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Videokameraentfernung auf Grundstück des Nachbarn

Nachbarschaftsstreit um Überwachungskameras: Landgericht Köln setzt Grenzen für Privatsphäre und Eigentumsschutz

In einer Zeit, in der Überwachungskameras immer häufiger zum Einsatz kommen, hat das Landgericht Köln ein Urteil gefällt, das die Balance zwischen dem Schutz des Eigentums und dem Recht auf Privatsphäre neu justiert. Im Kern des Falles stand die Klage eines Grundstückseigentümers gegen seine Nachbarin, die mehrere Überwachungskameras an ihrer Immobilie installiert hatte. Der Kläger fühlte sich in seiner Privatsphäre verletzt, da einige der Kameras Bereiche seines Grundstücks und öffentliche Wege erfassten. Die rechtliche Fragestellung zielte darauf ab, inwieweit die Installation von Überwachungskameras im privaten Bereich die Privatsphäre der Nachbarn beeinträchtigen darf.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 18 O 69/15   >>>

Die Kameras und ihre Ausrichtung

Videokameraentfernung auf Grundstück des Nachbarn
Landgericht Köln regelt Überwachungskamera-Streit: Privatsphäre hat Vorrang gegenüber Eigentumsschutz. (Symbolfoto: Grenar /Shutterstock.com)

Die Beklagte hatte insgesamt drei Kameras an ihrer Immobilie angebracht. Eine Kamera war an der Vorderseite des Hauses, eine weitere im hinteren Bereich zur Terrasse hin und die dritte im Garten nahe der Grenze zum Grundstück des Klägers installiert. Besonders problematisch war, dass die Kameras manipulierbar waren und Bereiche wie die Terrasse und das Wohnzimmer des Klägers sowie öffentliche Gehwege erfassen konnten.

Vorgerichtliche Auseinandersetzungen und Datenschutz

Der Kläger hatte die Beklagte bereits vorgerichtlich aufgefordert, die Kameras zu entfernen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu übernehmen. Die Beklagte wies diese Forderungen zurück und argumentierte, die Kameras dienten dem Schutz ihres Eigentums. Sie legte sogar Snapshots beim Landesbeauftragten für Datenschutz vor, um ihre Position zu stärken.

Das Urteil und seine Konsequenzen

Das Gericht entschied, dass die Beklagte die Kameras so einstellen und fixieren muss, dass sie den Privatbereich des Klägers und öffentliche Wege nicht erfassen. Zudem wurde sie verurteilt, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 323,68 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden so aufgeteilt, dass der Kläger ein Viertel und die Beklagte drei Viertel tragen müssen.

Abwägung von Interessen und die Bedeutung für die Praxis

Das Urteil zeigt, dass das Recht auf Privatsphäre auch in Zeiten von erhöhtem Sicherheitsbedürfnis nicht vernachlässigt werden darf. Es setzt klare Grenzen für die Installation von Überwachungskameras im privaten Bereich und könnte als Präzedenzfall für ähnliche Streitigkeiten dienen. Die Entscheidung macht deutlich, dass Eigentümer, die Kameras installieren möchten, sorgfältig prüfen müssen, welche Bereiche erfasst werden, um die Privatsphäre der Nachbarn nicht zu verletzen.

Ungebetene Videokameras des Nachbarn: Ihr Recht auf Privatsphäre

Fühlen Sie sich durch Videokameras Ihres Nachbarn in Ihrer Privatsphäre gestört? Das Urteil des Landgerichts Köln (Az.: 18 O 69/15) zeigt, dass Sie nicht machtlos sind. Wenn Kameras so positioniert sind, dass sie Bereiche Ihres Grundstücks oder öffentliche Wege erfassen, kann dies eine Verletzung Ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen. Wir bieten Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung und beraten Sie anschließend umfassend zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten. Schützen Sie Ihre Privatsphäre und nehmen Sie jetzt Kontakt mit uns auf.

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Das vorliegende Urteil

Landgericht Köln – Az.: 18 O 69/15 – Urteil vom 06.01.2016

1.       Die Beklagte wird verurteilt, die an der Vorderfront der Immobilie unter der Anschrift…….., in ca. 3,5 m Höhe rechtsseitig oberhalb des Hauseingangs angebrachte Kamera sowie die im hinteren Bereich der Immobilie unter der Anschrift W-Straße 53, 50321 Brühl, am Anbau im Innenhof zur Terrasse hin zeigend, etwa in Höhe von 2,5 m angebrachte Kamera und schließlich die im Garten der Immobilie unter der Anschrift…………, an der Grenze zum Nachbargrundstück Hausnummer 55 an einem verzinkten Rohrrahmen angebrachte Kamera so einzustellen und sichtbar dauerhaft so zu fixieren, dass der Terrassenbereich und Wohnzimmerbereich des Klägers sowie der Gehweg vor der Immobilie der Anschrift …….sowie der Durchgangsweg von der W-Straße zu ………nicht erfasst werden.

Außerdem wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 323,68 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.       Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ¼ und die Beklagte ¾.

3.       Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 €. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte, seine Grundstücksnachbarin, auf Entfernung, hilfsweise auf dauerhafte Fixierung, von drei auf ihrem Grundstück angebrachten Kameras in Anspruch.

Der Kläger wohnt unter der Anschrift……., Flur X, Nr. X. Die Beklagte ist selbstnutzende Eigentümerin des benachbarten Immobiliengrundstücks mit der Anschrift……… Die Parteien leben nicht in einem friedlichen nachbarschaftlichen Verhältnis. Bereits in der Vergangenheit gab es unterschiedliche Streitigkeiten.

Am 05.02.2014 ließ die Beklagte auf ihrem Grundstück bzw. an ihrer Immobilie mehrere Kameras installieren. Eine Kamera ist an der Vorderfront des Hauses in Höhe von ca. 2,5-3,7 m rechtsseitig oberhalb des Hauseingangs angebracht. Es handelt sich um eine Kamera AVM457ZAP/F38 des Herstellers AVTech, eine „2 Megapixel Network Camera“, welche einen horizontalen Öffnungswinkel von 73,2°, einen vertikalen Öffnungswinkel von 47,4° und einen diagonalen Öffnungswinkel von 85,4° aufweist, mithin einen deutlichen Bereich über die von außen sichtbare Ausrichtung heraus erfasst (nachfolgend: Kamera 1, ersichtlich auf Anl. K1, Bl. 9 der Akte). Eine weitere Kamera ist im hinteren Bereich des Hauses der Beklagten, am Anbau im Innenhof zur Terrasse zeigend, etwa in Höhe von 2,5 m angebracht (nachfolgend: Kamera 2, ersichtlich auf Anl. K2, Bl. 11 der Akte). Schließlich ist eine Kamera im Garten der Beklagten an der Grenze zum Nachbargrundstück Hausnummer 55 an einem verzinkten Rohrrahmen installiert (nachfolgend: Kamera 3, ersichtlich auf Anl. K3, Bl. 12 der Akte).

Die Kameras sind ohne manuelle Einwirkungen, d.h. ohne sichtbare Einwirkung von außen, in ihrem Aufnahmebereich durch Betätigung der Zoomfunktion sowie durch Änderung der Winkeleinstellung manipulierbar. Hinweise auf die Kameras sind nicht angebracht.

Den öffentlichen Gehweg der W-Straße, der unmittelbar am Haus des Klägers und dessen Hauseingang entlangführt, muss der Kläger nutzen muss, um sein Grundstück zu erreichen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.02.2014 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 07.03.2014 auf, die Kameras zu entfernen. Gleichzeitig wurde die Beklagte unter Fristsetzung zum 14.03.2014 aufgefordert, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 323,68 € (Gegenstandswert von 4.000,00 €, 1,0 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) freizustellen. Die Beklagte wies die Ansprüche des Klägers mit Schreiben vom 07.03.2014 zurück. Die Parteien nahmen am 12.06.2014 einen Schlichtungstermin vor der Gütestelle des Kölner Anwaltsvereins wahr. In diesem Termin konnte keine Einigung erzielt werden (siehe Erfolglosigkeitsbescheinigung vom 21.07.2014, Anl. K5, Bl. 15 f. der Akte).

Die Beklagte überreichte dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.08.2014 sogenannte Snapshots. Hinsichtlich dieser wird auf Bl. 80 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, Eigentümer des Immobiliengrundstücks ……….zu sein. Die Kamera 1 sei jedenfalls auch auf den öffentlichen Gehweg der W-Straße ausgerichtet, welcher unmittelbar am Haus des Klägers und dessen Hauseingang entlangführt und welchen der Kläger nutzen muss, um sein Grundstück zu erreichen. Die Kamera 2 sei so platziert, dass sie die Terrasse sowie das Wohnzimmer des Klägers erfasse. Die Kamera 3 sei auf den öffentlichen Durchgangsweg von der W-Straße zur N-Straße ausgerichtet. Der Kläger nutze den entsprechend erfassten Weg nahezu täglich in den Abendstunden. Die aufgezeichneten Daten würden nicht unverzüglich gelöscht. Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass am 24.01.2015 die unmittelbar neben dem Haus der Klägerin befindliche Garageneinfahrt mit Filzstift-Graffiti bemalt wurde. Ebenfalls mit Nichtwissen bestreitet er, dass in der Nachbarschaft mehrfach eingebrochen wurde, im Frühjahr 2013 ein unbekannter Dritter auf das Garagendach des Klägers kletterte und von dort Gift herabschüttelte, um den Wuchs des Flieders zu verhindern. Schließlich bestreitet der Kläger mit Nichtwissen, dass sich jemand im Winter 2013/2014 über das Garagentor Zugang zum Grundstück der Beklagten verschaffte, um dort von Christrosen die Blüten abzuschneiden.

Der Kläger beantragt,

1.       die Beklagte zu verurteilen,

a.       die an der Vorderfront der Immobilie unter der Anschrift ………in ca. 3,5 m Höhe rechtsseitig oberhalb des Hauseingangs angebrachte Kamera,

b.      die im hinteren Bereich der Immobilie unter der Anschrift…….., am Anbau im Innenhof zur Terrasse hin zeigend, etwa in Höhe von 2,5 m, angebrachte Kamera sowie

c.       die im Garten der Immobilie unter der Anschrift., an der Grenze zum Nachbargrundstück Hausnummer ….. an einem verzinkten Rohrrahmen angebrachte Kamera zu entfernen;

hilfsweise,

a.       die an der Vorderfront der Immobilie unter der Anschrift ………in ca. 3,5 m Höhe rechtsseitig oberhalb des Hauseingangs angebrachte Kamera,

b.      die im hinteren Bereich der Immobilie unter der Anschrift……., am Anbau im Innenhof zur Terrasse hin zeigend, etwa i.H.v. 2,5 m, angebrachte Kamera sowie

c.       die im Garten der Immobilie unter der Anschrift………, an der Grenze zum Nachbargrundstück Hausnummer 55 an einem verzinkten Rohrrahmen angebrachte Kamera

so einzustellen und sichtbar dauerhaft so zu fixieren, dass der Terrassenbereich und Wohnzimmerbereich des Klägers sowie der Gehweg vor der Immobilie der Anschrift W-Straße 53, 50321 Brühl sowie der Durchgangsweg von der W-Straße zu N-Straße in 50321 Brühl nicht erfasst werden und dies binnen zwei Wochen nach Rechtskraft dem Kläger nachzuweisen;

2.       die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 323,68 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Kameras würden lediglich ihren Eigentumsbereich filmen und die aufgezeichneten Daten würden grundsätzlich unverzüglich gelöscht. Im Übrigen habe die Beklagte ein dringendes Interesse an der Überwachung ihres Grundstücks. Am 09.05.2011 gegen 23.00 Uhr sei der Kläger über die 2 m hohe Mauer zum Innenhof der Beklagten geklettert. Er habe eine Taschenlampe bei sich getragen. Hiervon aufgeschreckt habe die Großmutter der Beklagten, Frau C, das Haus verlassen und den Klägern zur Rede gestellt. Im Frühjahr 2013 sei ein unbekannter Dritter auf das Garagendach des Klägers, welches an die hintere Seite des Grundstücks der Beklagten grenzt, geklettert. Die Person habe von dort eine ätzende Flüssigkeit (Gift) auf einen sich dort als Gedächtnisbaum befindlichen Flieder geschüttelt, um den Weiterwuchs des Flieders zu verhindern. Im Winter 2013/2014 habe sich jemand über das Garagentor Zugang zum rückwärtigen Grundstück der Beklagten verschafft, dieses überquert und sämtliche Christrosen, die sich einer Entfernung von 15 m vom Garagentor befänden, die Blüten abgeschnitten. Am 24.01.2015 sei die unmittelbar neben dem Haus der Klägerin befindliche Garageneinfahrt, vor der die Klägerin berechtigt parke, mit Filzstift-Graffiti bemalt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nur hinsichtlich der Hilfsanträge begründet.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde das gemäß § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW i.V.m. § 15a EGZPO erforderliche Schlichtungsverfahren erfolglos durchgeführt.

Hinsichtlich des Hauptantrages gerichtet auf Entfernung der Kameras ist die Klage unbegründet. Dieser geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog, der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, nicht zu. Aus diesen Vorschriften kann der Kläger lediglich die Einstellung und dauerhafte sichtbare Fixierung der Kameras so, dass der Terrassenbereich und Wohnzimmerbereich des Klägers sowie der Gehweg vor der Immobilie der Anschrift ……….sowie der Durchgangsweg von der W-Straße zu ………….nicht erfasst werden, verlangen.

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Der Kläger wurde durch die von der Beklagten angebrachten Videokameras bzw. deren Aufzeichnungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Auf die Frage, ob der Kläger tatsächlich Eigentümer des Grundstücks unter der Anschrift W-Straße……….., Flur X, Nr. X ist, kommt es nicht an. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht eigentumsbezogen. Dahinstehen kann auch, ob die Kameras derzeit allein auf das Grundstück der Beklagten gerichtet sind. Denn eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes kann auch bei Ausrichtung von Überwachungskameras allein auf das eigene Grundstück vorliegen, wenn Dritte eine Überwachung durch die Kameras objektiv ernsthaft befürchten müssen. Eine solche Befürchtung ist dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände. Dies setzt voraus, dass er eine Überwachung durch die Kameras ernsthaft befürchten muss (sog. „Überwachungsdruck“). Dabei muss eine solche Befürchtung aufgrund konkreter Umstände als objektiv nachvollziehbar und verständlich erscheinen. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch eine Videokamera beeinträchtigt das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, hingegen nicht. Eine objektiv ernsthafte Verdachtslage liegt bei einem „eskalierenden Nachbarstreit“ vor, wobei die Tatsache, dass die Parteien mehrere Rechtsstreitigkeiten führen und hierdurch ihr persönliches Verhältnis schwer belastet ist für sich genommen keinen „Überwachungsdruck“ rechtfertigen (BGH, Urteil vom 21.10.2011 – V ZR 265/10 –, juris-Rn. 9 ff).

In der Rechtsprechung wird ein Anspruch auf Unterlassung des Betreibens solcher Videokameras, die lediglich auf das Nachbargrundstück ausrichtbar sind, hingegen verneint, wenn der Nachbar die Anfertigung von Aufnahmen lediglich befürchtet und die Kameras nur mit erheblichem und äußerlich wahrnehmbar im Aufwand, also nicht etwa durch das betätigen einer Steuerungsanlage, auf sein Grundstück gerichtet werden können (BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 176/09 –, juris-Rn. 13).

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der Kläger einem derartigen Überwachungsdruck durch die Beklagte ausgesetzt. Denn ausweislich der auf Bl. 80 ersichtlichen Kameraeinstellungen wurden jedenfalls in der Vergangenheit Teile des klägerischen Grundstücks sowie Teile des öffentlichen Weges durch die Beklagte gefilmt. Die dort ersichtlichen Kameraaufnahmen wurden von der Beklagten selbst mit Schreiben vom 18.08.2014 dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zugesandt. Unstreitig sind die Kameras der Beklagten aufgrund ihrer Aufnahmewinkel und Reichweite auch in der Lage, das klägerische Grundstück und die öffentlichen Gehwege dauerhaft zu überwachen. Hinzukommt, dass die Kameras ebenfalls unstreitig ohne manuelle Einwirkungen, das heißt ohne sichtbare Einwirkungen von außen, in ihrem Aufnahmebereich durch Betätigung der Zoomfunktion sowie durch Änderung der Winkeleinstellung manipulierbar sind. Der Kläger würde es demnach gar nicht merken, wenn die Beklagte wieder sein Grundstück sowie den von ihm genutzten öffentlichen Raum filmen würde. Vor diesem Hintergrund sowie dem wenig friedlichen nachbarschaftlichen Verhältnis – auch wenn es sich nicht um einen „eskalierenden Nachbarstreit“ handeln mag – erscheint die Befürchtung des Klägers, die Beklagte werde (erneut) versuchen, sein Grundstück und die von ihm genutzten öffentlichen Wege zu überwachen, nachvollziehbar.

Auch die der Beklagten jedenfalls möglichen Videoaufzeichnungen der öffentlichen Wege stellen bei der gebotenen Würdigung der Umstände einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Auch die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnungen mittels Videogerät, in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht kann einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. Ob und in welchem Umfang bereits die Fertigung derartiger Bilder rechtswidrig und unzulässig ist oder aber von dem Betroffenen hinzunehmen ist, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlichen, insbesondere auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden (BGH, Urteil vom 25.04.1995 – VI ZR 272/94 –, juris). Hinnehmen müsste der Kläger solche Aufnahmen, die lediglich zum Festhalten eines bestimmten Straßenbildes gefertigt werden und ihn quasi nur als Beiwerk aufzeichnen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Beklagte filmte, wie bereits dargestellt, jedenfalls in der Vergangenheit den Gehweg, der unmittelbar am Haus des Klägers und dessen Hauseingang entlang führt und welchen der Kläger nutzen muss, um zu seinem Grundstück zu gelangen sowie den öffentlichen Durchgangsweg von der W-Straße, auf welcher der Kläger wohnt, zur N-Straße. Damit muss der Kläger, wenn er die Wege benutzt, ständig mit der Überwachung dienenden Aufzeichnung seines Bildes rechnen. Er muss sich praktisch stets, wenn er von seinem Haus kommend oder zu seinem Haus gehend, kontrolliert fühlen. Ob die Beklagte die Videoaufzeichnungen wieder löscht, ist unerheblich. Es kann nicht dem – für den Betroffenen letztlich gänzlich unkontrollierbaren – Belieben eines anderen überlassen bleiben, wie er mit derart hergestellten Videoaufzeichnungen verfährt (BGH, Urteil vom 25.04.1995 – VI ZR 272/94 –, juris).

Die Interessen der Beklagten überwiegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht. Dem verfassungsrechtlich garantierten Recht der Beklagten (Art. 14 Abs. 1 GG), geeignete Schutzmaßnahmen für ihr Grundstückseigentum zu ergreifen, wird dadurch genüge getan, dass die Beklagte mit Hilfe von Kameras ihr Grundstück weiter überwachen kann. Sie muss nur sicherstellen, dass das Grundstück des Klägers und die öffentlichen Wege, die dieser nutzt, nicht erfasst werden und eine Erfassung nur durch eine sichtbare technische Veränderung der Anlage möglich wäre.

Der weiter gehende Anspruch auf gänzliche Entfernung der Kameras steht dem Kläger (daher) nicht zu. Denn § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog) gewährt zwar einen Anspruch auf Beseitigung der gegenwärtigen Beeinträchtigung. Grundsätzlich bleibt es jedoch dem Schuldner überlassen, wie er die Beeinträchtigung beseitigt. Eine Verurteilung zu einer bestimmten Maßnahme kommt daher nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigung nur durch dieses Maßnahme beseitigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2005, V ZR 251/04, NJOZ 2005, 3210; BeckOK BGB/Fritzsche, Stand 01.08.2015, § 1004, Rz. 131) bzw. weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (BGH, Urteil vom 12.12.2003, NJW 2004, 1035). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn zur Beseitigung der Störung sind alle Maßnahmen als geeignet anzusehen, 1. die gewährleisten, dass objektiv nachprüfbar (z.B. durch einen Sachverständigen) ist, dass das klägerische Grundstück nicht erfasst wird und 2. die eine Erfassung des klägerischen Grundstücks nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technischen Veränderung der Anlage ermöglichen (vgl. zu diesen Kriterien BGH, Urteil vom 16.03.2010, VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533, Tz. 14).

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2015 die Behauptung aufstellt, seine dauerhafte Rechtsgutsverletzung könne ausschließlich mittels Entfernung der Kameras beseitigt werden und dies erstmals durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis stellt, war dies gemäß § 296a ZPO als verspätet zurückzuweisen. Denn dies war auch nicht von dem Schriftsatzrecht des Klägers umfasst. Er erhielt lediglich Schriftsatznachlass hinsichtlich des neuen Vorbringens aus dem Schriftsatz der Beklagtenseite vom 03.11.2015 (vergleiche Sitzungsprotokoll vom 04.11.2015, Bl. 111 der Akte). Neuen Tatsachenvortrag zu der Frage, ob eine Fixierung der Kameras möglich oder eine Beseitigung erforderlich ist, beinhaltet dieser nicht. Sollte es der Beklagten im Übrigen aufgrund technischer Gegebenheiten nicht möglich sein, objektiv nachprüfbar (z.B. durch einen Sachverständigen) nachzuweisen, dass von den drei streitgegenständlichen Kameras das klägerische Grundstück nicht erfasst wird und einzurichten, dass eine Erfassung des klägerischen Grundstücks nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technischen Veränderung der Anlage möglich ist, führt dies faktisch dazu, dass sie (jedenfalls diese) Kameras so nicht mehr nutzen darf.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen stehen dem Kläger wie beantragt gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 286, 288 BGB zu.

Nicht zu entscheiden war über die erstmals mit Schriftsatz vom 22.12.2015 gestellten klageerweiternden Anträge. Diese wären, wie aus §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO folgt, spätestens in der mündlichen Verhandlung und damit am 04.11.2015 zu stellen gewesen (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 296a ZPO, Rn. 2a). Dies erfolgte jedoch nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt, dass der Kläger überwiegend erfolgreich war, da ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB (analog) besteht, dieser jedoch nur nicht – wie vom Kläger primär beantragt – auf eine bestimmte Beseitigungsmaßnahme (nämlich Entfernung der Kameras) gerichtet ist (LG Berlin, Urteil vom 23.07.2015 – 57 S 215/14 –, juris). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

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