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Fluggastrechtrechte­verordnung – Entschädigungsanspruch für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit

AG Hannover – Az.: 410 C 13385/16 – Urteil vom 05.07.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die beklagte Reiseveranstalterin Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit einer Flugannullierung geltend.

Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau S. Q. sowie seinen Sohn J. Q. bei der Beklagten eine Flugpauschalreise in das Hotel P. auf Kreta, Griechenland, für die Zeit vom 7. bis 14. Oktober 2016 zu einem Gesamtpreis von € 2.396,- (€ 956,- je Erwachsener und € 484,- für das Kind). Die Flüge sollten durch das Luftfahrtunternehmen T. GmbH durchgeführt werden.

Am Abend des 6. Oktober 2016 erhielt der Kläger Nachricht, dass der geplante Hinflug bzw. die gesamte gebuchte Reise ersatzlos gestrichen und der Reisevertrag von der Beklagten gekündigt worden sei mit der Begründung, es sei zu massenhaft Crewausfällen bei der T. GmbH gekommen. Der Kläger und seine Familienmitglieder traten infolgedessen die geplante Urlaubsreise nicht an. Die Beklagte erstattete dem Kläger den vorab geleisteten Reisepreis.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Oktober 2016 (Bl. 10 d. A.) forderte der Kläger die Beklagte zu Entschädigungszahlungen für vertane Urlaubszeit auf, was die Beklagte ablehnte mit der Auffassung, der krankheitsbedingte Ausfall der Beschäftigten des Luftfahrtunternehmens erfülle den Tatbestand der zur Kündigung berechtigenden höheren Gewalt.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm und seinen Familienmitglieder stünden reisevertragliche Entschädigungsansprüche gemäß § 651f Abs. 2 BGB in für angemessenen gehaltener Höhe von je € 400,- für die Erwachsenen bzw. € 200,- für das Kind zu. Die Ansprüche seiner Mitreisenden mache er selbst aufgrund des als Vertrag zugunsten Dritter geschlossenen Reisevertrags geltend. Eine wirksame Kündigung des Reisevertrages liege nicht vor. Krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern fielen in die Risikosphäre der Beklagten und stellten keine höhere Gewalt dar. Doch selbst wenn man dies anders sähe und auf die Vermeidbarkeit der Flugannullierung bzw. Reisekündigung abstellte, fehlte es an zureichendem und im Übrigen bestrittenen Vortrag der Beklagten zu den von ihr unternommenen, insbesondere arbeitsrechtlichen Vermeidungsmaßnahmen.

Alternativ, so meint der Kläger, stünden ihm und seinen Mitreisenden gegen die Beklagte in selbiger Höhe Ausgleichsansprüche wegen der Flugannullierung nach Artt. 5 Abs. 1 lit. c, 7 Abs. 1 lit. b VO (EG) Nr. 264/2001 (FluggastrechteVO) zu.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn – den Kläger – eine angemessene Entschädigung, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2016, zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht weniger als € 400,- betragen sollte;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn – den Kläger – eine angemessene Entschädigung, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2016, zu Händen der Frau S. Q., …, zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht weniger als € 400,- betragen sollte;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn – den Kläger – eine angemessene Entschädigung, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2016, zu Händen des Herrn J. Q., …zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht weniger als € 200,- betragen sollte.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, den Reisevertrag wirksam vor Reiseantritt gemäß § 651j Abs. 1 BGB gekündigt zu haben mit der Folge, dass Entschädigungsansprüche nicht bestünden.

Sie behauptet hierzu, für ihren Leistungsträger und Erfüllungsgehilfen, die T. GmbH als vorgesehenem ausführenden Luftfahrtunternehmen, sei die Annullierung des Hinfluges auf unvorhersehbare höhere Gewalt zurückgegangen. Der Grund der Flugannullierung liege darin, dass der Betrieb der T. GmbH in Reaktion auf einen betriebsinternen „Management Letter“ vom 30. September 2016 von den eigenen Mitarbeitern Anfang Oktober 2016 wild bestreikt worden sei. In kollektiver, über elektronische Medien abgestimmter Weise habe ihr Flugpersonal, nicht aber das Bodenpersonal durch massenhafte, nicht auf eine Epidemie zurückführbare Krankmeldungen die Arbeit niedergelegt, so dass der T. GmbH das nötige Flugpersonal zur ungestörten Aufrechterhaltung des Flugbetriebes gefehlt habe. Unter Bezugnahme auf gleichlautende Pressberichterstattungen verweist die Beklagte darauf, dass dies auch der öffentlichen Wahrnehmung der Geschehnisse entspreche. Aufgrund des Streiks hätten der T. GmbH mit schlagartiger Steigerung ab dem 3. Oktober 2016 tageweise betrachtet gerundet 41 % (03.10.), 50 % (04.10.), 70 % (05.10.), 80 % (06.10.), 89 % (07.10.), 67 % (08.10.), 56 % (09.10.) bzw. 34 % (10.10.) des diensthabenden Cockpitpersonals sowie gerundet 28 % (03.10.), 24 % (04.10), 43 % (05.10.), 50 % (06.10.), 62 % (07.10.), 61 % (08.10.), 60 % (09.10) und 46 % (10.10.) des diensthabenden Kabinenpersonals nicht mehr zur Verfügung gestanden. Der Flugbetrieb bei der T. GmbH sei dadurch weitgehend lahmgelegt worden. Infolge des hohen Krankenstandes am 4. und 5. Oktober 2016 habe die ursprüngliche Flugplanung vollständig aufgegeben und neu erstellt werden müssen.

Die Beklagte behauptet weiter, sie und die T. GmbH hätten sofort nach Beginn des wilden Streiks alle möglichen Maßnahmen ergriffen, um Flüge überhaupt noch bzw. mit möglichst geringer Ankunftsverspätung durchführen und die Reisegäste befördern zu können. Im Rahmen einer bei der T. GmbH ab dem 3. Oktober 2016 stattgefundenen Notfallplanung seien gegenüber sämtlichen anderweitigen Luftfahrtunternehmen und den am europäischen Markt auftretenden Flugmaklern Subcharteranfragen erfolgt und im Zeitraum 2. bis 9. Oktober 2016 als Ergebnis 49 Flugzeuge mitsamt Besatzung gechartert worden. Zudem seien im Urlaub befindliche Mitarbeiter nach Möglichkeit in den Dienst zurückgeholt worden. Gleichwohl hätten wegen der andauernden Krankmeldungen am 5. Oktober alle Hinflüge – so auch der streitbefangene – von Deutschland in die Urlaubsgebiete für die Flugtage des 7. und 8. Oktober 2016 mangels Kapazitäten annulliert werden müssen.

Zusätzlich zu diesen Bemühungen habe sie, die Beklagte, im Wege des Voll- und Teil-Charter sämtliche am Markt erhältliche Flugplätze eingekauft, um Gäste, die von der T. GmbH nicht hätten befördert werden können, anderweitig zu befördern. Als Ergebnis habe sie 44 Flüge als Vollcharter und im Wege des Teilcharter insgesamt 2.996 Flugplätze eingekauft. Auch diese weiteren Bemühungen hätten eine Ersatzbeförderung des Klägers und seiner Mitreisenden letztlich aber nicht ermöglicht.

Im Rechtlichen ist die Beklagte der Ansicht, dass der behauptete wilde Streik in Form einer extremen kollektiven Krankmeldungswelle ein für sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbarer und unvermeidbarer Umstand höherer Gewalt darstelle. Jedenfalls fehle es an ihrem und/oder dem Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen. Im Übrigen meint die Beklagte, dass die Forderungshöhe übersetzt und der Kläger für die Geltendmachung der Ansprüche seiner Mitreisenden nicht aktivlegitimiert sei.

Wegen des Vortrages im Übrigen und Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Die Klage ist als erhobene sog. Alternativklage unzulässig.

1. Die alternative Klagehäufung (Alternativklage), bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren (einheitlicher Klagantrag) aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2011, I ZR 108/09, Rn. 6 ff. – juris; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Einl. Rn. 74). Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag auch eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und werden die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) bestimmt. Dies erfordert auch der Schutz des Beklagten, für den erkennbar sein muss, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um seine Rechtsverteidigung danach ausrichten zu können. Der Kläger muss folglich die gebotene Bestimmung des Streitgegenstandes vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen. Dazu gehört bei mehreren Streitgegenständen auch die Benennung der Reihenfolge, in der diese zur Überprüfung durch das Gericht gestellt werden (vgl. zu allem BGH, a.a.O.).

2. Dies im Rechtlichen beachtet, hat der Kläger dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuwider eine unzulässige nachträgliche alternative Klagehäufung (§§ 260, 263 ZPO) vorgenommen.

a) Der Kläger hat zunächst Schadensersatzklage gegen die Beklagte gemäß § 651f Abs. 2 BGB wegen vertaner Urlaubszeit erhoben. Im Laufe des Prozesses hat er seine Klage gegen die Beklagte ausdrücklich alternativ auf Ausgleichszahlung nach Artt. 7 Abs. 1, 5 FluggastrechteVO wegen des mit der Flugannullierung einhergegangenen Ärgernisses gestützt. Dass er für beides einheitliche (unbezifferte) Klaganträge gestellt hat, steht der Annahme einer Alternativklage – anders als er meint – nicht entgegen, sondern ist für sie gerade typisch (vgl. nur Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Einl. 74).

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b) Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände.

aa) Die Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände zeigt sich bereits mit Blick auf den Klagantrag darin, dass eine Schadensersatzklage nach § 651f Abs. 2 BGB zulässigerweise unbeziffert gestellt werden kann (vgl. nur Foerste in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 253 Rn. 34), dies auf die Klage auf Ausgleichszahlung aber nicht zutrifft. Letztere ist eine gewöhnliche Zahlungsklage, die mit Blick auf die in Art. 7 FluggastrechteVO genannten Beträge in der Anspruchsbezifferung dem Kläger keine Probleme bereitet.

bb) Doch auch bezogen auf den Klaggrund ist – entgegen der Ansicht des Klägers – bei einer sowohl auf Schadensersatz nach § 651f Abs. 2 BGB als auch Artt. 5, 7 FluggastrechteVO gestützten Klage von zwei unterschiedlichen Lebenssachverhalten auszugehen.

aaa) Allerdings wird nach der herrschenden prozessrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand im Zivilprozess und der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht. Vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urt. v. 17.08.2011, I ZR 108/09, Rn. 26; Urt. v. 11.07.1996, III ZR 133/95, Rn. 13 – juris). Der Klagegrund geht über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Dies macht der Fall materiell-rechtlicher Anspruchskonkurrenz deutlich. Zum Klagegrund sind folglich alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt „seinem Wesen nach“ erfassenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.2009, Xa ZR 132/08, Rn. 27; Urt. v. 24.01.2008, VII ZR 46/07, Rn. 15; Urt. v. 19.12.1991, IX ZR 96/91, Rn. 16 – juris; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Einl. Rn. 83). Jedoch liegen bei gleichem Antrag unterschiedliche Streitgegenstände dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2008, IX ZR 172/07, Rn. 9 – juris). Ebenso liegt es bei Klagen auf Schadensersatzleistungen, wenn mehrere Schadensarten zusammentreffen (vgl. BGH, Urt. v. 18.03.1959, IV ZR 182/58, Rn. 37 – juris; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Einl. Rn. 73).

bbb) Dies beachtet, ist eine Einheitlichkeit des Streitgegenstands vorliegend nicht anzunehmen.

Bei natürlicher Betrachtung liegt der Anspruchsverfolgung gegen den Reiseveranstalter ein anderer Tatsachenkomplex zugrunde als derjenigen gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen, und zwar selbst dann, wenn – freilich anders als hier und wohl höchst selten vorkommend – Personenidentität von Reiseveranstalter und ausführendem Luftfahrtunternehmen vorliegt. Es kann nichts anderes gelten als für die Geltendmachung von Ansprüchen auf vertraglicher Grundlage gegen das vertragliche Luftfahrtunternehmen einerseits und gesetzlichen Ansprüchen auf Ausgleichszahlung gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen andererseits, für die ebenfalls unterschiedliche Streitgegenstände angenommen werden (vgl. LG Köln, Urt. v. 04.11.2008, 11 S 506/07, Rn. 15; AG Frankfurt a. M., Urt. v. 15.06.2007, 31 C 739/07, Rn. 17 – juris).

Dem Kläger ist zuzugestehen, dass in Fällen wie dem hier zur Beurteilung stehenden die Flugannullierung oder -verspätung, die die Ausgleichspflicht des ausführenden Luftfahrtunternehmers begründet, regelhaft zugleich eine Vereitelung oder erhebliche Beeinträchtigung der Reise darstellen wird, also auch Tatbestandsmerkmale einer Haftung nach § 651f BGB ausfüllt. Prozessrechtlich betrachtet stellt dies gleichwohl nur eine Überschneidung zweier Lebenssachverhalte dar. Der Lebenssachverhalt, der der Klage gegen den Reiseveranstalter zugrunde liegt, erlangt sein Gepräge durch den Reisevertrag mit der Verpflichtung zur mangelfreien Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen. Dagegen beschränkt sich der Lebenssachverhalt, auf der die Klage auf Ausgleichzahlung gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen beruht, auf die Störung einer Luftbeförderung.

Die Unterschiedlichkeit der Lebenssachverhalte spiegelt sich klar im materiellen Recht wider. Die Haftung von Reiseveranstalter und ausführendem Luftfahrtunternehmen ist zum einen unterschiedlich ausgestaltet und betrifft auch im Vergleich von angemessener Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB und pauschalierter Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO wesensverschiedene Rechtsfolgen. Wie aus Art. 3 Abs. 6 Satz 1 der FluggastrechteVO folgt, bleiben die reisevertraglichen Rechte eines Reisenden gegen seinen Reiseveranstalter aus den §§ 651a ff. BGB unberührt. Die FluggastrechteVO gewährt lediglich ergänzend gesetzliche Ansprüche als Mindestrechte gegen das den Flug tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen unabhängig davon, ob den Fluggästen tatsächlich ein Schaden entstanden ist (vgl. Schmid in: Schmid, BeckOK FluggastrechteVO, 2. Ed. 10.04.2017, Art. 3 Rn. 64). Bei der Ausgleichszahlung handelt es sich um eine standardisierte Maßnahme, ohne dass es einer Beurteilung der individuellen Situation jedes einzelnen betroffenen Fluggasts bedarf (vgl. EuGH, Urt. v. 23.12.2012, C-581/10, Rn. 52 – Nelson/Deutsche Lufthansa). Der Reisende hat damit ein Wahlrecht, ob er die evtl. weitergehenden reisevertraglichen Schadensersatzansprüche gegen seinen Reiseveranstalter oder die pauschale Ausgleichszahlung bei dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend macht (vgl. Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 42 Rn. 33). Eine kumulative Anspruchsverfolgung ist aber ausgeschlossen. Dies folgt aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO, wonach eine Anrechnung von geleisteten Ausgleichszahlungen auf weitergehende Schadensersatzleistungen gemäß § 651f BGB möglich ist. Diese Anrechnungsvorschrift verdeutlicht, dass von zwei zu unterscheidenden Streitgegenständen auszugehen ist. Es handelt sich gerade nicht um einen materiell-rechtlichen Fall sog. echter Anspruchskonkurrenz. Diese liegt nur vor, wenn – anders als hier – ein und derselbe Lebenssachverhalt mehrere Ansprüche auslöst, die auf dieselbe Leistung bzw. Rechtswirkung gerichtet sind, ohne dass ein Fall verdrängender oder alternativer Konkurrenz vorläge (vgl. Bachmann in: Münchener Kommentar z. BGB, 7. Aufl. 2016, § 241 Rn. 39). Eine Flugannullierung mag gegenüber einem Reiseveranstalter zwar Entschädigungsansprüche nach § 651f BGB, aber mangels Passivlegitimation nie Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach der FluggastrechteVO auslösen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.03.2008, X ZR 49/07, Rn. 9 – juris). Anders liegt es nur bei zufälliger Personenidentität, was für die generelle Bestimmung der Streitgegenstände aber nicht maßgeblich sein kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, ob der Kläger für Ausgleichsansprüche umfassend aktivlegitimiert und die Beklagte diesbezüglich passivlegitimiert ist. Dies betrifft die Begründetheit der Klage, nicht ihre Zulässigkeit.

c) Das Gericht hat den Kläger mit schriftlichem Hinweis vom 28. März 2017 und nochmals in der mündlichen Verhandlung darauf aufmerksam gemacht, dass eine unzulässige Alternativklage besteht. In der mündlichen Verhandlung wurde erörtert, dass dem Gericht eine Prüfungsreihenfolge vorgegeben werden müsste, weil beispielhaft eine vorrangige Klage auf Ausgleichszahlung gegen die Beklagte als Reiseveranstalter – wie oben ausgeführt – jedenfalls offensichtlich unbegründet wäre mit der Folge einer zumindest anteiligen Kostentragungspflicht des Klägers. Denn ausführendes Luftfahrtunternehmen war hier unstreitig die T. GmbH und nicht die Beklagte. Der Kläger hat gleichwohl an seiner alternativen Geltendmachung festgehalten.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 709 Satz 2, 711 ZPO.

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