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Kurzarbeitergeld – Struktur

LAG Sachsen-Anhalt – Az.: 9 (10) Sa 508/03 – Urteil vom 15.01.2004

1.   Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 9. Juli 2003 – 2 Ca 109/03 abgeändert.

2.   Die Klage wird abgewiesen.

3.   Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

4.   Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte berechtigt war, für die Klägerin für die Dauer der Kündigungsfrist Kurzarbeit anzuordnen und entsprechend verminderten Arbeitslohn zu zahlen.

Die am … 1950 geborene Klägerin war bei der tarifgebundenen Beklagten und deren Rechtsvorgängerin vom 1. Dezember 1975 bis 31. Mai 2003 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung.

Die Kündigungsschutzklage der Klägerin wurde durch Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 12.02.2003 – 2 Ca 4427/02 – abgewiesen, die Berufung der Klägerin mit Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 16.10.2003 – 9 Sa 220/03 – zurückgewiesen.

Am 23. September 2002 beschloss der Vorstand der Beklagten die Aufgabe des operativen Handelsgeschäftes und die Reduzierung der Tätigkeit der Genossenschaft auf die Geschäftsfelder Immobilienbewirtschaftung und Mitgliederbetreuung. Die 13 Märkte der Beklagten sollten in der Zeit vom 14. Oktober 2002 bis 23. Dezember 2002 geschlossen und die Verwaltung abgebaut werden. Der Markt 0107, in dem die Klägerin zuletzt als Marktleiterin beschäftigt war, wurde am 14. Oktober 2002 geschlossen.

Am 30. September 2002 vereinbarten die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat einen Interessenausgleich, dessen Gegenstand die Umsetzung der am 23. September 2002 beschlossenen Maßnahmen (Betriebsänderung) ist. Unter Ziffer 4 des Interessenausgleiches ist die Durchführung einer Maßnahme nach SGB III, deren Träger die G. mbH ist, vereinbart.

Am 30. Oktober 2002 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine zweite Betriebsvereinbarung mit der Bezeichnung „Kurzarbeit“. Diese Betriebsvereinbarung hat folgenden Wortlaut:

㤠1

Ziel der Kurzarbeit

Ziel der Kurzarbeit ist es, Fristen aus betriebsbedingten Kündigungen abzufedern.

§ 2

Beginn der Kurzarbeit

Auf der Grundlage des SGB III § 175 wird Kurzarbeit ab … 2002 zunächst bis … 2003 beim Arbeitsamt beantragt und durchgeführt.

§ 3

Mitteilungsfrist an den Betriebsrat

Die Antragstellung der zur Anwendung kommenden Kurzarbeit ist in der Anlage 1 a ersichtlich und mit dem Betriebsrat abgestimmt.

Dabei ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu wahren.

Der Betriebsrat hat nach Beschlussfassung schriftlich dem Antragsteller seine Entscheidung innerhalb von 3 Tagen mitzuteilen.

§ 4

Anzeige der Kurzarbeit gegenüber dem Arbeitnehmer/innen

Alle Anordnungen über die Kurzarbeit sind den betroffenen Arbeitnehmer/innen grundsätzlich 3 Tage vor Beginn durch die Personalabteilung schriftlich mitzuteilen.

§ 5

Meldepflicht

Der/Die Kurzarbeiter/in hat sich während der Kurzarbeit einmal monatlich im Unternehmen telefonisch zu melden.

§ 6

Information des Betriebsrates

Durch das Unternehmen ist dem Betriebsrat eine Übersicht über die anfallenden KUG-Stunden zur Verfügung zu stellen.

Alle Unterlagen und Erklärungen zur Kurzarbeit gegenüber dem Arbeitsamt werden dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt.

Es wird vereinbart, dass bei Gesprächen mit dem Arbeitsamt jeweils ein Vertreter des Betriebsrates hinzugezogen wird.

Jeder Kurzarbeiter hat Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen, die durch das Arbeitsamt angeboten werden.

§ 7

Schlussbestimmungen

Die Betriebsvereinbarung tritt ab 01.10.2002 in Kraft.

Sie gilt zunächst bis zum 30.06.2003.

Die Vereinbarung liegt den Arbeitnehmer/innen in der Personalabteilung und beim Betriebsrat zur Einsicht vor.

Nebenabreden wurden nicht getroffen. Änderungen bzw. Ergänzungen bedürfen zur Wirksamkeit der Schriftform.“

Unter dem 29. Oktober 2002 zeigte die Beklagte dem Arbeitsamt M an, dass ab 1. Oktober 2002 bis 30. Juni 2003 eine betriebsorganisatorische eigenständige Einheit (beE) eingerichtet wird, in der 3 Arbeiter und 49 Angestellte zusammengefasst werden, die voraussichtlich im jeweiligen Anspruchszeitraum (Kalendermonat) vom Arbeitsausfall mit einem Entgeltausfall von mehr als 10 % betroffen sind. In Spalte 6 des für die Anzeige vorgedruckten Formulars trug die Beklagte ein, dass der in der beE geltende KonsumTarifvertrag keine Kurzarbeitsklausel enthält. Die Beklagte fügte dem verwendeten Formularantrag als Anlagen den Interessenausgleich vom 30.09.2002, die von ihren Vorstandsmitgliedern und der Betriebsratsvorsitzenden unterschriebene Erklärung vom 29.10.2002, die lautet „die Unterzeichner vereinbaren die Einführung/Weiterführung der Kurzarbeit vom 01.10.2002 bis 30.06.2003 für die im Gesamtbetrieb/Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer mit der Folge, dass der Lohn entsprechend gemindert wird“, und die Namensliste der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer bei. Die Klägerin ist in der Namensliste unter Nr. 8 aufgeführt.

Auf diese Anzeige hin teilte das Arbeitsamt M der Beklagten mit Bescheid vom 13.11.2002 mit, dass „die in § 175 SGB III genannten Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) erfüllt sind“, und bewilligte den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern in der beE ab 1. Oktober 2002 für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, längstens bis 31. März 2003, Kurzarbeitergeld. Der Bezugszeitraum wurde später bis 30. Juni 2003 verlängert.

Am 29. Oktober 2002 ging der Klägerin die ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom gleichen Tage zu. Für die Zeit ab 1. November 2002 ordnete die Beklagte für die Klägerin nach § 175 SGB III Kurzarbeit ohne Verpflichtung zur Arbeit an.

Mit ihrer am 10. Januar 2003 beim Arbeitsgericht Magdeburg erhobenen, in der Folgezeit erweiterten Klage hat die Klägerin die rechnerisch unstreitige Differenz zwischen dem ihr für die Zeit vom 1. November 2002 bis 31. März 2003 ausgezahlten Kurzarbeitergeld und dem ihr bei regelmäßiger Arbeit in dieser Zeit zustehenden Bruttoarbeitsentgelt geltend gemacht.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Darstellung des Tatbestandes im Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 09.07.2003 – 2 Ca 109/03 – (S. 2 bis 4 d. Urteils = Bl. 78 bis 80 d. A.) verwiesen.

Mit dem vorbezeichneten Urteil hat das Arbeitsgericht Magdeburg der Klage stattgegeben.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, für die Klägerin ab 1. November 2002 Kurzarbeit anzuordnen. Es gebe keine tarifliche Regelung, die sie zur Einführung von Kurzarbeit berechtige. Eine betriebsverfassungsrechtliche Regelung, durch die der Arbeitsvertrag für die Kurzarbeitsperiode abgeändert worden sei, gebe es auch nicht. Auf die von den Betriebspartnern geschlossene förmliche Betriebsvereinbarung könne sich die Beklagte nicht berufen, da § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die Verkürzung der Arbeitszeit nur vorübergehend zulasse. Die Beklagte habe jedoch defacto mit dem Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Kurzarbeit angeordnet. Es handele sich mithin um eine dauerhafte Verkürzung der Arbeitszeit. Da keine wirksame Betriebsvereinbarung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vorliege, helfe der Beklagten die Genehmigung der Kurzarbeit durch das Arbeitsamt nicht weiter.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 bis 7 des Urteils (Bl. 80 bis 83 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 5. August 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. August 2003 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 13. Oktober 2003 begründet.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Streit in der Literatur darüber bestehe, ob bei der Einführung struktureller Kurzarbeit i. S. v. § 175 SGB III der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht habe. Niemand behaupte aber, die Betriebsparteien dürften in diesem Fall keine freiwillige Betriebsvereinbarung abschließen. Die Kompetenz zum Abschluss der Betriebsvereinbarung folge u. a. aus den §§ 74 Abs. 1, 80 BetrVG. Die normativen Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 30.10.2002 wirkten von außen auf die Arbeitsverhältnisse, ohne Bestandteil des Arbeitsvertrages zu werden. Das Arbeitsgericht habe zudem nicht erkannt, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch die Kurzarbeit hinausgeschoben worden sei. Wäre die Kurzarbeit nicht zustande gekommen, hätte am 30. Oktober 2002 Insolvenz angemeldet werden müssen, was kürzere Kündigungsfristen und Massenentlassung zur Folge gehabt hätte.

Die Beklagte beantragt,

1.   das Urteil – 2 Ca 109/03 – des Arbeitsgerichts Magdeburg abzuändern,

2.   die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht habe zu Recht eine Überschreitung der Regelungsmacht des Betriebsrats gesehen. Zutreffend habe es festgestellt, dass § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die Befugnis des Betriebsrats zum Eingriff in die Einzelarbeitsverhältnisse zum Schutz letzterer begrenze. Bei den erdienten Kündigungsfristen handele es sich um Anwartschaften. Die Betriebsvereinbarung vom 30.10.2002 entziehe den betroffenen Arbeitnehmern den Schutz der verlängerten Kündigungsfristen, ohne einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 13.10.2003 und den Schriftsatz der Beklagten vom 29.10.2002 nebst Anlagen (Bl. 95 bis 97, 101 bis 110 d. A.), auf die Berufungsbeantwortung vom 03.11.2003 (Bl. 112 bis 114 d. A.) sowie auf das Protokoll vom 15.01.2004 (Bl. 122/123 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die statthafte Berufung der Beklagten ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. b u. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO). Die Berufung ist zulässig.

II. Die Berufung ist begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts musste abgeändert und die Klage abgewiesen werden. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Verzugslohn nicht zu.

Die Beklagte musste in der Zeit vom 1. November 2002 bis 31. März (bzw. 31. Mai) 2003 die Dienste der Klägerin nicht annehmen und schuldet ihr nicht die volle Vergütung. Die Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit“ vom 30.10.2002 hat eine Änderung des Arbeitsvertrages der Parteien hinsichtlich der Arbeitszeit mit entsprechender Entgeltkürzung auf die Höhe des Struktur-Kurzarbeitergeldes herbeigeführt.

1. Die Beklagte durfte auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit“ vom 30.10.2002 in ihrem Betrieb ab 1. Oktober 2002 Struktur-Kurzarbeit mit entsprechender Lohnminderung einführen.

a) Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit mit entsprechender Lohnminderung nur aufgrund einer Vereinbarung kollektiv- oder einzelvertraglichen Charakters einführen. Andernfalls bedarf es zur Arbeitszeitverkürzung einer Änderungskündigung (BAG vom 15.12.1961 – 1 AZR 207/59 – AP Nr. 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit). Da eine förmliche Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 2 BetrVG) gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse einwirkt, kann durch sie eine Änderung der Arbeitsverträge hinsichtlich der Arbeitszeit und der Lohnzahlungspflicht für die Dauer der Kurzarbeitsperiode ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer herbeigeführt werden (BAG vom 21.11.1978 – 1 ABR 67/76 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (III. 4. der Gründe)).

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Eine tarifliche Regelung, die die Beklagte zur Einführung von Kurzarbeit berechtigt, besteht nicht. Denn der bei der Beklagten angewendete Manteltarifvertrag für die Mitgliedsunternehmen Handel der Konsum-Tarifgemeinschaft e. V. – Tarifausschuss Sachsen-Anhalt – im Land Sachsen-Anhalt enthält keine entsprechende Regelung. Mit der Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit“ vom 30.10.2002 besteht aber entgegen der Auffassung der Klägerin eine kollektivrechtliche Regelung, die die Beklagte ab 1. Oktober 2002 zur Einführung von Struktur-Kurzarbeit berechtigt hat.

b) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit mitzubestimmen. Hierunter fällt nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Einführung von Kurzarbeit, und zwar auch dann, wenn Tage und Wochen endgültig ausfallen, also Kurzarbeit ohne Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Arbeit eingeführt und damit die Dauer der Arbeitszeit berührt wird (BAG vom 14.02.1991 – 2 AZR 415/90 – AP Nr. 4 zu § 615 BGB Kurzarbeit (IV. 1. der Gründe)). Nach Auffassung der erkennenden Kammer unterfällt auch die Einführung von Struktur-Kurzarbeit (§ 175 SGB III) der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Denn auch bei der Einführung von Struktur-Kurzarbeit kann durchaus, obwohl das Ende der Kurzarbeit zunächst nicht absehbar ist, eine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eintreten und eine dauerhafte Rückkehr zur bisherigen Arbeitszeit im Betrieb ermöglichen. Für die Arbeitnehmer kann darüber hinaus nach § 177 Abs. 1 Satz 4 SGB III die Verpflichtung bestehen, während der Arbeitszeit an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen, also in diesem Sinne zu arbeiten. Immerhin zielt die Regelung des § 175 SGB III (Sonderform des Kurzarbeitergeldes) auf die vorübergehende Vermeidung von Entlassungen und Arbeitslosigkeit ab. Es geht darum, die Arbeitsverhältnisse möglichst zu verlängern und es den Arbeitnehmern, die Struktur-Kurzarbeitergeld beziehen, zu ermöglichen, die Ausfallzeiten zu nutzen, um sich auf eine neue Beschäftigung, z. B. durch Qualifizierungsmaßnahmen, vorzubereiten. Im Falle der Verkürzung der Arbeitszeit dient die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer entsprechenden Entgeltminderung. Sowohl die Einführung der Kurzarbeit gemäß § 169 SGB III als auch die Einführung von Struktur-Kurzarbeit gemäß § 175 SGB III ist für die Arbeitnehmer mit einer Entgeltminderung verbunden. Es macht insoweit keinen Sinn, wenn die Einführung von Kurzarbeit gemäß § 169 SGB III der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterfällt, die Einführung von Kurzarbeit gemäß § 175 SGB III jedoch nicht mitbestimmungspflichtig, der Arbeitgeber also einseitig berechtigt wäre, zu entscheiden, ob und von welchen Arbeitnehmern Struktur-Kurzarbeit geleistet werden soll.

c) Formen der Mitbestimmung sind die Betriebsvereinbarung sowie die Reglungsabrede. Allerdings wirkt gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nur die Betriebsvereinbarung als Gesetz des Betriebes von außen auf die Arbeitsverhältnisse ein. Die Bestimmungen des normativen Teils der Betriebsvereinbarung gestalten den Inhalt der Arbeitsverhältnisse unmittelbar, ohne dass es auf die Billigung oder die Kenntnis der Vertragsparteien des Einzelarbeitsverhältnisses ankommt. Eine Änderung der Arbeitsverträge hinsichtlich der Arbeitszeit und der Lohnzahlungspflicht für die Dauer der Kurzarbeitsperiode ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer kann insoweit nur durch eine förmliche Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 BetrVG herbeigeführt werden. Bei der hier vorliegenden Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit“ vom 30.10.2002 handelt es sich um eine förmliche Betriebsvereinbarung. Denn sie wurde vom zuständigen Betriebsrat und der Beklagten (Arbeitgeberin) gemeinsam beschlossen, schriftlich niedergelegt, von beiden Seiten unterzeichnet, und zwar durch den Vorstand der Beklagten und die Betriebsratsvorsitzende, und sie betrifft, wie ausgeführt, den Aufgabenbereich des Betriebsrats.

2. Demzufolge ist der Arbeitsvertrag der Parteien durch die Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit“ vom 30.10.2002 mit Wirkung vom 1. November 2002 hinsichtlich der Verkürzung der Arbeitszeit mit entsprechender Lohnkürzung auf die Höhe des Struktur-Kurzarbeitsgeldes abgeändert worden.

Aus dem Wortlaut der §§ 1 und 2 der Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit“ ergibt sich, dass dieser Betriebsvereinbarung alle Arbeitnehmer des Betriebes unterfallen, deren Arbeitsverhältnisse in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 30. Juni 2003 durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet werden. Zu diesen Arbeitnehmern gehört die Klägerin. Denn ihr Arbeitsverhältnis wurde infolge der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten vom 23.09.2002 durch die betriebsbedingte Kündigung vom 29.10.2002 zum 31. Mai 2003 beendet. Die mit der Klage geltend gemachten Vergütungsansprüche der Klägerin sind durch die Zahlung des Struktur-Kurzarbeitergeldes erfüllt. Im Übrigen wird der Klägerin durch die vorbezeichnete Betriebsvereinbarung nicht, wie sie meint, der Schutz der erdienten verlängerten Kündigungsfrist entzogen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete – erst – mit dem Auslaufen der Kündigungsfrist am 31. Mai 2003.

Nach all dem war das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 09.07.2003 auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

 

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