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Abstraktes Schuldanerkenntnis – Beweislast

LG Bonn – Az.: 1 O 30/20 – Urteil vom 31.07.2020

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht auf Zahlung aus einem Schuldanerkenntnis zwischen den Beklagten und dem Zeugen P in Anspruch.

Die Beklagten betreiben die C GbR. Dieses Unternehmen erwarben sie mit Kaufvertrag vom 22.02.2018 (Anlage B1 = Bl.42 – 47 d.A.) von der C GmbH (Handelsregister des Amtsgerichts L, HRB ####). Geschäftsführerin der C GmbH ist die Ehefrau des Zeugen P.

Ausweislich § 2 des Kaufvertrages vom 22.02.2018 betrug der Kaufpreis 60.000,00 EUR. Diesen Betrag zahlten die Beklagten an die Verkäuferin durch Übergabe an den Zeugen P. Abweichend von dem schriftlichen Kaufvertrag vereinbarten die Beklagten mit der Verkäuferin, dass ein Betrag in Höhe von 160.000,00 EUR als Kaufpreis bezahlt werde. Den Differenzbetrag von 100.000,00 EUR zu § 2 des schriftlichen Vertrages wollten die Beklagten aus versteuertem Geld bezahlen. Die Beklagten händigten deshalb dem Zeugen P am 02.03.2018 einen weiteren Betrag von 60.000,00 EUR in bar und am 19.03.2018 noch einmal einen Barbetrag von 40.000,00 EUR aus. Über diese Barzahlungen als „Nebenzahlungen zum Kaufvertrag“ kam es anlässlich einer Betriebsprüfung der Steuerfahndung in den Geschäftsräumen der C GmbH zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens mit einer strafrechtlichen Verurteilung durch Strafbefehl.

Darüberhinaus unterzeichneten die Beklagten und der Zeuge P am 22.02.2018 ein „Abstraktes Schuldanerkenntnis“ (Anlage K1 = Bl.21 d.A.), in dem die Beklagten als Gesamtschuldner erklärten, dem Zeugen P „aufrechnungsfrei 115.000,– EUR (…) zu schulden“ und sich zu verpflichten, diesen Betrag in sechs monatlichen Raten zu jeweils 3.500,00 EUR am 15.03., 15.04., 15.05., 15.06., 15.07. und 15.08.2018 sowie einen Restbetrag von 94.000,00 EUR am 15.09.2018 zu zahlen.

Der Kläger behauptet, der Zeuge P habe ihm die Forderungen aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis mit Vereinbarung vom 30.03.2018 (Anlage K2 = Bl.22 d.A.) abgetreten

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 115.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit 06.10.2019 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte berufen sich auf die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 821 BGB und vertreten die Rechtsansicht, dass dem abstrakten Schuldanerkenntnis kein gültiges Rechtsgeschäft zugrunde liege. Sie haben mit der Klageerwiderung (Seite 3 ebenda = Bl.37 d.A.) die Anfechtung des Schuldanerkenntnisses erklärt. Die Beklagten behaupten, dass sie bei der Unterzeichnung des Kaufvertrages und der Schuldurkunde vom 22.02.2018 im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers „völlig überrumpelt“ worden seien. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe das letztlich unterzeichnete abstrakte Schuldanerkenntnis unerwartet hervorgezogen und die Beklagten gebeten, dieses zu unterzeichnen, da man damit sicherstellen würde, dass der geschuldete „ohne Rechnung-Betrag“ auch gezahlt werden würde. Die Beklagten vertreten ferner die Rechtsansicht, der Kaufvertrag vom 22.02.2018 sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da es sich teilweise um ein Schwarzgeschäft handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie das Vorbringen der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2020 (Sitzungsprotokoll = Bl.88 – 90 d.A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat Urkundsbeweis erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2020 (dort S.2 = Bl.89 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 115.000,00 EUR nebst Zinsen aus dem Schuldanerkenntnis vom 22.02.2018, da es an einem Rechtsgrund für diese Verpflichtungserklärung fehlt.

Die Frage, ob die im Tatbestand zitierten Vertragserklärungen vom 22.02.2018 überhaupt wirksam oder infolge einer Anfechtung der Beklagten (§ 142 Abs.1 BGB) sowie gemäß den §§ 138 Abs.1, 134, 117 Abs.1 BGB nichtig sind (vgl. dazu auch Palandt/Ellenberger, BGB, 79.Aufl. 2020, § 117 Rd.4 und § 134 Rd.23 Stichwort „Steuerrecht“ m.w.N.), bedarf deshalb keiner Entscheidung. Gleiches gilt für die Frage der Existenz und Wirksamkeit einer Abtretung etwaiger Ansprüche des Zeugen P aus der Schuldurkunde an den Kläger im Sinne von § 398 BGB. Insofern gelten die Hinweise des Unterzeichners in der mündlichen Verhandlung fort:

Im Zuge der Erörterung legt der Vorsitzende dar, dass es auf die streitige Frage ob eine wirksame Abtretung erfolgt ist nicht ankäme, wenn es an einem Rechtsgrund für die Abgabe des Schuldanerkenntnisses fehlt. Denn ein fehlender Rechtsgrund führt gem. § 812 Abs. 2 BGB dazu, dass der Klageforderung einredeweise § 821 BGB entgegengesetzt werden kann.

Da ein abstraktes Schuldanerkenntnis eine neue selbständige Verpflichtung schafft, trägt es keinen rechtlichen Grund für die Verpflichtung des erklärenden Schuldners in sich (OLG Saarbrücken, Urteil vom 30.01.2008 – 1 U 595/06, 35/07 = BeckRS 2008, 5444 Rd.22 und Rd.29). Das abstrakte Schuldanerkenntnis ist deshalb nicht kondiktionsfest und kann gemäß § 812 Abs.2 BGB von dem Versprechenden zurückgefordert werden, wenn es an dem erforderlichen Rechtsgrund für die Abgabe dieser Verpflichtungserklärung fehlt (OLG Saarbrücken, aaO.; Palandt/Sprau, aaO., § 812 Rd.18). Zwar trifft die Beklagten aufgrund der von ihnen erhobenen Einrede (vgl. Palandt/Sprau, aaO., § 821 Rd.2) im Zivilprozess die Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden Rechtsgrund ihrer Erklärung vom 22.02.2018 (OLG Saarbrücken, aaO.; OLG Köln, OLG-Report 2005, 17, 18). Indes greift dieser Grundsatz erst dann, wenn der Anspruchsgegner zuvor konkrete Umstände dafür darlegt, aus denen er ableitet, das Schuldanerkenntnis behalten und die darin erklärte Verpflichtung durchsetzen zu dürfen (OLG Koblenz, Beschluss vom 13.01.2011 – 5 W 19/11 = BeckRS 2011, 23260; OLG Köln, OLG-Report 2003, 157, 158 = juris Rd.20; Müko/Schwab, BGB, 7.Aufl. 2017, § 812 Rd.441; Palandt/Sprau, aaO., § 812 Rd.78 jeweils m.w.N.).

Dieser sekundären Darlegungslast ist der Kläger nicht nachgekommen. Vielmehr steht nach dem unstreitigen Vorbringen der Prozessparteien fest, dass kein Rechtsgrund für das von den Beklagten erklärte „abstrakte Schuldanerkenntnis“ besteht. Denn der insoweit allenfalls in Betracht kommende Zweck der Absicherung einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten aus dem Kauf des Unternehmens der C GmbH in Höhe von 160.000,00 EUR ist durch die im Tatbestand dieses Urteils beschriebenen Zahlungen der Beklagten erloschen (§ 362 Abs.1 BGB).

Infolge des ihnen deshalb gegen den Zeugen P zustehenden Anspruchs auf Herausgabe der Schuldurkunde vom 22.02.2018 (§ 812 Abs.1 Satz 1 und Abs.2 BGB) können die Beklagten die Erfüllung dieses Schuldversprechens verweigern (OLG Saarbrücken, aaO., Rd.34; Palandt/Sprau, aaO., § 821 Rd.1 m.w.N.). Diese Einrede wirkt gemäß § 404 BGB bei einer wirksamen Abtretung auch gegen den Kläger.

Anhaltspunkte dafür, dass die von den Beklagten erhobene Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung des Zeugen P gemäß § 814 BGB ausgeschlossen sein könnte, sind weder ersichtlich noch von dem Kläger dargetan worden (vgl. hierzu nur OLG Saarbrücken, aaO., Rd.34; einschränkend: Martinek in juris-PK BGB, 9.Aufl. 2020, § 812 Rd.166). Die vorstehenden Erwägungen sowie die im Urteilstatbestand dargestellten Gesamtumstände des Falles sprechen zudem für das Gegenteil.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO.

Streitwert: 115.000,00 EUR.

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