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Durchsetzung des Fertigstellungsanspruchs eines Bauwerks gegen Bauträger

LG Berlin – Az.: 20 O 110/21 – Urteil vom 06.01.2022

In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Berlin – Zivilkammer 20 – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2021 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 22.650,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.970,00 EUR seit dem 09.03.2021, aus 5.760,00 EUR seit dem 17.05.2021 und aus 1.920,00 EUR seit dem 08.07.2021 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere 11.520,00 EUR zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger beginnend ab Januar 2022 bis zur Bezugsfertigkeit der mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 28 bezeichneten Wohnung, gelegen im 5. Obergeschoss des Hauses D, zuletzt eingetragen im Grundbuch von…….., monatlich im Voraus bis spätestens zum 3. Werktag einen Betrag von monatlich 1.920,00 EUR zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger wegen der Forderungen der ###, 14467 Potsdam, auf Zahlung von Bereitstellungszinsen zum KfW-Darlehen Nr. 20163511 in Höhe von 240,42 EUR und zum Hypothekendarlehen Nr. 20163510 in Höhe von 2.088,29 EUR freizustellen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 4.248,78 EUR freizustellen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

7. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger jeweils 40 % und die Beklagte 20 % zu tragen.

8. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien, die Beklagte damals noch firmierend unter ### schlossen unter dem 20.11.2018 einen Bauträgervertrag über eine neu zu errichtende Eigentumswohnung auf dem Grundstück ###.

Durchsetzung des Fertigstellungsanspruchs eines Bauwerks gegen Bauträger
(Symbolfoto: Konstantin Shadrin/Shutterstock.com)

Dieser bezieht sich auf die im Tenor zu 3. beschriebene Wohnung. Im Bauvertrag wurde als Termin zur Herstellung der Bezugsfertigkeit der 30.06.2020 vereinbart. Als Kaufpreis wurden 420.572,90 EUR vereinbart. Wegen der Einzelheiten der weiteren vertraglichen Regelungen wird auf den als Anlage K1 eingereichten Vertrag sowie die als Anlage K13 eingereichte Baubeschreibung Bezug genommen.

Die Beklagte stellt die Wohnung zum vereinbarten Termin nicht bezugsfertig her Vielmehr stand zu diesem Zeitpunkt und bis November 2020 nur der Rohbau inklusive der Zimmerarbeiten. Hinsichtlich des genauen Bautenstandes zum 10.11.2020 wird auf eine von den Klägern als Anlage K14 eingereichte gutachterliche Stellungnahme der ### Sachverständigen GmbH verwiesen. Der Baufortschritt berechtigt die Beklagte nach dem vereinbarten Ratenplan zum Einbehalt von 58 % des Kaufpreises, d.h. 176.610,62 EUR noch nicht fällig gestellte Kaufpreisanteile stehen noch im Hinblick auf die Restfertigstellungsleistungen zur Zahlung aus.

Die Kläger bewohnen aktuell eine Wohnung in der ####, 10117 Berlin. Die vereinbarte Nettokaltmiete der Wohnung betrug im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 monatlich 1.855,00 EUR und beträgt ab Januar 2021 monatlich 1.920.00 EUR sowie ab Januar 2022 monatlich 1.980,00 EUR. Im Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021 zahlten die Kläger ihre Miete vollständig. Wegen der Einzelheiten wird auf den Wohnungsmietvertrag nebst Anlage 1 (Anlage K2), die Anlage 2 dazu (Anlage K3) sowie Überweisungsbelege, eingereicht als Anlagenkonvolut K4, Bezug genommen.

Zur Finanzierung der Wohnung nahmen die Kläger ein Darlehen auf. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf den als Anlage K5 eingereichten Darlehensvertrag mit der ### Bezug genommen. Ausweislich einer E-Mail der finanzierenden Bank vom 02.04.2021 sind bis dahin Bereitstellungszinsen für nicht abgerufene Darlehensbestandteile in Höhe von 240,42 EUR und 2.088,29 EUR aufgelaufen, die mit der nächsten Darlehensauszahlung verrechnet werden. Auf Anlage K6 wird insoweit Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 17.02.2021 traten die Prozessbevollmächtigten der Kläger an die Beklagte heran und forderten diese auf, die Kaufsache bis zum 31.03.2021 vollständig, insbesondere bezugsfertig, und mangelfrei herzustellen sowie bis spätestens 06.03.2021 einen Betrag in Höhe von 19.462,24 EUR an Schadensersatz (15.930,00 EUR Mietkosten und 3.532,24 EUR Bereitstellungszinsen für den Zeitraum Juli bis Februar 2021) sowie Anwaltskosten in Höhe von 4.248,78 EUR zu zahlen. Wegen des genauen Wortlautes des Schreibens wird auf Anlage K7 verwiesen.

Die Beklagte ließ mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.03.2021 antworten. Sie monierte Diskrepanzen zu den geltend gemachten Verzugsschaden; stellte jedoch einen nachgewiesenen Verzugsschaden von 10.471,34 EUR unstreitig. Wegen des weiteren Inhaltes des Schreibens wird auf Anlage B5 verwiesen.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.03.2021 forderten die Kläger die Beklagte zur Zahlung der unstreitig gestellten 10.471,34 EUR unter Fristsetzung bis 19.03.2021 auf. Auf Anlage B6 wird Bezug genommen.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.03.2021 ließ die Beklagte darauf hinweisen, Verzugskosten nicht ohne „hieb- und stichfeste“ Nachweise zu erstatten. Sie verwies auf eine vorbereitete Vereinbarung zur Abgeltung der Verzugskosten, deren Vereinbarung die Eckdaten einer Fertigstellung der Wohnung bis 31.03.2022 und der Gesamtfertigstellung bis „31.04.2022“ beinhalte und kündigte die Zahlung von 10.471,34 EUR binnen 14 Tagen nach Eingang der unterzeichneten Vereinbarung an. In den Folgemonaten seien vierteljährlich Zahlungsbelege vorzulegen. Zudem bat sie um Rückäußerung bis 26.03.2021. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Anlage K16 = Anlage B7 verwiesen.

Die Kläger reagierten darauf mit einem der Beklagtenseite am 29.04.2021 zugegangenen Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten (mit Datum „03.03.2021“). Sie lehnten die vorbereitete Ergänzungsvereinbarung ab. Ferner berechneten sie bis 05/2021 Mietkosten von insgesamt 20.730,00 EUR, (niedrigere) Bereitstellungszinsen von 240,42 EUR und 2.088,29 EUR sowie Rechtsanwaltskosten von 4.248,78 EUR.

Eine Fertigstellung bis 31.03.2022 bzw. 30.04.2022 müsse zwingend vereinbart werden, was durch Vertragsstrafe oder persönliche Haftung des Geschäftsführers abzusichern sei. Auf Anlage K10 = Anlage B9 wird insoweit verwiesen.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.05.2021 ließ die Beklagte nachgewiesene Verzugsschäden von 13.050,00 EUR unstreitig stellen, forderte weitere Nachweise und bat u.a. um Erläuterung der Bereitstellungszinsen. Wegen des genauen Wortlautes des Schreibens wird auf Anlage K11 = Anlage B10 verwiesen.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10.05.2021 forderten die Kläger die Beklagte zur Leistung der unstreitigen Schadensersatzforderung auf.

Weiter forderten sie die Zahlung von Mietschäden ab Juli 2020 in Höhe von 20.730,00 EUR und Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 4.248,78 EUR unter Fristsetzung bis 14.05.2021 auf. Auf Anlage K12 = Anlage B11 wird insoweit verwiesen.

Mit weiterem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.09.2021 forderten die Kläger die Beklagte zur Erhöhung des Arbeitseinsatzes sowie Vorlage eines aktualisierten Bauzeitenplanes mit verbindlichen Fertigstellungsterminen unter Fristsetzung bis 08.10.2021 auf. Auf Anlage K17 wird insoweit Bezug genommen.

Im Schriftsatz vom 08.12.2021, Seite 10 führte die Beklagte im Prozess u.a. wie folgt aus (Bl. 58 Band I der Akten):

„Mietkosten Wohnung ###

Grundsätzlich können die von den Klägern geltend gemachten Netto-Mietkosten beansprucht werden. In dem Klageschriftsatz werden vom 01.07.2020 bis zum 01.12.2021 Mietkosten von Netto EUR 1.855,00 geltend gemacht. An Januar 2021 bis Juni 2021 monatliche Mietkosten von EUR 1.920,00 EUR. Dies ergibt einen Betrag von 22.650,00 Euro. Dieser Betrag ist mit Zahlungsbelegen (Anlage K4), dem Mietvertrag (Anlage K2) und dem Nachtrag zum Mietvertrag (Anlage K3) belegt.

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Bereitstellungszinsen

Hinsichtlich der Bereitstellungszinsen bestehen keine Einwendungen. Diese sind insoweit belegt in Höhe von EUR 2.328,71 EUR gemäß Anlagen K5 und K6. Da diese noch nicht geleistet wurden und erst mit der nächsten Auszahlung des Darlehens verrechnet werden, ist der geltend gemachte Freistellungsanspruch korrekt.

Hier wäre in der nächsten mündlichen Verhandlung zu klären, ob zwischenzeitlich nicht eine Auszahlung und Verrechnung stattgefunden hat. Damit der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umzuwandeln wäre.“

Der Bau der Wohnanlage ist nicht abgeschlossen. Eine Bezugsfertigkeit der Wohnung der Beklagten steht nicht vor Mai 2022 in Aussicht.

Mit der Klage machen die Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.248,78 EUR für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten geltend. Wegen der Einzelheiten, insbesondere zum Gegenstandswert und der angesetzten Gebühren, wird auf die Seiten 7-8 der Klageschrift verwiesen (Bl. 7-8 Band I der Akten).

Die Kläger behaupten, nach den Feststellungen im Gutachten Anlage K14 im November 2020 sei allenfalls schleppend weitergebaut worden. Ein wesentlicher Baufortschritt sei nicht erkennbar.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Kläger, einen Betrag in Höhe von 22.650,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, und zwar aus 14.970,00 EUR seit dem 08.03.2021, aus 5.760,00 EUR seit dem 17.05.2021 und aus 1.920,00 EUR seit Rechtshängigkeit,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Kläger, ab Juli 2021 bis zur Bezugsfertigkeit der mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 28 bezeichneten Wohnung, gelegen im 5. Obergeschoss des Hauses D, zuletzt eingetragen im Grundbuch von H, monatlich bis zum dritten Werktag einen Betrag in Höhe von 1.920,00 EUR zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, sie, die Kläger, wegen der Forderung des Darlehensgebers, der Hypovereinsbank – ### Potsdam, aus KfW-Darlehen Nr. ………..in Höhe von 240,42 EUR sowie aus Hypothekendarlehen Nr. 20163510 in Höhe von 2.088,29 EUR freizustellen,

4 die Beklagte zu verurteilen, sie, die Kläger, von dem Anspruch auf Bezahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren für die Geltendmachung der Ansprüche zu 1. und 3. sowie dem Anspruch auf Erfüllung des Vertrages vom 20.11.2018 der ### in Höhe von 4.248,78 EUR freizustellen,

5. die Beklagte durch unvertretbare Handlung (§ 888 ZPO) dazu anzuhalten, die Bauleistung gemäß Kaufvertrag mit Bauleistung vom 20.11.2018 (UR Nr. G 674/2018) und der als Anlage 1 zur Grundlagenurkunde beigefügten Baubeschreibung vollständig und mangelfrei Zug-um-Zug gegen Abschlagszahlung gemäß § 3 Ziffer 4 des vorgenannten Vertrages zu erbringen,

hilfsweise die mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 28 bezeichneten Wohnung, gelegen im 5. Obergeschoss des Hauses D, zuletzt eingetragen im Grundbuch von Hohenschönhausen Blatt 12865N, Zug-um-Zug gegen Abschlagszahlung gemäß § 3 Ziffer 4 des vorgenannten Vertrages bezugsfertig und mangelfrei herzustellen,

höchst hilfsweise die Bauleistung gemäß Kaufvertrag mit Bauleistung vom 20.11.2018 (UR Nr. G 674/2018) und der als Anlage 1 der Grundlagenurkunde beigefügten Baubeschreibung vollständig und mangelfrei Zug-um-Zug gegen Abschlagszahlung gemäß § 3 Ziffer 4 des vorgenannten Vertrages bis zum 30.04.2022 zu erbringen und die mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 28 bezeichneten Wohnung, gelegen im 5. Obergeschoss des Hauses D, zuletzt eingetragen im Grundbuch von Hohenschönhausen Blatt 12865N, Zug-um-Zug gegen Abschlagszahlung gemäß § 3 Ziffer 4 des vorgenannten Vertrages bezugsfertig und mangelfrei bis zum 31.03.2022 herzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, es werde aktuell weitergebaut und ein Fertigstellungstermin im Mai 2022 erwartet, wenn nichts dazwischen käme.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Anwaltsschriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klage (u.a. mit dem Klageantrag zu 1.) ist der Beklagten am 07.07.2021 zugestellt worden.

Die Beklagte hat Ansprüche wegen Verzuges zur Herstellung der Bezugsfertigkeit der Wohnung für den Zeitraum ab 01.07.2020 dem Grunde nach anerkannt.

Die Kammer hat im Verhandlungstermin ausführlich erörtert, dass sie keinen Anspruch der Kläger auf Herstellung der Bauleistung durch unvertretbare Handlung (§ 888 ZPO) sieht. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass ein Anspruch des Einzelerwerbers aus dem Kaufvertrag auf Herstellung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum bestehen dürfte, der allerdings auf den Erfolg im Sinne einer vertretbaren Handlung (§ 887 ZPO) gerichtet sein müsste. Dazu dürfte es, wenn wie hier – die Bauleistung bereits bis zum Rohbau fertig ist, einer Ausformulierung der konkreten offenen Werkleistungen bedürfen sowie auch einem Klageziel, das Werk selbst fertig zu stellen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat dazu erklärt, dass die Kläger selbst nicht den Bau vollenden wollen, sondern die Beklagte (aus dem Bauträgervertrag) durch unvertretbare Handlung dazu anzuhalten sein müsse, das Werk zu vollenden, d.h. durch Zwangsmittel.

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I. Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig.

Soweit die Kläger für den Zeitraum nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung auf Zahlung weiteren Mietausfalls klagen, d.h. ab 01/2022, liegen die Voraussetzungen des § 259 ZPO vor.

Danach kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn nach den Umständen die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sich der Schuldner der rechtzeitigen Leistung entzieht. So liegt es hier. Die Beklagte hat nicht vor vorgerichtlich unstreitig gestellte (Mindest-)Verzugsschäden, nämlich am 11.03.2021 von 10.471,34 EUR (Anlage B5) und am 06.05.2021 von 13.050,00 EUR (Anlage B10) nicht geleistet, sondern auch auf die hiesige Klage (zugestellt am 07.07.2021) zum Mietschaden (mit allen Belegen), der sie keine Einwendungen entgegengesetzt hat, nichts gezahlt und damit bis zum Termin am 16.12.2021 einen Schaden allein an Mietzahlungen der Kläger für ihre aktuelle Wohnung von insgesamt 34.170,00 EUR auflaufen lassen. Im Gegenteil. Die Beklagte hat zu allen Schadenspositionen, trotz inhaltlichem Anerkenntnisses – aus welchen Gründen auch immer – sogar weiterhin Klageabweisung beantragt, was nur als bewusste „Verzögerungstaktik“ (= Leistungsentziehung) ausgelegt werden kann.

Die Kammer hat auch keine Bedenken an der Zulässigkeit des Antrages, die Beklagte zur Herstellung des Sonder- und Gemeinschaftseigentums durch unvertretbare Handlung (§ 888 ZPO) anzuhalten.

Die Zielrichtung ist durch die in Bezug genommen Bauleistungsbeschreibung ausreichend bestimmt. Der Bau ist unstreitig nicht fertiggestellt. Ob ein solcher Anspruch tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit. Eine Auslegung des Antrages auf Verurteilung zu einer vertretbaren Handlung (§ 887 ZPO) steht die eindeutige Erklärung der Kläger dazu im Termin entgegen.

Zudem wäre die Klage insoweit unzulässig, weil die ausstehenden Werkleistungen, zu denen die Beklagte verurteilt werden soll, genau bezeichnet werden müssten.

II. Begründetheit

1. Mietkosten 07/2020 bis 06/2021

Die Kläger haben gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von insgesamt 22.650,00 EUR für die ihnen entstandenen Mietkosten ihrer derzeitigen Wohnung #### im Zeitraum 07/2020 bis 06/2021 gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 249 ff. BGB.

Die Beklagte ist mit der vertraglich zum 30.06.2020 (Leistungszeit) vereinbarten Bezugsfertigkeit der Wohnung in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Diesen Verzugsanspruch hat die Beklagte im Prozess dem Grunde nach anerkannt (§ 307 ZPO).

Die Höhe des geltend gemachten Mietschadens von 07/2020 bis 06/2021 hatte die Kammer zuletzt nicht näher zu überprüfen. Denn sie legt den Anwaltsschriftsatz der Beklagten vom 08.12.2021 im hiesigen Prozess als materiell-rechtliches deklaratorisches Anerkenntnis dieses klageweise geltend gemachten Schadensersatzbetrages der Höhe nach aus (§ 781 BGB). Denn die Beklagte hat diese Schäden als begründet und belegt dargestellt.

Die dabei ausgeurteilten Zinsen folgen aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 BGB.

Das Mahnschreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 17.02.2021 mit Fristsetzung bis 06.03.2021 (Anlage K7) enthält berechtigte Mietschäden von 14.970,00 EUR (Mieten 07/2020 bis 02/2021 von 6 x 1.855,00 EUR und 2 x 1.920,00 EUR). Da der 06.03.2021 (Fristende) ein Samstag war, trat Verzug mit Ablauf des folgenden Montags (08.03.2021) ein, d.h. ab dem 09.03.2021.

Wegen des weiteren Mietschadens von 07/2020 bis 05/2021 von 5.760,00 EUR (6 x 1.855,00 EUR + 5 x 1.920,00 EUR = insgesamt EUR 20.730,00 EUR – bereits angemahnter 14.970,00 EUR) trat Verzug der Beklagten durch das Aufforderungsschreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 10.05.2021 mit Fristsetzung bis 14.05.2021 (Anlage B11) ab 15.05.2021 ein. Beantragt sind Zinsen ab 17.05.2021 (§ 308 ZPO).

Die Verzinsung auf die restlichen 1.920,00 EUR ist – als Rechtshängigkeitszinsen beantragt – ab dem 08.07.2021 begründet (Klagezustellung am 07.07.2021)

2. Mietkosten 07/2021 bis 12/2021

Die Kläger haben gegenüber der Beklagten weiter Anspruch auf Zahlung für die ihnen entstandenen Mietkosten ihrer derzeitigen Wohnung ### im Zeitraum 07/2021 bis 12/2021 über 6 x 1.920,00 EUR = insgesamt 11.520,00 EUR gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 249 ff. BGB.

Der Verzugsschadensersatzanspruch ab 01.07.2020 ist – wie bereits ausgeführt – dem Grunde nach im Prozess anerkannt worden. Eine Bezugsfertigkeit steht nicht vor Mai 2022 in Aussicht.

Die Kläger haben ihre Mietkosten von monatlich 1.920,00 EUR durch Vorlage ihrer Mietverträge belegt.

Dafür, dass sie ihre Mieten nach dem von Beklagtenseite anerkannten Zeitraum nicht weiter gezahlt haben und auch weiter zahlen, ist nichts erkennbar.

Die ursprünglich als Klage auf künftige Leistung erhobenen Ansprüche auf Mietkosten ab 07/2021 waren für bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erkennbar fällig gewordene Leistungen (also bis einschließlich 12/2021) vom Gericht als sofortige Zahlungsansprüche auszuurteilen, weil die Klage entsprechend sinnvoll auszulegen war.

3. Mietkosten ab 01/2022

Die Kläger haben gegenüber der Beklagten weiter Anspruch auf Zahlung ihrer (künftig anfallenden) Mietkosten von monatlich 1.920,00 EUR ab 01/2022, zahlbar im Voraus bis 3. Werktag der Monate, bis zur Herstellung der Bezugsfertigkeit gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 249 ff. BGB.

Der Verzugsschadensersatzanspruch ab 01.07.2020 ist – wie ausgeführt – dem Grunde nach im Prozess anerkannt worden.

Im Übrigen wird auf die vorstehenden Ausführungen vorstehend zu A. II. 2. Bezug genommen.

Soweit sich die Miete ab 01/2022 auf 1.980,00 EUR nettokalt erhöht (Anlage 2 zum Mietvertrag = Anlage K3), stand einer Verurteilung der Beklagte zu diesen höheren Schäden § 308 ZPO entgegen.

4. Bereitstellungszinsen von 240,42 EUR und 2.088,29 EUR

Die Kläger haben gegenüber der Beklagten weiter Anspruch auf – wie tenoriert – Freistellung von Forderungen ihrer finanzierenden Bank auf Zahlung von Bereitstellungszinsen für 2 Darlehen in Höhe von 240,42 EUR und 2.088,29 EUR gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 249 ff. BGB.

Der Verzugsschadensersatzanspruch ab 01.07.2020 ist – wie ausgeführt – dem Grunde nach im Prozess anerkannt worden.

Die Höhe der geltend gemachten Bereitstellungszinsen hatte die Kammer zuletzt nicht näher zu überprüfen.

Denn sie legt den Anwaltsschriftsatz der Beklagten vom 08.12.2021 im hiesigen Prozess als materiell-rechtliches deklaratorisches Anerkenntnis auch dieses klageweise geltend gemachten Schadensersatzanspruches aus (§ 781 BGB). Denn darin wurde ausgeführt, dass gegen die Bereitstellungszinsen keine Einwendungen erhoben werden.

Soweit sich der Freistellungsanspruch – ohne Fristsetzung nach § 250 BGB – durch den zuletzt gestellten Klageabweisungsantrag der Beklagten, in dem eine endgültige Erfüllungsverweigerung zu sehen ist, in einen unmittelbaren Zahlungsantrag umgewandelt hat (vgl. dazu Grüneberg in: Palandt, BGB, 80. Auflage, § 250 Rn. 2; m.w.N.), stand einer Ausurteilung als Zahlungsanspruch § 308 ZPO entgegen. Die unmittelbare Zahlung statt Freistellung wertet die Kammer als „mehr“ (vgl. zum umgekehrten Fall der Freistellung statt Zahlung als „minus“; Feskorn in: Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 308 Rn. 4; m.w.N.).

5. vorgerichtliche Anwaltskosten

Die Kläger haben gegenüber der Beklagten schließlich Anspruch auf – wie tenoriert – Freistellung von vorgerichtlicher Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 4.248,78 EUR gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 249 ff. BGB.

Der Verzugsschadensersatzanspruch ab 01.07.2020 ist – wie ausgeführt – dem Grunde nach im Prozess anerkannt worden.

Rechtsanwaltskosten stellen grundsätzlich erstattungsfähige Verzugsschäden dar. Der von den Prozessbevollmächtigten der Kläger in der Klageschrift angesetzte Gegenstandswert von 196.072,86 EUR (Wert der Restfertigstellung von 176.610,62 EUR und Schadensersatz von 19.462,24 EUR) war nicht zu beanstanden. Die Prozessbevollmächtigten wurden wegen Verzugsschäden in den Zeiträumen 07/2020 bis 05/2020 über 23.058,71 EUR tätig (Anwaltsschreiben mit falschem Datum „03.03.2021“, zugegangen auf Beklagtenseite am 29.04.2021, Anlage K10 = Anlage B9), d.h. der Gegenstandswert der dazu berechneten Anwaltskosten liegt noch darunter. Zudem wurden sie u.a. mit Schreiben vom 17.02.2021 (Anlage K7) und 21.09.2021 (Anlage K17) auch zur Gesamtfertigstellung der Wohnung/Wohnanlage, mit der sich die Beklagte in Verzug befand, außergerichtlich tätig. Der Einzelerwerber hat aus dem Bauträgervertrag grundsätzlich Anspruch auf Herstellung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Die offenen Gesamtbaukosten der gesamten Wohnanlage liegen, wenn die Beklagte nicht vor Mai 2022 fertig werden kann, erkennbar über 176.610,62 EUR. Den Gegenstandswert der Anwaltstätigkeit wirtschaftlich auf die ausstehenden restlichen Raten zu deckeln, wie es die Prozessbevollmächtigten der Kläger getan haben, ist jedenfalls dann, wenn wie hier keine konkreten Bauleistungen angemahnt werden, richtig. Denn diese Kosten spiegeln das Interesse der Kläger wieder. Eine 1,6 Gebühr ist richtig, weil die Kläger 2 Auftraggeber darstellen, was zu einer 0,3 Erhöhungsgebühr auf die normale 1,3 Geschäftsgebühr führt.

Soweit sich der Freistellungsanspruch durch den Klageabweisungsantrag der Beklagten in einen unmittelbaren Zahlungsantrag umgewandelt hat, wird auf die vorstehenden Ausführungen zu A. II. 4. zu den Bereitstellungszinsen verwiesen.

6. Ansprüche auf Anhaltung zur Herstellung der Wohnung durch unvertretbare Handlung im Sinne von § 888 BGB

Die Kläger haben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf gerichtliche Anhaltung durch unvertretbare Handlung im Sinne von § 888 ZPO zur Herstellung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum aus § 631 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB.

Dabei übersieht die Kammer nicht, dass der Erwerber aus dem Bauträgervertrag grundsätzlich einen individuell durchsetzbaren Anspruch auf Herstellung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum hat. Das Werkvertragsrecht ist jedoch – anders als ein Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) – auf einen konkreten Erfolg bezogen, nämlich das Werk. Daher kann – nach Ansicht der Kammer keine Verurteilung zu einzelnen Handlungen im Hinblick auf diesen Erfolg (vgl. dazu auch: OLG Frankfurt, Urteil vom 05.03.2018 – 25 U 119/14), um die es bei einem nach § 888 ZPO zu vollstreckenden Titels letztendlich ginge, erfolgen.

Einen Anspruch auf Herstellung des Werkes, der über § 887 ZPO (Ersatzvornahme) zu vollstrecken wäre, machen die Kläger – wie im Termin ausführlich erörtert – gerade nicht geltend. Sie wollen selbst nicht in Eigenregie zu Ende bauen.

Aus dem gleichen Grund scheitern auch die dazu gestellten Hilfsanträge, da sie auf das gleiche Ziel gerichtet wurden.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

C.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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