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Unterlassungserklärung (strafbewehrte) – Verwirkung einer Vertragsstrafe

Bundesgerichtshof

Az: I ZR 37/07

Urteil vom 10.06.2009


Leitsätze:

a) Hat sich der Schuldner gegenüber einem Gläubiger i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. strafbewehrt unterworfen, setzt die Verwirkung der Vertragsstrafe ohne eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der Unterwerfungserklärung nicht voraus, dass der Verstoß gegen das Unterlassungsgebot i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. geeignet ist, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt wesentlich zu beeinträchtigen.

b) Mehrere Vertragsstrafen, die auf jeweils gesonderte Verstöße gegen eine Unterlassungsvereinbarung gestützt werden, sind im Regelfall unterschiedliche Streitgegenstände.


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2009 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 1. Februar 2007 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. August 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte, eine GmbH, ist auf dem Gebiet der Immobilienversicherungen und im Finanzierungsbereich tätig. Sie unterhielt eine Internetseite, auf der Anfang des Jahres 2004 Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde und zur Eintragung im Handelsregister fehlten.

Im März 2004 gab die Beklagte gegenüber der Klägerin folgende – nachstehend auszugsweise wiedergegebene – Unterwerfungserklärung ab:

Die Firma K. GmbH verpflichtet sich hiermit gegenüber dem Maklerbüro B.

1.

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs geschäftsmäßige Teledienste anzubieten, wie auf der Internetseite www.k… geschehen, ohne im Rahmen einer Anbieterkennung folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten:

1.

2.

Die Aufsichtsbehörde, die die aus der Erteilung einer Erlaubnis nach § 34c GewO resultierenden Verpflichtungen überwacht.

Für jeden Fall einer schuldhaften Zuwiderhandlung versprach die Beklagte eine Vertragsstrafe von 3.000 EUR, wobei eine natürliche Handlungseinheit oder ein Fortsetzungszusammenhang nicht in Betracht kommen sollte.

Nachdem am 1. April 2004 auf der Internetseite der Beklagten als Aufsichtsbehörde unzutreffenderweise die IHK Saarland anstelle der zuständigen Stadt Saarbrücken bezeichnet war, forderte der Kläger mit Schreiben vom 2. April 2004 von der Beklagten bis 13. April 2004 die Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.000 EUR. Eine weitere Vertragsstrafe von 3.000 EUR verlangte der Kläger von der Beklagten, weil am 13. April 2004 nach wie vor die falsche Aufsichtsbehörde auf der Internetseite angegeben war.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe die vereinbarte Vertragsstrafe zweimal in Höhe von jeweils 3.000 EUR verwirkt. Mit der vorliegenden Klage hat er die erste Vertragsstrafe in voller Höhe und die zweite Vertragsstrafe in Höhe eines Teilbetrags von 500 EUR nebst Zinsen und Kosten beansprucht.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten nur in Höhe von 500 EUR nebst Zinsen und Kosten aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen.

Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch in vollem Umfang weiter. Die Beklagte beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Kläger ein Vertragsstrafeanspruch nur wegen des zweiten Verstoßes in Höhe des geltend gemachten Betrags von 500 EUR zusteht. Dazu hat es ausgeführt:

Dem ersten Vertragsstrafeverlangen vom 2. April 2004 habe keine schuldhafte Zuwiderhandlung der Beklagten gegen die Unterlassungsvereinbarung zugrunde gelegen. Die Klagebefugnis des Klägers habe sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. ergeben. Die Beklagte habe deshalb Unterlassung nur solcher Handlungen geschuldet, die den Wettbewerb wesentlich beeinträchtigten. Dazu zähle nicht die unrichtige Angabe der Aufsichtsbehörde, die weder einen Unterlassungsanspruch noch eine Vertragsstrafe auslösen könne.

Dagegen stelle die unrichtige Angabe der Aufsichtsbehörde auch noch am 13. April 2004 eine schuldhafte Zuwiderhandlung dar, durch die die Beklagte die Vertragsstrafe verwirkt habe. Ihre Unterlassungserklärung habe die Beklagte nicht wirksam angefochten. Ein missbräuchliches Verhalten des Klägers bei der Anspruchsverfolgung i.S. von § 13 Abs. 5 UWG a.F. oder § 242 BGB sei nicht nachgewiesen.

II.

Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil.

1.

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten aufgrund der Unterwerfungserklärung vom 25. März 2004 eine Vertragsstrafevereinbarung zustande gekommen ist, die auch nicht aufgrund einer Anfechtung durch die Beklagte nach § 119 Abs. 2, §§ 123, 142, 143 BGB unwirksam ist. Dies nimmt die Revisionserwiderung hin.

2.

Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch die Angabe der falschen Aufsichtsbehörde auf ihrer Internetseite am 1. April 2004 die vereinbarte Vertragsstrafe nicht verwirkt.

a)

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Vertragsstrafe sei nur verwirkt, wenn der in Rede stehende Verstoß gegen die Unterlassungspflicht geeignet sei, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen. Nur in diesem Fall habe dem Gläubiger die Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. zugestanden und nur für diesen Fall habe sich der Schuldner unterwerfen müssen. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs erfordere Auswirkungen auf das Marktgeschehen, die so gewichtig seien, dass die Interessen der Allgemeinheit einschließlich der Verbraucher ernsthaft betroffen seien. Davon könne bei der Angabe der unrichtigen Aufsichtsbehörde nicht ausgegangen werden.

b)

Diese Auslegung der Vertragsstrafevereinbarung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Grundsatz der nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung verletzt.

aa)

In der Revisionsinstanz unterliegt die Auslegung der individuellen Vereinbarung der Parteien nur insoweit der Nachprüfung, als gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.2.2003 – I ZR 281/01, GRUR 2003, 545 = WRP 2003, 756 – Hotelfoto; Urt. v. 17.7.2008 – I ZR 168/05, GRUR 2009, 181 Tz. 29 = WRP 2009, 182 – Kinderwärmekissen).

bb)

Zu Recht macht die Revision geltend, dass die Auslegung des Berufungsgerichts anerkannten Auslegungsgrundsätzen widerspricht.

(1)

Unterlassungsverträge sind nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgeblich ist danach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (BGH, Urt. v. 17.7.1997 – I ZR 40/95, GRUR 1997, 931, 932 = WRP 1997, 1067 – Sekundenschnell; Urt. v. 18.5.2006 – I ZR 32/03, GRUR 2006, 878 Tz. 18 = WRP 2006, 1139 – Vertragsstrafevereinbarung).

(2)

Nach dem Wortlaut der Unterwerfungserklärung verpflichtete sich die Beklagte, es zu unterlassen, geschäftsmäßig Teledienste anzubieten, ohne im Rahmen einer Anbieterkennung die Aufsichtsbehörde verfügbar zu halten, die die aus der Erteilung einer Erlaubnis nach § 34c GewO resultierenden Verpflichtungen überwacht. Der Wortlaut der Vereinbarung sieht eine Einschränkung des Unterlassungsgebots der Beklagten je nach Art und Schwere des Verstoßes nicht vor.

Eine entsprechende Einschränkung der übernommenen Verpflichtung der Beklagten ergibt sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch nicht aus dem Zweck der Unterlassungserklärung, die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Diese ergab sich aus einem Verstoß gegen § 6 Satz 1 Nr. 3 TDG (heute § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG). Zwar hatte die Beklagte keinen Anlass, sich weitergehend zu binden, als es ihrer Verpflichtung zur Erfüllung der Angaben nach dem seinerzeit geltenden § 6 Satz 1 TDG entsprach. Dazu zählte aber auch die zutreffende Angabe der Aufsichtsbehörde i.S. von § 6 Satz 1 Nr. 3 TDG (heute § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG). Dagegen kommt es nicht darauf an, dass der Kläger zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. nur unter der Voraussetzung berechtigt war, dass der Verstoß gegen § 6 Satz 1 TDG (jetzt § 5 Abs. 1 TMG), der Anlass der Unterwerfungserklärung der Beklagten war, geeignet war, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Die Beklagte hat sich in der strafbewehrten Unterlassungserklärung ohne eine entsprechende Einschränkung unterworfen. Das Berufungsgericht hat auch nicht festgestellt, dass sich aus den Begleitumständen anlässlich des Zustandekommens der Vertragsstrafevereinbarung Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Verpflichtung auf Verstöße ergab, die nach Art und Schwere geeignet sind, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit einer Unterwerfungserklärung in der Regel auch ein möglicher Streit zwischen Abmahnendem und Abgemahntem darüber vermieden werden soll, ob das Verhalten, das Anlass für die Abmahnung gegeben hat, geeignet war, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Unterlassungsvereinbarung auch nicht dehalb einschränkend auszulegen, weil Anlass der Vertragsstrafevereinbarung eine fehlende und nicht eine unzutreffende Angabe der Aufsichtsbehörde war. Denn der Unterlassungsanspruch umfasst im Kern gleichartige Verletzungshandlungen (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2004 – I ZR 81/01, GRUR 2004, 517, 520 = WRP 2004, 731 – E-Mail-Werbung). Hierzu rechnet auch die unzutreffende Angabe der Aufsichtsbehörde.

3.

Das Berufungsurteil kann danach nicht aufrechterhalten werden. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil aufgrund des feststehenden Sachverhalts die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Die Angabe der unzutreffenden Aufsichtsbehörde stellt einen schuldhaften Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung dar, durch den die Beklagte die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt hat (§ 339 BGB).

a)

Nach der Unterlassungsvereinbarung der Parteien war die Beklagte verpflichtet, auf ihrer Internetseite die Aufsichtsbehörde nach § 34c GewO anzugeben. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nach Abschluss der Vertragsstrafevereinbarung nicht nachgekommen. Die zuständige Aufsichtsbehörde (Stadt Saarbrücken) war am 1. April 2004 auf der Internetseite der Beklagten nicht angeführt.

b)

Die Beklagte trifft an dem Verstoß gegen die Unterlassungspflicht auch ein Verschulden i.S. des § 276 BGB i.V. mit § 339 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Beklagte ist hinsichtlich eines mangelnden Verschuldens darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urt. v. 3.7.2003 – I ZR 297/00, GRUR 2003, 899, 900 = WRP 2003, 1116 – Olympiasiegerin). Sie hat dazu nichts vorgetragen.

c)

Das Berufungsgericht ist mit Recht auch davon ausgegangen, dass Ansprüche aus der Vertragsstrafevereinbarung nicht wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers ausgeschlossen sind.

d)

Die Höhe der Vertragsstrafe folgt aus der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung.

e)

Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, die zweite Vertragsstrafe sei nicht verwirkt. Deshalb sei der Betrag von 500 EUR zu Unrecht vom Landgericht zuerkannt worden und könne mit der von der Beklagten verwirkten ersten Vertragsstrafe über 3.000 EUR verrechnet werden. Mit diesem Vorbringen ist die Beklagte im Streitfall ausgeschlossen. Über die zweite vom Kläger geltend gemachte Vertragsstrafe ist durch das Berufungsurteil in Höhe eines Teilbetrags von 500 EUR rechtskräftig erkannt worden.

Die beiden Vertragsstrafen stellen unterschiedliche Streitgegenstände dar, weil zu ihrer Begründung unterschiedliche Lebenssachverhalte herangezogen werden (vgl. BGH, Urt. v. 2.4.2009 – I ZR 78/06, WRP 2009, 824 Tz. 57 – OSTSEE-POST). Während die erste Vertragsstrafe auf einen Verstoß gegen die Unterwerfungserklärung am 1. April 2004 gestützt wird, begründet der Kläger die Verwirkung der zweiten Vertragsstrafe mit einem weiteren Verstoß am 13. April 2004. Die Beklagte hätte deshalb das Berufungsurteil, durch das die zweite Vertragsstrafe in Höhe des geltend gemachten Teilbetrags von 500 EUR zuerkannt worden war, mit der Revision oder der Anschlussrevision anfechten müssen, wenn sie diese Verurteilung durch das Berufungsgericht nicht hätte hinnehmen wollen. Nachdem dies nicht geschehen ist, ist das Berufungsurteil wegen des zuerkannten Betrags von 500 EUR rechtskräftig geworden (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.1993 – VIII ZR 41/93, NJW 1994, 657, 659; Urt. v. 4.5.2005 – VIII ZR 5/04, NJW-RR 2005, 1169; Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 706 Rdn. 7; Wieczorek/Schütze/Büscher, ZPO, 3. Aufl., § 322 Rdn. 9).

Nachdem die Verurteilung hinsichtlich dieses Teilbetrags rechtskräftig geworden ist, kommt es daher nicht darauf an, ob – wozu der Senat neigt – eine zweite Vertragsstrafe nur auf eine Zuwiderhandlung nach dem 13. April 2004 gestützt werden konnte, nachdem der Kläger der Beklagten eine Zahlungsfrist für die erste Vertragsstrafe bis einschließlich 13. April 2004 eingeräumt hatte.

4.

Die Nebenforderungen ergeben sich aus § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 2 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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