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Verstoß gegen Corona-VO – Geldbuße – Bemessung

OLG Karlsruhe – Az.: 1 Rb 34 Ss 398/22 – Beschluss vom 12.07.2022

In dem Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen die Corona-Verordnung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen – durch die unterzeichnenden Richter am 12. Juli 2022 beschlossen:

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 28. März 2022 wird das Urteil mit der Maßgabe, dass der Betroffene wegen vorsätzlichen Betreibens einer Prostitutionsstätte entgegen des Betriebsverbots für eine solche Einrichtung in Tateinheit mit vorsätzlichem Betreiben einer Prostitutionsstätte ohne Erlaubnis verurteilt wird, im Rechtsfolgenausspruch mit den zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben. Seine weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO) verworfen.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Pforzheim zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Pforzheim verurteilte den Betroffenen wegen Betreibens einer Prostitutionsstätte entgegen des Betriebsverbots für eine solche Einrichtung durch Vermietung von Terminwohnungen an mehrere Personen in Tateinheit mit Betreibens einer Prostitutionsstätte ohne Erlaubnis zu einer Geldbuße von 8.000,- €.

Die gegen dieses Urteil in zulässiger Weise eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser eine Aufhebung des Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen begehrt, hat mit der Sachrüge in genanntem Umfang vorläufigen Erfolg, da die Erwägungen des Gerichts zur Strafzumessung einen durchgreifenden Rechtsfehler aufweisen, als das Gericht, das ausweislich der getroffenen Feststellungen und der vorgenommenen Beweiswürdigung von einem vorsätzlichen Verstoß des Betroffenen gegen das IfSG und gegen das ProstSchG ausgeht, diesen Umstand entgegen § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 46 Abs. 3 StGB erneut — strafschärfend — bei der Bemessung der festzusetzenden Geldbuße berücksichtigt hat. Darüber hinaus sind die — vorliegend zu treffenden – Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen lückenhaft.

II.

1. Zutreffend legt das Gericht bei der Bemessung der Geldbuße ausgehend von § 73 Abs. 1 a Nr. 24 Abs. 2 IFSG einen Bußgeldrahmen von bis zu 25.000,- € zugrunde. Bei den im Folgenden ausgeführten Zumessungserwägungen bewertet das Gericht unter anderem zu Lasten des Betroffenen, dass dieser den Verstoß vorsätzlich beging. Dies ist rechtsfehlerhaft und begründet die Rechtsbeschwerde.

Verstoß gegen Corona-VO – Geldbuße - Bemessung
(Symbolfoto: Animaflora PicsStock/Shutterstock.com)

Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind grundsätzlich gern. § 17 Abs. 3 OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Ergänzend können die wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden. Den Vorwurf, der den Täter trifft, nennt § 17 Abs. 3 S. 1 OWiG selbständig neben der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit. Hiermit ist der individuelle Schuldvorwurf gemeint. Nicht maßgebend kann sein, ob der Täter vorsätzlich oder nur fahrlässig gehandelt hat; denn davon hängt bereits der Bußgeldrahmen selbst ab (vgl. § 17 Abs. 2 OWiG), so dass diese Umstände nicht nochmals innerhalb des jeweiligen Bußgeldrahmens erschwerend oder mildernd berücksichtigt werden dürfen (Göhler/Gürtler, OwiG, 17. Aufl. 2017, § 17 Rn. 17). Dies stellt einen Verstoß gegen den Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB dar, der auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. v. 05.12.2013 – 3 Ss OWi 1470/13 – juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.10.1992 – 1 Ws (OWi) 878/91, 5 Ss (OWi) 309/92 – (OWi) 132/92 I VRS 84, 340 – juris). Demnach besteht ein Doppelverwertungsverbot, welches verhindern soll, dass Umstände, die zum Tatbestand der Bußgeldnorm gehören oder die das generelle gesetzgeberische Motiv für die Bußgelddrohung darstellen, bei der Bemessung der Geldbuße noch einmal herangezogen werden. Da das vorsätzliche Verhalten des Betroffenen vorliegend gerade Tatbestandsmerkmal ist und den hohen Buß-geldrahmen — hier des § 73 Abs. 1 a Nr. 24, Abs. 2 IfSG — begründet (vgl. zum Vorsatz als Tatbestandsmerkmal OLG Bamberg, Beschl. v. 01.02.2017 — 3 Ss OWi 80/17 – juris), liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vor.

2. Was die Strafzumessung anbelangt, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass — sofern das Gericht „die Gefährlichkeit des Verstoßes für das Infektionsgeschehen maßgeblich (…) berücksichtigen“ zu gedenkt – in den Feststellungen nähere Ausführungen zu Art und Ausmaß dieser Gefährlichkeit an den festgestellten Tagen erforderlich sein werden sowie — sofern schärfend eine „nicht unerhebliche Gefährdung der dort Tätigen“ herangezogen werden soll — Feststellungen dazu zu treffen sein werden, wie viele Personen an welchen Tagen auf welche Art und Weise durch das Handeln des Betroffenen gefährdet wurden.

3. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen werden ebenfalls ergänzende Feststellungen zu treffen sein. Vorliegend handelt es sich nicht um eine so genannte geringfügige Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 17 Abs. 3 OWiG, so dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und eine Darstellung im Urteil nicht unterbleiben können (vgl. hierzu etwa OLG Karlsruhe — Beschl. v. 13.10.2006 – 1 Ss 82/06 – juris). Ohne-hin, sind die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse bei zunehmender Höhe der Geldbuße zu prüfen und im Rahmen der Zumessungserwägungen zu berücksichtigen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie außergewöhnlich gut oder schlecht sind (vgl. Göhler-König, aaO, § 17 Rdnr. 24 und 29 m.w.N.; OLG Karlsruhe, aaO, Rn. 8). Vorliegend hat der Betroffene über seinen Verteidiger vorgetragen, als Hausmeister in nicht selbständiger Tätigkeit monatlich etwa 700 bis 800,- € netto zu verdienen und Schulden in fünfstelliger Höhe zu haben. Das Gericht hat diesen Angaben ausweislich der Urteilsgründe keinen Glauben geschenkt und ist von „durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen“ des Betroffenen ausgegangen, ohne hierzu allerdings — was vorliegend aufgrund der Höhe der festgesetzten Geldbuße geboten gewesen wäre — nähere Feststellungen zu treffen.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Gericht — sollte der Ange-klagte keine weiteren Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen machen – die Einkünfte und das evtl. vorhandene Vermögen des Betroffenen, auch anhand von festgestellten Anknüpfungstatsachen, gegebenenfalls schätzen kann. Dies kommt etwa in Betracht durch die Prüfung, ob und was für ein Kraftfahrzeug auf den Betroffenen zugelassen ist, ob er Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Immobilie ist, aber auch — unter Zugrundelegung und Berücksichtigung der Angaben des Zeugen PK Myric – durch Schätzung der Einkünfte des Betroffenen aus der Vermietung der Terminwohnungen, wobei im Rahmen dieser Schätzung auch Feststellungen zu treffen sein werden, wie viele Wohnungen es in dem verfahrensgegenständlichen Objekt gibt und wie viele tatsächlich vermietet sind.

4. Entgegen § 46 Abs. 1 OWiG, § 260 Abs. 4 S. 1 StPO hat es das Gericht unterlassen, die Schuldform des Betroffenen im Tenor anzugeben, obwohl es ausweislich seiner Feststellungen zur Tat, der Beweiswürdigung und den Ausführungen in der Strafzumessung von einem vorsätzlichen Verstoß des Betroffenen gegen § 12 ProstSchG bzw. gegen das IfSG aus-geht. Das Beschwerdegericht ist zur Berichtigung offensichtlicher Versehen des Erstgerichtes auch hinsichtlich der Schuldform berechtigt, wenn eine sich aus den Urteilsgründen eindeutig ergebende Verurteilung in der Urteilsformel keinen vollständigen und klaren Ausdruck gefunden hat. Es erfolgt dann eine Tenorberichtigung. Dieses offensichtliche Versehen des Amtsgerichts war daher in der Urteilsformel zu korrigieren (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 05.06.2013 – 4 StR 77/13 – juris; OLG Köln, Beschl. v. 21.10.2003 – Ss 410/03 (B) – 199 B, Ss 410/03 – 199, Ss 410/03 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 06.10.1980 — 6 Ss OWi 1106/80 – juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 354 Rn. 33).

Da die Rechtsfolgenentscheidung des Gerichts auf dem Rechtsfehler beruht, war das angefochtene Urteil — unter Berichtigung des Schuldspruchs – im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch hinsichtlich der Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Pforzheim zurückzuverweisen.

IV.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufweist.

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