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Verkehrsunfall Linienbus- Fahrgastanspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld

LG Darmstadt – Az.: 28 O 263/16 – Urteil vom 05.05.2020

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 65,22 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 4.500,00 € zu zahlen, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.500,00 € seit dem 12.05.2016, und aus 3.000,00 € seit dem 28.02.2017.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger bezüglich der außergerichtlichen Kosten seiner Prozessbevollmächtigten i.H.v. 958,19 € freizustellen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall vom 24.03.2016 künftig noch entstehen wird.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 53 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 47 %.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten als Gesamtschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadenersatz und Schmerzensgeld infolge eines Verkehrsunfalls.

Am 24.03.2016 verunfallte der Kläger als Fahrgast eines Linienbusses in […]. Der Linienbus sowie der Beklagte zu 1.) mit seinem Pkw befuhren in gleicher Fahrtrichtung auf unmittelbar nebeneinanderliegenden Fahrspuren die […]Straße, als der Fahrer des Linienbusses, der Zeuge A, wegen eines Spurwechsels des Beklagten zu 1.) und dessen damit direkt vor dem Linienbus verbundenem Einscheren eine abrupte Vollbremsung vornahm. Trotz der Vollbremsung kollidierte der Linienbus mit dem PKW des Beklagten zu 1.). Bei dem Bremsvorgang und der Kollision kam der Kläger in dem Linienbus zu Fall. In der Folge wurde bei dem Kläger unter anderem eine Ruptur der Rotatorenmanschette an der linken Schulter, sowie verschiedene Prellungen und eine HWS-Distorsion diagnostiziert.

Die Beklagte zu 2.) ist Haftpflichtversicherin des Beklagten zu 1.).

Der Kläger behauptet, er habe vor der mittleren Tür auf der letzten Bank auf dem Sitz zum Mittelgang gesessen, und habe sich, wie bei jeder Busfahrt, gesichert, indem er sich mit der rechten Hand am vorderen Sitz festgehalten habe. Mit der linken Hand habe er eine Tasche mit Einkäufen festgehalten. Zudem habe er das rechte Bein an den vorderen Sitzplatz eingekeilt um, um einen sicheren und stabilen Sitz zu haben. Der Busfahrer sei vor der streitgegenständlichen Kollision einen Schlenker nach links und einen Schlenker nach rechts gefahren. Der Kläger behauptet weiter, die Ruptur der Rotatorenmanschette an der linken Schulter habe er durch das unfallbedingte zu Boden gehen in dem Linienbus und den damit verbundenen Aufprall erlitten.

Mit der den Beklagten am 27.02.2017 zugestellten Klage beantragt der Kläger,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 70,22 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.05.2016 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird jedoch nicht unter 10.000 € liegen sollte, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.05.2016 zu zahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger bezüglich der Kosten seiner Prozessbevollmächtigten i.H.v. 1317,57 € freizustellen;

4. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall vom 24.03.2016 künftig noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Beweis des ersten Anscheins dafürspreche, dass der Kläger sich im Bus während der Fahrt entgegen der ihm obliegenden Verpflichtung keinen festen Halt verschafft habe. Es sei in der Krankenakte des Klägers nach dem streitgegenständlichen Unfall auch dokumentiert, dass der Kläger im Bus gestanden habe. Die Beklagten behaupten weiterhin, die Ruptur der Rotatorenmanschette des Klägers an der linken Schulter sei nicht unfallbedingt durch den Aufprall in dem Linienbus entstanden, sondern Ausfluss eines bei dem Kläger bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall vorliegenden degenerativen Zustandes.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen A sowie durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 24.05.2017 (Bl. 98 ff. d. A.) sowie das Gutachten vom 27.08.2018 (Bl. 132 ff. d A.) und das Ergänzungsgutachten vom 18.01.2020 (Bl. 259 ff. d. A.) des Sachverständigen B Bezug genommen.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Verkehrsunfall Linienbus- Fahrgastanspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld
(Symbolfoto: evgenii mitroshin/Shutterstock.com)

Die Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Für den Antrag zu 4.) besteht insbesondere ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO ist bei der Verletzung eines absoluten Rechtsguts nur dann zu verneinen, wenn aus Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen (BGH, Beschluss vom 9.1.2007, Az. VI ZR 133/06,- juris). Dies ist angesichts der schweren Verletzungen des Klägers nach dem Unfall nicht der Fall.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung i.H.v. 65,44 € gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG.

Gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs unter anderem verpflichtet, dem Verletzten den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt werden.

1.

Der Beklagte zu 1.) steuerte als Halter den unfallbeteiligten PKW und kollidierte bei einem Spurwechselvorgang nach links mit dem Linienbus, in welchem sich der Kläger befand.

Der Spurwechsel wurde durch den Beklagten zu 1.) sorgfaltswidrig, jedenfalls fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB, unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO durchgeführt, da der Beklagte zu 1.) den Spurwechselvorgang nicht rechtzeitig und deutlich ankündigte und bei dem Spurwechselvorgang nicht auf ausreichend Abstand zu dem neben ihm fahrenden Linienbus achtete, wodurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden. Dies steht für das Gericht fest aufgrund der insoweit überzeugenden Aussagen des Zeugen A. Der Zeuge erscheint glaubwürdig und er hat glaubhaft berichtet, dass der Beklagte zu 1.) den Linienbus bei seinem Spurwechselvorgang übersah.

Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen B, welchen sich das Gericht anschließt, erlitt der Kläger durch seinen Sturz infolge des Bremsvorgangs eine Rotatorenmanschettenteilruptur an der linken Schulter.

Gemäß § 286 ZPO ist der Kläger für die Kausalität der Primärverletzung nach den Grundsätzen des Strengbeweises darlegungs- und beweispflichtig. Dabei ist es jedoch für ein Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität ausreichend, wenn das auslösende Unfallereignis mitursächlich für den Eintritt der Primärverletzung gewesen ist (BGH, Urteil vom 27. 6. 2000, Az. VI ZR 201/99 = NJW 2000, 3423). Eine Schadensanlage des Geschädigten, die den Schaden ermöglicht oder wesentlich erhöht hat, schließt den Zurechnungszusammenhang nicht aus (BGH, Urteil vom 30.04.1996, Az. VI ZR 55/95 = NJW 1996, 2425; Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016, Vorb v 249 BGB, Rn. 35). Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert dabei keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln schweigen gebietet (BGH, Urteil vom 28. 1. 2003, Az. VI ZR 139/02 = NJW 2003, 1116).

Nach den Feststellungen des Sachverständigen wurde die Rotatorenmanschettenteilruptur letztlich kausal durch den Sturz verursacht. Zwar geht der Sachverständige davon aus, dass der Unfall nicht allein ursächlich für die Teilruptur gewesen sei, da der Kläger zum Unfallzeitpunkt mit großer Wahrscheinlichkeit linksseitig degenerative Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette aufgewiesen habe. In jedem Fall habe aber der direkte Anprall des Klägers in dem Bus zu der vorliegenden Ruptur geführt. Dafür spricht auch, dass das die Rotatorenmanschettenruptur bei dem Kläger unmittelbar nach dem Unfall in der Klinik diagnostiziert wurde und nicht erst mit zeitlicher Verzögerung zu einem späteren Zeitpunkt.

Dass nicht endgültig aufklärbar war, durch welchen Ereignisablauf der Kläger schlussendlich zu Fall kam, insbesondere zu welchem Zeitpunkt er mit welchem Körperteil gegen welchen Gegenstand prallte, ist unerheblich. Fest steht nach den Darlegungen des Sachverständigen jedenfalls, dass es einen direkten Anprall des Klägers in dem Bus gegeben hat. Dieser direkte Anprall habe bei dem Kläger dann auch zu der vorliegenden Ruptur geführt.

Umstände, die eine Durchbrechung der haftungsbegründenden Kausalität und somit einen Haftungsausschluss zu Gunsten der Beklagten begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Weder liegt ein Bagatellschadensereignis vor noch trifft das Schadensereignis nicht speziell auf die Schadensanlage des verletzten Klägers (BGH, Urteil vom 30.04.1996, Az. VI ZR 55/95 = NJW 1996, 2425).

Dass die nach der Ansicht des Sachverständigen bei dem Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit bestehenden degenerativen Vorerkrankungen im Bereich der linken Schulter als Reserveursachen früher oder später ebenfalls zu einer Schädigung wie der streitgegenständlichen geführt hätten, ist nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen nicht erwiesen. Gerade im Bereich der Schulter kommt es auch oft zu asymptomatischen Verläufen; die Betroffenen verspüren trotz vorliegender degenerativer Prozesse also keine Beschwerden. Davon, dass der Kläger also zu einem späteren Zeitpunkt unausweichlich und ohnehin Beschwerden wie die streitgegenständlichen entwickelt hätte, ist das Gericht nach alledem nicht überzeugt.

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Eine zusätzliche fachradiologische Begutachtung des Klägers, wie von den Beklagten angeregt, war vorliegend nicht erforderlich, da der Sachverständige zur Beantwortung der Beweisfragen bereits radiologische Unterstützung herangezogen hatte.

2.

Von einem Mitverschulden des Klägers bei dem streitgegenständlichen Unfall gemäß §§ 9 StVG i.V.m. 254 BGB ist vorliegend nicht auszugehen.

Dem Kläger ist keine schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Gewährleistung eines festen Halt anzulasten. Zwar wird in der Rechtsprechung vereinzelt davon ausgegangen, dass der Sturz eines Fahrgastes im Linienbus dem ersten Anschein nach dafürspreche, dass dieser seine Pflicht zur Gewährleistung eines festen Hals schuldhaft verletzt habe (so zB OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.11.2015, Az. 12 U 16/14 = NJW-RR 2016, 542). Auch müsse ein Fahrgast in einem öffentlichen Verkehrsmittel damit rechnen, dass bei der Fahrt ruckartigen Bewegungen des Verkehrsmittels auftreten können (KG, Beschluss vom 01.03.2010, Az. 12 U 95/09 = SVR 2011 Heft 2, 66).

Die auch von den Beklagten angeführte Rechtsprechung des Anscheinsbeweises dürfte vorliegend jedoch nicht einschlägig sein. So geht die Rechtsprechung üblicherweise von einem Anscheinsbeweis aus, wenn ein im Bus stehender Fahrgast bei abrupten Bewegungen des Fahrzeugs zu Fall kam (so zB ausdrücklich OLG Dresden, Beschluss vom 26.03.2014, Az. 7 U 1506/13 – juris). Vorliegend steht nach der Überzeugung des Gerichts allerdings fest, dass der Kläger im Linienbus auf einem Sitzplatz saß. Dies ergibt sich aus der klaren und widerspruchsfreien Aussage des Zeugen A, der sich zweifelsfrei daran erinnern konnte, dass der Kläger in dem Linienbus Platz nahm, nachdem er eingestiegen war.

Eine Pflicht des Klägers, sich im Sitzen festzuhalten, oder sich sonstwie zu „verkeilen“, um gegen abrupte Fahrbewegungen gesichert zu sein, besteht darüber hinaus nicht. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 5 der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen (BefBedV) ist jeder Fahrgast verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. § 4 BefBedV findet deutschlandweit auf Fahrgäste in öffentlichen Verkehrsmitteln Anwendung (vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 5 PBefG), so dass dies bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen ist. Nicht in jedem Bus, der im Linienverkehr in Deutschland zum Einsatz kommt, ist für sitzende Fahrgäste überhaupt eine Festhaltevorrichtung vorgesehen. Dabei handelt es sich um eine allgemeinkundige Tatsache (§ 291 ZPO). Danach kann die Verpflichtung zum Verschaffen eines festen Halts nicht pauschal dahingehend verstanden werden, dass sich ein sitzender Fahrgast immer zusätzlich zum Beispiel an der Lehne des Vordersitzes festhalten muss. Konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Kollision gab es vorliegend für den Kläger nicht; auch für den Zeugen A, welcher als Busfahrer auf den Verkehr zu achten verpflichtet ist, kam die Kollision unvorhergesehen.

3.

Die dem Kläger entstandenen Attestkosten i.H.v. 40,22 € sind als Schadensfeststellungskosten vollumfänglich gemäß § 249 Abs. 1 BGB ersatzfähig (vgl. Amtsgericht Aachen, Urteil vom 8.5.1992, Az. 114 C 462/91 – juris).

Als Schadenspauschale hält das Gericht gemäß § 287 ZPO 25,00 € für angemessen. Typischerweise entstehen durch Unfallereignisse Auslagen wie Telefon-, Porto- und Fahrkosten kleineren Umfangs. Soweit solche Aufwendungen nicht im Einzelnen belegt werden können, dürfen sie im Rahmen einer Unfallkostenpauschale geschätzter Höhe beansprucht werden (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 08. Mai 2014, Az. 4 U 61/13 – juris). 25 € sind angesichts der vorstellbaren tatsächlichen Belastung – gerade in vorliegendem Fall, in dem der Kläger nach dem Unfall direkt mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht wurde, und ihm insoweit keine unfallbedingten Fahrtkosten entstanden sind – bei pauschaler Berechnung ausreichend.

II. Weiterhin hat der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß § 253 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG i.H.v. 4.500,00 €.

Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden verschaffen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und gegebenenfalls seelischen Beeinträchtigungen ab. Ausschlaggebend sind das Ausmaß und die Schwere der erlittenen Verletzungen sowie die Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen, wobei etwaigen Dauerfolgen besonderes Gewicht zukommt. Als objektivierbare Umstände besitzen dabei vor allem die Art der Verletzungen, die Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht. Hinzu tritt in gewissem Maße und abhängig von der Art und Weise der Herbeiführung der Verletzung der Gesichtspunkt der Genugtuung dahin, dass das Schmerzensgeld auch dazu bestimmt ist, dem Geschädigten Genugtuung dafür zu sein, was der Schädiger ihm angetan hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. 1. 2006, Az. VI ZB 26/05 = NJW 2006, 1068; OLG Brandenburg, Urteil vom 20.05.2014, Az. 6 U 149/12 = BeckRS 2014, 11043; Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016, § 253 BGB Rn. 15 ff. mwN).

Hinsichtlich des Ersatzes für Schäden an immateriellen Gütern – hier die nicht in Geld messbare körperliche Unversehrtheit des Klägers – ist dem Gericht mit dem anzuwenden Maßstab der Billigkeit ein Spielraum eröffnet. Dabei ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des Einzelfalls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen Anhaltspunkt im Sinne eines Orientierungsrahmens bieten (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 20.05.2014, Az. 6 U 149/12 = BeckRS 2014, 11043).

Bei der Bemessung des dem Kläger zuzusprechenden Schmerzensgeldbetrages müssen im Rahmen der Billigkeit zudem die erheblichen Vorschädigungen und die auf ihr beruhenden Risiken Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 11. 11. 1997, Az. VI ZR 376/96 = NJW 1998, 810; OLG Schleswig, Urteil vom 18.09.2003, Az. 107/01 = NJW-RR 2004, 238).

Die Frage der Beschwerdefreiheit des Klägers ist hierfür dagegen nicht von Relevanz. Nach den Ausführungen des Sachverständigen steht für das Gericht fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls degenerative Vorschädigungen im Bereich der linken Schulter hatte. Daraus müssen sich bei dem Kläger jedoch nicht notwendigerweise auch symptomatische Beschwerden im Bereich der Schulter eingestellt haben. Nach der Einschätzung des Sachverständigen bleibt ein Teil von Patienten mit degenerativen Vorschädigungen im Schulterbereich asymptomatisch. Auch das dem Sachverständigen vorliegende Vorerkrankungsregister des Klägers deutet nach seinen Aussagen nicht darauf hin, dass der Kläger zur Zeit des Unfalls unter Beschwerden in der linken Schulter litt. Die degenerativen Vorerkrankungen waren jedoch gerade auch auf den MRT-Bildern, die zeitlich unmittelbar nach dem Unfall gefertigt wurden, sichtbar.

Wegen der Eigenart des Krankheitsverlaufes von Schulterbeschwerden wie den vorliegenden kann es hier auf die Frage der Beschwerdefreiheit daher aus Billigkeitsgründen nicht ankommen, da diese im vorliegenden Fall keine adäquate Berücksichtigung der vorhandenen Vorschäden ermöglicht.

Angesichts der klägerseits erlittenen Rotatorenmanschettenteilruptur der linken Schulter sowie der sonstigen unfallbedingten Verletzungen hält das Gericht einen Schmerzensgeldbetrag i.H.v. 4.500 € für angemessen.

Der zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung 64-jährige Kläger musste infolge des Unfalls operiert werden und befand sich im Zusammenhang mit dem Unfall und der Operation insgesamt sieben Tage in stationärer Behandlung. Der Kläger trug an der operierten Schulter zwei Monate lang einen Gipsverband und konnte den Arm daher nur eingeschränkt bewegen.

Die Bemessung des Schmerzensgeldes auf einen Betrag von 4.500 € liegt auch im Rahmen der Schmerzensgeldbeträge, die von Gerichten in vergleichbaren Fällen bei vorliegenden erheblichen degenerativen Vorschädigungen zugesprochen worden sind (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 20.05.2014, Az. 6 U 149/12 = BeckRS 2014, 11043 mwN).

III.

Die Zinsforderung ist überwiegend aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB begründet. Der für weitergehende Zinsen erforderliche Verzug gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB liegt seit 12.05.2016 nur in Bezug auf die mit anwaltlichem Schreiben vom 13.04.2016 geltend gemachten 1.500,00 € Schmerzensgeldvorschuss vor.

IV.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 €. Anspruch auf eine 1,8-Geschäftsgebühr besteht nach Ansicht des Gerichts insoweit nicht, sondern es ist eine 1,3-Geschäftsgebühr zugrunde zu legen.

Gemäß Nr. 2300 VV RVG besteht für den Satz der Geschäftsgebühr ein Rahmen von 0,5 bis 2,5. Bei Nr. 2300 VV RVG ist ausdrücklich ausgeführt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Ob eine Überschreitung dieses Werts bei Rahmengebühren gerechtfertigt ist, richtet sich nach § 14 RVG. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftragsgebers nach billigem Ermessen. Im vorliegenden Fall, in dem die vom Rechtsanwalt nach billigem Ermessen zu bestimmende Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG).

Das Gericht kann die Frage, welche Gebühr gemäß § 249 BGB erforderlich ist, dabei selbst nach den Kriterien des § 14 RVG entscheiden, die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer ist nicht erforderlich, da es um den Streit zwischen Schädiger und Geschädigtem geht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. 3. 2008 – 1 U 198/07 = NJW-Spezial 2008, 458).

Sich aus dem Einzelfall ergebende besondere Umstände, die hier ein Überschreiten des 1,3-fachen Satzes rechtfertigen könnten, sind nach Auffassung des Gerichts weder vorgetragen noch ersichtlich. Rechtliche Spezialkenntnisse oder besondere medizinisches Verständnis war in dem Verfahren betreffend den Unfallausgleich des Klägers nicht in nennenswertem Umfang erforderlich. Es handelt sich vielmehr um einen „typischen“ Unfallhaftungsfall.

V.

Der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet.

Die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden ist dann gerechtfertigt, wenn der Eintritt weiterer Schäden mindestens möglich erscheint. Eine solche Möglichkeit eines weiteren Schadeneintritts ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Verletzten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. BGH, Urteil vom 16. 1. 2001, Az. VI ZR 381/99 = NJW 2001, 1431; OLG Brandenburg, Urteil vom 20.05.2014, Az. 6 U 149/12 = BeckRS 2014, 11043). Nach Art der Verletzungen der Klägerin erscheint die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts, wie auch der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten schlussfolgert, in der Zukunft nicht ausgeschlossen.

VI.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

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