Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Az.: L 17 U 64/05
Urteil vom 26.07.2006
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, Az.: S 16 U 216/03, Urteil vom 10.02.2005
Entscheidung:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für ihre Austräger von Gemeindemitteilungsblättern Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung entrichten muss.
Die Klägerin, die Presseerzeugnisse vertreibt, lagert und ausliefert, ist seit dem 01. März 1988 Mitglied der Beklagten. Die Gemeindemitteilungsblätter der U Fa. S N & Q Verlag KG lässt sie durch über 700 „Lieferer“ bzw. „Zusteller“ austragen, zu denen u.a. die Beigeladenen zählen. Mit ihnen schließt die Klägerin einen sog. „Kooperationsvertrag“ (KV), der vorformulierte Vertragsbedingungen enthält. Der Vertrag bezeichnet die Lieferer und Zusteller als selbständige Kleinspediteure und verpflichtet sie, die Haushalte und Betriebe (Bezieher) „umgehend“ (Ziffer 2 KV) mit Druckerzeugnissen in dem Zustellbezirk zu beliefern, den ihnen die Klägerin zuweist (Ziffer 1 KV). Die Lieferer erhalten die Mitteilungsblätter gewöhnlich einen Tag bevor die Zustellungsfrist abläuft. Bis zum Fristablauf müssen die Gemeindemitteilungsblätter verteilt sein, was – je nach Zustellbezirk – ein bis zwei, maximal drei Stunden dauert. Verstößt der Zusteller gegen seine vertragliche Pflicht, die Druckerzeugnisse „umgehend“ an „die Bezieher mit den vollständigen Exemplaren einschließlich eventueller Beilagen“ zu liefern, kann die Klägerin den Vertrag „ohne Einhaltung einer Frist“ kündigen. Ansonsten sind beide Seiten berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von 4 Wochen zum Ende des Abrechnungszeitraumes zu kündigen (Ziffer 6 KV). Der Zusteller erhält die Gemeindemitteilungsblätter im Abrechnungszeitraum zu einem bestimmten Preis pro Exemplar (Ziffer 4 KV) und vertreibt sie „auf eigene Rechnung“ (Ziffer 3 KV). Die Abrechnung erfolgt aufgrund der verteilten Exemplare (Ziffer 4 KV). Akquiriert der Zusteller einen Neukunden, erhält er hierfür eine Provision (Ziffer 5 KV). Die Lieferer dürfen zeitgleich andere Zustelltätigkeiten für Dritte (z.B. Prospektverteilung) übernehmen und „auf eigene Rechnung“ Hilfspersonen einsetzen. Name und Anschrift der Hilfspersonen sind der Klägerin – „aus versicherungstechnischen Gründen“ – zu benennen (Ziffer 3 KV). Fällt der Zusteller aus, muss er selbst für eine Vertretung sorgen; im Notfall beauftragt die Klägerin eine Ersatzperson. Sie gewährt weder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch bezahlten Erholungsurlaub oder Aufwendungsersatz.
Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1993 wies die Klägerin der Beklagten die jährliche Lohnsumme ihrer Lieferer nach und zahlte entsprechende Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung. Im Lohnnachweis für das Beitragsjahr 2002 meldete die Klägerin keine Lohnsummen für die Austräger der Mitteilungsblätter und teilte in einem Begleitschreiben vom 19. Februar 2003 mit, dass die Lieferer selbständig und deshalb nicht sozialversicherungspflichtig seien. Dies hätten die Clearingstelle der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart in seinem Urteil vom 15. November 2002 (Az: 3 Ca 4935/02) bestätigt. Deshalb werde sie ab 2002 für ihre Lieferer keine Beiträge mehr zahlen.
Die Beklagte schätzte daraufhin – auf Basis des Vorjahres – die Lohnsumme für das Beitragsjahr 2002 auf 753.520,00 EUR und setzte mit Bescheid vom 17. April 2003 die Beiträge für die Austräger auf 15.078,00 EUR fest. Dagegen erhob die Klägerin am 08. Mai 2003 Widerspruch und legte zwei Schreiben der BfA vom 31. Oktober 2001 und 06. Januar 2003 vor, wonach „Zeitungsausträger/-zusteller nicht stets und ausnahmslos als Beschäftigte anzusehen“ seien. „Abhängig von Umfang und Organisation der übernommenen Tätigkeiten“ könnten sie „auch Selbständige sein“. Bei den Zeitungsausträgern der „Verlagsgruppe S“ seien keine Aspekte erkennbar, „die auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hindeuten würden“.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2003, der am 06. August 2003 zugestellt worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) habe Zeitungsausträger für sozialversicherungspflichtig gehalten, und die Sozialgerichtsbarkeit habe sich dieser Auffassung angeschlossen. An Entscheidungen der Arbeitsgerichte und der BfA sei die Beklagte nicht gebunden. Als Verteiler und Austräger seien erfahrungsgemäß Hausfrauen, Rentner/Pensionäre, minderjährige Schüler oder Studenten tätig, die sozial schutzbedürftig seien. Sie verteilten Presseerzeugnisse gegen Entgelt innerhalb eines gewissen Zeitraums in einem bestimmten Bezirk an einen bestimmten Empfängerkreis (z.B. Haushalte). Dabei handele es sich um eine fremdbestimmte Tätigkeit ohne unternehmerisches Risiko. Denn die Klägerin überwache ihre Verteiler und Lieferer durch Stichproben und sanktioniere Pflichtverletzungen. Dass die Verteiler ihre Tätigkeit innerhalb des vorgegebenen Zeitraumes im Wesentlichen frei gestalten und ihre Arbeitszeit völlig selbständig bestimmen könnten, sei demgegenüber unerheblich. Dasselbe gelte für ihre gewerbe-, arbeits- und finanzrechtliche Stellung.
Dagegen hat die Klägerin am 04. September 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und auf das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 20. Dezember 1999 hingewiesen, wonach Zeitungsausträger/-zusteller nicht „stets und ausnahmslos Beschäftigte“ seien. Für eine selbständige Tätigkeit könne „die Anstellung von Hilfskräften auf eigene Rechnung“ sprechen, „um das Arbeitspensum in der vorgegebenen Zeit zu bewältigen …(z.B. im Zusammenhang mit der Übernahme eines großen Zustellbezirks)“. Demgemäss hätten die BfA, die Innungskrankenkasse (IKK) Böblingen-Leonberg (Bescheid vom 24. August 1999) und die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) in ihrer Stellungnahme vom 12. August 1999 die Sozialversicherungspflicht der Zusteller verneint, die Gemeindemitteilungsblätter für die Verlagsgruppe Nussbaum verteilten. Entscheidend sei, dass die Lieferer an keine festen Arbeitszeiten gebunden seien, sondern (weisungs-)frei entscheiden könnten, wann sie die Zustellung durchführten. Auch das Landgericht (LG) Darmstadt, die ArbGe Oldenburg und Stuttgart sowie das Bundesarbeitsgericht (BAG) hätten Prospektverteilern, Zeitungszustellern und -austrägern den Arbeitnehmerstatus abgesprochen. Schließlich habe es der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Beschluss vom 09. September 2003 (Az.: VII B 53/03) nicht beanstandet, dass Werbeprospektverteiler als Selbständige qualifiziert worden seien.
Die Beklagte hat erwidert, dass Zeitungsausträger und Verteiler von Anzeigenblättern oder Prospekten unfallversichert seien. Im Gegenzug müssten ihre Entgelte bei der Beitragserhebung berücksichtigt werden, wie die Sozialgerichtsbarkeit wiederholt entschieden habe. Dass die Zusteller die Gemeindemitteilungsblätter nicht persönlich austragen müssten, sondern Hilfskräfte einschalten könnten, lasse den Versicherungsschutz nicht entfallen. Denn über das sog. „mittelbare Beschäftigungsverhältnis“ könne auch für Hilfskräfte (Geschwister, Familienangehörige, Freunde u. dgl.) Versicherungsschutz bestehen. Die Lieferer könnten über ihre Arbeitszeit auch nicht völlig frei verfügen, weil sie die Gemeindemitteilungsblätter in der Regel innerhalb von 24 Stunden zustellen müssten. Dass sie gleichzeitig auch Zeitungen, Prospekte o.ä. für andere Unternehmen verteilen könnten, sei für ihren Status als abhängig Beschäftige unerheblich. Entscheide die BfA im sog. Statusfeststellungs- bzw. Anfrageverfahren, dass keine Beschäftigung vorliege, so seien die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung hieran nicht gebunden. Der Beschluss des BFH sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung irrelevant.
Während des Klageverfahrens schätzte die Beklagte die Lohnsumme der Auslieferer für das Beitragsjahr 2003 und setzte mit vorläufig berichtigtem Beitragsbescheid vom 20. April 2004 den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung auf 18.847,00 EUR fest. Mit Schriftsatz vom 05. Mai 2004 vertrat die Beklagte – entgegen ihrer eigenen Rechtsbehelfsbelehrung – die Auffassung, dass dieser Bescheid „wegen der bestrittenen Versicherungs- und Nachweispflicht“ kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens werde. Nachdem die Klägerin die Lohnsummen ihrer Lieferer für die Jahre 2002 und 2003 nachgemeldet hatte, berichtigte die Beklagte mit Bescheiden vom 15. Juli 2004 die Beitragsbescheide für die Jahre 2002 sowie 2003 und vertrat mit Schriftsatz vom selben Tage die Ansicht, beide Bescheide seien kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Mit Urteil vom 10. Februar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und dabei über beide Beitragsbescheide vom 15. Juli 2004 mitentschieden: Die Beklagte habe bei der Beitragserhebung die Entgelte der Lieferer zu Recht berücksichtigt, weil sie in einer abhängigen Beschäftigung erzielt worden seien. Dies habe die Beklagte im Widerspruchsbescheid zutreffend dargelegt. Die Austräger seien weisungsgebunden, weil sie die Gemeindemitteilungsblätter in der Regel bis zum nächsten Tag zustellen müssten. Obgleich jeder Lieferer Hilfspersonen einsetzen könne, trage er kein eigenes unternehmerisches Risiko. Insgesamt überwögen in der Gesamtschau die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen. Die Urteile der Arbeitsgerichte und der Beschluss des BFH vom 09. September 2003, auf die sich die Klägerin berufe, seien weder einschlägig noch auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragbar.
Nach Zustellung am 18. Februar 2005 hat die Klägerin gegen dieses Urteil am 17. März 2005 Berufung eingelegt und nochmals vorgetragen, dass die Zusteller ihre Leistung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erbringen müssten, sondern – außerhalb festgesetzter Arbeitszeiten – frei entscheiden könnten, an welchem Tag und zu welcher Stunde sie die Gemeindemitteilungsblätter verteilten. Die Vorgabe eines Endtermins, an dem das Mitteilungsblatt zugestellt sein müsse, mache aus einem selbständigen Lieferer keinen weisungsabhängigen Arbeitnehmer. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Zusteller keine Einzelanweisungen erhielten, nicht in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert seien und sich ihre Betriebsmittel selbst beschaffen müssten. Darüber hinaus dürften sie Hilfspersonen einsetzen und gleichzeitig für andere Unternehmen tätig werden. Vergütet werde nur die tatsächlich erbrachte Leistung, Anspruch auf ein Mindesteinkommen bestehe nicht. Vermindere sich die Anzahl der Abonnenten, so müssten die Zusteller mit einer sofortigen Kündigung rechnen. Insofern trügen sie ein eigenes unternehmerisches Risiko.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. Februar 2005 zu ändern und den Bescheid vom 17. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2003 sowie die Bescheide vom 15. Juli 2004 aufzuheben.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet, dass Zeitungs- und Zeitschriftenausträger ein unternehmerisches Risiko trügen und unternehmerische Eigeninitiative entwickelten. Denn sie setzten typischerweise keine eigenen Betriebsmittel ein und könnten ihre Vergütung nicht frei bestimmen. Stattdessen seien sie in die mehrstufige Betriebsorganisation der Klägerin eingebunden und könnten sich nur in diesem Organisationsrahmen bewegen. Da die Zustellertätigkeit einfach sei und keine Fachkenntnisse erfordere, bleibe für dirigistische Einzelanweisungen praktisch kein Raum. Dass Zeitungsausträger Hilfskräfte hinzuziehen und neue Abonnenten werben dürften, spreche nicht gegen eine Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden habe. Dem Versuch, Austräger als Selbständige versicherungsfrei zu stellen, seien die Sozialgerichte in der Vergangenheit stets entgegengetreten.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Az: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid vom 17. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2003 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) sowie die Bescheide vom 15. Juli 2004 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht beschweren (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Der Beitragsberichtigungsbescheid vom 15.07.2004 für das Beitragsjahr 2002 ist kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens (und damit auch des Berufungsverfahrens) geworden. Denn nach 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des (Klage-) Verfahrens, wenn er den alten, ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt. Mit ihrem Beitragsberichtigungsbescheid vom 15. Juli 2004 (Neubescheid für das Beitragsjahr 2002) änderte die Beklagte den angefochtenen Beitragsaltbescheid vom 17. April 2003, auch wenn sie ihn nicht ausdrücklich (gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB X]) zurückgenommen hat. Die Rücknahme erfolgte vielmehr konkludent. Denn die Beklagte hat den Beitrag, den die Klägerin aufgrund des Altbescheids bereits für das Kalenderjahr 2002 gezahlt hatte, im Neubescheid verrechnet und ein Guthaben ermittelt. Damit brachte sie hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sie den Beitrag für das Kalenderjahr 2002 nur einmal, und zwar auf Grundlage des Neubescheids, fordern wollte.
Auch die Beitragsbescheide für das Beitragsjahr 2003 sind kraft Gesetzes Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens geworden. Der berichtigende Beitragsbescheid vom 15. Juli 2004 trat an die Stelle des vorläufig berichtigenden Beitragsbescheids vom 20. April 2004. Beide Bescheide haben den ursprünglich angefochtenen Beitragserstbescheid vom 17. April 2003 zwar weder geändert noch ersetzt, weil sie sich auf ein anderes Beitragsjahr beziehen. Dennoch sind sie als sog. Folgebescheide in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klage- bzw. Berufungsverfahrens geworden. Denn im Beitragsrecht werden Folgebescheide, die die Beitragshöhe für einen weiteren Zeitraum im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses regeln, Gegenstand des Streitverfahrens, wenn – wie hier – gegen die Folgebescheide die gleichen Einwände wie gegen den Erstbescheid erhoben werden, die Klägerin sich auch gegen die Folgebescheide wendet und die Beklagte nicht widerspricht (BSG, Urteil vom 28. September 1999, Az: B 2 U 40/98 R, SozR 3-2200 § 776 Nr. 5; Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2003, L 7 U 5158/99; Ricke in: Kasseler Kommentar, § 169 SGB VII Rn. 9). Dies gilt vor allem für Beitragsbescheide, die in der gesetzlichen Unfallversicherung für einzelne Geschäftsjahre ergangen sind (BSG, a.a.O. und Urteil vom 30. Oktober 1962, Az: 2 RU 270/59, SozR Nr. 16 zu § 96 SGG; anders jedoch BSG, Urteil vom 16. April 1998, Az: B 3 KR 5/97 R, SozR 3-5425 § 24 Nr. 17 zur Künstlersozialabgabe).
Die angefochtenen Beitragsbescheide, die die Beklagte gem. § 168 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) erlassen hat, sind formell und materiell rechtmäßig. Denn die Klägerin ist für ihre „Lieferer“ gem. § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beitragspflichtig. Nach dieser Vorschrift sind die Unternehmer beitragspflichtig, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Zu den „Versicherten“ zählen vor allem „Beschäftigte“, die gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes unfallversichert sind. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV), der gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch für die (gesetzliche) Unfallversicherung gilt, ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Der Begriff „Anhaltspunkt“ verdeutlicht, dass aus dem Vorhandensein oder Fehlen eines Anhaltspunktes nicht zwingend eine bestimmte Bewertung abgeleitet werden kann, sondern allenfalls ein Hinweis, ein Indiz (Segebrecht/Wissing/Scheer/Wrage in: JurisPK-SGB IV, 2006, § 7 Rn. 72). Ob selbständige oder nichtselbständige Arbeit vorliegt, ist mit Hilfe einer Vielzahl von Merkmalen zu entscheiden:
Nichtselbständige Arbeit ist gegeben, wenn der Betroffene von seinem Auftraggeber persönlich abhängig ist, seine Arbeitsleistung nicht auf andere Personen übertragen und nicht für andere Auftraggeber tätig werden darf, umfangreichen Berichtspflichten sowie weitreichenden Kontroll- und Mitspracherechten des Auftraggebers unterliegt, über keine eigenen Betriebs- und Produktionsmittel verfügt, gegenüber seinen Kunden nicht unter eigenem Namen und für eigene Rechnung auftreten darf, kein Unternehmerrisiko trägt, eine typische Arbeitnehmerbeschäftigung ausübt und feste Lohn- oder Gehaltszahlungen sowie typische Arbeitgeberleistungen erhält (vgl. zu diesem Kriterienkatalog: Brand, DB 1999, 1162, 1163, Schmidt/Schwerdtner, Scheinselbständigkeit, 2. Aufl. 2000, Rn. 528; BSG, Urteil vom 19. August 2003, Az: B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 1). Zusätzlich sind die Bewertungen der Finanzverwaltung und die Mitgliedschaft in bestimmten Organisationen (Industrie- und Handelskammer [IHK]) als (grobe) Orientierungshilfen heranzuziehen.
Die genannten Merkmale hat das Bundessozialgericht (BSG) bislang nicht eindeutig und zuverlässig gewichtet (Brand, DB 1999, 1162, 1164; Seewald in: Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV Rn. 47). Sie sind Bestandteile eines Prüfungskatalogs, der stets in seiner Gesamtheit angewendet werden muss. Die Prüfung der einzelnen Merkmale führt jeweils zu Teilergebnissen, die im Rahmen der Gesamtentscheidung bewertet und untereinander abgewogen werden müssen (Seewald a.a.O.). Weist eine Tätigkeit – wie hier – Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994, Az: 12 RK 72/92, NJW 1994, 2974, 2975 und BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 1) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995, Az: 12 BK 98/94, Die Beiträge 1995, 296, 299f.). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (BSG, NJW 1994, 2974, 2975 und BSG, Urteil vom 30. Juni 1999, Az: B 2 U 35/98 R, SozR 3-2200 § 723 Nr. 4), wobei unerheblich ist, ob rein zahlenmäßig mehr Indizien für oder gegen nichtselbständige Arbeit sprechen (Brand, DB 1999, 1162, 1163; Schmidt/Schwerdtner, a.a.O., Rn. 532). Maßgebend ist stets das Gesamtbild (BSG, Urteil vom 28. Januar 1960, Az: 3 RK 49/56, BSGE 11, 257, 260; BSG, NJW 1994, 2974, 2975; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 1) der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977, Az: 12/3/12 RK 39/74, SozR 2200 § 1227 Nr. 8; Seewald, a.a.O.; zur Verfassungsmäßigkeit vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996, Az: 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Legt man diese Kriterien zugrunde, so spricht vorliegend deutlich mehr dafür als dagegen, dass die Zusteller abhängig beschäftigt waren.
Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis lässt sich lediglich anführen, dass die Zusteller befugt waren, auch für andere Auftraggeber (zeitgleich) Presseerzeugnisse (Zeitungen, Zeitschriften, Prospekte) auszutragen. Das Fehlen einer solchen Ausschließlichkeitsklausel spricht ebenso für eine selbständige Tätigkeit wie die Delegationsbefugnis, die die Klägerin ihren Zustellern eingeräumt hatte. Denn die Zusteller waren nicht verpflichtet, die Auslieferung der Gemeindemitteilungsblätter höchstpersönlich durchzuführen, sondern durften hierfür Hilfskräfte einsetzen. Gegen eine abhängige Beschäftigung spricht ferner, dass die Zusteller im Kooperationsvertrag als selbständige Kleinspediteure bezeichnet werden und die Klägerin ihnen keine klassischen Arbeitgeberleistungen wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachts- und Urlaubsgeld oder sonstige Gratifikationen gewährte. Überdies ordnen die Finanzgerichte (nicht jedoch die Finanzverwaltung) die Zustellertätigkeit – jedenfalls teilweise – als selbständige Tätigkeit ein, wie sich aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 09. September 2003 (Az.: VI B 53/03, NZA 2004, 476) ergibt, den die Klägerin zitiert hat.
Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht jedoch, dass zwischen den Zustellern und der Klägerin ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis besteht. Persönlich abhängig ist, wer in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert und dessen Weisungen unterworfen ist (vgl. hierzu auch § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
Die Zusteller waren in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert, d.h. in dessen Arbeitsorganisation eingeordnet und auf dessen Material und Personal angewiesen (BSG, Urteile vom 27. Mai 1959, Az: 3 RK 18/55, BSGE 10, 41, 45f. und vom 22. November 1973, Az: 12/3 RK 83/71, USK 73195; Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteile vom 21. September 1977, Az: 5 AZR 373/76, BB 1978, 761, 762, vom 15. März 1978, Az: 5 AZR 818/76, USK 7815 und Az: 5 AZR 819/76, USK 7814 sowie vom 13. August 1980, Az: 4 AZR 592/78, USK 80222). Denn ohne die Mitteilungsblätter und eine Adressliste der Abonnenten hätten die Zusteller ihre Arbeit nicht verrichten können. Für das Vertriebsunternehmen der Klägerin waren sie unentbehrlich, weil sie als letztes Glied innerhalb einer Kette arbeitsteiligen Zusammenwirkens den unmittelbaren Kontakt zum Endkunden (Abonnenten) herstellten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26. Februar 1960, Az: 3 RK 41/57, SozR Nr. 16 zu § 165 RVO). Sie waren deshalb in die Struktur, Organisation und Logistik der Klägerin eingebunden. Diese Einbindung war locker, weil äußere Zeichen fehlten, die auf eine enge Einordnung in die Betriebsorganisation der Klägerin hindeuteten (wie z.B. das Tragen von Dienstkleidung, das Fahren eines Firmenfahrzeugs, die Aufnahme in einen Dienst-, Schicht- oder Vertretungsplan, die Vergabe einer Personalnummer, der Eintrag in die betriebliche Telefonliste). Auf der anderen Seite traten die Zusteller, die sich vornehmlich aus dem Personenkreis der Schüler, Studenten, Hausfrauen und Rentner rekrutierten, gegenüber den Endkunden offenkundig nicht wie selbständige Unternehmer mit eigenem Firmennamen, Firmenkleidung oder Firmenlogo auf. Soweit sie auch das Inkasso übernahmen (was in Zeiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nur ausnahmsweise geschah), wollte der Abonnent, wenn er die Rechnung beglich, seien Zahlungspflicht ersichtlich gegenüber dem Verlag und keine Verbindlichkeit gegenüber dem Zusteller erfüllen. Auch dies macht deutlich, dass der Lieferer – auch aus Sicht des Endkunden – in den „übergeordneten Organismus“ (Neumann, NZS 2001, 14, 16) der Klägerin eingegliedert war.
Zudem waren die Zusteller den Weisungen der Klägerin bzw. ihren örtlichen Betreuern unterworfen. Die Weisungsbefugnis, die der Arbeitgeber in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis hat, erstreckt sich auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteile vom 28. Oktober 1960, Az: 3 RK 13/56, BSGE 13, 130, 132, vom 31. August 1976, Az: 12/3/12 RK 20/74, SozR 2200 § 1227 Nr. 4, vom 1. Februar 1979, Az: 12 RK 7/77, SozR 2200 § 165 Nr. 36, vom 24. Juni 1981, Az: 12 RK 35/80, SozR 2200 § 1227, vom 25. September 1981, Az: 12 RK 5/80 SozR 2200 § 165 Nr. 61, vom 24. September 1981, Az: 12 RK 43/79, SozR 2200 § 165 Nr. 63 und vom 21. April 1993, Az: 11 RAr 67/92, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11; LSG NW, Urteil vom 21. Dezember 1999, Az.: L 5 KR 117/98). Dagegen ist selbständig tätig, wer über die eigene Arbeitskraft bzw. über Arbeitsort und Arbeitszeit im Wesentlichen frei verfügen kann (BSG, Urteile vom 8. August 1990, Az: 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4, vom 12. Dezember 1990, Az: 11 RAr 73/90, SozR 3-4100 § 4 Nr. 1 und vom 6. Februar 1992, Az: 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8; Schmidt/Schwerdtner, a.a.O., Rn. 641; vgl. auch § 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches [HGB]). Die Klägerin gab den Zustellern genau vor, in welchem Bezirk sie an wen die Gemeindemitteilungsblätter bis wann liefern mussten. Insofern bestand eine enge Bindung an den Ort der Arbeitsleistung, wobei die Lieferer das jeweilige Arbeitsvolumen nur begrenzt bestimmen konnten. Hinsichtlich Zeit und Dauer der Arbeitsleistung waren die Zusteller freier als in einem klassischen Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitgeber die (Kern-)Arbeitszeit einseitig festlegen und die Ableistung einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden verlangen kann. Dennoch konnten die Zusteller nicht frei über ihre Arbeitszeit verfügen, weil sie die Gemeindemitteilungsblätter in der Regel bis zum Folgetag bzw. „umgehend“ verteilen mussten und ihnen deshalb nur ein enger zeitlicher Korridor verblieb. Denn an den Tagen, an denen die Klägerin die Zusteller mit den Mitteilungsblättern versorgte, mussten sie sich ähnlich wie abhängig Beschäftigte zur Arbeit bereithalten. Sie konnten damit gerade nicht im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Zudem ist zu bedenken, dass gerade bei einfachen Tätigkeiten, die nur zeitweise zu erbringen sind, kaum Raum für die Ausübung eines „Direktionsrechts“ verbleibt (vgl. dazu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2003, Az.: L 7 U 5158/99). Einzelanweisungen der Klägerin waren überflüssig, weil sich die notwendigen Verrichtungen (Austragen der Gemeindemitteilungsblätter) aus der Natur der Sache ergaben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26. Februar 1960, Az: 3 K 41/57, SozR Nr. 16 zu § 165 RVO unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Reichsversicherungsamtes, AN 1904 Nr. 1164, S. 527). Dass die Gemeindemitteilungsblätter rechtzeitig und ordnungsgemäß verteilt wurden, kontrollierte und sanktionierte die Klägerin, wie dies auch in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis üblich ist. Die damit verbundenen Kontroll- und Mitspracherechte verschafften ihr ein umfangreiches Weisungsrecht. Anders als die sog. Zeitungskolporteure, die sich (als fliegende Händler) ihren Bezirk und Kundenkreis selbst suchen, keinerlei Aufsicht unterliegen und zumeist für mehrere Verlage arbeiten, verrichten die Vertragspartner der Klägerin reine Botendienste und sind deshalb als abhängig Beschäftigte einzuordnen.
Gegen eine selbständige Tätigkeit als „Kleinspediteur“ spricht auch, dass die Lieferer über keine eigenen Betriebs- oder Produktionsmittel (Büroräume, Firmenbriefbögen, -logo, -stempel) verfügten, sondern lediglich ihre Arbeitskraft einsetzten, was für abhängig Beschäftigte typisch ist. Soweit sie die Gemeindemitteilungsblätter mit einem Fahrrad, Mofa, Auto o.ä. verteilten, hatten sie diese Fortbewegungsmittel nicht eigens für die Zustellertätigkeit angeschafft (vgl. hierzu auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. November 2001, Az: L 1 KR 42/01, NZS 2002, 650, 652).
Ferner waren die Zusteller keinem Unternehmerrisiko ausgesetzt. Denn ein Unternehmerrisiko geht nur ein, wer eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit Verlustgefahr einsetzt (BSG, Urteil vom 04. Juni 1998, Az: B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13); der Erfolg des eigenen wirtschaftlichen Einsatzes muss ungewiss bleiben (BSG, Urteile vom 31. Oktober 1972, Az: 2 RU 186/69, SozR Nr. 34 zu § 539 RVO, vom 13. Juli 1978, Az: 12 RK 14/78, SozR 2200 § 1227 Nr. 17 und vom 24. September 1981, Az: 12 RK 43/79, SozR 2200 § 165 Nr. 63). Dies war bei der Zustellertätigkeit nicht der Fall. Die Lieferer verfügten bei ihrer Tätigkeit auch nicht über einen nennenswerten Spielraum für eigene unternehmerische Initiativen. Sie konnten vor allem nicht – etwa durch verstärkten eigenen Arbeitseinsatz, vermehrte Verwendung von Hilfskräften oder sachlichen Mitteln, höherem Werbeaufwand u.Ä. – das wirtschaftliche Ergebnis ihrer Tätigkeit uneingeschränkt steigern und entsprechende Risiken auf sich nehmen (RVA, AN 1904 Nr. 1164, S. 527; BSG, Urteil vom 18. November 1980, Az: 12 RK 76/79, SozR 2200 § 165 Nr. 51). Zudem handelte es sich bei der Lieferertätigkeit im Wesentlichen um eine geringfügig entlohnte Tätigkeit, die für das Eingehen eines echten unternehmerischen Wagnisses kaum geeignet erscheint. Deshalb ist es auch unerheblich, dass die Klägerin ihren Zustellern – ähnlich wie bei Selbständigen – kein Mindesteinkommen garantierte. Dass sie überhaupt einem nennenswerten (Inkasso-)Risiko beim Einzug der Zeitungsgelder ausgesetzt waren, ist nicht belegt. Aber selbst wenn dies erwiesen wäre, würde dies nicht entscheidend für eine selbständige Tätigkeit sprechen, wie das BSG für Zeitungsausträger bereits entscheiden hat (Urteil vom 19. Januar 1968, Az: 3 RK 101/64, USK 6801). Denn mit einem eigentlichen Unternehmerrisiko, das in der Regel ein Kapitalrisiko ist, lässt sich das Inkasso- oder Mankorisiko der Zusteller nicht vergleichen (vgl. hierzu auch BSG, a.a.O.).
Schließlich wird die Zustellertätigkeit typischerweise (vgl. etwa die Beschäftigten der Deutschen Post AG usw.) in einem Arbeitsverhältnis und nicht im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt. Dass die Zusteller Mitglied in der IHK oder ähnlichen Organisationen waren oder für diese Tätigkeit ein Gewerbe angemeldet hatten, lässt sich bei lebensnaher Betrachtung auszuschließen.
Im Rahmen der Gesamtabwägung überwiegen die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Die Zusteller waren für die Vertriebsorganisation der Klägerin unentbehrlich, und es stellt sich die Frage, wie ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben Presseerzeugnisse vertreibt, lagert und ausliefert, ohne eigene Zusteller auskommen will. Hätten die Zusteller die Gemeindemitteilungsblätter tatsächlich selbständig vertrieben, dann wäre die Klägerin an sich überflüssig und kein „Vertriebsunternehmen“ mehr gewesen. Ihr Tätigkeitsfeld hätte sich dann auf das bloße Anwerben selbständiger Zusteller beschränkt, was ihrer Selbstdarstellung vom 05. Januar 1989 ebenso widerspricht wie ihrem Firmennamen „S Vertrieb GmbH“. Da die Zusteller ihre Tätigkeit ohne das Personal und Material der Klägerin nicht ausüben konnten, waren sie von ihr abhängig. Die Klägerin schrieb ihnen vor, wo und an wen sie welche Mitteilungsblätter bis wann ausliefern mussten, so dass eine gewisse Weisungsbindung bestand, die durch umfangreiche Kontrollrechte und Sanktionsmöglichkeiten (Vergütungsminderung, fristlose Kündigung) flankiert wurde. Die Tätigkeit der Zusteller war fremdbestimmt, weil ihnen die Klägerin das Arbeitsziel vorgab und ihnen die Mittel zur Zielerreichung (Gemeindemitteilungsblätter, Adressliste) zur Verfügung stellte. Zudem verfügten die Zusteller über keine eigenen Betriebs- oder Produktionsmittel, was für eine unternehmerische Tätigkeit aber wesentlich gewesen wäre. Ein Unternehmerrisiko bestand – schon aufgrund der geringfügig entlohnten Tätigkeit – nicht, und ein nennenswerter Spielraum für eigene unternehmerische Initiativen ist nicht erkennbar. Zudem handelt es sich bei der Zustellertätigkeit typischerweise um eine abhängige Beschäftigung.
Demgegenüber fallen die Delegationsbefugnis, die Möglichkeit, auch für einen anderen Auftraggeber tätig zu werden, die steuerrechtliche Bewertung und das Fehlen klassischer Arbeitgeberleistungen nicht entscheidend ins Gewicht. Gerade bei einfachen Tätigkeiten, die im Grunde jeder ohne besondere Vorkenntnisse nach kurzer Einweisung übernehmen kann, kommt es auf die höchstpersönliche Leistung nicht an. Bei geringfügig entlohnten Tätigkeiten, die wöchentlich maximal 3 Stunden dauern, kann der Auftraggeber nicht erwarten, dass der Auftragnehmer exklusiv nur für ihn (und nicht auch für Konkurrenzunternehmen) tätig wird. Dies würde die Attraktivität derartiger (gering entlohnter) Aushilfsjobs stark senken, zumal klassische Arbeitgebergeberleistungen nicht erbracht werden, was das soziale Schutzbedürfnis der Auftragnehmer stark erhöht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BSG SozR Nr. 16 zu § 165 RVO; vgl. aber auch BSG, Urteil vom 24. Oktober 1978, Az: 12 RK 58/76, SozR 2200 § 1227 Nr. 19), die sich im Wesentlichen aus dem Kreis der Rentner, Pensionäre, Schüler und Studenten rekrutieren. Die steuerrechtliche Einordnung im Einzelfall kann für die Frage, ob aus dem Blickwinkel der gesetzlichen Unfallversicherung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis besteht, keinen entscheidenden Einfluss haben. Dasselbe gilt für die „werkvertragliche Rhetorik“ (Neumann, NZS 2001, 14) des Kooperationsvertrages, die keinesfalls maßgebend ist und minderjährige Schüler wie die Beigeladenen zu 1), 3) und 4) hochtrabend als „selbständige Kleinspediteure“ bezeichnet.
Mit dieser Bewertung der Zustellertätigkeit stimmt der Senat mit der bisherigen herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum überein. Schon das Reichsversicherungsamt (AN 1943, 106, 108 und AN 1929, 164, 165) sah Zeitungsausträger als unselbständig an, wenn der Verlag ihnen den zu beliefernden Bezirk und den Bezieherkreis zuweise, direkt oder indirekt Weisungen über die Zeit der Zustellung erteile, die Austräger das Abonnemententgelt als Boten des Verlags einzögen und der Verlag das Verlustrisiko trage. Kein Zeichen einer selbständigen Tätigkeit liege vor, wenn sich das Entgelt nach den verteilten Exemplaren berechne, die Austräger neue Bezieher gegen Provision werben könnten und Hilfskräfte beschäftigen dürften.
Auch in der Literatur (Brackmann, Unfallversicherung, § 2 Rn. 134; Lauterbach, Unfallversicherung, Bd. 3, Stand: Januar 1996, § 658 Anm. 13; Wolber, Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bei der Verteilung von Werbematerial, SozVers 1990, 49 ff.) und in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit werden Zusteller ausnahmslos als abhängig Beschäftigte qualifiziert: 1. Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Januar 1957, Az: Kr 25/54, Breithaupt 1957, 585ff. (Zeitschriftenausträger), 2. Hessisches LSG, Urteil vom 11. März 1959, Az: L 6 Kr 24/58, 3. BSG, Urteil vom 26. Februar 1960, Az: 3 RK 41/57, SozR Nr. 16 zu § 165 RVO (Ortsagenten – Zeitungs- und Zeitschriftenausträger), 4. BSG, Urteil vom 16. Februar 1961, Az: 3 RK 70/58, SozR Nr. 4 zu § 168 RVO (Zeitungsausträgerin), 5. BSG, Urteil vom 16. Februar 1961, Az: 3 RK 34/60, SozR Nr. 1 zu § 1228 RVO (Zeitungsausträgerin), 6. BSG, Urteil vom 19. Januar 1968, Az: 3 RK 101/64, USK 6801 (Zeitungsausträger), 7. Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Juli 1969, L 4 KR 5/68, Breithaupt 1970, 94 (Zettelverteiler), 8. BSG, Urteil vom 15. März 1979, Az: 2 RU 80/78, USK 7935 (Zeitungsausträger), 9. BSG, Urteil vom 15. Februar 1989, Az: 12 RK 34/87, SozR 2200 § 165 Nr. 95 (Zeitungsausträger), 10. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 04. März 1993, Az: L 10 U 717/92 (Prospektverteiler), 11. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juni 1995, Az: L 10 U 1763/94 (Prospektverteiler), 12. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2003, Az: L 7 U 5158/99 (Ortsagenten), 13. Hessisches LSG, Urteil vom 27. April 2006, Az: L 1 KR 124/05, (Zeitungszusteller).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1, 3. HS SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt der Erfolglosigkeit der Berufung Rechnung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).