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Versicherungsvertrag – automatische Verlängerung zulässig?

AG Meldorf

Az: 81 C 834/10

Urteil vom 26.10.2010


I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Unter Verzicht auf den Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus § 1 VVG keinen Anspruch auf Zahlung von Versicherungsprämien für den Zeitraum März bis Dezember 2009.

Die Parteien hatten allerdings drei Unfallversicherungsverträge geschlossen, wobei monatlich auf zwei Verträge 11,76 Euro und auf den dritten Vertrag 13,14 Euro zu zahlen waren. Wegen der Erhöhung der Versicherungssteuer von 16 auf 19% zum 01.01.2007 hatte der Beklagte seit 2007 monatlich auf zwei Verträge 12,06 Euro und auf den dritten Vertrag 13,48 Euro zu zahlen. Nach § 7 VersStG ist der Beklagte Steuerschuldner und entrichtet die Klägerin die Steuer für seine Rechnung. Bei dieser Sachlage hat der Beklagte auch für Steuererhöhungen unmittelbar aufzukommen, zumal die Versicherungssteuer im Versicherungsschein nur vorläufig („z.Zt.“) bezeichnet war (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 674; Seybold, VW 1988, 1606). Das Versicherungsentgelt war am 1. des jeweiligen Monats zu zahlen.

Der Beklagte hatte die vereinbarten Versicherungsprämien indes nur bis zum vereinbarten Vertragsende am 22.04.2008 zu zahlen. In den Versicherungsscheinen aus dem Jahr 2003 war als „Ablauf“ der Versicherungen der „22.04.2008, mittags 12 Uhr“ kalendermäßig bestimmt. Von einer Vertragsverlängerung ist in dem Versicherungsschein keine Rede, sondern nur auf einem beigefügten Merkblatt und den beigefügten allgemeinen Versicherungsbestimmungen. In den allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Klägerin (Ziff. 10.2) war insoweit vorgesehen, dass sich der Vertrag um jeweils ein Jahr verlängern sollte, wenn er nicht spätestens drei Monate vor dem Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres gekündigt wird. Diese Klausel ist nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden (vgl. BGH, NJW 1989, 2255; OLG Frankfurt, ZfSch 1990, 239; OLGR Saarbrücken 2008, 749). Sie war nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Versicherungsscheins, so ungewöhnlich, dass der Beklagte mit ihr nicht zu rechnen brauchte.

Der Beklagte durfte aufgrund der Angabe im Versicherungsschein von einer bestimmten Vertragsdauer ausgehen. Das ist keine unzulässige Herauslösung einer Regelung aus ihrem Zusammenhang. Damit wird vielmehr der auch der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden Erfahrungstatsache Rechnung getragen, dass pauschal in Bezug genommene Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht oder nur oberflächlich zur Kenntnis genommen werden, aus dem individuell vereinbarten oder besonders herausgestellten Teil des Vertrages jedoch allgemeine Vorstellungen darüber gewonnen werden und gewonnen werden müssen, für welche Bereiche überhaupt noch eine Detailregelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erwartet werden kann. Die wesentlichen Vereinbarungen über die vereinbarte Versicherung finden sich hier im dem Versicherungsschein. Dort findet sich gleich zu Beginn die Angabe, dass als „Ablauf“ der Versicherung der 22.04.2008 vorgesehen war. Dies ist – ohne Berücksichtigung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – als eindeutige Festlegung einer bestimmten Vertragsdauer zu verstehen.

Bei einer derartig auf eine fest begrenzte Vertragsdauer ausgerichteten Vertragsbestimmung konnte nicht damit gerechnet werden, dass sich über die pauschal in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen praktisch eine entgegengesetzte Regelung, nämlich ein Vertrag mit unbegrenzter Dauer bei eingeschränkter Kündigungsmöglichkeit, ergeben sollte. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass Verlängerungsklauseln der in Streit stehenden Art an sich zulässig und in der Versicherungsbranche auch üblich sind. Auch bei einer weitgehend üblichen Regelung kann – wenn sie von solcher Bedeutung ist wie eine automatische Vertragsverlängerung – erwartet werden, dass sie hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht und nicht versteckt wird. Ein Versicherungsnehmer braucht keinesfalls damit zu rechnen, dass die auf der ersten Seite des Versicherungsscheins getroffene Festlegung einer begrenzten Vertragsdauer durch Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einer unbegrenzten wird.

Es kann dahingestellt bleiben, ob im Ergebnis anders zu entscheiden wäre, wenn Verlängerungsklauseln nicht nur in einem allgemeinen Sinne üblich, sondern nahezu selbstverständlich wären und fast ausnahmslos vereinbart würden oder üblicherweise gerade in einer den widersprüchlich erscheinenden Angaben des vorliegenden Falls entsprechenden Form vereinbart würden. Einen solchen Sachverhalt hat die Klägerin mit ihrem allgemeinen Hinweis auf die Üblichkeit von Verlängerungsklauseln im Versicherungsrecht nicht vorgetragen.

Die Verlängerungsklausel wäre dann nicht als überraschend anzusehen, wenn der Beklagte bei den Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen worden wäre, wobei die Beweislast für einen solchen Sachverhalt bei der Klägerin liegt. Die Klägerin nimmt insoweit Bezug auf ein dem Versicherungsschein beigefügtes Hinweisblatt. Dort finden sich diverse Hinweise. Die Verlängerungsklausel wird nicht hervorgehoben im Fließtext unter der Überschrift „Vertragsdauer“ nach dem Satz „Die Versicherung gilt für die vereinbarte Dauer“ referiert. Aus denselben Gründen wie zu den Versicherungsbedingungen ausgeführt ist dieser Hinweis indes überraschend und nicht ausreichend. Der Beklagte musste mit ihm an dieser Stelle und in dieser Form nicht rechnen.

2. Ist die Klage sonach wegen der Hauptforderungen unbegründet, so kann sie auch wegen der darauf gestützten Nebenforderungen keinen Erfolg haben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Divergierende Rechtsprechung ist nicht ersichtlich. Eine allgemeine Bedeutung ergibt sich noch nicht daraus, dass die Klägerin im Jahr 2003 alle Versicherungsscheine in derselben Art gestaltet haben mag, weil nicht ersichtlich ist, ob daraus im Bezirk des Berufungsgerichts noch eine weitere Rechtsstreitigkeit erwachsen wird. Dass Verlängerungsklauseln branchenweit üblicherweise gerade in einer den widersprüchlich erscheinenden Angaben des vorliegenden Falls entsprechenden Form und ohne Hinweis im Versicherungsschein vereinbart würden, ist – wie bereits dargelegt – nicht ersichtlich.

Beschluss

Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird auf 362,60 Euro festgesetzt.

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