AG Reutlingen, Az.: 2 K 61/14, Beschluss vom 27.11.2015
In der Zwangsversteigerungssache wird die Akte an das Landgericht Tübingen zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt, der ich nicht abzuhelfen vermag.
Gründe
Das Zwangsversteigerungsverfahren wurde durch Beschluss vom 27.08.2014, der Schuldnerin zugestellt am 29.08.2014, angeordnet.
Mit Beschluss vom 10.04.2015 wurde der Verkehrswert auf 315.000.- € für das Grundstück festgesetzt. Die Beschwerde der Schuldnerin wurde durch Beschluss vom 11.06.2015 durch das Landgericht Tübingen zurückgewiesen.
Termin zur Zwangsversteigerung wurde am 01.09.2015 bestimmt, der Beschluss wurde dem Schuldnervertreter am 03.09.2015 zugestellt.
Im Versteigerungstermin am 03.11.2015 blieb der ……………… mit einem Gebot in Höhe von 290.000.-€ Meistbietender. Grundpfandrechte waren nicht zu übernehmen. Dies entspricht 92% des Verkehrswerts (nicht berücksichtigt ist dabei der Zuzahlungsbetrag der bestehenbleibenden Rechte in Abt. II).
Der Zuschlag wurde noch im Versteigerungstermin erteilt; der Ersteher hat das Bargebot bereits hinterlegt.
Mit der – rechtzeitig eingelegten – Beschwerde macht der Schuldnervertreter geltend, dass Vollstreckungsschutz zu gewähren sei, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Grundstückswert und Erlös bestünde. Dies ist angesichts des Bargebots in Höhe von 290.000,-€ nicht erkennbar. Es übersteigt die Wertgrenzen der §§ 85a, 74a ZVG bei weitem. Eine Schutzbedürftigkeit der Schuldnerin ist bei diesem Ergebnis nicht gegeben. Dass der Erlös die Verbindlichkeiten nicht abdeckt, hat die Schuldnerin in diesem Fall hinzunehmen. Einen Grundsatz, dass die Zwangsvollstreckung stets zur vollen Befriedigung des Gläubigers führen muss gibt es nicht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Gläubiger mehrere Zwangsvollstreckungsmaßnahme einleiten muss um die Forderung vollständig beitreiben zu können.
Soweit in der Beschwerde darauf abgehoben wird, dass möglicherweise ein höherer Erlös im freihändigen Verkauf zu erzielen wäre, kann dies im derzeitigen Stadium des Verfahrens nicht mehr berücksichtigt werden. Das Verfahren läuft seit Sommer 2014. Weshalb eine Veräußerung im zurückliegenden Zeitraum nicht möglich gewesen sein soll, ergibt sich aus dem Vortrag nicht. Ein Einstellungsantrag wurde nicht fristgerecht gestellt. Ebenso bleibt ungeklärt, weshalb die potentiellen Interessenten nicht zum Versteigerungstermin erschienen sind um dort ihre Gebote abzugeben.
Durch den Zuschlag ist die Meistbietende Eigentümerin kraft Hoheitsakt geworden ( § 90 ZVG).
Der Kaufvertrag vom 13.11.2015 wurde vom Ehemann der Schuldnerin abgeschlossen. Ausweislich der Urkunde wurde lediglich eine privatschriftliche Vollmacht vorgelegt. Dies genügt nicht da nach §§ 311b, 167 BGB auch die Vollmacht notariell beurkundet sein muss wenn das Geschäft auf das sie sich bezieht beurkundungsbedürftig ist. Dass eine entsprechende Vollmacht existiert wird nicht einmal behauptet. Der Kaufvertrag ist mithin unwirksam.
Gleiches gilt für die Auflassung ( § 925 BGB). Diese ist zwar unbedingt erklärt (§ 925 Abs. 2 BGB), derzeit dennoch bereits aus formalen Gründen unwirksam.
Die Schuldnerin verpflichtet sich zur Löschung der eingetragenen Grundpfandrechte. Aus der Stellungnahme der betreibenden Gläubigerin ergibt sich nicht, dass zuvor Gespräche mit ihr geführt worden wären. Auch bezüglich der Gläubiger der weiteren eingetragenen Grundpfandrechte ist nicht erläutert, inwieweit sie bereit wären die Löschung ihrer Rechte zu bewilligen.
Ausweislich Ziffer 5.5 der Urkunde ist eine Frist bis 30.06.2016 zur Vorlage der notwendigen Urkunden vereinbart. Dies würde bedeuten, dass die Gläubiger mehr als ein halbes Jahr auf eine ungewisse Zahlung warten müssten. Gründe weshalb diese Verzögerung im derzeitigen Verfahrensstadium den Gläubigern zuzumuten wären sind nicht erkennbar.
Auf das weiter vorgelegte Kaufangebot vom 17.11.2015, welches bis 4.12.2015 befristet ist, braucht an dieser Stelle nicht mehr eingegangen zu werden. Auch dieser Interessent hätte zum Versteigerungstermin erscheinen können. Das – unverbindliche – Angebot steht außerdem im Widerspruch zum Vertrag vom 13.11.2015.
Die Schuldnerin hat es versäumt sich rechtzeitig um eine Verwertung des Grundbesitzes zu kümmern. Die Beurkundung eines Kaufvertrages zehn Tage nach der Versteigerung, d.h. nach Verlust des Eigentums, stellt keinen Grund für die Aufhebung des Zuschlags dar. Die Vollstreckungsforderung ist bis zum Verteilungstermin zu verzinsen. Sollte der Verteilungstermin vom 15.12.2015 aus verfahrenstechnischen Gründen aufgehoben werden müssen, hat die Schuldnerin auch die weiterlaufenden Zinsen zu tragen.