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Anerkennung steuerrechtliche – Formunwirksamkeit eines Vertrages

Bundesfinanzhof

Az: IX R 45/06

Urteil vom 22.02.2007


Der Formunwirksamkeit eines unter nahen Angehörigen abgeschlossenen Vertrages kommt eine Indizwirkung gegen dessen steuerrechtliche Anerkennung zu (Anschluss an BFH-Urteil vom 7. Juni 2006 IX R 4/04, BFH/NV 2006, 2162).

Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger ist Zahnarzt, die Klägerin Arzthelferin. Zusammen erzielten sie aus mehreren Unternehmensbeteiligungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb und durch Vermieten verschiedener Objekte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Kläger haben sechs Kinder; mit fünf von ihnen schloss der Kläger im Jahr 1998 inhaltsgleiche Darlehensverträge ab, in denen sich die Kinder verpflichteten, ihrem Vater jeweils 50 000 DM zur Verfügung zu stellen. Die Kinder –beim Vertragsabschluss allesamt noch minderjährig– wurden dabei von ihrer Mutter, der Klägerin, vertreten. Ein Ergänzungspfleger wurde zunächst nicht bestellt. Mit dem von seinen Kindern empfangenen Geld führte der Kläger das Darlehen einer Hypothekenbank zurück, das er zur Finanzierung seines vermieteten Objekts X aufgenommen hatte. Die an seine Kinder im Streitjahr gezahlten Schuldzinsen von insgesamt 12 500 DM machte der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus der Vermietung dieses Objekts geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) ließ die Schuldzinsen nicht zum Abzug als Werbungskosten zu, weil die ohne Einschaltung eines Ergänzungspflegers abgeschlossenen Darlehensverträge zivilrechtlich nicht wirksam seien. Mit ihrem Einspruch brachten die Kläger vor, aus Unkenntnis der zivilrechtlichen Notwendigkeit auf die Bestellung des Ergänzungspflegers verzichtet zu haben. Weil dessen Mitwirken auch bei der schenkweisen Übertragung von Geschäftsanteilen an einer … GmbH an ihre Kinder im Jahre 1993 nach Auskünften des Vormundschaftsgerichts und des FA nicht erforderlich gewesen sei, seien sie davon ausgegangen, der Abschluss der Darlehensverträge hätte erst Recht eine Ergänzungspflegerbestellung nicht erfordert.

Auf Antrag des Klägers ordnete das Vormundschaftsgericht im Oktober 2001 die Ergänzungspflegschaft für die vier (noch) minderjährigen Kinder an – ein Kind war zwischenzeitlich volljährig. Es bestimmte den Prozessbevollmächtigten zum Ergänzungspfleger, der die Darlehensverträge genehmigte.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1824, veröffentlichtem Urteil aus, die Genehmigungen der Verträge wirkten nur zivilrechtlich, nicht aber steuerrechtlich zurück. Zwar seien insbesondere nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Juli 1999 VIII R 29/97 (BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386) auch tatsächlich durchgeführte Verträge zwischen nahen Angehörigen, bei deren Abschluss Formvorschriften nicht beachtet worden seien, ausnahmsweise dann von vornherein zu berücksichtigen, wenn aus den besonderen übrigen Umständen des konkreten Einzelfalls zweifelsfrei abgeleitet werden könne, dass die Vertragspartner einen ernsthaften Bindungswillen gehabt hätten. Eine solche Ausnahmesituation liege im Streitfall nicht vor, weil sich das Erfordernis der Pflegerbestellung aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1, § 1909 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–) ergebe.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie Verletzung materiellen Rechts rügen. Der BFH habe in seinem Urteil vom 7. Juni 2006 IX R 4/04 (BFH/NV 2006, 2162) klargestellt, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit nur ein Indiz für die steuerrechtliche Beurteilung sei. Der diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt entspreche dem Streitfall.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom 15. Mai 2002 aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Abänderung des Bescheides vom 5. April 2001 unter Berücksichtigung von zusätzlichen Werbungskosten in Höhe von 12 750 DM auf 93 590 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision abzuweisen.

In der Konsequenz des BFH-Urteils in BFH/NV 2006, 2162, würde auch das bloße schuldhafte Nichtkennen für die Annahme eines Ausnahmetatbestands ausreichen. Soweit allerdings Angehörige bewusst einen zivilrechtlich unwirksamen Vertrag abgeschlossen hätten, könne die Vereinbarung nicht ernsthaft gewollt sein. Ob Formvorschriften aber bewusst oder unbewusst nicht beachtet würden, könne das FA regelmäßig nicht ermitteln. Bei Anwendung des BFH-Urteils in BFH/NV 2006, 2162, sei zu erwarten, dass aus Kostengründen auf die Einschaltung eines Ergänzungspflegers von vornherein verzichtet werde.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zutreffend hat das FG die Darlehensverträge auf Grund ihrer Formunwirksamkeit steuerrechtlich nicht anerkannt.

1. Nach der BFH-Rechtsprechung sind Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386, m.w.N.). Diese Anforderungen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessensgegensatz fehlt und zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können (vgl. Bundesverfassungsgericht –BVerfG–, Beschluss vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34). Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Juli 1991 2 BvR 769/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1992, 23; vom 20. November 1984 1 BvR 1406/84, HFR 1985, 283; vom 22. Juli 1970 1 BvR 285/66, 445/67 und 192/69, BVerfGE 29, 104 ff., 118).

Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bilden Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes –EStG–) zugehörig sind (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 2004 X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826). Lassen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, so führt dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung –anders als z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals– nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2162, m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss in BStBl II 1996, 34). Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen wird aber verstärkt, wenn den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften insbesondere bei klarer Zivilrechtslage angelastet werden kann (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386).

2. Diesen Grundsätzen entspricht die angefochtene Entscheidung. Sie hat die streitigen Darlehenszinsen nicht allein deshalb vom Abzug als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen, weil die zu Grunde liegenden Darlehensverträge gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB zunächst schwebend unwirksam waren, sondern hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH maßgebend darauf abgestellt, dass die Nichtbeachtung der Formvorschriften den Klägern anzulasten war. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte das FG angesichts der schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des BGB abzuleitenden klaren Rechtslage dem Vertrauen des Klägers in eine (behauptete) bloß fernmündliche Auskunft von Seiten eines Notariats keine Bedeutung beimessen.

3. Entgegen der Revision liegt der Streitfall anders als der Fall, der dem BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2162, zu Grunde lag. Denn dort hatte das FG das Nichtbeachten der bürgerlich-rechtlichen Formvorschrift wie ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal gehandhabt und hat –anders als die Vorinstanz unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386– keine Gesamtwürdigung der Umstände angestellt.

Weil das FG im Streitfall die Voraussetzungen für die verstärkte Indizwirkung bejahte, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Parteien nach Erkennen der Unwirksamkeit zeitnah auf eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger hinwirkten.

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