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Wiedergutschriften von Barauszahlungen – bei Bankkartendiebstahl mit PIN

AG Frankfurt – Az.: 32 C 6169/20 (88) – Urteil vom 31.08.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung zweier Kontoauszahlungen in Anspruch.

Die Parteien sind durch eine Girokontoverbindung verbunden. Für das Konto wurde der Klägerin eine Debitkarte ausgestellt. Die Parteien vereinbarten die beklagtenseitigen AGB, hinsichtlich deren Inhalts auf die Anlage B1 (Bl. 112 ff. d.A.) Bezug genommen wird.

Wiedergutschriften von Barauszahlungen – bei Bankkartendiebstahl mit PIN
(Symbolfoto: Bobex-73/Shutterstock.com)

Am 11.11.2019 kam es um 10:15 Uhr und 10:16 Uhr am Geldautomaten einer dritten Bank in … zu zwei Barauszahlungen vom Konto der Klägerin in Höhe von jeweils 500 €. Hinsichtlich der Einzelheiten der Transaktionen wird auf die mit Anlage B2 vorgelegten Protokolle (Bl. 117 f. der Akte) Bezug genommen.

Um 10:42 Uhr jenes Tages teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch den Verlust ihrer Debitkarte mit und ließ die Karte sperren. In ihrer gegenüber der Beklagten am 19.11.2019 erklärten schriftlichen Verlustmeldung gab die Klägerin an, dass sie den Verlust um ca. 10:10 Uhr bemerkt hatte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die mit Anlage B3 vorgelegte Verlustmeldung (Bl. 119 f. der Akte) Bezug genommen.

Auf eine von der Klägerin erstattete Strafanzeige hin konnte kein Täter der Barauszahlungen ermittelt werden. Die Klägerin forderte die Beklagte auch durch ihre Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich fruchtlos zur Erstattung der ausgezahlten Beträge auf.

Die Klägerin behauptet, dass sie ihr Portemonnaie mit der Debitkarte darin am 11.11.2019 auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle aus der Handtasche verloren habe oder dass ihr dieses daraus entwendet worden sei. Den Verlust habe sie gegen 10:30 Uhr bemerkt und daraufhin die Beklagte ihrer Auffassung nach unverzüglich kontaktiert. Ihre PIN habe sie nicht bei der Karte notiert gehabt; diese sei wohl ausgespäht worden. Auch habe außer ihr niemand autorisierten Zugriff auf die Karte gehabt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Umstände der Abhebungen jedenfalls beim Versuch der 2. Abhebung bei der Beklagten eine Sicherheitswarnung hätten auslösen müssen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1000 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.03.2020 zu zahlen sowie die Klägerin von der Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 143,84 € freizustellen, hilfsweise Wiedergutschrift des streitgegenständlichen Betrages.

Die Beklagte beantragt, wie erkannt.

Sie behauptet, dass die streitgegenständlichen Abhebungen mit der Originalkarte erfolgt seien. Deshalb spreche ihrer Auffassung nach ein Anscheinsbeweis für einen Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin. Die Beklagte behauptet weiter, dass sie Verschlüsselungsverfahren nach dem Stand der Technik verwende und dass die PIN nicht aus der Karte auszulesen sei. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin den Verlust der Karte nicht unverzüglich angezeigt habe und behauptet, dass die streitgegenständlichen Abhebungen im Falle einer unverzüglichen Anzeige verhindert worden wären. Mit sich daraus ihrer Auffassung nach ergebenden eigenen Schadensersatzansprüchen rechnet die Beklagte vorsorglich auf.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin kann weder aus § 675u S. 2 BGB, noch aus § 280 Abs. 1 BGB, jeweils in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Zahlungsdiensterahmenvertrag, Erstattung oder Wiedergutschrift der streitgegenständlichen Barauszahlungen von der Beklagten verlangen.

Es gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, dass die streitgegenständlichen Abhebungen mittels der der Klägerin ausgehändigten Originalkarte erfolgt sind. Die in den als solchen inhaltlich unwidersprochenen Transaktionsprotokollen (Anlage B2) aufgeführte Kartennummer stimmt überein mit der von der Klägerin selbst mit der Klageschrift vorgetragenen Kartennummer. Die prozessualen Voraussetzungen eines zulässigen Bestreitens der Verwendung der Originalkarte mit Nichtwissen seitens der Klägerin gemäß § 138 Abs. 4 ZPO liegen daher nicht vor.

Wie die Beklagte zutreffend geltend macht, spricht auf dieser Tatsachengrundlage ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin pflichtwidrig entgegen Ziffer 6.3 der zwischen den Parteien vereinbarten AGB und § 675l Abs. 1 S. 1 BGB die PIN auf der Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2011, Az. XI ZR 73/10 = MDR 2012, 239). Tragfähige Anhaltspunkte für einen ernsthaft in Betracht kommenden atypischen Geschehensablauf trägt die Klägerin nicht vor.

Nach der zugrundezulegenden Verwendung der Originalkarte bestehen auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass das Sicherheitssystem der Beklagten unzureichend konfiguriert war. Sowohl die (geringe) räumliche Entfernung des Geldautomaten von etwa 50 km vom Wohnort der Klägerin, als auch die im Zuge der streitgegenständlichen Abhebung einmalig erfolgte Falschangabe der PIN stellen weder für sich genommen, noch zusammen hinreichend auffällige Merkmale dar, wie dies etwa bei betragsmäßig, zeitlich und örtlich vom bisherigen Kontonutzungsverhalten ungewöhnlich abweichenden Auslandsverfügungen oder mehrfacher Falscheingabe der PIN der Fall wäre.

Darüber hinaus ist das Gericht auch davon überzeugt, dass der Klägerin ein weiterer Sorgfaltspflichtverstoß dadurch zur Last fällt, dass sie den Verlust der Karte der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hat. Ein erst zeitlich nach den Abhebungen erfolgtes Bemerken des Verlustes hat die Klägerin in Ansehung ihrer eigenen Angaben in der vorgerichtlichen Verlustanzeige (Anlage B3) bereits nicht nachvollziehbar vorgetragen, so dass ein Bemerken des Verlustes 5 Minuten vor der 1. Abhebung wie in der Verlustanzeige angegeben zu Grunde zu legen ist. Ausweislich der polizeilichen Bestätigung über die Erstattung einer Strafanzeige (Anlage B4, Bl. 121 der Akte) verfügt die Klägerin über ein Mobiltelefon. Tragfähige Gründe, warum es ihr nicht möglich war, dieses unmittelbar für eine Verlustmeldung zu nutzen, trägt die Klägerin nicht vor.

Insbesondere kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass sie lediglich zu Hause ihre IBAN zur Hand gehabt habe, welche die Beklagte im Rahmen des letztlich erst von dort aus geführten Telefonates verlangt habe. In Ziffer 6.4 Abs. 1 S. 3 der AGB ist insoweit die Angabe der IBAN nur für eine über den Zentralen Sperrannahmedienst erstattete Verlustmeldung als Erfordernis formuliert. Nach S. 1 der Klausel soll die Sperranzeige jedoch möglichst gegenüber der kontoführenden Stelle erfolgen, wofür die Angabe der IBAN nicht in der Klausel vorausgesetzt wird. Hätte sich auch die kontoführende Stelle der Beklagten auf eine sofortige telefonische Verlustmeldung hin nicht in der Lage gesehen, die IBAN aus ihren Systemen zu recherchieren oder auch ohne diese eine Sperrung der Karte zu veranlassen, hätte die Klägerin jedenfalls ihren vertraglichen Sorgfaltspflichten genügt und wäre in einem solch hypothetischen Fall gegebenenfalls dann eine mangelnde eigene Sorgfalt der Beklagten im Rahmen der Reaktion auf eine dann als unverzüglich feststehende Verlustanzeige festzustellen gewesen; als hypothetische Reserveursache vermag eine solche jedoch nicht die Klägerin von den gemäß Ziffer 6.4 Abs. 1 der AGB und § 675l Abs. 1 S. 2 BGB primär ihr obliegenden Sorgfaltspflichten zur unverzüglichen Verlustanzeige zu entbinden.

Nach alledem liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Abhebungen kein Verschulden der Beklagten, jedoch ein zweifacher grober Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin vor mit der Folge, dass die in Ziffer 14.1 Abs. 1 der AGB vereinbarte Haftungsbegrenzung der Klägerin auf 50 € gemäß Abs. 4 der Klausel sowie § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht greift und die Klägerin den ihr durch die Abhebungen entstandenen Schaden in vollem Umfang selbst zu tragen hat.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.

Da auch die Replik der Klage nicht zum Erfolg verhilft, gab sie keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Soweit mit der Replik über das darin erfolgte inhaltliche Vorbringen hinaus noch weiterer Schriftsatznachlass auf die Klageerwiderung begehrt wird, ist das Vorliegen von dessen prozessualen Voraussetzungen (§ 283 i.V.m. § 132 Abs. 1 ZPO) weder dargetan, noch sonst ersichtlich.

 

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