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Verwirkung – Geltendmachung von Mietrückständen

KG Berlin

Az.: 8 U 227/12

Beschluss vom 11.02.2013


Die Berufung des Beklagten gegen das am 31. Juli 2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Absatz 2 Satz 1 ZPO). Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Hinweis nach § 522 Absatz 2 Satz 2 ZPO vom 20. Dezember 2012 verwiesen, der im Einzelnen wie folgt lautet:

„Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat folgt den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

I.

Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

Der vom Landgericht zuerkannte Anspruch der Klägerin auf Zahlung offener Mieten für den Stellplatz 46 für die Zeit von Januar 2008 bis einschließlich Januar 2012 in Höhe von insgesamt 2.067,89 Euro ist nicht verwirkt.

Ein Anspruch ist verwirkt, wenn er längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht worden ist (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment) (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage, § 242, Rdnr.87). Die Rechtsfigur der Verwirkung stellt einen Ausnahmetatbestand dar; der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs (BGHZ 91, 62; 25, 47, 52; BGH, NZM 2003, 355). Ob er erfüllt ist, insbesondere welche Anforderungen an die Erfüllung von Zeit- und Umstandsmoment zu stellen sind, hängt wesentlich von dem jeweils konkreten Charakter der in Frage stehenden Rechtsbeziehung (zum Beispiel Vertrag oder gesetzliches Schuldverhältnis, Dauerschuldverhältnis oder Einzelschuldverhältnis) und auch von der Schutzbedürftigkeit des Schuldners (zum Beispiel Gewerbetreibender oder Verbraucher) ab (BGH, NJW-RR 1989, 818 m.w.N). Die Voraussetzungen für die Verwirkung können zwar bereits zu einem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Forderung noch nicht verjährt ist. Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen der Verwirkung gilt aber allgemein der Grundsatz, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist (KG, ZMR 2007, 364; BGH, MDR 2006, 562; NJW-RR 1989, 818). Bei den kürzer verjährenden Forderungen des täglichen Lebens und den wiederkehrenden Leistungen, die wie Mietzinsansprüche in drei Jahren verjähren, kann eine Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden (vgl. KG, a.a.O.). Ob hier das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment gegeben ist, ist danach mindestens zweifelhaft.

Aufgrund des bloßen Zeitablaufs ist in jedem Fall die Annahme, für den Verpflichteten sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, grundsätzlich nicht möglich. Es müssen vielmehr noch besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung rechtfertigen, der Schuldner habe bereits darauf vertrauen können, dass der Gläubiger die Forderung nicht mehr geltend mache (vgl. BGHZ 91, 62; OLG Düsseldorf, ZMR 2009,844).

Solche liegen hier nicht vor. Für das Umstandsmoment reicht die bloße Untätigkeit des Vermieters – die fehlende Geltendmachung eines Anspruchs – neben dem Zeitablauf für eine Verwirkung nicht aus. Dessen Bejahung setzt nicht nur schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten des Verpflichteten voraus, sondern erfordert ferner, dass sich dieser – insbesondere durch die Vornahme von entsprechenden Vermögensdispositionen oder anderen Vertrauensinvestitionen – auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, nicht mehr leisten zu müssen; dieses muss der Verpflichtete konkret darlegen (KG, ZMR 2007, 364). Anderenfalls stellt die späte Rechtsausübung durch den Gläubiger keine unzumutbare Härte für den Schuldner dar (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 9. April 2008, 3 U 106/07, bei juris).

Die Klägerin hat hier abgesehen davon, dass sie ihre Forderung erst im Dezember 2011 gerichtlich verfolgt hat, gegenüber dem Beklagten keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, die rückständigen Forderungen nicht mehr geltend machen zu wollen. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Klägerin das Schreiben des Beklagten vom 27. April 2004 erhalten hat. Daraus, dass sie auf dieses Schreiben, in dem er die Auffassung vertreten hat, die Kündigung des Vertrages vom 10. September 1976 sei unwirksam, nicht reagierte, konnte der Beklagte keine Rückschlüsse ziehen, zumal die Klägerin zuvor mit Schreiben vom 20. April 2004 die ausstehenden Mieten angemahnt und damit ihren gegenteiligen Standpunkt zum Ausdruck gebracht hat. Der Beklagte musste daher durchaus davon ausgehen, dass die Vermieterin ihre Ansprüche noch geltend machen würde. Irgendwelche wirtschaftlichen Dispositionen, die er im Hinblick auf die Annahme getroffen hat, wegen des Mietzinses nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, hat der Beklagte zudem nicht vorgetragen (OLG Düsseldorf, ZMR 2010, 820; BGH, NJW 2003, 824; KG, ZMR, 2007, 364).

II.

Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten.

III.

Es wird daher angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.

IV.

Es ist beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 2.067,89 Euro festzusetzen.“

Der Senat sieht auch nach erneuter Beratung und unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Beklagten vom 7. Februar 2013, der im Wesentlichen nur bereits Vorgetragenes wiederholt, keinen Anlass, davon abzuweichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 2.067,89 Euro festgesetzt.

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