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Abgrenzung bestätigendes von konstitutiven Schuldanerkenntnis

Anerkenntnis als Schuldanerkenntnis: OLG Brandenburg stärkt Gläubigerschutz

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in seinem Urteil vom 19.04.2023 entschieden, dass der Beklagte, ehemaliger Vorstand einer GmbH, der Klägerin einen Betrag von 45.237,37 € zuzüglich Zinsen zu zahlen hat. Dies folgt aus einem Schuldanerkenntnis, das im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung getroffen wurde. Die Klage der Klägerin basiert auf der erfolglosen Zwangsvollstreckung gegen die GmbH und der persönlichen Haftung des Beklagten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 106/19  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Abänderung des Urteils: Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 23.05.2019 abgeändert und den Beklagten zur Zahlung verurteilt.
  2. Schuldanerkenntnis des Beklagten: Der Beklagte erkennt die Forderung der Klägerin unwiderruflich an und unterwirft sich der sofortigen Zwangsvollstreckung.
  3. Hauptforderung und Zinsen: Der Beklagte wird zur Zahlung von 67.237,37 € Hauptforderung nebst Zinsen verurteilt.
  4. Vergleichsvereinbarung: Eine außergerichtliche Vergleichsvereinbarung sieht eine Reduzierung der Forderung auf 66.000 € vor, zahlbar in Raten.
  5. Zahlungsrückstand: Bei Zahlungsrückstand wird die gesamte Forderung sofort fällig.
  6. Klageänderung: Die Klägerin ist berechtigt, die Klageforderung auf einen anderen Anspruchsgrund zu stützen.
  7. Keine Revision zugelassen: Eine Revision gegen das Urteil ist nicht zugelassen.
  8. Feststellung der Erledigung: Nach Zahlung von 22.000 € wird ein Teil des Rechtsstreits für erledigt erklärt.

Die Rechtsnatur des Schuldanerkenntnisses

Das Schuldanerkenntnis stellt einen grundlegenden Aspekt im Zivilrecht dar, der in verschiedenen juristischen Konstellationen eine bedeutende Rolle spielt. Es unterteilt sich in zwei wesentliche Kategorien: das bestätigende Schuldanerkenntnis und das konstitutive Schuldanerkenntnis. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die rechtlichen Folgen und die Wirksamkeit der Anerkennung einer Schuld. Während ein bestätigendes Schuldanerkenntnis lediglich eine bereits bestehende Verbindlichkeit bestätigt, bringt ein konstitutives Schuldanerkenntnis eine neue Verpflichtung hervor und löst diese von ihrem ursprünglichen Rechtsgrund.

In der Praxis entstehen häufig Fragen zur korrekten Einordnung und zu den Konsequenzen dieser beiden Formen des Schuldanerkenntnisses, insbesondere im Hinblick auf die Haftung und die Zwangsvollstreckung. Dieses Thema gewinnt an Komplexität, wenn unterschiedliche Rechtsordnungen, wie deutsches und polnisches Recht, involviert sind. Die Klärung dieser Fragestellungen ist nicht nur für Juristen, sondern auch für Beteiligte in zivilrechtlichen Streitigkeiten von großer Bedeutung.

Lesen Sie weiter, um detaillierte Einblicke in ein aktuelles Urteil zu erhalten, das diese Thematik exemplarisch beleuchtet und verdeutlicht, wie Gerichte mit der Abgrenzung des Schuldanerkenntnisses umgehen. Es wird aufgezeigt, wie solche Entscheidungen die rechtliche Landschaft prägen und welche Implikationen sie für die beteiligten Parteien haben.

Der Beginn einer rechtlichen Auseinandersetzung

Im Kern des Falles steht ein Projektvertrag aus dem Jahr 2013 zwischen der Klägerin, einem Unternehmen für die Vermittlung von Reisen zu Sport- und Kulturveranstaltungen, und einer Gesellschaft, deren Alleingesellschafter und Vorstand der Beklagte war. Die Klägerin beauftragte die Gesellschaft mit der Entwicklung einer Buchungssoftware für Reisen. Probleme entstanden, als die Gesellschaft zur Zahlung von 52.132,50 € nebst weiteren Kosten durch ein Urteil des Landgerichts Hannover verurteilt wurde, nachdem die Klägerin den Projektvertrag gekündigt hatte. Eine Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft blieb erfolglos, und über ihr Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Schuldanerkenntnis und Haftung des Beklagten

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass der Beklagte als Vorstand der Gesellschaft persönlich für die Verbindlichkeiten haften müsse. Sie berief sich dabei auf Art. 299 § 1 des polnischen Gesetzbuchs über die Handelsgesellschaften (HGG). Der Beklagte hingegen argumentierte, dass auf den Fall deutsches Recht anzuwenden sei und bestritt die Haftung. Er behauptete, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vorlag und dass eine eventuelle verspätete Insolvenzantragstellung keinen Einfluss auf die Forderung der Klägerin gehabt hätte.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg

Das Oberlandesgericht Brandenburg änderte das Urteil des Landgerichts Cottbus ab und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 45.237,37 € nebst Zinsen an die Klägerin. Das Gericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf eine außergerichtliche Vergleichsvereinbarung, in der der Beklagte die Forderung anerkannte. Dieses Anerkenntnis wurde als selbständiges Schuldanerkenntnis gewertet, unabhängig von der rechtlichen Grundlage aus dem polnischen oder deutschen Recht.

Die rechtlichen Nuancen des Falles

Das Urteil verdeutlicht die Komplexität von Fällen, in denen unterschiedliche Rechtssysteme und die Art des Schuldanerkenntnisses eine Rolle spielen. Im vorliegenden Fall führte das Anerkenntnis des Beklagten zu einer entscheidenden Wende, indem es die rechtliche Grundlage für die Forderung der Klägerin schuf, unabhängig von der ursprünglichen Haftungsgrundlage. Das Gericht legte dar, dass die Erklärung des Beklagten im Kontext des gesamten Verfahrens und der Interessen beider Parteien zu sehen ist.

Das nachfolgende konkrete Urteil liefert weitere Details zu diesem faszinierenden Fall, der die Schnittstellen des Zivilrechts, des internationalen Rechts und der Vertragsgestaltung aufzeigt.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist der Unterschied zwischen einem bestätigenden und einem konstitutiven Schuldanerkenntnis?

Ein Schuldanerkenntnis ist eine Erklärung, in der eine Person (der Schuldner) anerkennt, dass sie eine bestimmte Schuld gegenüber einer anderen Person (dem Gläubiger) hat. Es gibt zwei Haupttypen von Schuldanerkenntnissen: das bestätigende (deklaratorische) und das konstitutive (abstrakte) Schuldanerkenntnis.

Ein bestätigendes oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist ein Vertrag, der einen bestehenden oder zumindest für möglich gehaltenen Anspruch bestätigt. Es dient dazu, ein Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Bestimmungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen, indem es die Berufung auf das Fehlen anspruchsbegründender Tatsachen und das Bestehen von Einwendungen oder Einreden ausschließt. Dieser Vertrag wirkt insoweit regelnd auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ein, als er die Verwirklichung einer Forderung von möglicherweise bestehenden Einwendungen (oder Einreden) befreit oder sogar ein möglicherweise noch nicht bestehendes Schuldverhältnis begründet, indem nämlich ein nur „möglicherweise“ bestehendes Schuldverhältnis „bestätigt“ wird.

Ein konstitutives oder abstraktes Schuldanerkenntnis hingegen schafft eine neue Verbindlichkeit, die nicht an das ursprüngliche Rechtsgeschäft gekoppelt ist. Somit kann der Gläubiger nur aus dem Schuldversprechen selbst den Ausgleich der Forderung verlangen. Darüber hinaus kommt es zu einer Beweislastumkehr. Bei einem Kaufvertrag muss der Käufer daher beispielsweise beweisen, dass eine Kaufpreisforderung nicht besteht.

Die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses ist nur gerechtfertigt, wenn die Beteiligten dafür unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass hatten, weil zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtliche Punkte herrschte.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 7 U 106/19 – Urteil vom 19.04.2023

1. Auf die Anschlussberufung der Klägerin und unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten wird das am 23.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 45.237,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 62.040,60 € ab dem 22.12.2017 bis zum 16.01.2023 und aus 40.040,60 € seit dem 17.01.2023 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 22.000 € erledigt ist.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem jeweiligen Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin, die Reisen zu Sport- und Kulturveranstaltungen vermittelt, schloss mit der 1) am 14.10.2013 einen Projektvertrag (Anlage K 15, Bl. 116) über die Nutzung und Entwicklung der von der Gesellschaft angebotenen Software „01“ für die Buchung von Reisen. Die 1) ist eine mit notarieller Urkunde des Notars W… K… vom 10.06.2005 nach polnischem Recht gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die am 04.08.2005 in das Unternehmensregister des Landesgerichtsregisters in Breslau eingetragen worden ist und deren Alleingesellschafter und einziger Vorstand der Beklagte war. Die Klägerin hat nach Kündigung eines Projektvertrages mit der 1) in einem Verfahren vor dem Landgericht Hannover – 9 O 156/15 – einen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Anzahlungen und Zahlung einer Vertragsstrafe geltend gemacht. Die Gesellschaft wurde vom Landgericht Hannover durch Urteil vom 19.07.2016 (Anlage K1, Bl. 13 ff.) zur Zahlung von 52.132,50 €, zur Erstattung außergerichtlicher Kosten von 633,31 € und zur Freistellung von außergerichtlichen Kosten in Höhe von 2.563,99 €, jeweils nebst Zinsen, verurteilt. Die der Klägerin zu erstattenden Prozesskosten wurden mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.02.2017 gegen die 1) in Höhe von 5.138 € und weiteren 1.392,80 €, jeweils nebst Zinsen, festgesetzt. Die Zwangsvollstreckung gegen die 1) verlief erfolglos. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde durch Beschluss des AG Cottbus vom 02.10.2017 (Anlage K6, Bl. 32) das Insolvenzverfahren eröffnet.

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Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, der Beklagte hafte gemäß Art. 299 § 1 des polnischen Gesetzbuchs über die Handelsgesellschaften (im Folgenden: HGG) als Vorstandsmitglied einer Gesellschaft für deren Verbindlichkeit, sofern sich die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft als erfolglos erweise. Sie hat behauptet, die 1) habe sich schon bei Vertragsabschluss in einer schweren finanziellen Krise befunden. Dem Beklagten als Vorstand der 1) sei bereits bei Vertragsabschluss mit ihr bekannt gewesen, dass die Gesellschaft die Software „01“ nicht betreiben dürfe. Hierzu ist unstreitig, dass die 1) mit der 2) Auseinandersetzungen über die Urheberrechte an Softwareprogrammen führte und ihr durch Beschluss des LG Potsdam vom 21.05.2013 im einstweiligen Verfügungsverfahren – 2 O 192/13 – (Anlage K16, Bl. 126) untersagt wurde, das Softwaresystem „02“ in der Form des Programms „01“ zu verändern, zu vertreiben oder zu vervielfältigen. Die Klägerin hat weiter behauptet, der Beklagte habe als Vorstand der 1) ab April 2016 der Gesellschaft systematisch die Geschäftsgrundlage entzogen, indem er Personal, Kundendaten und Zahlungen an die 3) weitergeleitet habe.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 67.237,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, auf den vorgetragenen Sachverhalt müsse deutsches Recht Anwendung finden. Er hat behauptet, die Liquiditätslage der Gesellschaft sei seit Mitte 2015 angespannt gewesen. Die finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft seien nicht mehr zu bewältigen gewesen, als durch Urteil vom 13.06.2016 der 1) die Nutzung und Verbreitung der Software „01“ untersagt worden sei. Gehe man davon aus, dass die Gesellschaft in der zweiten Jahreshälfte 2015 den Insolvenzantrag hätte stellen müssen, stehe dem geltend gemachten Anspruch aber entgegen, dass die rechtzeitige Insolvenzantragstellung keinen Einfluss auf die Höhe des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin gegenüber der 1) gehabt hätte. Die Klägerin habe ihre Anzahlungen auf die vertraglich vereinbarte Leistung erbracht, bevor Insolvenzreife eingetreten sei.

Das Landgericht hat den Beklagten entsprechend dem Klageantrag zur Zahlung von 67.237,37 € nebst Zinsen ab dem 22.12.2017 verurteilt. Gegen das am 02.07.2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24.07.2019 Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.09.2019 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Zur Begründung seines Rechtsmittels macht der Beklagte geltend: Das Landgericht habe sich nicht mit seinem Einwand auseinander gesetzt, dass die Regelung des Art. 299 § 1 HGG keine Anwendung finde, weil der Anspruch gegen den Geschäftsführer auf eine verspätete Insolvenzantragstellung gestützt werde und dem Insolvenzrecht zuzuordnen sei mit der Folge, dass deutsches Recht Anwendung finde. Aber auch wenn man von der Anwendbarkeit der Vorschrift des Art. 299 § 1 HGG ausgehe, sei der Anspruch nicht begründet, weil er erstinstanzlich dargelegt habe, dass der Klägerin durch eine etwa verspätete Insolvenzantragstellung kein Schaden entstanden sei. Insoweit verweist er auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Aus dem Umstand, dass der 1) mit einstweiliger Verfügung vom 21.05.2013 unstreitig untersagt worden ist, das Programm „01“ zu verändern oder zu vertreiben, ergebe sich nicht, dass die Gesellschaft bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der Klägerin zahlungsunfähig gewesen sei.

Die Klägerin hat den Rechtsstreit in Höhe von 22.000 € im Termin am 29.03.2023 für erledigt erklärt.

Der Beklagte beantragt, das am 23.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, soweit sie nicht den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat, die Berufung zurückzuweisen,

Sie verteidigt die Entscheidung unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und ihre Rechtsausführungen. Das Landgericht habe weder das polnische Recht fehlerhaft angewandt, noch habe es dem Beklagten unzureichend rechtliches Gehör gewährt. Dennoch fehle es an jeglichem Vortrag dazu, wie sich die Vollstreckungsaussichten bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung dargestellt hätten.

Der Senat hat die Berufung der Beklagten durch ein am 25.11.2020 verkündetes Urteil bis auf einen Teil der ausgeurteilten Zinsen zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Senats durch Urteil vom 25.01.2022 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden wurde und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Nach der Zurückverweisung haben die Parteien außergerichtlich am 31.12.2022 eine Vergleichsvereinbarung geschlossen, nach deren § 1 der Beklagte Folgendes erklärt hat:

„1. Herr K.E. G… erkennt hiermit die Forderung aus dem Rechtsstreit Az. 7 U 106/19 vor dem OLG Brandenburg gegen sich persönlich in voller Höhe unwiderruflich an und unterwirft sich mittels einer gesondert von ihm anzufertigenden notariellen Urkunde wegen des unter § 1 nachstehend aufgeführten Betrages der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.

(…)

Die vor dem OLG Brandenburg geltend gemachte Forderung beträgt: 67.237,37 € (Hauptforderung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2017 sowie Verfahrenskosten in Höhe von 21.573,80 € (3.431,10 € Rechtsanwaltskosten der 1. Instanz plus 2.358,00 € Gerichtskosten der 1. Instanz, plus 385 € Übersetzungskosten plus 4.127,60 € Rechtsanwaltskosten der 2. Instanz plus 5.237,40 € Rechtsanwaltskosten der 3. Instanz plus 4.127,60 € Rechtsanwaltskosten der erneuten 2. Instanz, plus 1.907,10 € Vergleichgebühr.“

Sodann haben die Parteien in § 2 eine Reduzierung der Forderung auf einen Gesamtbetrag von 66.000 € vereinbart, die nach § 3 Abs. 1 der Vereinbarung in drei Raten von 22.000 € am 09.01.2023, am 03.03.2023 und am 30.06.2023 zu zahlen ist. § 3 Abs. 3 sieht vor, dass bei einem Zahlungsverzug mit nur einer Rate um mehr als 10 Tage die gesamte Forderung (Restbetrag) aus § 1 aus dem Rechtsstreit vor dem OLG Brandenburg zu Az. 7 U 106/19 sofort zur Zahlung fällig ist.

Der Beklagte hat die erste Rate in Höhe von 22.000 € gezahlt. Die zweite Rate war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gezahlt worden. Die Klägerin ist der Ansicht, die geltend gemachte Forderung stehe ihr aufgrund des außergerichtlichen Anerkenntnisses jedenfalls zu, die Frage der Anwendung polnischen oder deutschen Rechts könne dahinstehen.

Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet, soweit der Senat durch Urteil vom 25.11.2020 nicht bereits über die Berufung entschieden hat. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus der zwischen den Parteien am 31.12.2022 geschlossenen Vereinbarung, auf die die Klägerin ihre Klage entsprechend ihrem Schriftsatz vom 13.01.2023 (Bl. 463) nunmehr stützt.

1.

Die Klägerin ist berechtigt, die Klageforderung im Wege einer Klageänderung auf einen anderen Anspruchsgrund zu stützen. Zwar ist die Änderung des Antrages oder der Klage nur im Wege der Anschlussberufung zulässig, da die Klägerin selbst nicht Berufung eingelegt hat. Der Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 13.01.2023, dass das Anerkenntnis maßgeblich sein soll und die hinsichtlich der ursprünglichen Klagebegründung entscheidenden Rechtsfragen dahingestellt bleiben sollten, ist im Sinne einer Anschlussberufung auszulegen, die fristgerecht eingelegt worden ist. Die Frist zur Berufungserwiderung war bei Einreichung der Anschlussberufung zwar bereits abgelaufen (Bl. 301, 303). Sie endete am 10.12.2019. Die Erhebung der Anschlussberufung war aber dennoch nicht gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO verfristet, da die Fristsetzung entgegen § 524 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht unter Hinweis auf die Wirkung des Fristablaufs gesetzt worden ist, § 521 Abs. 2 Satz 2, 277 Abs. 2 ZPO (BGH, Urteil vom 07.05.2015 – VII ZR 145/12, MDR 2015, 909, juris Rz. 41).

2.

Nachdem der Beklagte die geltend gemachte Forderung in der Vereinbarung vom 31.12.2022 (Anl K24, Bl. 465) anerkannt hat, ist vom Senat nicht mehr darüber zu befinden, ob sich die persönliche Haftung des Beklagten hier aus polnischem Recht nach Art. 299 Abs. 1 HGG oder aus deutschem Recht gemäß § 823 Abs. 2, § 263 StGB oder § 826 BGB ergibt. Der Beklagte hat erklärt, dass er den in dem hier geführten Verfahren geltend gemachten Zahlungsanspruch, der sich aus dem im Tatbestand dargestellten Sachverhalt ergibt, in voller Höhe anerkennt.

Die vom Beklagten in § 1 des Vergleichs abgegebene Erklärung stellt ein selbständiges Schuldanerkenntnis dar, mit der er unabhängig vom Schuldgrund die Verpflichtung zur Zahlung gegenüber der Klägerin eingegangen ist. Die Erklärung eines Schuldners, die gegen ihn gerichtete Forderung anzuerkennen, stellt zwar regelmäßig nur ein bestätigendes Anerkenntnis dar, mit dem alle Einwendungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur für die Zukunft ausgeschlossen werden, die der Schuldner bei Abgabe der Erklärung kannte oder kennen musste (BGH, Urteil vom 29.09.2020 – II ZR 112/29, NJW-RR 2021, 294; Urteil vom 23.03.1983 – VIII ZR 335/81, NJW 1983, 1903 Rn. 18). Von einem konstitutiven Anerkenntnis kann nur ausgegangen werden, wenn die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, also von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll (BGH, Urteil vom 14.10.1998 – XII ZR 66/97, NJW 1999, 574, juris Rn. 15, Urteil vom 14.01.2008 – II ZR 245/06, NJW 2008, 1589 Rn. 15). Ob dies der Fall ist, ist eine Frage der Auslegung der Erklärungen der an der einseitig verpflichtenden Vereinbarung beteiligten Parteien. Zu berücksichtigen ist der Wortlaut der Erklärungen, darüber hinaus aber auch die Umstände des Falles, wie vorausgegangene Verhandlungen, Anlass und Zweck der Erklärungen und die Interessenlage der Parteien (BGH, Urteil vom 18.05.1995 – VII ZR 11/94, NJW-RR 1995, 1391, juris Rn. 10). Ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Verpflichtung stellt es dar, wenn der Schuldgrund in der Urkunde nicht oder nur in allgemeiner Form erwähnt wird (BGH, Urteile vom 14.10.1998 und vom 14.01.1998, aaO).

Der Beklagte hat hier unter Bezugnahme auf das gerichtliche Verfahren die geltend gemachte Forderung in voller Höhe nebst Zinsen – letztere in einem die noch rechtshängige Forderung übersteigenden Umfang – anerkannt. Die Bezugnahme auf das gerichtliche Verfahren unter Erwähnung des Aktenzeichens, nicht aber etwaiger Anspruchsgrundlagen sowie der Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung sprechen dafür, dass unabhängig von der rechtlichen Grundlage aus dem polnischen oder dem deutschen Recht die Verpflichtung zur Zahlung vom Beklagten erklärt wurde. Der Beklagte hatte sich vor Abschluss der Vereinbarung bereits in zwei Instanzen gegen die Klage verteidigt. Erkennt er dann die Forderung unter Hinweis auf das Verfahren an, durfte die Klägerin dies so verstehen, dass die Zahlung unabhängig von der Rechtsanwendung, den Anspruchsvoraussetzungen und möglichen Einwendungen übernommen werden soll. Die Vereinbarung ist hier geschlossen worden, nachdem der Senat auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.01.2022 in einem Beschluss vom 17.10.2022 (Bl. 403 ff.) die Einholung eines Rechtsgutachtens zum polnischen Recht angeordnet und die für die Entscheidung maßgeblichen Fragen ergänzend dargestellt hat. Für den Beklagten war aufgrund der Beschlussfassung erkennbar, dass die Frage der Anwendung polnischen und deutschen Rechts ohne die Gutachtenerstellung nicht abschließend entschieden werden kann. Erklärt er unabhängig davon, die Klageforderung anzuerkennen, darf die Klägerin davon ausgehen, dass diese Erklärung dem gemeinsamen Interesse an der Vermeidung weiterer Kosten und weiteren Zeitaufwandes dient. Für einen selbständigen Schuldgrund spricht weiter, dass der Beklagte die Zahlungsverpflichtung über den Betrag hinaus übernommen hat, der der Klägerin im Senatsurteil vom 25.11.2020 zuerkannt wurde. Das Anerkenntnis bezieht sich auf die Hauptforderung von 67.237,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2017 und erfasst auch den Teil des Zinsanspruchs, auf den sich die Klageabweisung des Senats in seinem Urteil vom 25.11.2020 bezog. In gleicher Weise unterstreicht die Verpflichtung des Beklagten, eine notarielle Urkunde aufnehmen zu lassen, in der er sich wegen der Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft, die Selbständigkeit der Verpflichtung. Denn dadurch soll der Klägerin eine Möglichkeit eröffnet werden, ungeachtet der Senatsentscheidung vom 25.11.2020 den anerkannten Betrag auch hinsichtlich der Zinsen in voller Höhe zwangsweise zu vollstrecken.

Die Vergleichsvereinbarung vom 31.12.2022 ist auch nicht beendet oder aufgehoben, nachdem der Beklagte die Ratenzahlungsvereinbarung nicht eingehalten hat. Für diesen Fall haben die Parteien vielmehr in § 3 Abs. 3 vereinbart, dass die Forderung von 67.237,37 € nebst Zinsen sofort fällig wird.

3.

Hinsichtlich der Zinsen hat der Senat nur in der bereits zuerkannten Höhe zu entscheiden, weil die Klägerin im Termin am 29.03.2023 den Zahlungsantrag nicht erweitert, sondern den ursprünglichen, auf Berufungszurückweisung gerichteten Antrag gestellt hat.

4.

Soweit der Beklagte einen Betrag von 22.000 € gezahlt hat, ist die Feststellung der Erledigung auszusprechen, nachdem die Klägerin dies beantragt hat. Die Klage war mit der Änderung des Schuldgrundes zulässig und begründet und ist infolge der Zahlung am 16.01.2023 unbegründet geworden.

5.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Beklagte hat auch die Kosten des erledigt erklärten Teils zu tragen, weil er die Forderung anerkannt hat. Er hat zudem auch seine Verpflichtung, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, anerkannt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 62.040,60 € festgesetzt, § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG. Die Streitgegenstände des anerkannten und des ursprünglich geltend gemachten Anspruchs sind wirtschaftlich identisch.

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