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Verkehrsunfall zwischen zwei rückwärtsfahrenden Fahrzeugen

AG Schwabach – Az.: 8 C 1489/15 – Urteil vom 19.04.2016

I. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 831,27 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.10.2015 zu bezahlen.

II. Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger von nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 108,29 EUR freizustellen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

Bis zum 12.01.2016 auf 904,92 EUR, ab dem 13.01.2016 auf 831,87 EUR.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten restlichen Schadensersatz in Folge eines Verkehrsunfalls am 14.07.2015 in A..

Der Kläger ist Eigentümer des Fahrzeugs Pkw H., amtliches Kennzeichen …, zum Unfallzeitpunkt gefahren von der Zeugin W., die Beklagte zu 1) ist Pflichtversicherer des Pkw F., amtliches Kennzeichen … zum Unfallzeitpunkt gefahren von der Beklagten zu 2).

Am 14.07.2015 fuhr die Zeugin W. mit dem klägerischen Fahrzeug auf dem K. ein Stück rückwärts. Aus der Abbiegung der Straße nach rechts näherte sich die Beklagte zu 2) mit ihrem Fahrzeug ebenfalls rückwärtsfahrend.

Der Kläger trägt vor, die Zeugin W. sei äußerst langsam ein kurzes Stück rückwärts gefahren. Als sie das Fahrzeug der Beklagten erkannt habe, habe sich unverzüglich bis zum Stillstand abgebremst und habe bereits eine gewisse Zeit, nämlich ca. 2 Sekunden, gestanden, als die Beklagte zu 2) mit ihrem Fahrzeug äußerst zügig rückwärts gegen das stehende Fahrzeug des Klägers gefahren sei. Der Kläger ist der Meinung, für die Zeugin W. sei die Kollision ein unabwendbares Ereignis gewesen. Die Beklagte zu 2) habe den Unfall, bei dem das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde, allein verschuldet.

Der Kläger macht auf der Basis eines Kostenvoranschlags folgenden Schaden geltend:

  • Reparaturkosten netto 1.485,42 EUR
  • Kosten für Kostenvoranschlag brutto 76,16 EUR
  • Auslagenpauschale 26,00 EUR
  • Gesamtschaden 1.587,58 EUR

Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 08.10.2015 wurde die Beklagte zu 1) zur Zahlung bis 21.10.2015 aufgefordert. Darauf hin zahlte die Beklagte auf die Reparaturkosten zunächst 669,16 EUR, auf die Auslagenpauschale 12,50 EUR. Nach einer weiteren Zahlung seitens der Beklagten zu 1) sind inzwischen auf die Reparaturkosten und die Auslagenpauschale insgesamt 755,71 EUR bezahlt. Die Hauptsache wurde in der Folge übereinstimmend in Höhe von 74,05 EUR für erledigt erklärt.

Der Kläger hat zunächst unter Ziffer II. beantragt, die Beklagten auch zur Zahlung außergerichtlich angefallener Rechtsanwaltsgebühren zu verurteilen, die er unstreitig bislang nicht an seinen Prozessbevollmächtigten gezahlt hat. Auf Hinweis des Gerichts hin, hat er den Antrag umgestellt auf Freistellung.

Der Kläger beantragt zuletzt,

I. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 831,87 EUR sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.10.2015 zu bezahlen,

II. die Beklagten zu verurteilen, den Kläger von den nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 108,29 EUR sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten, dass das klägerische Fahrzeug zum Kollisionszeitpunkt gestanden habe. Stattdessen seien beide Fahrzeuge rückwärts gefahren, so dass die außergerichtlich erfolgte Teilregulierung des Schadens ausreichend sei. Die Beklagten sind außerdem der Meinung, die Kosten für den Kostenvoranschlag seien nicht erstattungsfähig.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Es hat eine Beweisaufnahme stattgefunden mittels Erstattung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. G…. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz, gegen die Beklagte zu 1) gemäß §§ 823 BGB, 125 VVG, gegen die Beklagte zu 2) gemäß §§ 823 BGB, 18 Abs. 1 StVG.

Verkehrsunfall zwischen zwei rückwärtsfahrenden Fahrzeugen
(Symbolfoto: /Shutterstock.com)

Die Beklagte zu 2) hat den Unfall allein verursacht und verschuldet. Zwar sind beide Unfallbeteiligte vor der Kollision unstreitig rückwärts gefahren und unterlagen insofern auch beide der besonderen Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO, jedoch hat die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs das Beklagtenfahrzeug noch rechtzeitig erkannt und ihr eigenes Fahrzeug vor der Kollision zum Stehen gebracht. Dies haben die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. G… ergeben. Er hat aus technischer Sicht den Unfallverlauf analysiert und an Hand der Spuren der Fahrzeuge festgestellt, dass das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision gestanden hat. Keine Aussage machen konnte er zu Dauer der Stehzeit und zum exakten Kollisionspunkt. Dies ist jedoch im Ergebnis unerheblich. Zur Überzeugung des Gerichts steht aufgrund des Sachverständigengutachtens fest, dass der Unfall für die Zeugin W. unvermeidbar, für die Beklagte zu 2) dagegen vermeidbar war. Bezüglich der Unfallörtlichkeit hat die Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung die vom Sachverständigen angenommene Endstellung der Fahrzeuge nach der Kollision nur geringfügig korrigiert, so dass unstreitig ist, dass sich die Kollision im Bereich der zusammentreffenden Wege ereignet hat. Wie lang das Fahrzeug des Klägers vor der Kollision bereits gestanden hat, ist nicht endgültig aufklärbar. Der Kläger selbst gibt ca. 2 Sekunden Stehzeit an. Letztlich kommt es aber auch darauf nicht an angesichts der neueren Rechtsprechung des BGH vom 15.12.2015, Aktenzeichen VI ZR 6/15. Der BGH hat es hier für allein entscheidend angesehen, dass das rückwärts fahrende Fahrzeug vor einer Kollision noch zum Stehen gekommen ist. Der Fahrer habe dann, so der BGH, seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten genügt, so dass für den Anscheinsbeweis für ein Verschulden des rückwärts Fahrenden kein Raum bleibe. Der BGH hat es damit ausdrücklich nicht mehr auf die Länge der Stehzeit ankommen lassen. Zwar ist diese Entscheidung zu einem Unfall auf einem öffentlichen Parkplatz ergangen, jedoch sind die Erwägungen der Entscheidung auf den vorliegenden Fall anwendbar, auch wenn es sich hier nicht um einen Parkplatzunfall gehandelt hat. Der BGH hat ausgeführt, anders als im fließenden Verkehr mit seinen typischerweise schnellen Verkehrsabläufen, bei denen der Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, dass sein Verkehrsfluss nicht durch ein rückwärts fahrendes Fahrzeug gestört werde, gelte in der Situation auf dem Parkplatz ein solcher Vertrauensgrundsatz nicht (BGH a.a.O.). Er hat insofern zwar eine Abgrenzung zwischen der Parkplatzsituation und dem fließenden Verkehr festgestellt, im vorliegenden Fall ist die Situation aber eine besondere: beide Fahrzeuge sind rückwärts gefahren, unstreitig auch langsam. Ein „typischerweise schneller Verkehrsablauf im fließenden Verkehr lag also hier ebenfalls, wie auf einem Parkplatz, nicht vor.

Die Beklagten haben daher den restlichen Schadensersatz noch zu leisten. Streitig war im Rahmen der Schadenshöhe lediglich die Erstattungsfähigkeit der Kosten für den Kostenvoranschlag. Da der Kläger fiktiv abrechnet, sind diese Kosten erstattungsfähig. Alternativ wären auch die Kosten für ein Sachverständigengutachten, die erfahrungsgemäß höher wären, erstattungsfähig.

Der Anspruch auf die Zinsen ergeben sich als Verzugsschaden aus §§ 286, 288 BGB.

2.

Der Kläger hat außerdem einen Anspruch gegen die Beklagten auf Freistellung von den außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten, Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war erforderlich und zweckmäßig, die Kosten sind im Rahmen der Schadensersatzpflicht erstattungsfähig (Palandt 74. Auflage, RandNr. 57 zu § 249 BGB). Ein Zahlungsantrag, wie er ursprünglich gestellt war, hätte jedoch keinen Erfolg gehabt, da der Kläger unstreitig die Kosten nicht an seinen Prozessbevollmächtigten bezahlt hat. Insofern hat er gegenwärtig keinen diesbezüglichen Schaden. Die Umstellung des ursprünglichen Zahlungsantrags auf Freistellung hat das Gericht als sachdienlich erachtet.

Ein Zinsanspruch bezüglich des Freistellungsantrags besteht dagegen nicht. Insofern war die Klage in diesem Punkt abzuweisen.

3.

Kosten: §§ 91a, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 11 ZPO

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