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Wirksamkeit Mieterhöhung bei Überschreitung des Oberwertes des Mietspiegelfeldes

LG Berlin, Az.: 63 S 410/09, Urteil vom 27.04.2010

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.7.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 9 C 58/09 – abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der Bruttokaltmiete für die von ihm innegehaltene Wohnung in xx Berlin, … , von bisher monatlich 309,72 Euro inklusive Betriebskosten um 25,44 Euro auf monatlich 335,16 Euro inklusive Betriebskosten ab dem 1.12.2008 zuzustimmen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben der Kläger 24% und der Beklagte 76% zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz haben der Kläger 44% und der Beklagte 56% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger seinerseits gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Wirksamkeit Mieterhöhung bei Überschreitung des Oberwertes des Mietspiegelfeldes
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Der Kläger begehrt Zustimmung zur Mieterhöhung nach § 558 BGB von 309,72 Euro um 33,65 Euro auf 343,37 Euro bruttokalt ab 1.12.2008 auf Grundlage des Schreibens vom 22.9.2008 (versehentlich datiert auf den 22.10.2008 – Bl. 20 d.A.), das dem Beklagten am 23.9.2008 zugestellt worden ist .

Die Wohnung ist 44,51 qm groß und unstreitig in das Mietspiegelfeld F 2 einzuordnen, das nach dem Mietspiegel 2007 einen Mittelwert von 5,57 Euro/qm – einen Unterwert von 4,95 Euro/qm (Spannendifferenz 5 x 0,124 Euro) und einen Oberwert von 6,49 Euro/qm (Spannendifferenz 5 x 0,184 Euro) ausweist.

Der Kläger trägt unter Vorlage der Betriebskostenabrechnung 2007 einen Anteil an Betriebskosten von 1,04 Euro/qm (x 44,51 qm = 46,29 Euro) vor, woraus sich eine aktuelle Nettomiete von 263,56 Euro (= 5,92 Euro/qm) ergibt.

Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und eine Erhöhung auf 324,48 Euro nach Maßgabe des Mietspiegels 2009 zuerkannt. Das entspricht einer Erhöhung um 14,76 Euro und einer Teilabweisung von 18,89 Euro. Versehentlich wurde als monatlicher Erhöhungsbetrag im Tenor 33,65 Euro statt 14,76 Euro aufgenommen. Das Amtsgericht hat seiner Entscheidung die Werte des Mietspiegels 2009 zugrunde gelegt, als positives Sondermerkmal ein modernes Bad angenommen und vier positive Merkmalsgruppen angenommen, nämlich zu Gruppe 1 – Bad – wegen eines Handtuchwärmers, Gruppe 2 – Küche – wegen Fliesen im Arbeitsbereich und Terracottaboden, Gruppe 4 – Gebäude – wegen im Jahr 2008 erneuertem Dach und Wärmedämmung sowie Gruppe 5 – Wohnumfeld – wegen der Lage an einer besonders ruhigen Straße.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Teilabweisung seiner Klage und ist der Ansicht, sein Mieterhöhungsverlangen sei nach dem Mietspiegel 2007 zu beurteilen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung des am 30.7.2009 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Schöneberg – 9 C 58/09 – zu verurteilen, der Erhöhung der Bruttokaltmiete für die von ihm innegehaltene Wohnung in xx Berlin, … , von bisher monatlich 309,72 Euro inklusive Betriebskosten um 33,65 Euro auf monatlich 343,37 Euro inklusive Betriebskosten ab dem 1.12.2008 zuzustimmen

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Erhöhungsverlangen für formal unwirksam, weil die Obergrenzen des Mietspiegelfeldes ohne Begründung überschritten werden.

Darüber hinaus ist er der Auffassung, die Merkmalsgruppen 1 und 4 seien neutral und das Bad nicht als modernes Bad im Sinne des Sondermerkmals zu bewerten. Das Waschbecken im Bad sei mit 40 cm x 25 cm klein. Hinsichtlich der Merkmalsgruppe 4 genüge die Erneuerung des Daches nicht für einen überdurchschnittlichen Instandhaltungszustand; der Kläger habe die Erneuern der Wärmdämmung nicht ausreichend substantiiert. Das Bad sei nicht modern, da keine Einbaudusche oder Einbauwanne vorhanden sei.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung um 25,44 Euro auf 335,16 Euro brutto monatlich aus § 558 BGB.

Das Mieterhöhungsverlangen des Klägers vom 22.9.2009 ist teilweise formell wirksam, soweit es von der Obergrenze des darin angegebenen Mietspiegelfeldes F 2 – 6,49 Euro/qm nettokalt – gedeckt ist. Das Mieterhöhungsverlangen ist dagegen formell unwirksam, soweit der Oberwert ohne Begründung überschritten wird. Gemäß § 558a Abs. 4 S. 1 BGB genügt zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens die Bezugnahme auf den Mietspiegel, der Spannen enthält, wenn die verlangte Miete innerhalb der Spanne liegt. Wird die Spanne – wie im vorliegenden Fall überschritten, ist es formell nur bis zur Höhe der im einschlägigen Mietspiegelfeld genannten Miete wirksam. (BGH Urt. v. 12.11.2003 – VIII ZR 52/03 = GE 2004, 232; Schmidt-Futterer / Börstinghaus, MietR, 9.Aufl. § 558a BGB RN 40; Staudinger /Emmerich, Kommentar zum BGB, Auflage 2006, § 558a Nr. 20; Sternel Mietrecht Aktuell, 4. Aufl. Kap. IV RN 211). Der vom Rasterfeld nicht gedeckte Anteil des Mieterhöhungsverlangens stellt sich als formell fehlerhaft dar, weil es dafür an der gemäß § 558a Abs. 1 BGB erforderlichen Begründung fehlt. Durch die Begründung sollen dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung gegeben werden, damit er während der Überlegungsfrist diese überprüfen und sich entscheiden kann, ob er zustimmt oder nicht. Der Vermieter muss deshalb die Spanne angeben und zusätzlich begründen, wenn er sie überschreiten will. Nach alledem ist im vorliegenden Rechtsstreit die materielle Begründetheit des Mieterhöhungsverlangens nur maßgeblich, soweit es den formell wirksamen Anteil betrifft.

Der Umstand, dass mit der Klageschrift vom 6.2.2009 ergänzend wohnwerterhöhende Sondermerkmale angeführt worden sind, um das Überschreiten des Mietspiegelfeldes F2 zu begründen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere liegt hierin kein neues wirksames Mieterhöhungsverlangen, weil die 15-monatlige Wartefrist gemäß § 558 Abs. 1 S. 1 BGB nicht eingehalten worden ist, nachdem – wie aufgezeigt des – jedenfalls teilweise formell wirksame – Mieterhöhungsverlangen vom 22.9.2008 vorangegangen war. Mit der Klage kann auch nicht im Sinne des § 558b Abs. 3 BGB das Begründungserfordernis für den formell unwirksamen Teil nachgeholt werden; grundsätzlich kann zwar nach dieser Vorschrift ein Mieterhöhungsverlangen, das dem Begründungserfordernis des § 558a BGB nicht entspricht, im Prozess nachgeholt werden, wobei wiederum die Zustimmungsfrist des § 558b Abs. 2 S. 1 BGB einzuhalten wäre.

Es kann dem früheren teilwirksamen Mieterhöhungsverlangen vom 22.9.2008, an dem der Kläger weiter mit Wirkung ab 1.12.2008 festhält, kein weiteres Mieterhöhungsverlangen vor Ablauf der Wartefrist nachgeschoben werden. Nach § 558b Abs. 2 S. 1 BGB soll nur die Möglichkeit erhalten bleiben, noch im Prozess formell wirksam eine Mieterhöhung – unter Einhaltung einer neuen Wartefrist – zu verlangen, wenn die vorangegangene Erklärung unwirksam war. Die Vorschrift dient indes nicht dazu, einem – wenn auch nur zum Teil wirksamen – Erhöhungsverlangen vor Ablauf der Wartefrist ein weiteres folgen zu lassen.

Die ortsübliche Vergleichsmiete beträgt 7,72 Euro bruttokalt wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird:

Der Mietspiegel 2007 ist einschlägig – wovon beide Parteien entgegen dem angegriffenen Urteil – zu recht ausgehen. Die Erhöhungserklärung ist dem Beklagten schon am 23.9.2008, mithin vor dem Stichtag des Mietspiegels 2009 (1.10.2008) zugegangen. Auf diesen Zeitpunkt kommt es an, nicht erst auf den Zeitpunkt, ab dem die Mieterhöhung eintreten soll (Landgericht Berlin Urt. v. 14.1.2008 – 67 S 310/07 = GE 2008, 334).

Entsprechend den zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil gibt es vier positiv einzuordnende Merkmalsgruppen, die zu einem Aufschlag von 80 % auf den Mittelwert des Mietspiegelfeldes F 2 führen sowie das Sondermerkmal „modernes Bad“ mit einem weiteren Zuschlag von 0,37 Euro/qm.

Die Gruppe 1 ist entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht neutral, sondern positiv, denn der positiv zu bewertende Handtuchwärmer wird nicht durch ein kleines Handwaschbecken ausgeglichen. Die vom Beklagten erstmals in der Berufung mitgeteilten Maße von 40 cm x 23 cm mögen wohl (noch) als klein im Sinne der Orientierungshilfe anzusehen sein. Die Kammer hat in einer Entscheidung vom 12.12.2006 (63 S 71/06 = GE 2007, 597) ein 27 cm tiefes, trapezförmiges Waschbecken mit den Innenmaßen 25 cm x 40 cm als klein bewertet. Allerdings bestreitet der Kläger diese Maße und der Beklagte ist mit diesem neuen Vortrag in der Berufung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, nachdem er das Waschbecken erstinstanzlich nur unsubstantiiert als klein bezeichnet hatte.

Auch die Voraussetzungen für das Sondermerkmal modernes Bad sind gegeben . Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass keine Einbaudusche oder –wanne vorhanden sein soll, wie der Beklagte anführt. Dem ist der Kläger – auch schon in erster Instanz – mit dem Vortrag (mit Foto Bl. 46, 50 d.A.) entgegengetreten, dass eine dreiseitig gemauerte moderne Dusche mit Abfluss in den ebenerdigen Granitboden vorhanden sei. Das entspricht den Anforderungen an eine moderne Badezimmerausstattung.

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Ohne Erfolg bestreitet der Beklagten zudem, dass die Gruppe 4 – Gebäude wegen der Erneuerung des Daches in einem überdurchschnittlichen Instandhaltungszustand und die vom Kläger angeführte Erneuern der Wärmedämmung unsubstantiiert sei. Der Kläger hat bereits in erster Instanz – über die Erneuerung des Daches und der Wärmedämmung nach den modernen Richtlinien im Jahr 2008 hinaus – dargetan, dass die elektrischen Steigeleitungen verstärkt, die denkmalgeschützte Fassade saniert, das Treppenhauses renoviert und – bereits im Jahr 1996 – eine moderne Gasetagenheizung eingebaut worden ist; all diese Maßnahmen sind unbestritten geblieben. Insgesamt liegt damit ein überdurchschnittlicher Instandhaltungszustand vor.

Nach alledem bleibt es bei den bei vier positiven Merkmalsgruppen mit einem Spannenzuschlag von 0,74 Euro (4 x 0,184 Euro) auf den Mittelwert von 5,57 Euro/qm zuzüglich 0,37 Euro/qm für das Sondermerkmal modernes Bad. Daraus ergibt sich eine ortsübliche Vergleichsmiete von 6,68 Euro/qm. Mit dem – in der Berufung nicht mehr streitigen – Betriebskostenanteil von 1,04 Euro/qm beträgt die ortsübliche Vergleichsmiete mithin 7,72 Euro bruttokalt, was bei einer Wohnfläche von 44,51 qm einer zulässigen Miete von 343,62 Euro entspricht. Da das Mieterhöhungsverlangen wie eingangs dargestellt jedoch nur bis zur Obergrenze von 6,49 Euro/qm des Mietspiegelfeldes F2 formell wirksam ist, ist die Klageforderung darauf zu begrenzen; daher kann nur eine Erhöhung auf 6,49 Euro + 1,04 Euro Betriebskostenanteil x 44,51 qm verlangt werden, mithin insgesamt monatlich 335,16 Euro.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 712 S. 2 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 zuzulassen, weil die Frage, ob ein Mieterhöhungsverlangen, welches das angegebene Mietspiegelfeld ohne Begründung überschreitet, hinsichtlich dieses überschießenden Teils formell unwirksam ist. Soweit bereits obergerichtlich entschieden worden ist, dass ein solches Mieterhöhungsverlangen jedenfalls bis zur Höhe des Mietspiegelfeldes formell wirksam ist (BGH Urt. v. 12.11.2003 – VIII ZR 52/03 = GE 2004, 232), musste gerade nicht entscheiden werden, ob auch der das Mietspiegelfeld überschreitende Anteil formell wirksam sein soll, weil der dortige Kläger die Klage teilweise zurückgenommen hatte.

 

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