die dem Kläger außergerichtlich zur Verfügung gestellten Beträge nicht vollständig berücksichtigt und außer Acht gelassen, dass er der vom Kläger vorgenommenen Verrechnung mit der Folge widersprochen habe, dass nicht lediglich 24.345,47 € vom Schmerzensgeld in Abzug hätten gebracht werden müssen, sondern die gesamten Vorschusszahlungen seiner Haftpflichtversicherung.

Vorsorglich erklärt der Beklagte deshalb hilfsweise die Aufrechnung mit weiteren gezahlten 20.654,53 € gegenüber dem Kläger gegebenenfalls zustehenden Schmerzensgeldansprüchen. Außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren habe das Landgericht ohne Eingehen auf sein Bestreiten zugesprochen und ihm zu Unrecht auch die Kosten für das erfolgte Teilanerkenntnis auferlegt, obgleich er zu keinem Zeitpunkt zur Abgabe der entsprechenden Erklärung aufgefordert worden sei.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die fristgerecht nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils (24.04.2014) am 29.04.2014 eingelegte und innerhalb der bis zum 24.08.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 05.08.2014 begründete Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf vollständigen Ersatz der ihm infolge des Verkehrsunfalles vom ….2011 auf der Landesstraße … entstandenen Schäden und demgemäß einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in der vom Landgericht zugesprochenen Höhe von 75.654,53 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 11, 17 Abs. 1, 2 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.

Der Beklagte hat nämlich als Führer seines Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen X den Verkehrsunfall vom ….2011 auf der Landesstraße … zwischen O1 und O2, an dem der Kläger mit seinem Motorrad mit dem amtlichen Kennzeichen Y beteiligt war, allein verursacht und verschuldet.

Im Rahmen der Haftungsabwägung gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG kommt eine Verteilung des Schadens nicht in Betracht. Dahingestellt bleiben kann deshalb, ob der Unfall für den Kläger oder den Beklagten, was für diesen von vorneherein ohnehin nicht angenommen werden kann, ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Denn der Verursachungsbeitrag und das Verschulden des Beklagten am Zustandekommen des Unfalles überwiegt derart, dass eine Mithaftung des Klägers ausscheidet.

Bei der nach §§ 17 Abs. 1, 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge der am Unfall Beteiligten sind nämlich nur unstreitige, zugestandene oder erwiesene Tatsachen zugrunde zu legen (vgl. Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 17 StVG Rdnr. 5 m. w. Nachw.).

Nach seinem eigenen unstreitigen Vorbringen hat der Beklagte, nachdem er zunächst das vor ihm fahrende und vom Zeugen A gelenkte Fahrzeug überholt hatte, auch zum Überholen des sodann vor ihm fahrenden Fahrzeugs der Zeugin B angesetzt und den Überholvorgang durchgeführt, ohne den vor ihm liegenden Straßenbereich der …, insbesondere die Gegenfahrbahn, wegen der örtlichen Verhältnisse bzw. einer Geländekuppe einsehen zu können. Gleichermaßen hat der Beklagte eingeräumt, dass er bei Einleitung des Überholvorgangs nicht erkennen konnte, dass ihm der Kläger auf der Gegenfahrbahn mit seinem Motorrad entgegenkam, und deshalb trotz des im Gegenverkehr herannahenden Klägers überholt hat.

Damit steht zu Lasten des Beklagten fest, dass er unter Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO zum Überholen des Fahrzeugs der Zeugin B angesetzt und anschließend den Überholvorgang durchgeführt hat.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO darf nämlich nur überholen, wer übersehen kann, dass während des gesamten Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Dabei muss der Überholer überblicken können, dass der gesamte Vorgang vom Ausscheren bis zum Wiedereingliedern mit dem richtigen Abstand unter Berücksichtigung etwaigen erst während des Überholens auftauchenden Gegenverkehrs für einen durchschnittlichen Fahrer ohne irgendein Wagnis gefahr- und behinderungslos möglich sein werde (vgl. Hentschel/König/Dauer-König, a. a. O., § 5 StVO Rdnr. 25 m. w. Nachw. der Rspr.). Muss er zum Überholen die Gegenfahrbahn benutzen, darf er nur Überholen, wenn er diese auf der gesamten zum Überholen benötigten Strecke zuzüglich des Weges überblicken kann, den ein etwaiges mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit entgegenkommendes Fahrzeug zurücklegt (Hentschel/ König/ Dauer-König, a. a. O.). Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Landgericht nach dem Ergebnis der im ersten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Fahrverhalten des Beklagten um einen groben Verkehrsverstoß gehandelt hat, weil er den Überholvorgang insbesondere auch unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn durchgeführt hat und es deshalb auf der Fahrspur des Klägers zum Zusammenstoß der Motorräder gekommen ist. Das ergibt sich zweifellos aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen F in seinem schriftlichen Gutachten vom 10.05.2012 und seinen mündlichen Ausführungen anlässlich seiner Anhörung durch das Landgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.01.2014, wonach die Kollision der Motorräder nach den festgestellten Unfallspuren auf der vom Kläger befahrenen Fahrbahnhälfte der … stattgefunden hat, und zwar in einem Abstand zur Fahrbahnmitte von mindestens 0,6 m, eher aber von 1,3 m.

Die vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind damit auch der Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren zugrunde zu legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO).

Die Bindung an die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts würde nur dann entfallen, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen und deshalb eine erneute Feststellung im Berufungsverfahren gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbsatz 2 ZPO).

Solche Anhaltspunkte, die die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind, was unter anderem dann der Fall ist, wenn die Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil unvollständig und in sich widersprüchlich ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, so dass die konkrete Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses besteht (BGH NJW 2004, S. 1876 unter II. der Gründe; BGH NJW 2004, S. 2828 (2830) mit weiteren Nachweisen).

Dahingehende Verfahrensfehler des Landgerichts bei der Beweiswürdigung sind indes nicht ersichtlich. Insbesondere konnte das Landgericht zur Tatsachenfeststellung gemäß § 411 a ZPO auch das vom Sachverständigen F im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft O4 -Az.: … erstattete schriftliche Gutachten vom 10.05.2012 verwerten, weil es sich dabei um ein staatsanwaltschaftlich eingeholtes Sachverständigengutachten handelte. Dabei bedurfte es vor dessen Verwertung auch nicht der Übersendung an die Parteien (vgl. hierzu allg.: BGH, MDR 2012, S. 226), weil ihnen das Gutachten aus dem Ermittlungsverfahren bekannt war, wobei im Übrigen die Anordnung der Verwertung durch einen entsprechenden landgerichtlichen Beschluss erfolgte, das Gutachtenergebnis Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2014 war und der Beklagte Gelegenheit hatte, den Sachverständigen anlässlich seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zu befragen. Davon abgesehen ist der Beklagte weder im ersten Rechtszug noch im vorliegenden Berufungsverfahren mit substantiiertem Vortrag den Feststellungen des Sachverständigen entgegengetreten, wonach die Kollision der Motorräder auf der vom Kläger befahrenen Fahrbahn der … stattgefunden hat. Denn bei dem im vorliegenden Berufungsverfahren wiederholten Vortrag des Beklagten, der Anstoß der beiden Motorräder könne gegebenenfalls sogar noch auf seiner Fahrbahn erfolgt sein, wobei er davon ausgehe, dass sich der Unfall zumindest im Bereich der Fahrbahnmitte ereignet habe, handelt es sich um bloße Mutmaßungen, ohne dass er dafür sprechende greifbare Anhaltspunkte vorgetragen hat. Letztlich handelt sich bei diesem Vorbringen schlicht um nicht substantiierten Vortrag ins Blaue hinein, so dass weder für das Landgericht noch für den Senat im vorliegenden Berufungsverfahren Veranlassung bestand, die Feststellungen des Sachverständigen F anzuzweifeln und ein ergänzendes Sachverständigengutachten zur Frage einzuholen, in welchem Bereich der … die Motorräder der Parteien kollidiert sind.

Demgegenüber kann nicht festgestellt werden, dass der Verkehrsunfall nicht lediglich auf einen Verkehrsverstoß des Beklagten, sondern auch auf ein im Rahmen der Haftungsabwägung zu berücksichtigendes Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen ist. Insbesondere hat der Kläger nicht gegen § 2 Abs. 2 StVO verstoßen, indem er nach seinem eigenen Vorbringen die… zum Unfallzeitpunkt nicht möglichst weit rechts befahren hat, sondern in seiner Fahrtrichtung mit einem Abstand von jedenfalls mehr als 0,5 m zur Mittellinie hin, was im Übrigen, wie oben ausgeführt, mit den Feststellungen des Sachverständigen F zum Kollisionspunkt der Motorräder übereinstimmt.

Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, ist dem Rechtsfahrgebot, das neben dem Überholverkehr auch den Gegenverkehr schützt, in der Regel noch genügt, wenn der Kraftfahrer einen Abstand zur Mittellinie von etwa 0,5 m einhält (vgl. BGH NJW 1990, S. 1850; Hentschel/König/Dauer-König, a. a. O., § 2 StVO Rdnr. 35 m. w. Nachw. der Rspr.). Ebenso wenig kann angenommen werden, dass der Kläger, wie vom Beklagten behauptet, zum Unfallzeitpunkt unter Verstoß gegen § 3 Abs. 3 Nr. 2 c StVO mit einer Geschwindigkeit von ca. 130 km/h gefahren ist. Es sind nämlich Anhaltspunkte, die für die pauschale Behauptung des Beklagten sprechen, dass der Kläger die im Bereich der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten habe, nicht ersichtlich und haben sich auch nicht aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme ergeben. Demgemäß kann im Rahmen der Haftungsabwägung nur angenommen werden, dass der Kläger nicht schneller als mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren ist, er mithin einen Verkehrsverstoß nicht begangen hat.

Schließlich hat bei der vorzunehmenden Haftungsabwägung unberücksichtigt zu bleiben, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt die zum Führen seines Kraftrades erforderliche Fahrerlaubnis nicht besessen hat, weil sich dies nicht auf das Unfallgeschehen ausgewirkt bzw. nicht zum Unfall beigetragen hat. Insbesondere hat der Beklagte weder hinreichend dargetan noch ist nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme entsprechend seinem Vorbringen davon auszugehen, dass der Kläger im Falle einer Fahrausbildung bzw. des Besitzes einer Fahrerlaubnis durch Einleitung eines entsprechenden Fahrmanövers auf die Verkehrssituation hätte reagieren und den Unfall vermeiden können. Auch bei diesem Vortrag des Beklagten handelt es sich wiederum um eine durch nichts belegbare Vermutung und damit ebenfalls um nicht substantiierten, also unbeachtlichen Vortrag, zumal der Sachverständige F in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend festgestellt hat, dem Kläger habe lediglich ein Zeitrahmen von 0,7 sec zur Verfügung gestanden, um auf das Fahrverhalten des Beklagten zu reagieren, womit es ihm letztlich unmöglich war, sich auf dieses grob verkehrswidrige Fahrverhalten einzustellen und die Kollision der Motorräder durch Einleitung eines entsprechenden Fahrmanövers, etwa eine Ausweichbewegung nach rechts, zu vermeiden.

Dass ein sonstiges Fehlverhalten des Klägers vorgelegen und zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, ist nicht ersichtlich.

Kann mithin insgesamt nicht angenommen werden, dass der Kläger den Unfall durch ein schuldhaftes Fehlverhalten oder durch einen Verkehrsverstoß mitverursacht hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Betriebsgefahr seines Motorrades erhöht war. Nachdem jedoch feststeht, dass der Verkehrsunfall auf einen groben Verkehrsverstoß des Beklagten zurückzuführen ist, weil er unter Verstoß gegen § 5 Abs. 2 StVO überholt hat, ist es gerechtfertigt, die dem Kläger anzulastende Betriebsgefahr seines Motorrades vollständig zurücktreten zu lassen. Der Beklagte hat deshalb für den dem Kläger infolge des Verkehrsunfalles vom …2011 entstandenen Schaden in vollem Umfange einzustehen.

Damit steht dem Kläger gegen den Beklagten auch ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu (§§ 11 Satz 2 StVG, 253 Abs. 2 BGB). Im Hinblick auf die schweren Verletzungen, die beim Kläger die Amputation des linken Beines bis oberhalb des Kniegelenks erforderlich machten, ist die Zusprechung eines Schmerzensgeldes in der vom Landgericht angenommenen Höhe von jedenfalls 100.000 Euro gerechtfertigt, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger nach seinem insoweit bestrittenen Vorbringen hierneben als Folge des Unfalls eine disseminierte intravaskuläre Koagulation und Blutungsanämie erlitten hat. Vorliegend bildet die wesentliche Grundlage für die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die der Kläger infolge der Amputation erlitten hat, die Dauer der Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit sowie der Grad des Verschuldens des Beklagten und die Gesamtumstände des Unfalles. Gemessen daran ist die Höhe des vom Landgericht zugesprochenen Betrages nicht zu beanstanden.

Dabei hat das Landgericht zutreffend die vom Kläger vorgenommene Verrechnung der außergerichtlich von der E AG als Haftpflichtversicherer des Motorrads des Beklagten gezahlten Vorschüsse in Höhe von insgesamt 45.000 Euro in Höhe eines Teilbetrages von 24.345,07 Euro auf das von ihm geltend gemachte Schmerzensgeld berücksichtigt und ein Schmerzensgeld von noch 75.654,53 Euro zugesprochen.

Denn die vom Kläger vorgenommene Verrechnung ist als Aufrechnung gemäß §§ 387 ff BGB mit seinem Schmerzensgeldanspruch gegenüber einem möglichen Rückforderungsspruch des Beklagten bzw. der hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherung zu werten.

Soweit der Beklagte im vorliegenden Berufungsverfahren nunmehr die Hilfsaufrechnung mit einem weiteren Teilbetrag in Höhe von 20.654,53 Euro gegenüber dem dem Kläger zustehenden Schmerzensgeldanspruch erklärt, ist diese im vorliegenden Berufungsverfahren gemäß § 533 ZPO nicht zuzulassen, weil deren Zulassung nicht sachdienlich ist.

Die Hilfsaufrechnung kann der Beklagte nämlich nicht auf Tatsachen stützten, die im vorliegenden Berufungsverfahren ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen sind, weil materielle Schadensersatzansprüche nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind und im ersten Rechtszug also dahingestellt bleiben konnte, ob der Kläger die Vorschussleistungen entsprechend dem Vorbringen des Beklagten mit materiellen Schadensersatzansprüchen deshalb zu Unrecht verrechnet hat, weil die einzelnen Positionen des geltend gemachten materiellen Schadens zwischen den Parteien im Streit stehen.

Darüber hinaus hat der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in der geltend gemachten Höhe von 777,19 Euro gemäß §§ 286, 288 Abs. 2 BGB, wobei es sich um solche Rechtsanwaltsgebühren handelt, die ihm aufgrund der außergerichtlichen Inanspruchnahme seiner Prozessbevollmächtigten entstanden sind und wegen der Anrechnung gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG nicht Gegenstand der gerichtlichen Kostenerstattung sind.

Dahingestellt bleiben kann, dass der Kläger seiner Gebührenberechnung lediglich einen Gegenstandswert von 45.000 Euro und nicht den des vorliegenden Rechtsstreits zugrunde gelegt hat. Auch wenn der Kläger damit offenbar nicht berücksichtigt hat, dass der Unfallschaden bzw. Unfall insgesamt Gegenstand der einheitlichen außergerichtlichen Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten war, ist die vorgenommene Gebührenberechnung nicht zu beanstanden, sondern nur außerhalb dieses Rechtsstreits zu berücksichtigen, sofern der Kläger zukünftig weitere Kosten der außergerichtlichen Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten geltend macht.

Schließlich hat das Landgericht im Rahmen der getroffenen Kostenentscheidung zu Recht dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit auferlegt hat, als er das Feststellungsbegehren des Klägers teilweise anerkannt hat. Bei dem vom Beklagten mit Schriftsatz vom 30.09.2013 erklärten Teilanerkenntnis handelt es sich insbesondere nicht um ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO. Der Annahme eines sofortigen Anerkenntnisses steht bereits entgegen, dass der Beklagte im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zunächst mit Schriftsatz vom 15.05.2013 beantragt hat, den Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen und die Klage abzuweisen, wogegen er erst nach Zustellung der Klage die Klageforderung teilweise anerkannt hat.

Wird im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren Klageabweisung beantragt und erst später anerkannt, geschieht dies nicht sofort im Sinne von § 93 ZPO (vgl. hierzu allg.: Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, § 93 ZPO, Rdnr. 9 m. w. Nachw.). Demgemäß greift vorliegend die Kostenfolge des § 93 ZPO zugunsten des Beklagten nicht ein, so dass ihm trotz des Teilanerkenntnisses gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug vollständig aufzuerlegen waren.

Nach alledem war die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts in vollem Umfange zurückzuweisen, wobei der Tenor des landgerichtlichen Urteils teilweise zur Klarstellung neu zu formulieren war, weil es insoweit keinen hinreichend bestimmten Inhalt hatte.

Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil seine Berufung ohne Erfolg geblieben ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

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