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Videoüberwachung in einer Apotheke


Apotheke

Zusammenfassung:

Unter welchen Voraussetzungen und in welchen Bereichen kann eine Videoüberwachung in einer Apotheke zulässig sein? Ergeben sich veränderte Anforderungen an die Zulässigkeit, wenn es in der Apotheke in der Vergangenheit zu nicht aufklärbaren Entwendungen von Medikamenten gekommen ist, welche einen Schaden von mehreren tausend Euro verursacht haben? Dürfen die Verkaufsräume der Apotheke videoüberwacht werden?


Verwaltungsgericht des Saarlandes

Az: 1 K 1122/14

Urteil vom 29.01.2016


Tenor

Die Anordnung der Beklagten vom 30.07.2014 wird insoweit aufgehoben, als sie die Videoüberwachung an dem Betäubungsmittelschrank betrifft.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der die Vollstreckung Betreibende vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.


Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die datenschutzrechtliche Anordnung der Beklagten. Er ist Eigentümer und Betreiber der S.-Apotheke in A-Stadt. Diese besteht aus einem Verkaufsraum mit einem Freiwahlbereich. Über den Verkaufsraum gelangt man in ein Lager mit Medikamentenschränken. Daran anschließend findet sich die sogenannte Schleuse für die Medikamentenanlieferung, die Rezeptur, ein Personalraum, das Büro, das Labor und über einen Notausgang der Kellerbereich.

Der Kläger erwarb die Apotheke im Jahr 2007/2008. Ein zu dieser Zeit vorliegendes Gutachten ergab, dass sie über einen schlechten Ertrag verfüge. Dem Gutachten zufolge war der Schwund außergewöhnlich hoch. Daher erfolgte ein Hinweis darauf, dass in der Apotheke Entwendungen stattfänden, die auch von der Belegschaft verübt worden sein könnten. Nach Ergreifen arbeitsrechtlicher Maßnahmen, welche erfolglos blieben, brachte der Kläger im Jahr 2008 im Verkaufsraum der Apotheke drei Videokameras an. In Folge einer im Jahr 2011 auftretenden Lagerdifferenz in Höhe von 44.000,- € erweiterte er im Jahres 2013 um zwei weitere Kameras, davon eine in der Schleuse und eine im Bereich des Betäubungsmittelschranks. Nachdem die Beklagte durch eine Eingabe auf die Videokameras aufmerksam wurde, griff sie diese auf.

Der Kläger berief sich darauf, als Verursacher der Differenz im Jahr 2011 kämen nur Kunden, insbesondere ein besonders kriminalitätsgefährdeter Personenbereich im Bereich der Fixer, oder, wovon der Kläger nicht ausgehe, Personal in Betracht. Zum Zeitpunkt der Installation der Kameras seien alle Mitarbeiter informiert und mit der Aufstellung derselben einverstanden gewesen, was sich auch aus einem Bestätigungsschreiben ergebe. Zudem sei an beiden Eingangstüren ein deutlich sichtbarer Hinweis auf die Videoüberwachung angebracht worden. Die Außentür der Schleuse sei in zwei Fällen unverschlossen vorgefunden worden. Die Kamera am Betäubungsmittelschrank solle Täter ermitteln, die Entwendungen aus dem Tresor vornehmen oder vornehmen wollten. Zudem diene die Aufzeichnung über 24 Stunden auch dem Schutz des Personals. Die Aufzeichnungen würden automatisch alle 2 Wochen gelöscht und unterlägen nur dem Zugriff durch den Kläger. Die Informationsübertragung erfolge mittels Verbindungsleitung.

Daraufhin verlangte die Beklagte insbesondere die Übersendung der Schadensmeldungen an den Versicherer bzw. der Strafanzeigen wegen der geschilderten Schadensfälle. Zudem bat sie um Erläuterungen, inwieweit verschreibungspflichtige Medikamente entwendet worden seien. Die Einwilligungserklärung der Mitarbeiter entspreche nicht dem gesetzlichen Erfordernis des § 4 a Abs. 1 BDSG. Es fehle ein eindeutiger Bezug auf einen genau umschriebenen Verwendungsvorgang und von einer Freiwilligkeit der Entscheidung sei in einem Arbeitsverhältnis nicht auszugehen.

Dazu erläuterte der Kläger unter Hinweis auf den Fehlbestand im Jahr 2011, dass die Kameras in Schleuse und am Betäubungsmittelschrank vornämlich der Abschreckung dienten, da eine lückenlose Überwachung in den verschachtelten Räumen nicht möglich sei. Es könne aber keiner der Mitarbeiter unter Verdacht genommen werden.

Am 07.02.2014 fand eine angekündigte Besichtigung der Räumlichkeiten der Apotheke und der Videoanlage durch die Beklagte statt. In deren Rahmen gab der Kläger an, dass er für den Medikamentenschwund in den letzten Jahren hauptsächlich Mitarbeiter verantwortlich sehe. Daher habe er bereits die Inventarzyklen verkürzt, sodass eine Inventur nunmehr jährlich stattfinde. Die Überwachung erfolge wegen ihrer abschreckenden Wirkung. Attrappen seien nicht geeignet. Bislang sei kein Vorfall nachgewiesen worden. Er sehe sich die Aufnahmen stichprobenartig an. Eine Löschung erfolge nunmehr alle zwei Tage im Wege automatischer Überzeichnung der Aufnahmen. Bei der Besichtigung wurde weiter festgestellt, dass der Betäubungsmittelschrank teilweise offen stand und die Schlüssel steckten. Dazu gab der Kläger an, dass im Tagesgeschäft ein Verschließen unzumutbar sei, da bei Verzögerungen Kunden verloren gingen.

Mit Schreiben vom 17.03.2014 setzte die Beklagte dem Kläger davon in Kenntnis, dass sie die Videokameras im Verkaufsraum für unzulässig erachte, ebenso die Videoüberwachung am Betäubungsmittelschrank. Lediglich die Videoüberwachung der Schleuse sehe sie als zulässig an, sofern nachgewiesen werde, dass die Hinweisschilder im Eingangsbereich um die verantwortliche Stelle ergänzt würden und der Aufnahmeradius der Kamera nicht den Gehweg erfasse.

Unter dem 16.05.2014 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Anordnung der Einstellung der Videoüberwachung im Verkaufsraum während der Öffnungszeiten sowie an dem Betäubungsmittelschrank an.

Darauf äußerte sich der Kläger, er halte die Orientierungshilfe „Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen“ (Düsseldorfer Kreis) ein und habe einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt. Die Videoüberwachung sei zur Wahrung des Hausrechts und zur Warensicherung und eventuellen Ermittlungen von Straftätern erforderlich und zweckmäßig. Die tatsächliche Gefahrenlage ergebe sich aus dem Warenschwund. Sie habe Präventivwirkung, wie der Rückgang des Schwundes belege. Da keine Tathandlungen hätten festgestellt werden können, habe auch keine Anzeige bei der Polizei oder Versicherung erfolgen können. Zudem komme es aufgrund der vorhandenen drei Eingänge zu erhöhter Kundenbewegung. Überwiegende schutzwürdige Interessen der Beschäftigten bestünden nicht. Insbesondere könne die grundsätzliche Freiwilligkeit allein wegen des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses nicht bestritten werden.

Mit dem streitigen Bescheid vom 30.07.2014 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Videoüberwachung in dem Verkaufsraum sowie an dem Betäubungsmittelschrank während der Öffnungszeiten der Apotheke unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Bestandskraft, einzustellen und binnen dieser Frist die ergriffenen Maßnahmen mitzuteilen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Videoüberwachung im Verkaufsraum als öffentlich zugänglicher Raum könne nicht der Wahrung des Hausrechts nach § 6 b Abs. 1 BGSG dienen, denn eine Besitzstörung solle durch eine solche Überwachung nicht lediglich nachträglich festgestellt werden, sondern dem Hausrechtsinhaber ermöglichen, einer solchen Störung in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu begegnen. Auch diene die Videoüberwachung nicht der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Insoweit fehle es bereits an einer schriftlichen Fixierung der Zweckbestimmung der Überwachungsmaßnahme. Eine konkrete Gefährdungslage habe nicht substantiiert dargelegt werden können. Die Umstände der Lagerdifferenz im Jahr 2011 seien unklar geblieben. Es liege keine abstrakte Gefährdungslage vor, da es um einen verhältnismäßig kleinen Verkaufsraum gehe, in welchem sich regelmäßig Personal aufhielten. Auch trotz der vorhandenen drei Eingänge sei der Verkaufsraum noch als übersichtlich zu werten. Die Videoüberwachung sei nicht erforderlich. Ein zwischenzeitlicher Rückgang des Warenschwundes könne nicht eindeutig auf die Videokameras zurückgeführt werden. Auch habe die Überwachung zu keiner Täterüberführung beigetragen. Milderes Mittel sei die Verkürzung des Inventurzyklus. Zudem erlaube § 6 b Abs. 5 BDSG allenfalls eine Speicherung der gewonnen personenbezogenen Daten für 24-48 Stunden, sodass Bestandsdifferenzen im Rahmen einer vom Kläger üblicherweise nur stichprobenartig durchgeführten Kontrolle nicht bemerkt werden würden. Des Weiteren stünden schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer Überwachung entgegen. Die Kunden, die durch Vorlage von Rezepten sensible Daten preisgäben, seien ebenso wie die Beschäftigten in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Personenbezogene Daten nach § 3 Abs. 9 BDSG würden zwar in einer Apotheke zwangsläufig erhoben, aber durch die Videoüberwachung für eigene Zwecke automatisiert verarbeitet. Die Beschäftigten könnten sich einer Videoüberwachung nicht entziehen. Ein schutzwürdiges Arbeitgeberinteresse demgegenüber bestehe nicht, da ein konkreter Verdacht gegen eine Person oder Personengruppe nicht vorhanden sei. Die Einwilligung der Mitarbeiter erfülle nicht die Anforderungen des § 4 a Abs. 1 BDSG. Es fehle die Angabe eines genau umschriebenen Verwendungszwecks sowie die Freiwilligkeit der Entscheidung. Von Freiwilligkeit könne im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wegen der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten und deren wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht ausgegangen werden. Die Videoüberwachung des Betäubungsmittelschranks in einem nicht öffentlich zugänglichen Bereich bleibe hinter den Anforderungen des § 32 Abs. 1 BDSG zurück. Eine nur präventive Videoüberwachung ohne konkreten Grund genüge den normierten Anforderungen nicht. Eine konkrete Gefährdungslage könne auch insoweit nicht angenommen werden. Es könne nicht einmal genau dargelegt werden, inwieweit es sich bei dem Warenschwund um Betäubungsmittel handele, obwohl eine solche Feststellung nach den Pflichten eines Apothekers möglich sein müsste. Die Erforderlichkeit ergebe sich auch nicht aus dem unmittelbar neben dem Betäubungsmittelschrank befindlichen Notausgang. Dies erfordere eine generelle Überprüfung der Geeignetheit des Standorts des Betäubungsmittelschranks und gebiete, dass der Schrank jederzeit verschlossen und nur durch den Befugten geöffnet werden könne.

Mit seiner auf den am 31.07.2000 zugestellten Bescheid am 01.09.2014, einem Montag, erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Anordnung. Während des gerichtlichen Verfahrens änderte er den Erfassungsbereich der Kameras im Verkaufsraum, so dass lediglich der Freiwahlbereich und die Eingangstüren, nicht aber weiterhin die Medikamentenabgabe am Tresen, erfasst werden, und legte von den Beschäftigten die jeweilige „Einwilligungserklärung zum Betrieb der vorhandenen Videoanlage“ vor.

Er ist der Ansicht, die Videoüberwachung sei mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar. Er habe ein berechtigtes Interesse am Einsatz der Kameras. Er könne aus den zurückliegenden Vorkommnissen eine solche Gefahrenlage für Diebstähle nachweisen. Zudem genüge für den Einsatz solcher Überwachungsmaßnahmen auch eine abstrakte Gefährdungslage. Eine solche könne in Geschäften angenommen werden, die wertvolle Waren verkauften oder im Hinblick auf Vermögens- und Eigentumsdelikte besonders gefährdet seien, wie etwa Apotheken. Die in den Apotheken angebotenen Waren und Arzneimitteln seien von kleinem Volumen und daher geeignet, schnell und ohne Aufwand entwendet zu werden. Zudem sei der Verkaufsraum nicht übersichtlich, da die Apotheke über drei Ein- und Ausgänge sowie einen Notausgang verfüge und ein Eckgeschäft sei. Da es sich um eine Präventivmaßnahme handele, gehe auch ein Hinweis auf die bislang fehlende Täterüberführung fehl. Zur Wahrung des Hausrechts sei die Videoüberwachung geeignet, Besitzstörungen aufzudecken und angemessen hierauf zu reagieren. Auch hinsichtlich der Videoüberwachung am Betäubungsmittelschrank liege aufgrund der Lage des Schrankes neben dem Kellernotausgang eine konkrete Gefährdungslage vor. Bei der Anzahl der Mitarbeiter sei es auch nicht möglich, Fehlbestände direkt und zeitnah festzustellen. Der Schrank könne nicht verschlossen gehalten werden, da einer Entnahme durch eine beschäftigte Person eine weitere Entnahme durch eine andere Person oder eine Drittentnahme folgen könne. Eine schriftliche Fixierung der Zweckbestimmung der Videoüberwachungsanlage sei nicht zwingend geboten. Eine Mitteilungspflicht genüge. Die Videoüberwachung im Verkaufsraum als auch am Betäubungsmittelschrank sei auch geboten, was sich schon aus der Anzahl der Mitarbeiter und der Mehrzahl von Ein- und Ausgängen ergebe. Mangels erkennbarer und zumutbarer Alternativen sei die Videoüberwachung geeignet und erforderlich zur Zweckerreichung. Schutzwürdige Interessen der Arbeitnehmer stünden nicht entgegen. Diese seien ausdrücklich mit der Videoüberwachung einverstanden. Die Einwilligungserklärung entspreche den gesetzlichen Anforderungen. Von einer fehlenden Freiwilligkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses könne nicht per se ausgegangen werden. Auch würden die Beschäftigten nur während ihrer Verkaufstätigkeit von den Kameras erfasst. Schutzwürdige Kundeninteressen seien nicht vorhanden. Rezepte könnten von der Videokamera nicht gelesen werden und unterlägen auch keiner besonderen Schutzwürdigkeit, würden sie doch an die Krankenkasse weitergeleitet.

Der Kläger beantragt,

die Anordnung der Beklagten vom 30.07.2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Videoüberwachung im Verkaufsraum als öffentlich zugänglicher Bereich sei nicht mit § 6 b Abs. 1 BDSG vereinbar. Sie sei weder zur Wahrnehmung des Hausrechts noch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen geeignet. Es fehle bereits an der schriftlichen Zweckbestimmung, die erforderlich sei, um der verantwortlichen Stelle eine sorgfältige Überprüfung der Videoüberwachung zu ermöglichen und eine beliebige Veränderung der Zwecke im Nachhinein zu verhindern. Zudem fehle es an der für den präventiven Einsatz der Videokameras notwendigen tatsächlichen Gefahrenlage. Konkrete Vorkommnisse oder Belege für eine solche fehlten. Insbesondere lasse der Warenschwund im Jahr 2011 keinen eindeutigen Schluss auf eine Gefahrenlage zu, da auch Fehlbeträge in Inventurlisten die Ursache dafür sein könnten. Es habe auch nicht dargelegt werden können, ob Diebstähle in besonders großen Umfang in dem Verkaufsraum oder am Betäubungsmittelschrank aufträten. Auch der Täterkreis sei in keiner Weise bestimmt, habe der Kläger doch anfänglich seine Kunden als Tatverdächtige genannt, im Rahmen der Vorortbesichtigung dann aber die Mitarbeiter. Die Videoüberwachung diene nach eigenen klägerischen Angaben vornehmlich der Ausübung von Druck auf Mitarbeiter. Auch eine abstrakte Gefahr könne nicht angenommen werden. In einem verhältnismäßig kleinen Verkaufsraum, in dem sich regelmäßig Personal aufhalte, könne nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht auf eine Gefährdungslage geschlossen werden, selbst wenn drei Ein- bzw. Ausgänge vorhanden seien. Eine Vergleichbarkeit, etwa mit einem großflächigen Einkaufsmarkt, bestehe nicht. Die Videoüberwachung sei zur Zweckerreichung auch nicht erforderlich. Trotz der bereits seit 2008 vorhandenen Kameras habe der Warenschwund im Jahr 2011 nicht verhindert werden können. Es gebe auch keine Hinweise auf Verdächtige. Darüber hinaus stünden schutzwürdige Interessen der Betroffenen der Videoüberwachung entgegen. Auf eine Lesbarkeit des Rezepts komme es nicht an. Ein Äquivalent für einen solch massiven Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kunden habe der Kläger nicht vorgebracht. Auch die Beschäftigten könnten sich einer Videoüberwachung nicht einfach entziehen. Ein solcher Überwachungsdruck greife in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ein. Schutzwürdige Arbeitgeberinteressen zur Rechtfertigung dieses Eingriffs bestünden nicht. Insoweit reichten wage Vermutungen oder ein pauschaler Verdacht nicht aus, sondern nur ein konkreter Tatverdacht, für welchen es aber keine Anhaltspunkte gebe. Arbeitnehmer könnten nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Die Einwilligungserklärung der Beschäftigten erfülle nicht die gesetzlichen Anforderungen nach § 4 a Abs. 1 BDSG. Die vom Kläger verwendete Formulierung weise weder auf die Folgen einer Verweigerung der Einwilligung noch auf die beabsichtigte Verwendung der Daten oder eine Widerrufsmöglichkeit der Einwilligung hin. Es fehle zudem auch an der Freiwilligkeit der Erklärungsabgabe wegen der zwischen den Beteiligten des Arbeitsverhältnisses herrschenden unterschiedlichen Machtstruktur. Neben alledem sei die Videoüberwachung am Betäubungsmittelschrank nicht mit § 32 Abs. 1 BDSG vereinbar. Eine präventive Überwachung ohne konkreten Grund genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht. Eine Gefährdungslage bestehe nicht, da noch nicht einmal Angaben darüber gemacht werden könnten, ob und in welchem Umfang es sich bei dem Warenschwund um Betäubungsmittel handele oder gehandelt habe. Dies sei schon mit der dem Apotheker obliegenden besonderen Aufbewahrungs- und Nachweisführungspflicht über Verbleib und Bestand der Betäubungsmittel unvereinbar. Das Verschließen des Betäubungsmittelschranks und die Verwahrung des Schlüssels sowie Herausgabe der Betäubungsmittel durch einen einzigen Mitarbeiter stelle eine geeignete und erforderliche Maßnahme dar, um den Schrank vor unbefugten Zugriff zu schützen. Auch das Führen von Bestandslisten und die Verkürzung von Inventarzyklen seien geeignete Mittel, um dem Diebstahl vorzubeugen.

Der Verwaltungsrechtsstreit ist dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage hat dahingehend Erfolg, dass die Anordnung der Beklagten vom 30.07.2014 insoweit aufzuheben ist, als sie die Videoüberwachung an dem Betäubungsmittelschrank betrifft; im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, was zur diesbezüglichen Abweisung der Klage führt.

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Richtige Beklagte ist die Landesbeauftragte für Datenschutz, die nach § 25 Abs. 1 S. 1 SDSG der Stelle „Unabhängiges Datenschutzzentrum Saarland“ vorsteht, welche aber keine Behörde ist.

Die streitige Anordnung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere lässt sie die erlassende Behörde erkennen, § 44 Abs. 2 Nr. 1 SVwVfG.

Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass er durch die unterbliebene Mitteilung des Namens des Anzeigers der Videoüberwachung während des Verwaltungsverfahrens und auch im gerichtlichen Verfahren in der Wahrnehmung seiner Rechte eingeschränkt gewesen wäre. Daher braucht der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob ihm ein diesbezüglicher Auskunftsanspruch zukommt.

Die streitige Videoüberwachung im Verkaufsraum und am Betäubungsmittelschrank unterfällt den Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes. Die im Rahmen einer Videoüberwachung erstellten Bilder und Aufnahmen stellen personenbezogene Daten dar. Unerheblich ist insoweit, dass regelmäßig nur ein geringer Prozentsatz der so gewonnenen Aufnahmen zur tatsächlichen Identifizierung von Personen genutzt wird. Ausreichend für die Anwendbarkeit des Gesetzes ist es, dass, wie hier, der Zweck der Videoüberwachung ist, die auf den Aufzeichnungen festgehaltenen Personen zu identifizieren, wenn die verantwortliche Stelle (der Kläger) dies für erforderlich hält. Nach §§ 27 Abs. 1 S. 1 Nr.1, 38 Abs. 5 S. 1 BDSG kann die Beklagte zur Gewährleistung der Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten oder technischer oder organisatorischer Mängel anordnen.

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat, § 4 Abs. 1 BDSG.

Hinsichtlich aller Kameras im Verkaufsraum fehlt es an einer Einwilligung der Betroffenen, der Kunden. Vom Vorliegen einer Einwilligungserklärung kann nicht schon dann ausgegangen werden, wenn die betroffenen Personen aufgrund eines Hinweises von der Videoüberwachung Kenntnis haben. Aus der Tatsache, dass der Kläger (mittlerweile) auf die in dem Verkaufsraum stattfindende Videoüberwachung durch Beschilderung an den Eingangstüren zur Apotheke hinweist, kann keine konkludente Einwilligung der Kunden, die dennoch und damit in Kenntnis der Videoüberwachung die Verkaufsräume der Apotheke betreten, abgeleitet werden,

OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13 – , juris.

Die Videoüberwachung der Kundeneingänge und des Freiwahlbereichs des Verkaufsraums ist mit § 6 b Abs. 1 BDSG unvereinbar.

Die drei im Verkaufsraum befindlichen Kameras erfassen (nunmehr) ausschließlich Kundeneingänge und den Freiwahlbereich der Apotheke. In diesem werden nicht apothekenpflichtige Waren angeboten, wie sie auch in Drogerien, Reform- oder Sanitätshäusern vorgehalten werden. Bei dem Freiwahlbereich der betroffenen Apotheke handelt es sich um einen öffentlich zugänglichen Raum. Er steht allen Kunden offen. Die Kameras zeichnen diese auf. Sie werden auch beobachtet, weil sie optisch unter Einsatz technischer Einrichtungen für eine gewisse Dauer erfasst werden und insgesamt die Möglichkeit zur anlassbezogenen oder stichprobenartigen Inaugenscheinnahme der Aufzeichnungen geschaffen ist.

§ 6 b Abs. 1 BDSG erklärt die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch – elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur für zulässig, soweit sie

(Nr. 1) zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
(Nr. 2) zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
(Nr. 3) zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke

erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Nach § 6 b Abs. 3 BDSG ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach Abs. 1 erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

§ 6 b Abs. 1 BDSG definiert mithin die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer datenschutzrechtlich zulässigen Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume und regelt sodann mit § 6 b Abs. 3 BDSG die zulässige Verarbeitung oder Nutzung, wobei inhaltlich die Voraussetzungen nach Abs. 1 wiederholt werden,

OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13 -, juris.

Die Videoüberwachung im Verkaufsraum dient der Wahrnehmung des Hausrechts nach § 6 b Abs. 1 Nr. 2 BDSG, nicht aber der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG. Zur Wahrnehmung des Hausrechts ist sie jedoch nicht erforderlich.

Die Videoüberwachung der Kundeneingänge und des Freiwahlbereichs durch die Kameras im Verkaufsraum, ist nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG gerechtfertigt. Zu diesen berechtigten Interessen gehört zwar grundsätzlich jedes rechtliche, wirtschaftliche und ideelle Interesse, sofern es objektiv begründbar ist und sich nicht nur an den subjektiven Wünschen und Vorstellungen der verantwortlichen Stelle orientiert. Kommt die Videoüberwachung zum Zweck der Gefahrenabwehr zum Einsatz, wird man regelmäßig eine Wahrnehmung berechtigter Interessen annehmen können. Insoweit ist aber eine konkrete oder zumindest abstrakte Gefährdungslage darzulegen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Hinsichtlich der konkreten Gefährdungslage liegt die erforderliche objektive Begründbarkeit der Gefährdungslage nur dann vor, wenn sie auf konkrete, einzelfallbezogene Tatsachen gestützt werden kann, aus denen sich der zu erwartende Eintritt einer Gefahr ergibt. Der Kläger kann nicht aufzeigen, welche Arzneimittel und ob überhaupt und wenn ja welche nicht apothekenpflichtigen Waren abhandengekommen sind Sein Hinweis auf Entwendungen in der Apotheke, reicht allein nicht aus. Dabei handelt es sich um einen generellen Verdacht, nicht um einen einzelfallbezogenen Vorfall, welcher eine konkrete Gefährdungslage zu begründen vermag. Die erforderliche Darlegung kann durch die Nennung konkreter Vorfälle erfolgen. Die bloße Behauptung oder die allgemeine Vermutung einer Rechtsverletzung – insbesondere hinsichtlich des Warenbestands des Freiwahlbereichs, den die drei Kameras im Verkaufsraum erfassen – reicht nicht aus und schließt mithin eine Videoüberwachung zur konkreten Gefahrenvorsorge aus.

Der Kläger hat auch keine abstrakte Gefährdungslage dargelegt. Eine abstrakte Gefährdungslage ist dann objektiv begründbar, wenn eine Situation gegeben ist, welche nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise gefährlich ist. Insoweit werden weitläufige oder schwer einsehbare Geschäftsräume für Vermögensdelikte als potentiell gefährdet eingestuft werden können. Gleiches gilt für Geschäfte, die in Gegenden hoher Kriminalitätsdichte liegen oder besonders wertvolle Ware verkaufen.

Dafür, dass die Apotheke in einem Gebiet liegt, das bekanntermaßen eine hohe Kriminalitätsdichte aufweist, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch kann auf Grundlage des eingereichten Grundrissplans und den zur Akte gereichten Fotos nicht von einer erschwerten Überschaubarkeit des Verkaufsraums ausgegangen werden. Die Verkaufstresen sind so angeordnet, dass der gesamte Verkaufsraum überschaubar ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass mehrere Eingänge vorhanden sind. In dem Verkaufsraum halten sich während der Öffnungszeiten der Apotheke, in Abgrenzung zu den Notdienstzeiten, regelmäßig mehrere Mitarbeiter auf, denen eine Überwachung möglich ist. Zwar mag die Apotheke auch im gewissen Maße kurzfristig wertvolle Medikamente lagern. Jedoch wird der Freiwahlbereich dadurch nicht zu einem Ort, an dem regelmäßig besonders wertvolle Waren verkauft werden, wie es etwa bei einem Juwelier der Fall ist.

Die Videoüberwachung im Verkaufsraum kann auch nicht auf das berechtigte Interesse der Verfolgung von Straftaten, das von der Gefahrenabwehr unterschieden wird, gestützt werden. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke im Sinne des § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG erfordert mehr als eine allgemeine Zweckbeschreibungen wie „Zur Gefahrenabwehr“ oder „Zur Verfolgung von Straftaten“.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Videoüberwachung durch die drei im Verkaufsraum befindlichen Kameras diene der Wahrnehmung des Hausrechts nach § 6 b Abs. 1 Nr. 2 BDSG, ist ihre Erforderlichkeit im streitigen Einzelfall nicht ersichtlich.

Die Wahrnehmung des Hausrechts umfasst die Befugnis, darüber entscheiden zu können und zu dürfen, wer bestimmte Gebäude oder befriedetes Besitztum betreten und darin verweilen darf. Der Hausrechtsinhaber ist berechtigt, die zum Schutz des Objekts, der sich darin aufhaltenden Personen sowie zur Abwehr unbefugten Betretens erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Davon ist umfasst, das Recht Störer zu verweisen und ihnen das Betreten für die Zukunft zu untersagen. Erfolgt eine Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts, kann diese der Verfolgung präventiver Zwecke dienen, sofern Ziel der Maßnahme ist, Personen von der Begehung von Rechtsverstößen innerhalb des vom Hausrecht geschützten Bereichs abzuhalten. Rechtsverstöße können insoweit auch die Verübung von Diebstählen sein. Zugleich kann das Beobachten aber auch repressiven Zwecken dienen. Das ist der Fall, wenn es um die Aufklärung von Straftaten oder die Durchsetzung zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche geht,

OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13 -, juris.

Das Hausrecht steht dem unmittelbaren Besitzer zu. Auf ein solches Hausrecht kann sich der Kläger als Inhaber der Apotheke grundsätzlich berufen. Er hat ein Interesse daran, die in der Apotheke befindlichen Arzneimittel und die Waren des Freiwahlbereichs zu schützen sowie Personen, die die Apotheke zu unberechtigten Zwecken betreten, aus dieser zu verweisen. Zwar steht noch nicht zweifelsfrei fest, dass der Fehlbestand auf Diebstähle zurückzuführen ist, ebenso wenig wie die Tatsache, dass der oder die Täter aus dem Kreis der Kunden der Apotheke kommen. Allerdings ist eine dahingehende Ermittlung gerade Zweck des Einsatzes der Kameras. Sie sollen im Hinblick auf ihre repressive Wirkung helfen, etwaige Diebstähle aufzuklären und die Täter zu überführen.

Die Videoüberwachung der Eingänge und des Freiwahlbereichs des Verkaufsraums ist jedoch nicht erforderlich zur Wahrnehmung des Hausrechts durch den Kläger. Die Erforderlichkeit im Sinne des § 6 b Abs. 1 BDSG liegt dann vor, wenn das festgelegte Ziel mit der Überwachung tatsächlich erreicht werden kann und es dafür kein anderes, gleich wirksames, aber hinsichtlich der informationellen Selbstbestimmung der betroffenen Personen weniger einschneidendes Mittel gibt. Die dahingehende Bewertung hat ausgehend von einer objektiven Betrachtungsweise im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu erfolgen,

OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13 -, juris.

Die Videoüberwachung ist zur Abschreckung von Straftätern allgemein geeignet. Die offene Überwachung ermöglicht es abschreckend auf potentielle Störer einzuwirken. Unberücksichtigt muss auch dabei bleiben, dass es bislang noch zu keiner Täterüberführung gekommen ist. Eine Maßnahme ist nicht nur dann zu einem bestimmten Zweck geeignet, wenn dieser mit Hilfe der Maßnahme vollständig erreicht werden kann, sondern schon dann, wenn die Maßnahme geeignet ist, den Zweck zu fördern. Es muss sich nicht um eine optimale Maßnahme zur Zweckerreichung handeln,

OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13 -, juris.

Der Kläger hat aber im konkreten Fall keine Tatsachen dargelegt, die es nachvollziehbar machten, dass das festgelegte Ziel mit der Überwachung tatsächlich erreicht werden kann. Er bezweckt die Reduzierung des Fehlbestandes. Er hat es aber unterlassen, den von ihm lediglich in der Summe z. B. mit 44.000,– € vorgetragenen Fehlbestand dezidiert zu erläutern und aufzuschlüsseln. Auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist nicht nachvollziehbar, ob und wenn ja in welcher Höhe überhaupt ein Fehlbestand im mit den drei Kameras im Verkaufsraum überwachten Freiwahlbereich, in dem nicht apothekenpflichtige Waren angeboten werden, aufgetreten ist. Entsprechendes gilt für die Arzneimittel, die apothekenpflichtig aber nicht verschreibungspflichtig sind, im Bereich der Sichtwahl des Verkaufsraums, auf die ein Kunde gegebenenfalls Zugriff hätte, während das Personal das rückwärtige Lager aufsucht. Zudem wird dieser Bereich nicht von den Kameras abgebildet. Ist damit nicht ersichtlich, ob überhaupt einem Fehlbestand im Verkaufsraum entgegengewirkt wird, kann die Erforderlichkeit der Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts nicht bejaht werden.

Auf die die Erforderlichkeit voraussetzende, im Rahmen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte und umfassende Abwägung zwischen der durch die Zwecke der Videoüberwachung bestimmten grundrechtlich geschützten Position des Verwenders der Videotechnik und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beobachteten zur Beantwortung der Frage, ob der Zulässigkeit der Videoüberwachung des Verkaufsraums überwiegende Interessen der Betroffenen – hier der Kunden – entgegenstehen, kommt es danach nicht mehr an.

Das danach im Ermessen der Beklagten stehende Einschreiten gegen den rechtswidrigen Zustand im Verkaufsraum ist nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Beklagte schreite willkürlich nur gegen ihn ein und verschone andere Apotheken, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat zu den vom Kläger bezeichneten Objekten erklärt, ihre Überprüfung habe ergeben, dass kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vorliege. Daran zu zweifeln besteht kein Anlass. In diesem Zusammenhang lässt der Kläger unberücksichtigt, dass sich allein durch das Vorhandensein einer Videokamera nicht deren Betrieb belegen lässt, gegenüber dem allein die Beklagte zum Einschreiten befugt ist.

Die offene Videoüberwachung an dem Betäubungsmittelschrank ist hingegen datenschutzrechtlich zulässig, weil die Beschäftigten eingewilligt haben.

Sie ist nicht an § 6 b BDSG zu messen. Diese Vorschrift findet dann keine Anwendung, wenn es um die Videoüberwachung von Arbeitsplätzen geht, die sich in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen befinden. Um so einen Bereich handelt es sich bei dem Lager der Apotheke, das nur dem Zutritt von Apothekenpersonal offensteht.

Soweit keine Einwilligung vorliegt, beurteilt sich die Zulässigkeit der Videoüberwachung in diesen Bereichen daher nach § 32 BDSG. Im konkreten Fall liegen dessen Voraussetzungen jedoch nicht vor.

Gemäß § 32 Abs. 1 BGSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

Zur Aufdeckung von Straftaten erlaubt § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG den Einsatz von datenschutzrechtlich relevanten Maßnahmen, wozu auch die Videoüberwachung gehört, nicht allein zu präventiven Zwecken. Immer erforderlich sind tatsächliche Verdachtsmomente. Daran mangelt es im vorliegenden Fall. Der Kläger konnte nicht dartun, warum gerade Anhaltspunkte gegen Mitarbeiter bestehen sollten. Anfänglich hat er die Nutzen der Videokameras vielmehr mit einem grundsätzlichen Verdacht nur gegen Kunden und nicht gegen Betriebsangehörige begründet. Mittlerweile bringt er auch einen Verdacht gegen Mitarbeiter vor. Es fehlen jedoch tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass von dem Fehlbestand bestimmte Medikamente, die in dem Betäubungsmittelschrank aufbewahrt werden, betroffen sind. Des Weiteren ist die Videoüberwachung am Betäubungsmittelschrank auch nicht erforderlich. Das wäre sie nur dann, wenn es kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Zwecks gäbe. Dies ist wiederum einzelfallabhängig. Das Verschließen des Betäubungsmittelschranks und das Führen von Entnahme- und Kontrolllisten ermöglicht effektiv, den Zugriff auf den Betäubungsmittelschrank zu kontrollieren, ist aber im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmer das weniger einschneidende Mittel. Demgegenüber sind kurzzeitige Verzögerungen, auch wenn sie sich auf den Kundenstamm auswirken sollten, hinzunehmen.

Auch wenn die verdachtsunabhängige Ermittlung bzw. präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG unterfielen bzw. auf § 28 BDSG – Datenerhebung und -speicherung für eigene Geschäftszwecke – gestützt werden könnten, verlangt das Bundesdatenschutzgesetz stets die Erforderlichkeit der konkreten Maßnahme. Daran mangelt es in jedem Fall, weil ein regelmäßiges Verschließen des Betäubungsmittelschranks und das Führen von Entnahme- und Kontrolllisten das weniger einschneidende und zumutbare Mittel zur Verhinderung von Straftaten ist.

Es liegt jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung,

entsprechend VG Berlin, Urteil vom 24.05.2011 – 1 K 133.10 -, juris,

eine Einwilligung aller Beschäftigten vor.

Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im Bundesdatenschutzgesetz konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in dieses Recht zulässig sind. Dies stellt § 1 Abs. 1 BDSG ausdrücklich klar. Nur wenn keine Einwilligung des Betroffenen vorliegt, beurteilt sich die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des Bundesdatenschutzgesetzes danach, ob eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaubt,

vgl. BAG, Urteil vom 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 -, juris, Rz. 69 zu § 32 BDSG.

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich „frei entscheiden“, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen. Dem steht weder die grundlegende Tatsache, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO, entgegen. Mit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und der Eingliederung in einen Betrieb begeben sich die Arbeitnehmer nicht ihrer Grund- und Persönlichkeitsrechte. Die zu § 4a BDSG formulierte Gegenauffassung (Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. § 4a Rn. 62) verkennt, dass schon nach § 32 BDSG Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis möglich ist, unter den Voraussetzungen des § 32 BDSG sogar einwilligungsfrei. Löste die Verweigerung einer außerhalb von § 32 BDSG erforderlichen schriftlichen Einwilligung Benachteiligungen aus, so stellte dies einen groben Verstoß gegen die arbeitgeberseitigen Pflichten aus § 241 Abs. 2 und § 612a BGB dar, der zum Schadensersatz nach §§ 282, 280 Abs. 1 BGB verpflichtete. Eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, der Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung seiner Daten – soweit erforderlich – zuzustimmen, besteht nicht,

so BAG, Urteile vom 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13 -, 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13 -, juris, Rz. 32; Rz. 30.

Eine Einwilligung in die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung ist im Arbeitsverhältnis überhaupt zulässig. Der Einwand, Arbeitnehmer könnten aufgrund des Machtungleichgewichts nicht i.S.v. § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG frei entscheiden und damit einwilligen, steht der Einwilligung nicht allgemein entgegen. Nach § 4a Abs. 1 Satz 2 BDSG muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung hinweisen, also auf den konkreten Kontrollzweck (Grundsatz der informierten Einwilligung). Unwirksam ist beispielsweise die für eine noch nicht konkretisierte Vielzahl von Fällen – und in der betrieblichen Praxis oft vorzufindende – Pauschaleinwilligung im Arbeitsvertrag. Eine Einwilligung bedarf der Schriftform und kann zudem jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Daher ist sie als sichere Rechtsgrundlage für die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung und damit die Überwachung (z.B. die Einsichtnahme in einen E-Mail-Account oder bei Torkontrollen) eher ungeeignet,

so Grimm, Überwachung im Arbeitsverhältnis: Von Befragungen bis zur GPS-Ortung – wie viel Kontrolle ist erlaubt?, jM 2016, 17.

Durch die Videoüberwachung am Betäubungsmittelschrank wird auch nicht in so schwerwiegender Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten des Klägers eingegriffen, dass deren Einwilligung mit der Rechtsordnung unvereinbar wäre. Wie hinsichtlich der punktuellen Videoüberwachung der Schleuse, deren Betrieb die Beklagte nicht untersagte, besteht auch hinsichtlich des Betäubungsmittelschranks eine generelle Ausweichmöglichkeit der Beschäftigten vor Videoüberwachung, so dass von einem ständigen Überwachungsdruck der Arbeitnehmer, nicht gesprochen werden kann. Der Arbeitnehmer kann die Videoüberwachung vermeiden oder ihr dadurch entgehen, dass er den beobachteten Bereich verlässt. Er muss nicht davon ausgehen, seine Tätigkeit werde ununterbrochen beobachtet und kontrolliert,

Seitens der Beschäftigten wurde im Verwaltungsverfahren eine Einwilligung nicht wirksam erklärt. Die dem klägerischen Schreiben vom 12.12.2013 beigefügte Unterschriftenliste unter dem alleinigen Satz – „Mir ist bekannt, dass in der S.-Apotheke 5 Überwachungskameras aufgestellt sind und ich erkläre mich damit einverstanden.“ – genügt offensichtlich auf keinen Fall den Anforderungen des § 4 a Abs. 1 BDSG.

Danach ist die Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben.

Die während des gerichtlichen Verfahrens vorgelegten 18 einzelnen Einwilligungserklärungen der Beschäftigten genügen formal den Anforderungen des § 4 a Abs. 1 BDSG.

Die Einwilligung ist jedoch nur dann wirksam, wenn sie auf einer freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Von einer generell bestehenden Unfreiwilligkeit kann in einem Arbeitsverhältnis nicht ausgegangen werden. Das Gesetz selbst schließt die Erteilung einer Einwilligung im Arbeitsverhältnis nicht aus. Eine solche kann daher nur angenommen werden, wenn die Entscheidung über die Erteilung derselben aufgrund der bestehenden Abhängigkeit vom Arbeitgeber nicht von der erforderlichen Freiwilligkeit geprägt ist. Auch in einem Verhältnis des Machtungleichgewichts muss die Selbstbestimmung nicht unbedingt ausgeschlossen sein. Es bedarf daher konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitnehmer im Einzelfall die Einwilligung nicht ohne Zwang abgegeben hat. Als Indiz für einen zusätzlichen Druck kann der Zwang zur Unterschrift auf einer gemeinsamen Erklärung angesehen werden. So wird ein gewisser Gruppenzwang zwischen den Arbeitnehmern erzeugt und setzt diejenigen, die eigentlich nicht unterschreiben wollen, unter Zwang. Werden dann, wie im Laufe des Verfahrens hier geschehen, Einzelerklärungen jedes einzelnen Arbeitnehmers nachgereicht, kann der ursprünglich generierte Gruppenzwang damit fortgesetzt werden. Weiter muss für die Einwilligenden klar zu erkennen gewesen sein, unter welchen Bedingungen sie sich mit der Verarbeitung welcher Daten einverstanden erklärt haben.

Bestehen Zweifel an den Tatsachen der Freiwilligkeit der Einwilligung bzw. des Genügens der Hinweispflicht können diese durch die Einvernahme der Betroffenen geklärt werden. So bestand Anlass, das Bestehen von Zweifeln hinsichtlich der Einwilligungserklärung Bl. 79 der Gerichtsakte zu prüfen, weil in dieser der Text über der Unterschrift mit zwei Fragezeichen am Rand versehen ist. Diese lassen es jedoch offen, ob die Zeichen vor der Unterzeichnung gesetzt wurden und dem damit bekundeten Aufklärungsbedarf vor dem Unterschreiben genügt wurde, bzw. die Bedingungen für das Einverständnis nicht bekannt waren. Bei dieser Sachlage sah der Einzelrichter keine Veranlassung zur Beweiserhebung von Amts wegen. Auf den dahingehenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung wurden Beweisanträge nicht gestellt. Damit ist das Einverständnis der Beschäftigten nachgewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass nicht alle Beschäftigten ihr Einverständnis erklärt hätten, bestehen nicht. Der sich für den Rechtstreit nicht stellenden Frage, in welcher Weise neu hinzukommende Beschäftigte jeweils ihre Einwilligung erteilen, ist nicht nachzugehen.

Ist somit die Videoüberwachung am Betäubungsmittelschrank zulässig, erweist sich die diesbezügliche Anordnung als rechtswidrig, was auch die dahingehende Androhung und aufschiebende bedingte Festsetzung des Zwangsgeldes erfasst.

Die Klage hat danach teilweise Erfolg.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.


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