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Infektionsschutzrechtliche Verordnung – Vorläufiger Rechtsschutz

OVG Lüneburg – Az.: 13 MN 182/20 – Beschluss vom 26.05.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Normenkontrolleilverfahren gegen den weiteren Vollzug der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020, soweit damit in Einkaufs-centern das Angebot von Getränken und Speisen zum Verzehr vor Ort untersagt wird.

Die Antragstellerin betreibt unter anderem in Niedersachsen mehrere Bäckereifilialen, in denen Bäckereiwaren zur Mitnahme, aber auch Kaffee und Kuchen zum Verzehr vor Ort angeboten werden. Eine ihrer Filialen befindet sich in einem Einkaufscenter in der niedersächsischen Nordheide. In den Räumlichkeiten dieser Filiale befinden sich zahlreiche Sitzgelegenheiten für Kunden.

Infektionsschutzrechtliche Verordnung - Vorläufiger Rechtsschutz
Symbolfoto: Von Kevin Massicotte /Shutterstock.com

Am 8. Mai 2020 erließ das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, die (5.; vgl. zu den vorausgegangenen Verordnungen den Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 165/20 -, juris Rn. 4 ff.) Niedersächsische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, deren Artikel 1 die Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus beinhaltet. Diese Verordnung wurde im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 9. Mai 2020, S. 97 ff., verkündet und trat am 11. Mai 2020 in Kraft. Nach Änderungen durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130) und vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134) sieht die Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus mit Wirkung vom 25. Mai 2020 unter anderem folgende Regelungen vor:

§ 6

Restaurationsbetriebe

(1) 1Restaurationsbetriebe im Sinne des Gaststättengewerbes nach § 1 Abs. 3 des Niedersächsischen Gaststättengesetzes, insbesondere Restaurants, Freiluftgastronomie, Imbisse und Cafés, allein oder in Verbindung mit anderen Einrichtungen, sowie Kantinen dürfen betrieben werden, wenn die Betreiberin oder der Betreiber der Einrichtung Maßnahmen zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen sowie Hygienemaßnahmen getroffen hat, die geeignet sind, die Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 zu vermindern; der Betrieb eines Gaststättengewerbes in Gebäuden, bei dem der Schankwirtschaftsbetrieb gegenüber dem Speisewirtschaftsbetrieb deutlich überwiegt, ist verboten. 2Ein Angebot in Buffetform ist nicht zulässig. 3Die Betreiberin oder der Betreiber der Einrichtung nach Satz 1 hat sicherzustellen, dass die Plätze für die Gäste so angeordnet sind, dass ein Abstand von mindestens 2 Metern zwischen den Tischen gewährleistet ist, und jeder Gast zu jedem anderen Gast, soweit dieser nicht zum eigenen oder zu einem weiteren Hausstand gehört, jederzeit einen Abstand von mindestens 1,5 Metern einhält. 4Die Betreiberin oder der Betreiber hat zudem sicherzustellen, dass die jeweils dienstleistende Person während der Arbeit eine Mund-Nasen-Bedeckung nach § 9 Abs. 2 trägt und für den Gast die Möglichkeit der Händereinigung besteht. 5Die Betreiberin oder der Betreiber ist verpflichtet, den Familiennamen, den Vornamen, die vollständige Anschrift und eine Telefonnummer jedes Gastes sowie den Zeitpunkt des Betretens und Verlassens der Einrichtung zu dokumentieren, damit eine etwaige Infektionskette nachvollzogen werden kann. 6Andernfalls darf der Gast nicht bedient werden. 7Gehören Gäste demselben Hausstand an, so ist die Dokumentation der Daten eines Gastes ausreichend. 8Die Dokumentation ist für die Dauer von drei Wochen nach dem Besuch aufzubewahren und dem zuständigen Gesundheitsamt auf Verlangen vorzulegen. 9Spätestens einen Monat nach dem Besuch des Gastes sind die Daten zu löschen.

(1a) 1Absatz 1 gilt nicht für Mensen. 2Mensen dürfen erst nach Zustimmung der örtlich zuständigen Gesundheitsbehörde betrieben werden, wenn auf der Grundlage eines Hygienekonzepts der Betreiberin oder des Betreibers sichergestellt ist, dass die Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 erheblich vermindert ist.

(2) Betreiberinnen und Betreiber von Restaurationsbetrieben, Mensen und Kantinen, die einen Außer-Haus-Verkauf anbieten, sowie Imbisswagen mit Stehtischen sind verpflichtet, einen Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Kundinnen und Kunden sicherzustellen.

(3) Für gastronomische Lieferdienste gilt Absatz 2 entsprechend.

§ 8

Schutzmaßnahmen

(1) 1Die Betreiberinnen und Betreiber von Verkaufsstellen, Geschäften sowie Dienstleistungseinrichtungen im Sinne des § 3 Nr. 7 sind verpflichtet, einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Kundinnen und Kunden sicherzustellen. 2Sie haben sicherzustellen, dass sich nur so viele Kundinnen und Kunden in den Verkaufsräumen befinden, dass durchschnittlich 10 Quadratmeter Verkaufsfläche je anwesende Person gewährleistet sind. 3Die Berechnung der Verkaufsfläche richtet sich nach der Baunutzungsverordnung. 4Die Betreiberinnen und Betreiber haben Vorkehrungen zu treffen, die den Zutritt zu den Verkaufsflächen steuern, Warteschlangen vermeiden und Anforderungen der Hygiene gewährleisten.

(2) 1In Einkaufscentern und Outletcentern haben deren Betreiberinnen und Betreiber Vorkehrungen zu treffen, um zur Einhaltung der Vorgaben des Absatzes 1 Satz 2 den Zutritt an den Haupteingängen zu steuern. 2Sie haben ferner Vorkehrungen zu treffen, dass es auf den Verkehrsflächen nicht zu Ansammlungen kommt, bei denen der Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht eingehalten wird. 3In Einkaufscentern dürfen keine Getränke und Speisen zum Verzehr vor Ort angeboten werden. 4Die Verpflichtungen der Betreiberinnen und Betreiber der Verkaufsstellen nach Absatz 1 bleiben unberührt.

Die Antragstellerin hat am 15. Mai 2020 bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Durchführung des Normenkontrollverfahrens (13 KN 181/20) und einen darauf bezogenen Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung (13 MN 182/20) gestellt. Sie macht geltend, die in § 8 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung enthaltene Untersagung des Angebots von Getränken und Speisen zum Verzehr vor Ort in Einkaufscentern sei rechtswidrig und verletze sie in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 Abs. 1 GG und in ihrem allgemeinen Gleichheitsgrundrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG. Der Antragsgegner habe sich angesichts des rückläufigen Infektionsgeschehens mit der Verordnung vom 8. Mai 2020 für weitgehende Lockerungen der vorausgegangenen Schließung von Restaurationsbetrieben entschieden. Sie könne in gleicher Weise wie die Restaurants, Gaststätten, Kantinen, Imbisse und Cafés die in § 6 Abs. 1 der Verordnung bestimmten Vorkehrungen treffen und Hygienemaßnahmen gewährleisten, insbesondere weise ihr Geschäft eine hinreichende Größe auf, um die Abstandsregeln zu wahren und einen hinreichenden Luftaustausch zu erreichen. Sie sei auch nicht mit einem reinen Schankbetrieb vergleichbar, da der Anteil verzehrter Speisen den der Getränke deutlich überwiege. Es bestehe kein sachlicher Grund dafür, in Einkaufscentern den Verzehr von Getränken und Speisen vor Ort vollständig zu untersagen. Es gebe keine Erkenntnisse dafür, dass sich die mit einem Aufenthalt zahlreicher Menschen in einem geschlossenen Raum verbundene Infektionsgefahr durch die Aufnahme von Speisen und Getränken signifikant erhöhe. Wenn der Antragsgegner in Einkaufscentern generell ein erhöhtes Infektionsrisiko annehme, hätte er diese noch nicht wieder öffnen dürfen. Die einstweilige Außervollzugsetzung der Regelung sei geboten. Die Untersagung, Getränke und Speisen zum Verzehr vor Ort anzubieten, führe zu einem durchschnittlichen Rückgang des bereits pandemiebedingt geringeren Umsatzes um circa 40% bzw. circa 400 EUR/Tag. Die wirtschaftlichen und finanziellen Nachteile seien deutlich spürbar.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, § 8 Abs. 2 Satz 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020, zuletzt geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 und vom 22. Mai 2020, bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die angefochtene Verordnungsregelung. Die Anordnung der Untersagung des Verzehrs von Getränken und Speisen in Einkaufscentern sei auch unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens eine notwendige Schutzmaßnahme. In Einkaufscentern komme es typischerweise zur Ansammlung zahlreicher Menschen in einem räumlich umgrenzten Bereich. Das Einkaufscenter, in dem sich die Filiale der Antragstellerin befinde, verfüge über eine Einkaufsfläche von insgesamt 11.000 m² mit 50 Geschäften, in denen Kunden mit Angeboten überhäuft würden. Die hiermit bereits verbundenen Infektionsgefahren würden durch die Zulassung des Verzehrs von Getränken und Speisen, der zudem „in einer Umgebung regen Treibens“ stattfinde, weiter erhöht. Dem könne nur durch die Untersagung des Verzehrs von Getränken und Speisen wirksam begegnet werden. Sie stelle eine Detailregelung des Abstandsgebots nach § 2 der Verordnung dar. Die Antragstellerin könne nicht sicherstellen, dass in ihrer Filiale ausschließlich Kunden, die gesund seien und keiner Risikogruppe angehörten, speisten. Sie könne auch nicht ausschließen, dass sich das Virus über kontaminierte Oberflächen verbreite. Die hierfür erforderliche permanente Überwachung sei gerade in einem Einkaufscenter nicht zu gewährleisten. Der Verzehr von Getränken und Speisen einerseits in einem Einkaufscenter und andererseits in Restaurants, Gaststätten, Kantinen, Imbissen und Cafés seien nicht vergleichbar. Die Menschenansammlung in einem Einkaufscenter sei deutlich größer. Dort ließen „sich gesellige Treffen nicht vermeiden“. Auch könne der Kundenandrang in einem Einkaufscenter nicht durch das Verzehrangebot effektiv gesteuert werden; er ergebe sich vielmehr bereits aus dem Warenangebot der vorhandenen Geschäfte. Diese „zusätzliche Attraktivität“ fehle bei singulären Restaurants, Gaststätten, Kantinen, Imbissen und Cafés. Im Übrigen habe die Antragstellerin keine wesentlichen Nachteile eines weiteren Nachvollzugs aufgezeigt. Die verordnete Beschränkung betreffe nur einen Teil ihres Geschäftsumsatzes. Die Umsatzeinbußen seien zum Zwecke eines effektiven Infektionsschutzes und zur Verhinderung von Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung hinzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Normenkontrolleilantrag bleibt ohne Erfolg. Der Antrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 – 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130) und vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134), ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 16 ff.).

Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das in § 8 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung bestimmte Verbot, in Einkaufscentern Getränke und Speisen zum Verzehr vor Ort anzubieten, lässt es möglich erscheinen, dass die Antragstellerin in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG und auch in dem durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermittelten allgemeinen Gleichheitsgrundrecht verletzt ist. Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition dürfte hingegen nicht vorliegen. Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die verordnete Beschränkung betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. – juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 – juris Rn. 79 m.w.N.).

Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).

2. Der Antrag ist aber unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 – BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 – 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 – 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 – 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

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Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 8 Abs. 2 Satz 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130) und vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134), ohne Erfolg. Der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag wird voraussichtlich unbegründet sein (1.). Zudem überwiegen die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung (2.).

1. Der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag bleibt voraussichtlich ohne Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass das in § 8 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung bestimmte Verbot, in Einkaufscentern Getränke und Speisen zum Verzehr vor Ort anzubieten, formell und materiell rechtmäßig ist.

a. Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) mit Wirkung vom 28. März 2020 geänderten Fassung. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, drängen sich dem Senat nicht auf (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 – 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020 – 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.4.2020 – 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 -, juris 17 f.).

b. Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. März 2017 (Nds. GVBl. S. 65), betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.

c. Das in § 8 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung bestimmte Verbot, in Einkaufscentern Getränke und Speisen zum Verzehr vor Ort anzubieten, dürfte auch die materiellen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG erfüllen.

Nach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden.

(1) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind erfüllt.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Es wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 Nrn. 3 ff. IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, die offizielle Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (anfangs 2019-nCoV) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Weltweit sind derzeit mehr 5.300.000 Menschen mit dem Krankheitserreger infiziert und mehr als 344.000 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben (vgl. WHO, Coronavirus disease (COVID-19) Pandemic, veröffentlicht unter: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019, Stand: 26.5.2020). Derzeit sind im Bundesgebiet mehr als 179.000 Menschen infiziert und mehr als 8.300 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben und in Niedersachsen mehr als 11.600 Menschen infiziert und mehr als 570 Menschen infolge der Erkrankung verstorben (vgl. Robert Koch Institut (RKI), COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 26.5.2020).

COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG. Die Erkrankung manifestiert sich als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber, Husten und Halsschmerzen. Bei der deutlich überwiegenden Zahl der Patienten ist der Verlauf mild. 8 bis 10% der Patienten müssen hospitalisiert werden. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führt im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (> 30/min), dabei steht eine Hypoxämie im Vordergrund. Mögliche Verlaufsformen sind die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrome – ARDS) sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens (vgl. zum Krankheitsbild im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Kluge/Janssens/Welte/Weber-Carstens/Marx/Karagiannidis, Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19, in: Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin v. 12.3.2020, veröffentlicht unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-020-00674-3.pdf, Stand: 30.3.2020). Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftreten und auch bei jüngeren Patienten beobachtet wurden, haben ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren), Raucher (bei schwacher Evidenz), stark adipöse Menschen, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck) und der Lunge (z.B. COPD) sowie Patienten mit chronischen Lebererkrankungen, mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), mit einer Krebserkrankung oder mit geschwächtem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie z.B. Cortison) ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Eine Impfung oder eine spezifische Medikation sind derzeit nicht verfügbar. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel fünf bis sechs Tage bei einer Spannweite von einem bis zu 14 Tagen. Der Anteil der Infizierten, der auch tatsächlich erkrankt (Manifestationsindex), beträgt bis zu 86%. Die Erkrankung ist sehr infektiös, und zwar nach Schätzungen von etwa zwei Tagen vor Symptombeginn bis zum achten Tag nach Symptombeginn. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich im Wege der Tröpfcheninfektion. Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch eine Übertragung durch Aerosole möglich ist. Auch eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen kann nicht ausgeschlossen werden. Es ist zwar offen, wie viele Menschen sich insgesamt in Deutschland mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren werden. Schätzungen gehen aber von bis zu 70 % der Bevölkerung aus, es ist lediglich unklar, über welchen Zeitraum dies geschehen wird. Grundlage dieser Schätzungen ist die so genannte Basisreproduktionszahl von COVID-19. Sie beträgt ohne die Ergreifung von Maßnahmen 2,4 bis 3,3. Dieser Wert kann so interpretiert werden, dass bei einer Basisreproduktionszahl von etwa 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssen, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen (vgl. zu Vorstehendem im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888, Stand: 22.5.2020; Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, veröffentlicht unter: www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 22.5.2020).

Auch wenn nach derzeitigen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verläuft, könnte eine ungebremste Erkrankungswelle aufgrund der bisher fehlenden Immunität und nicht verfügbarer Impfungen und spezifischer Therapien zu einer erheblichen Krankheitslast in Deutschland führen. Bei vielen schweren Verläufen muss mit einer im Verhältnis zu anderen schweren akuten respiratorischen Infektionen (SARI) – vermutlich sogar deutlich – längeren intensivmedizinischen Behandlung mit Beatmung/zusätzlichem Sauerstoffbedarf gerechnet werden. Selbst gut ausgestattete Gesundheitsversorgungssysteme wie das in Deutschland können hier schnell an Kapazitätsgrenzen gelangen, wenn sich die Zahl der Erkrankten durch längere Liegedauern mit Intensivtherapie aufaddiert. Dieser Gefahr für das Gesundheitssystem und daran anknüpfend der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung kann derzeit, da weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie in konkret absehbarer Zeit zur Verfügung stehen, nur dadurch begegnet werden, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leichter bewältigbar zu machen (vgl. zur aktuellen Zahl – gemeldeter – freier Krankenhausbetten mit Beatmungskapazität: DIVI Intensivregister, Tagesreport, veröffentlicht unter: www.divi.de, Stand: 26.5.2020). Neben der Entwicklung von Impfstoffen und spezifischen Therapien sowie der Stärkung des Gesundheitssystems und der Erhöhung der medizinischen Behandlungskapazitäten, die indes nicht sofort und nicht unbegrenzt möglich sind, bedarf es hierzu zuvörderst der Verhinderung der Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko, des Schaffens sozialer Distanz und ähnlich wirkender bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen sowie des gezielten Schutzes und der Unterstützung vulnerabler Gruppen (vgl. hierzu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, Epidemiologisches Bulletin Nr. 12/2020 v. 19.3.2020, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/ 2020/Ausgaben/12_20.pdf?__blob=publicationFile; Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 30.4.2020).

Die danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichten die zuständigen Behörden zum Handeln (gebundene Entscheidung, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 – BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 – juris Rn. 23).

Zugleich steht damit fest, dass die Maßnahmen nicht auf die Rechtsgrundlage des § 16 Abs. 1 IfSG gestützt werden können. Denn die Rechtsgrundlagen einerseits des § 16 Abs. 1 IfSG im Vierten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Verhütung übertragbarer Krankheiten“ und andererseits des § 28 Abs. 1 IfSG im Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander; der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 IfSG ist nur eröffnet, solange eine übertragbare Krankheit noch nicht aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 – BVerwG I C 60.67 -, BVerwGE 39, 190, 192 f. – juris Rn. 28 (zu §§ 10 Abs. 1, 34 Abs. 1 BSeuchG a.F.); Senatsurt. v. 3.2.2011 – 13 LC 198/08 -, juris Rn. 40).

(2) Der Senat vermag derzeit auch keine relevanten Fehler des vom Antragsgegner bei Erlass des in § 8 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung bestimmten Verbots, in Einkaufscentern Getränke und Speisen zum Verzehr vor Ort anzubieten, betätigten Ermessens festzustellen.

(a) Dies gilt zunächst für den durch die Regelung betroffenen Adressatenkreis. Wird ein Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde nicht dahin, dass allein Schutzmaßnahmen gegenüber der festgestellten Person in Betracht kommen. Die Vorschrift ermöglicht Regelungen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen. Bei ihnen steht fest oder besteht der Verdacht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als „Störer“ anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, a.a.O., S. 212 f. – juris Rn. 25 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.4.2020 – OVG 11 S 14/20 -, juris Rn. 8 f.).

Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht maßgeblich ist insoweit allein der Bezug der durch die konkrete Maßnahme in Anspruch genommenen Person zur Infektionsgefahr. Dabei gilt für die Gefahrenwahrscheinlichkeit kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Vielmehr ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§§ 1 Abs. 1, 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, a.a.O., S. 216 – juris Rn. 32). Nach der Risikobewertung des gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu berufenen Robert Koch-Instituts im täglichen „Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ vom 25. Mai 2020 besteht auch in Deutschland unverändert eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Die Zahl der Fälle in Deutschland steigt weiter an. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird derzeit „insgesamt als hoch“ eingeschätzt, „für Risikogruppen als sehr hoch“ (vgl. www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-05-24-de.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 26.5.2020). Aufgrund dieser Bewertung besteht für die hier zu beurteilenden Inhaber von Ladenlokalen, in denen sich eine große Anzahl untereinander nicht bekannter Kunden ansammeln (kann) und die auch deshalb eine das allgemeine Infektionsrisiko erhöhende Gefahrenlage herbeiführen, ein hinreichend konkreter Bezug zu einer Infektionsgefahr.

(b) Auch Art und Umfang der vom Antragsgegner konkret gewählten Schutzmaßnahme sind nicht ersichtlich ermessensfehlerhaft.

§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, a.a.O., S. 213 – juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 – 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35). „Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG können daher auch Untersagungen oder Beschränkungen von unternehmerischen Tätigkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sein (vgl. Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 165/20 -, juris Rn. 38 (Untersagung der Erbringung von Dienstleistungen in Tattoo-Studios); Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rn. 28 (Schließung von Fitness-Studios); VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.5.2020 – 1 S 1281/20 -, juris Rn. 17; Senatsbeschl. v. 5.5.2020 – 13 MN 124/20 -, juris Rn. 31 (jeweils zum Verbot des Präsenzbetriebs von Nachhilfeeinrichtungen); VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.5.2020 – 1 S 1244/20 -, juris Rn. 16 (Untersagung des Betriebs von Spielhallen); OVG Bremen, Beschl. v. 7.5.2020 – 1 B 129/20 -, juris Rn. 20; Senatsbeschl. v. 29.4.2020 – 13 MN 120/20 -, juris Rn. 33 (jeweils zur Beschränkung der Verkaufsfläche von Einzelhandelsgeschäften); Senatsbeschl. v. 24.4.2020 – 13 MN 104/20 -, juris Rn. 30 (Schließung von Zoos und Tierparks); Senatsbeschl. v. 16.4.2020 – 13 MN 67/20 -, juris Rn. 43 (Verbot des Verkaufs von Blumen und anderen Pflanzen auf Wochenmärkten); Senatsbeschl. v. 14.4.2020 – 13 MN 63/20 -, juris Rn. 53 (Schließung von Autowaschanlagen); Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 -, juris Rn. 11 ff. (Schließung von Einzelhandelsgeschäften)). Dem steht nicht entgegen, dass § 31 IfSG eine Regelung für die Untersagung beruflicher Tätigkeiten gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen, Ausscheidern und sonstigen Personen trifft. Denn diese Regelung ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG („insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten“) nicht abschließend. Auch die mangelnde Erwähnung der Grundrechte nach Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG steht der dargestellten Auslegung, anders als es die Antragstellerin meint, nicht entgegen. Denn das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, welches § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG zu erfüllen sucht, besteht nur, soweit im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG „ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“. Von derartigen Grundrechtseinschränkungen sind andersartige grundrechtsrelevante Regelungen zu unterscheiden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.5.1970 – 1 BvR 657/68 -, BVerfGE 28, 282, 289 – juris Rn. 26 ff. (zu Art. 5 Abs. 2 GG); Beschl. v. 12.1.1967 – 1 BvR 168/64 -, BVerfGE 21, 92, 93 – juris Rn. 4 (zu Art. 14 GG); Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 394/58 -, BVerfGE 10, 89, 99 – juris Rn. 41 (zu Art. 2 Abs. 1 GG). Hierzu zählen auch die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 GG.

Der danach weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall „notwendig“ sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind. Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).“

Das beschriebene Infektionsgeschehen (siehe oben II.1.c.(1)) hat sich auch aufgrund der von den Infektionsschutzbehörden ergriffenen Maßnahmen in letzter Zeit verlangsamt. Die Zahl der Neuinfektionen, aber auch die Zahl der tatsächlich (noch) Infizierten ist deutlich zurückgegangen. Auch wenn die Gefahr der Verbreitung der Infektion und die daran anknüpfende Gefahr der mangelnden hinreichenden Behandelbarkeit schwer verlaufender Erkrankungen wegen fehlender spezifischer Behandlungsmöglichkeiten und nicht unbegrenzt verfügbarer Krankenhausbehandlungsplätze fortbesteht, hat sich diese Gefahr deutlich vermindert. Diese Gefahreneinschätzung liegt offenbar auch dem Plan der Niedersächsischen Landesregierung „Nach dem Lockdown – Neuer Alltag in Niedersachsen, Stufenplan“ vom 4. Mai 2020, zuletzt aktualisiert am 22. Mai 2020 (veröffentlicht unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/neuer-alltag-mit-dem-coronavirus-188010.html, Stand: 22.5.2020), und der darauf basierenden Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020, zuletzt geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 und vom 22. Mai 2020, zugrunde. Danach wird zwar an dem Ansammlungsverbot und dem Abstandsgebot, die auch nach der Rechtsprechung des Senats wichtige Grundbausteine bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen sind, prinzipiell festgehalten. Die zur Umsetzung dieser Maßnahmen konkret erlassenen weitreichenden und teilweise vollständigen Verbote beruflicher, sozialer und privater Aktivitäten wurden aber einer Revision unterzogen und nach einer Bewertung unter infektiologischen, volkswirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Aspekten aufgehoben oder „gelockert“. Das angesichts lokaler Ausbrüche aber unverändert verfolgte legitime Ziel der Pandemiebekämpfung soll insoweit nicht mehr mit den bisher geltenden Verboten erreicht werden, sondern mit Beschränkungen und Auflagen.

Dem folgend wurde auch das für Restaurationsbetriebe durch

– die (1.) Niedersächsische Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie vom 27. März 2020 (Nds. GVBl. S. 48, dort § 5),

– die (2.) Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 2. April 2020 (Nds. GVBl. S. 55, dort § 6),

– die (3.) Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 (Nds. GVBl. S. 63, dort § 6), geändert durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 9. April 2020 (Nds. GVBl. S. 70), und

– die (4.) Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74, dort § 6), geändert durch Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84) und vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 90),

verordnete grundsätzliche Betriebsverbot durch

– die (5.) Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97, dort § 6), zuletzt geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130) und vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134),

weitgehend aufgehoben und insoweit durch bloße Beschränkungen des Betriebs von Restaurationsbetrieben ersetzt. Danach dürfen Restaurationsbetriebe betrieben werden, wenn der Betreiber der Einrichtung Maßnahmen zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen sowie Hygienemaßnahmen getroffen hat, die geeignet sind, die Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 zu vermindern (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 der (5.) Verordnung). Ein Angebot in Buffetform ist nicht zulässig (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der (5.) Verordnung). Der Betreiber der Einrichtung hat sicherzustellen, dass die Plätze für die Gäste so angeordnet sind, dass ein Abstand von mindestens 2 Metern zwischen den Tischen gewährleistet ist und jeder Gast zu jedem anderen Gast, soweit dieser nicht zum eigenen oder einem weiteren Hausstand gehört, jederzeit einen Abstand von mindestens 1,5 Metern einhält (§ 6 Abs. 1 Satz 3 der (5.) Verordnung). Der Betreiber hat zudem sicherzustellen, dass die jeweils dienstleistende Person während der Arbeit eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt und für den Gast die Möglichkeit der Händereinigung besteht (§ 6 Abs. 1 Satz 4 der (5.) Verordnung). Der Betreiber hat zudem die anwesenden Gäste zu dokumentieren und dies aufzubewahren, damit etwaige Infektionsketten nachvollzogen werden können (§ 6 Abs. 1 Satz 5 ff. der (5.) Verordnung).

Eine weitere Beschränkung ordnet nach der Auffassung des Senats die hier streitgegenständliche Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 der (5.) Verordnung an, wonach es in „Einkaufscentern“ verboten ist, Getränke und Speisen zum Verzehr vor Ort anzubieten. Diese Beschränkung stellt auch unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens voraussichtlich eine Schutzmaßnahme dar, die zur Erreichung der beschriebenen infektionsschutzrechtlich legitimen Ziele derzeit noch objektiv notwendig ist. In einem „Einkaufscenter“ im Sinne des § 8 Abs. 2 der Verordnung, also in einem Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO, können Infektionsrisiken kumulieren, die sich aus dem Betrieb einerseits von Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistungsbetrieben (§§ 2, 3 Nr. 7, 7 und 8 f. der Verordnung) und andererseits von Restaurationsbetrieben (§ 6 der Verordnung) ergeben. Dabei ist schon der Betrieb eines „Einkaufscenters“ wegen der dortigen Zusammenfassung zahlreicher und vielfältiger Einzelhandelsgeschäfte und Dienstleistungsbetriebe und der damit verbundenen hohen Attraktivität („Magnetwirkung“) und dem sich hieraus ergebenden hohen Ansammlungspotenzial zahlreicher Personen ein relevanter infektionsschutzrechtlicher Faktor (vgl. Senatsbeschl. v. 29.4.2020 – 13 MN 117/20 -, juris Rn. 54), den der Verordnungsgeber durch geeignete und erforderliche Maßnahmen zu beeinflussen versuchen darf (vgl. Senatsbeschl. v. 29.4.2020 – 13 MN 122/20 -, juris Rn. 36 ff. (zu Verkaufsflächenbeschränkungen)). Als eine solche Maßnahme erachtet der Senat auch das Verbot, Getränke und Speisen zum Verzehr vor Ort anzubieten. Dieses Verbot ist geeignet, die hohe Attraktivität eines Einkaufscenters, die Zahl anwesender Personen und auch die Verweildauer dieser Personen in einem Einkaufscenter zu reduzieren. Dies kann ersichtlich auch nicht durch die von der Antragstellerin avisierten allgemeinen Beschränkungen und Hygieneregeln für Restaurationsbetriebe erreicht werden. Auch andere, in ihrer Eingriffsintensität mildere, zur Zielerreichung aber gleich geeignete Maßnahmen drängen sich dem Senat derzeit nicht auf. Die Beschränkung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung führt auch nicht zu einer unangemessenen Belastung der Antragstellerin. Der mit der Beschränkung verbundene Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 19 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG führt fraglos zu vorübergehenden Umsatzeinbußen. Er betrifft aber nur einen Teilbereich der unternehmerischen Tätigkeit, der jedenfalls teilweise durch andere, nicht auf einen Verzehr vor Ort gerichtete Verkaufsformen kompensiert werden kann. Die Beschränkung tritt gemäß § 13 Satz 1 der Verordnung mit Ablauf des 10. Juni 2020 außer Kraft. Auch hat die Antragstellerin nur angegeben, welche Umsatzeinbußen sie erleidet, nicht aber, welche (Personal)Kosten sie im Gegenzug der Beschränkung einspart, und ob und ggf. in welchem Umfang sie von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen profitieren kann. Dem so gewichteten Eingriff stehen schließlich überwiegende öffentliche Interessen gegenüber. Denn die den Eingriff bewirkende Maßnahme ist zur Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 – juris Rn. 119 m.w.N.), auch derzeit noch notwendig.

d. Die von der Antragstellerin darüber hinaus geltend gemachte Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vermag der Senat nicht festzustellen.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 – juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 – juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 – juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 – juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 – juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 – OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 – 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 – 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62).

Hier ist in der unterschiedlichen Behandlung von Restaurationsbetrieben, die sich in einem Einkaufscenter befinden und die deshalb der Beschränkung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung unterliegen, gegenüber Restaurationsbetrieben, die sich nicht in einem Einkaufscenter befinden, kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu sehen. Es handelt sich schon wegen der verschiedenen infektionsschutzrechtlichen Gefahrenlagen (siehe hierzu oben II.1.c.(2)(b)) um unterschiedlich zu würdigende Sachverhalte. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin monierte Ungleichbehandlung der Restaurationsbetriebe in einem Einkaufscenter gegenüber den dort befindlichen Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistungsbetrieben. Dem Verordnungsgeber ist es schon mit Blick auf das sich deutlich unterscheidende Tätigkeitsspektrum der genannten Fallgruppen nicht verwehrt, die verfolgten legitimen infektionsschutzrechtlichen Ziele mit verschiedenen, auf die konkreten Tätigkeiten bezogenen Beschränkungen zu verfolgen.

Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht feststellen, weil andere Länder von den niedersächsischen Anordnungen abweichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1, 73 – juris Rn. 151 m.w.N.). Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.5.2008 – 1 BvR 645/08 -, juris Rn. 22 m.w.N.). Insbesondere ist es zulässig, dass verschiedene Bundesländer unterschiedliche Öffnungskonzepte verfolgen, solange die Setzung ihrer Prioritäten nicht willkürlich erscheint. Das ist hier noch nicht der Fall.

2. Schließlich überwiegen auch die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung.

Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).

Das auch danach allenfalls geringe Gewicht des Interesses der Antragstellerin an einer einstweiligen Außervollzugsetzung der Verordnung für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens wird durch andere individuelle Umstände nicht relevant erhöht. Sie hat wesentliche oder schwerwiegende Nachteile, etwa eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz, durch den weiteren Normvollzug nicht konkret und nachprüfbar aufgezeigt.

Demgegenüber wiegt das öffentliche Interesse an einem ununterbrochenen weiteren Vollzug der Verordnung für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens schwer. Denn ohne diesen würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen auch nach derzeitigen Erkenntnissen erheblich erhöhen (vgl. zu dieser Gewichtung: BVerfG, Beschl. v 7.4.2020 – 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 28.4.2020 – 1 BvR 899/20 -, juris Rn. 12 f.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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