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Arbeitslosenhilfe und absetzbare Versicherungsbeiträge

LSG Nordrhein-Westfalen

Az.: L 12 AL 104/03

Urteil vom 28.01.2004

Vorinstanzen:

I. Sozialgericht Gelsenkirchen – Az.: S 22 AL 198/02
II. Bundessozialgericht – Az.: B 7 AL 22/04 R


Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.03.2003 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2002 verurteilt, der Klägerin ab dem 31.05.2002 Arbeitslosenhilfe zu gewähren und dabei bei dem anzurechnenden monatlichen Bruttoeinkommen des Ehemannes weitere 36,78 Euro an Versicherungsbeiträgen in Abzug zu bringen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat 10 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe der der Klägerin für den am 31.05.2002 beginnenden Bewilligungsabschnitt zu gewährenden Arbeitslosenhilfe.
Die am 00.00.1952 geborene Klägerin bezog bis zum 30.05.1999 Arbeitslosengeld. Danach wurde ihr Arbeitslosenhilfe bewilligt, ab 31.05.2001 in Höhe von 177,87 DM wöchentlich nach der Leistungsgruppe D ohne Kindermerkmal. Anrechnungen wurden nicht vorgenommen, da auch ihr Ehemann arbeitslos war und Arbeitslosengeld bezog. Ab 22.10.2001 nahm der Ehemann der Klägerin eine Beschäftigung auf. Sein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen belief sich auf 3.360 DM (=1.717,94 Euro). Da die Berechnungen der Beklagten unter Berücksichtigung geltend gemachter Versicherungsbeiträge zu keinem Anrechnungsbetrag führten, wurde der Klägerin Arbeitslosenhilfe auch weiterhin in voller Höhe gewährt.
Am 29.04.2002 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung von Arbeitslosenhilfe über den 30.05.2002 hinaus. Zu diesem Zeitpunkt bezog sie Arbeitslosenhilfe in Höhe von 91,42 Euro wöchentlich = 13,06 Euro täglich. Als Aufwendungen für Versicherungen gab sie monatliche Beiträge für eine Hausratsversicherung von 9,58 Euro, für eine Lebensversicherungen von Höhe 287,81 Euro, für eine private Haftpflichtversicherung von 5,99 Euro, für die Kfz-Versicherung von 22,32 Euro und für eine Rechtschutzversicherung von 22,56 Euro an, insgesamt also in Höhe von 348,26 Euro.
Mit Bescheid vom 14.06.2002 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 31.05.2002 nur noch Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 29,26 Euro. Dabei wurde aus dem Einkommen des Ehemannes ein Betrag in Höhe von 61,11 Euro wöchentlich berücksichtigt. Die ungekürzte Arbeitslosenhilfe hätte wöchentlich 90,37 Euro betragen. Dabei ging die Beklagte von einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommens des Ehemannes in Höhe von 1.852,83 Euro aus. Von den Aufwendungen für den privaten Versicherungsschutz in Höhe von 348,26 Euro berücksichtigte die Beklagte unter Heranziehung der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 (Alhi-VO 2002) lediglich einen Betrag in Höhe von 3 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsentgelts des Ehemannes in Höhe von 55,58 Euro (=3 % von 1.852,83 Euro). Bezüglich der genauen Berechnung des Anrechnungsbetrages auf die Arbeitslosenhilfe der Klägerin wird auf Bl. 154 der Leistungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Mit Ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es müssten die gesamten nachgewiesenen Versicherungsbeiträge ihres Ehemannes von dessen Bruttoeinkommen abgesetzt werden und nicht nur 3 %. Die entsprechende Vorschrift der Alhi-VO 2002 sei nicht rechtmäßig. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2002 als unbegründet zurück. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit von § 3 Abs. 2 Alhi-VO 2002 seien nicht erkennbar.
Hiergegen hat die Klägerin am 11.11.2002 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben und zur Begründung vorgetragen: Sie empfinde es als ungerechtfertigt, dass bei der Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemannes gem. § 194 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) nicht der tatsächlich aufgewendete Betrag der Versicherungsbeiträge in Abzug gebracht worden sei, sondern nur der Pauschbetrag von 3 %. Soweit § 3 Abs. 2 Alhi-VO 2002 eine Pauschalierung und damit einen Höchstbetrag festlege, sei die Alhi-VO insoweit wegen Verstoßes gegen die Regelung des § 194 SGB III als höherrangiges Recht als unwirksam anzusehen. Im Rahmen der öffentlichen politischen Rentendiskussion seien die Arbeitnehmer aufgefordert worden, durch den Abschluss von Lebensversicherungsverträgen in verstärktem Maße eine Eigenvorsorge für den Rentenfall zu treffen. Unter diesen Voraussetzungen sei im Gegenzug die Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen bei der Berücksichtigung von Einkommen erforderlich. Die gegenteilige Auffassung dazu führen würde, dass während einer Beschäftigung eingegangene Lebensversicherungs- bzw. Rentenverträge im Falle der Arbeitslosigkeit nicht weitergeführt werden könnten. Darüber hinaus stelle die Regelung auch eine unzulässige Schlechterstellung der Versicherten in der gesetzlichen Sozialversicherung dar, weil Arbeitslose bzw. deren Partner, die nicht der gesetzlichen Sozialversicherung unterlägen würden, die tatsächlichen Aufwendungen absetzen könnten.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2002 zu verurteilen, die ab dem 31.05.2002 Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Versicherungsbeiträge zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten und darauf hingewiesen, dass sie weiterhin die Pauschalierungsregelung des § 3 Abs. 2 Alhi-VO 2002 für sachgerecht und anwendbar halte.
Mit Urteil vom 27.03.2003 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 31.05.2002 Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Versicherungsbeiträge zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Anrechnung der nachgewiesenen privaten Versicherungsbeiträge folge aus § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Die 3%-Regelung des § 3 Abs. 2 Alhi-VO 2002 sei nicht anwendbar, weil diese rechtswidrig sei. Die Grenzen einer zulässigen Pauschalisierung seien hier überschritten. Eine zulässige Pauschalisierung setze voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Diesen Anforderungen werde § 3 Abs. 2 Alhi-VO 2002 nicht gerecht wie gerade dieser Rechtsstreit zeige. Von den geltend gemachten Versicherungen in Höhe von 348,26 Euro werde lediglich ein Pauschbetrag in Höhe von 55, 58 Euro anerkannt. Allein für die Lebensversicherungen seien monatlich 287,81 Euro aufzubringen. Es sei zu berücksichtigen, dass aufgrund der politischen Rentendiskussion die Arbeitnehmer angehalten worden seien, durch den Abschluss von Lebensversicherungs- oder Rentenverträgen in verstärktem Maße Eigenvorsorge für den Rentenfall zu treffen. Die Pauschalisierung in § 3 Abs. 2 Alhi-VO 2002 führe letztlich dazu, dass eine Vielzahl der während einer Beschäftigung eingegangenen Lebensversicherungen bzw. Rentenverträge im Falle längerer Arbeitslosigkeit nicht weitergeführt werden könnten. Dies sei nicht hinnehmbar. Zudem stelle die Vorschrift eine von der Ermächtigung nicht gedeckte Benachteiligung der sozialversicherungspflichtigen Arbeitslosen dar. Der Privatversicherte könne im größeren Umfang Versicherungsbeiträge geltend machen als der in allen Zweigen der Sozialversicherung Pflichtversicherte. Wegen des genauen Wortlauts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 17.04.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.05.2003 eingegangene Berufung der Beklagten. Sie hält das angefochtene Urteil nicht für überzeugend. Ihre Vorgehensweise halte sich an den Gesetzestext, wonach abzusetzen seien … Beiträge zur privaten Versicherungen, soweit diese nach Grund und Höhe angemessen seien. Der unbestimmte Rechtsbegriff „angemessen“ werde durch § 3 Abs. 2 Alhi-VO 2002 konkretisiert, wonach ein Betrag in Höhe von 3 % des Einkommens abzusetzen sei. Anhaltspunkte dafür, dass diese Konkretisierung willkürlich sei, sehe die Beklagte im Gegensatz zum Sozialgericht nicht. Zu Unrecht gehe das Sozialgericht davon aus, dass § 3 Abs. 2 Alhi-VO 2002 den Gleichheitsgrundsatz verletze. Grund für die Differenzierung zwischen sozialversicherungspflichtigen Personen und solchen, die nicht versicherungspflichtig seien, sei, dass bei den Sozialversicherungspflichtigen bereits gem. § 194 Abs. 2 Nr. 2 SGB III die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung voll absetzbar seien, darüber hinaus werde ihnen noch ein Pauschbetrag in Höhe von 3 % eingeräumt. Für die Sozialversicherungsfreien erfolge in dieser Weise kein Abzug. Vielmehr erfolge ein Abzug nur nach Nachweis tatsächlicher Beträge. Indem die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung für die Klägerin schon von Anfang an in Abzug gebracht würden, erscheine es nicht willkürlich und entspreche zudem der aktuellen Gesetzeslage, die weiteren Versicherungsbeträge im Rahmen eines Pauschbetrages anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.03.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Während des Berufungsverfahrens sind weitere Bescheide zur Höhe der Arbeitslosenhilfe der Klägerin ergangen. Die Beteiligten haben sich darauf verständigt, dass nur der Bewilligungsabschnitt ab 31.05.2002 Gegenstand des Verfahrens sein soll und dass das Ergebnis dieses Rechtsstreits auf die Folgebescheide übertragen werden soll. Ferner besteht Einigkeit darin, dass das maßgebliche monatliche Bruttoeinkommen des Ehemannes der Klägerin von der Beklagten mit 1.852,83 Euro zutreffend errechnet worden ist (vgl. Protokollerklärungen vom 28.01.2004). Die Klägerin hat für das Jahr 2002 folgende Versicherungen ihres Ehemannes durch Belege umgerechnet auf Monatsbeträge und Euro nachgewiesen:
1. gesetzliche Kfz-Haftpflicht LVM 25,71 Euro
2. Kfz-Vollkasko LVM 28,51 Euro
3. Insassen-Unfall LVM 2,67 Euro
4. Privatrechtschutz AdvoCard 22,57 Euro
5. Privathaftpflicht Volksfürsorge 5,99 Euro
6. Hausrat Volksfürsorge 9,58 Euro
7. Kapitalbildende Lebensversicherung Volksfürsorge 287,81
= Euro 382,84 Euro
Zu den Beiträgen für die Lebensversicherung des Ehemannes hat die Klägerin im Termin vom 28.01.2004 erklärt, dass zwar die Beiträge noch vom Ehemann gezahlt würden, die Versicherungssumme aber komplett zur Sicherung eines Hypothekendarlehens des Sohnes im April 2002 an die Bank des Sohnes abgetreten worden sei. Der Sohn habe ihnen hierfür mündlich ein lebenslängliches Wohnrecht im Hause eingeräumt ab Fälligkeit der Versicherung. Man habe diese Lösung gewählt, um bei Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitslosigkeit die Lebensversicherung nicht zur Deckung des Lebensunterhaltes verwenden zu müssen. Man habe gehört, dass kapitalbildende Lebensversicherungen bei Arbeitslosigkeit zunächst verbraucht werden müssten. Dem habe man vorbeugen wollen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten mit der Stamm-Nr. 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet. Begründet ist die Berufung insoweit, als das SG zu hohe Beiträge für Versicherungen in Abzug gebracht hat. Berücksichtigungsfähig sind nur 92,36 Euro pro Monat = 21,31 Euro pro Woche und nicht 348,26 Euro pro Monat = 80,37 pro Woche. Unbegründet ist die Berufung, soweit sich die Beklagte gegen die Nichtanwendung der 3%-Regelung des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 wendet. In diesem Punkt war das Urteil des SG zu bestätigen.
Die Berufung ist unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen die Nichtanwendung der 3%-Regelung des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 wendet. Mit dem SG ist der Senat der Auffassung, dass der streitbefangene Bescheid der Beklagten insoweit rechtswidrig ist, als er die absetzbaren Versicherungsbeiträge des Ehemannes der Klägerin auf 3 % des Einkommens begrenzt. § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 ist insoweit rechtswidrig und nicht anzuwenden.
Nach § 190 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III – hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt gemeldet hat, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und bedürftig ist.
Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht.
Nach § 194 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III ist zu berücksichtigen das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt. Der Freibetrag ist gemäß Abs. 1 S. 2 dieser Vorschrift ein Betrag in Höhe der Arbeitslosenhilfe, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder der Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, entspricht, mindestens aber in Höhe des Betrags, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden Einkommenssteuer nicht festzusetzen wäre (§ 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommenssteuergesetzes). Nach § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB III sind vom Einkommen abzusetzen (Nr. 1) die auf das Einkommen entfallenden Steuern, (Nr. 2) Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, (Nr. 3) die notwendigen Aufwendungen für Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und (Nr. 4 a.F.) ein Betrag in angemessener Höhe von den Erwerbsbezügen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder der Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.
Nach § 206 Nr. 4 SGB III wird das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung zu bestimmen, ob und welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen abzusetzen Beträge zu berücksichtigen sind. Auf dieser Verordnungsermächtigung des § 206 SGB III beruht die AlhiVO 2002 vom 13.12.2001 (BGBl I S 3734), welche zum 01.01.2002 mit folgender Neuregelung in Kraft getreten ist:
§ 3 Abs. 2: Als Pauschbetrag für die nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom Einkommen abzusetzenden Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, ist ein Betrag in Höhe von 3 % des Einkommens abzusetzen, wenn der Arbeitslose und sein Partner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sind, in den übrigen Fällen die tatsächlichen Aufwendungen.
Diese Vorschrift ist zur Überzeugung des Senats wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig und daher nicht anzuwenden.
Mit der Differenzierung im Gesetz zwischen Pflicht- und gesetzlich vorgeschriebenen Beiträgen einerseits und „angemessenen“ Privatversicherungsbeiträgen andererseits hat der Gesetzgeber den Rahmen für eine ermächtigungskonforme Festlegung von Pauschbeträgen vorgegeben: Während Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung im Umfang der Beitragspflicht abzusetzen sind ebenso wie gesetzlich vorgeschriebene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, gibt es nur für die übrigen freiwilligen Privatversicherungen einen Anwendungsbereich zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit, welcher in Form von Pauschalen auch Raum lässt für eine Unterschreitung der tatsächlichen Prämienaufwendungen (SG Berlin, Info also 2003, 23 ff). Diesen Rahmen hat der Verordnungsgeber mit § 3 Abs 2 AlhiVO 2002 überschritten, denn er bezieht auch gesetzlich vorgeschriebene Beiträge in die Pauschalierung mit ein. Der Senat hält eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs 2 AlhiVO 2002 auf angemessene, nicht gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 nicht für möglich.
Im Übrigen ist es unter Zugrundelegung eines generellen Pauschbetrags in Höhe von 3 % des Einkommens gerade bei geringen Einkommen in der Regel nicht mehr möglich, die vom Gesetz nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in Abzug zu bringenden Beiträge vollständig zu berücksichtigen, so dass auch die Grenzen zulässiger Pauschalisierung überschritten sind.
Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nämlich, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muss in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen braucht der Gesetzgeber allerdings nicht um die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.
Die Typisierung setzt allerdings voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (so BVerfGE 87, 234 ff., ebenfalls zur Arbeitslosenhilfe).
Diesen Vorgaben wird § 3 Abs 2 Alhi VO 2002 nicht gerecht. Der Verordnungsgeber hat nämlich verkannt, dass die Höhe zu entrichtender Beiträge für Privatversicherungen sich am versicherten Risiko und nicht – wie im Falle der Sozialversicherungen – am Einkommen orientiert. Sein Ansatzpunkt, zur sachlichen Unterscheidung am anzurechnenden Einkommen anzuknüpfen, ist daher von vornherein verfehlt. Dieser Anknüpfungspunkt führt allein dazu, dass insbesondere Bezieher von niedrigen Einkommen durch die Begrenzung auf 3% nur noch Beiträge geltend machen können, die unter den tatsächlichen Aufwendungen liegen. Dies widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz.
Weil die Höhe der für Privatversicherungen zu entrichtenden Beiträge sich nicht am Einkommen orientiert, muss letztlich auch in Frage gestellt werden, ob – wie die Beklagte vorträgt – die Höhe der gewählten Pauschale auf praktischen Erfahrungen oder Erhebungen beruhen kann (vgl SG Berlin, Info also 2003, 23 ff, das auf andere Erhebungen mit anderen Ergebnissen verweist).

§ 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 ist demnach, wie bereits das SG zutreffend erkannt hat, rechtswidrig. Da hinsichtlich Rechtsverordnungen eine Verwerfungskompetenz der Gerichte besteht (vgl. BSG Urteil vom 24.11.1998 – B 1 A 1/96 R -), ist diese Vorschrift zu verwerfen mit der Folge, dass § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III unmittelbar anzuwenden ist.
Ob die 3%-Regelung noch aus anderen Gründen zu verwerfen gewesen wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden. Ob eine Verwerfung auch deshalb geboten gewesen wäre, weil eine Ungleichbehandlung gegenüber sozialversicherungsfreien Personen gegeben ist oder weil ab 01.01.2002 den Steuervergünstigungen im Zusammenhang mit der Absenkung des Rentenniveaus und der Einführung der sogenannten Riesterrente nicht Rechnung getragen worden ist, kann daher offen bleiben (vgl. hierzu SG Berlin, Urteil vom 30.08.2002 – S 58 AL 2103/02 -; SG Mannheim, Urteil vom 25.04.2002 – S 11 AL 1260/01 – und Winkler in Info also Nr. 2/02 S. 59 ff.). Der Senat hält es jedenfalls für bedenklich, dass ab 01.01.2002 ein Sozialhilfebezieher im Rahmen von § 76 Abs. 2 Nr. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Aufwendungen für die „Riester-Vorsorge“ im Rahmen von § 82 Einkommenssteuergesetz (EStG) zusätzlich zu den angemessenen Versicherungen absetzen kann, einem Arbeitslosen dies aber nur insgesamt mit 3 % seines Bruttoeinkommens für sämtliche gesetzlich vorgeschriebene und angemessene Versicherungen erlaubt sein soll.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist die streitige Problematik, welche Versicherungsbeiträge in welcher Höhe vom Einkommen des Ehemannes der Klägerin abzusetzen sind, nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III zu beurteilen. Dies führt dazu, dass neben den bereits von der Beklagten berücksichtigten Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung noch folgende Versicherungsbeiträge vom Einkommen des Ehemannes der Klägerin in Abzug zu bringen sind:
1. Kfz-Haftpflicht in Höhe von 308,51 Euro im Jahr, entsprechend 25,71 Euro im Monat als gesetzlich vorgeschriebene Versicherung
2. nach Grund und Höhe angemessene sonstige Versicherungen:
a) die Kfz-Vollkaskoversicherung bei einem 4 Jahre alten PKW in Höhe von 342,16 Euro im Jahr, entsprechend 28,51 Euro im Monat,
b) die Privathaftpflichtversicherung bei der Volksfürsorge Versicherung in Höhe von 5,99 Euro + 9,58 Euro = 15,57 Euro im Monat,
c) eine Rechtsschutzversicherung für die gesamte Familie in Höhe von 22,57 Euro im Monat. Der Senat hält für diese sinnvolle Risiken abdeckende und üblicherweise abgeschlossene Versicherungen a-c) die aufgewendeten Beiträge in Höhe von insgesamt 92,36 Euro im Monat für angemessen.
d) zu der Lebensversicherung des Ehemannes und der Insassenunfallversicherung PKW bemerkt der Senat folgendes:
Die Insassenunfallversicherung für den PKW in Höhe von 2,67 Euro im Monat (32,01 Euro/Jahr) wird nicht für angemessen gehalten, weil der Versicherungsschutz über die normale Haftpflichtversicherung für ausreichend angesehen wird.
Die Lebensversicherung des Ehemannes ist nicht zu berücksichtigen. Dabei weist der Senat darauf hin, dass sich hier nicht die grundsätzliche Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von vor dem Jahr 2002 abgeschlossenen kapitalbildenden Lebensversicherungen stellt (vgl. hierzu die grundsätzliche Entscheidung des Senats vom heutigen Tage – L 12 AL 175/03 -). Dort hat der Senat eine Anerkennung bejaht und gleichzeitig eine Begrenzung auf 1 % des maßgeblichen Bruttoeinkommens vorgenommen, wenn der Altersvorsorgezweck der Versicherung klar erkennbar ist. Dies ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil der Ehemann der Klägerin die Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bank des Sohnes zur Sicherung eines Hauskredits abgetreten hat. Als Sicherheit dient hier lediglich eine mündliche Zusage des Sohnes, im Alter mietfrei in dessen Haus wohnen zu können. Hintergrund war eigenen Bekundungen zufolge zudem, dass man die Lebensversicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit vor dem „Zugriff der Beklagten“ bei der Prüfung der Bedürftigkeit schützen wollte. Damit lässt sich ein hinreichender Altersvorsorgezweck der abgetretenen Lebensversicherung nicht mehr feststellen, so dass diese Versicherung insgesamt nicht mehr als angemessen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III angesehen werden kann.
Die Berufung der Beklagten musste somit in diesem Punkt Erfolg haben. Dies bedeutet, dass vom Bruttoeinkommen des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 1.852,83 Euro Versicherungsbeiträge in Höhe von monatlich 25,71 Euro für die gesetzlich vorgeschriebene Kfz-Haftpflicht und 66,65 Euro für sonstige Versicherungen, insgesamt also 92,36 Euro, in Abzug zu bringen sind. Da die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 55,58 Euro anerkannt hat, war sie unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, weitere 36,78 Euro pro Monat abzuziehen und hiervon ausgehend die Arbeitslosenhilfe der Klägerin zu berechnen. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG -. Sie berücksichtigt, dass die Beklagte gegenüber der Entscheidung des SG rechnerisch zu etwa 1/10 unterlegen ist.
Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG zugelassen, weil er der Frage grundsätzliche Bedeutung zugemessen hat, ob der Pauschbetrag von 3% des Einkommens in § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 rechtswidrig ist.

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