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Abgrenzung von Schuldübernahme zu Schuldbeitritt

AG Mannheim,  Az.: 17 C 67/16. Urteil vom 11.10.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren Zahlung aus einem Schuldanerkenntnis des Beklagten, dem offene Forderungen der Kläger gegen den Vater des Beklagten aus einem Darlehnsvertrag zugrunde liegen.

Der Vater des Beklagten, Herr H.H. hat die Kläger in der Vergangenheit als Rechtsanwalt vertreten und wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft. In den Jahren 2003 bis 2006 erhielt Herr H.H. im Zuge der Beratung der Kläger Geldbeträge von Dritten, welche er einbehielt.

Dem liegt die Vertretung der Kläger durch Herrn H.H. in einem Rechtsstreit gegen die M AG zugrunde. Herr H.H. erhielt in Folge des am 17.01.2006 gewonnenen Prozesses einen Betrag in Höhe von 232,00 €, welche die Kläger am 14.05.2003 für ein Erstgespräch an die Kanzlei B., welche die Kläger zunächst vertreten hatte, bezahlt hatten (Anlage 1). Weiterhin behielt Herr H.H. die Vergütung in Höhe von 2.065,03 €, welche die Kläger ihm für die Vertretung im Verfahren bezahlt hatten (Anlage 2), trotz Erstattung durch die M AG ein. Auch den durch die Kläger am 13.05.2004 gezahlten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 1.968,00 € (Anlage 3) zahlte Herr H.H. diesen nicht zurück.

Im Jahr 2006 bestellten die Kläger gemeinsam mit Herrn H.H. Heizöl. Da Herr H.H. die Bezahlung des Heizöls verweigerte, zahlten die Kläger am 24.01.2006 die Rechnung in Höhe von 2.909,86 € (Anlage 4).

Mit Schreiben vom 25.07.2006 (Anlage 5) erinnerten die Kläger an die Rückzahlung aus dem Verfahren gegen die M AG in Höhe von 4.033,03 €. In den Laufenden Jahren folgten weitere Zahlungsaufforderungen, so mit Schreiben vom 13.01.2014 (Anlage 6).

Abgrenzung von Schuldübernahme zu Schuldbeitritt
Symbolfoto: fizkesBigstock

Mit Schreiben vom 10.04.2014 (Anlage 7) wandten sich die Kläger an den Sohn des Herrn H.H., den Beklagten. Dieser erklärte mit Schreiben vom 15.04.2014 (Anlage 8), dass sein Vater die Beträge nicht zurückzahlen könne, er selbst jedoch das Geld in mehreren Tranchen noch im Jahr 2014 zurückzahlen wolle. Noch im Jahr 2014 leistete der Beklagte mehrere Zahlungen an die Kläger. So zahlte der Beklagte am 23.04.2014, 14.05.2014 und 17.07.2014 jeweils 1.500 € an die Kläger und weitere 2.000 € wurden am 28.05.2015 durch Herrn H.H. gezahlt.

Mit Schreiben vom 09.01.2016 erinnerten die Kläger den Beklagten an den ausstehenden Betrag in Höhe von 674,89 € (Anlage 9).

In den Jahren 2009 bis 2011 vertrat Herr H.H. die Kläger in einer Klage des M. gegen die Kläger. Mit Honorarrechnung vom 19.01.2012 (Anlage B4) berechnete Herr H.H. eine Vergütung in Höhe von 429,89 €. Mit Schreiben vom 19.01.2012 (Anlage B4) erklärte Herr H.H. die Aufrechnung des Betrages gegen die Forderung der Kläger.

Die Kläger behaupten, im Sommer Herrn H.H. aufgefordert zu haben, die einbehaltenen Beträge in Höhe von insgesamt 7.174,89 € zu zahlen. Herr H.H. habe den Klägern zugesichert, die Beträge einschließlich Zinsen zurückzahlen zu wollen. Am 28.08.2013 habe es ein Gespräch im Hause der Kläger gegeben, in dessen Rahmen Herr H.H. ebenfalls zur Rückzahlung aufgefordert worden sei.

Sie behaupten weiter, keine Rechnung von Herrn H.H. hinsichtlich der Vertretung in der Klage des M. erhalten zu haben und erheben diesbezüglich vorsorglich die Einrede der Verjährung. Ausstehende Rechnungen seien immer bezahlt worden.

Die Kläger tragen vor, der Beklagte habe die Schuld mit Schreiben vom 15.04.2014 übernommen.

Die Kläger meinen, ihnen stehe auch ein Zinsanspruch in Höhe von 4.248,46 € zu.

Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 4.923,35 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Zinsforderung vor 2013.

Der Beklagte behauptet, es seien mit Herrn H.H. keine Zinsen vereinbart gewesen. Eine gewisse Kompensation sei dadurch erfolgt, dass Herr H.H. die Kläger immer mal wieder auch telefonisch beraten habe. Die Klägerin sei erstmals am 28.08.2013 auf Herrn H. zugekommen und habe diesen zur Zahlung aufgefordert.

Der Beklagte meint, die Ansprüche richten sich gegen Herrn H.H., nicht aber gegen den Beklagten. Das Schreiben vom 15.04.2014 sei nicht als Schuldübernahme, Schuldbeitritt, Erfüllungsübernahme oder Garantieerklärung zu verstehen. Es fehle bereits an einer Bezifferung der Beträge. Der Beklagte habe nur das Verhalten seines Vaters zu erklären versucht. Insbesondere sei damit keine Übernahme eines Zinsanspruchs erfasst.

Er trägt weiter vor, die Forderung sei überhöht. Zwischen den Klägern und Herr H.H. sei eine Verrechnungsvereinbarung in Höhe von 657,84 € getroffen worden. Dieser Betrag setze sich zusammen aus der Honorarrechnung vom 19.01.2012 in Höhe von 429,89 €, Fahrtkosten in Höhe von 109,24 € und weiteren 118,71 €, welche H.H. für die Kläger verauslagt habe.

Der Beklagte meint, die Forderung in Höhe von 232 € sei nicht Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahren gewesen und sei nicht erstattungsfähig.

Zins- und Zinseszinsansprüche entstünden nicht am Tag ihrer Zahlungen sondern erst ab Kostenfestsetzungsantrag oder Kostenerstattung.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Es besteht kein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf Zahlung in Höhe von 4.923,35 € aus §§ 414,415 i.V.m. § 488 BGB.

1.

Das Schreiben des Beklagten vom 15.04.2014 (Anlage 8) stellt weder eine befreiende Schuldübernahme noch einen Schuldbeitritt/ eine Schuldmitübernahme dar.

Aus dem Schreiben vom 15.04.2014 lässt sich kein dahingehender Rechtsbindungswille des Beklagten, dieser wolle für die gesamten offenen Forderungen der Kläger gegen seinen Vater rechtlich verbindlich einstehen, ableiten.

Bei einer befreienden Schuldübernahme wird der bisherige Schuldner zu Lasten des übernehmenden Dritten von seiner Leistungspflicht frei und der Anspruch des Gläubigers richtet sich ohne Inhaltsänderung gegen den Dritten (BGHZ 129,371). Maßgeblich für die Abgrenzung der befreienden Schuldübernahme von der Erfüllungsübernahme sind das Sicherungsinteresse des Gläubigers und das Übernahmeinteresse des bisherigen Schuldners (Rohe in: Beck-Online Kommentar, BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 43. Edition, § 415, Rn. 45). Maßgeblich ist zudem, ob der Schwerpunkt des Interesses an der Tilgung erkennbar beim Dritten liegt. Im Zweifel ist von einer bloßen Erfüllungsübernahme auszugehen (Rohe in: Beck-Online Kommentar, BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 43. Edition, § 415, Rn. 19).

Bei der Schuldmitübernahme, die gesetzlich nicht geregelt ist, wird neben der unverändert fortbestehenden Verpflichtung des bisherigen Schuldners eine zusätzliche Verpflichtung des Mitübernehmers begründet (BGH, NJW 1986, 252).

2.

Das Schreiben des Beklagten vom 15.04.2014 stellt lediglich eine Erfüllungsübernahme im Sinne des § 329 BGB dar. Indem der Beklagte mehrere Beträge an die Kläger auf die Schuld seines Vaters zahlte, hat er hinsichtlich dieser Beträge die Schuld seines Vaters erfüllt.Aus den erfolgten Zahlungen durch den Beklagten folgt kein Anspruch der Kläger auf Zahlung des restlichen noch offenen Betrages. Dem Gläubiger steht im Falle der Erfüllungsübernahme kein Anspruch gegen den Übernehmer zu (Grüneberg in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 329, Rn. 1).

3.

Eine Auslegung des Schreibens vom 15.04.2014 nach §§ 133, 157 BGB ergibt keinen wirksamen Rechtsbindungswillen des Beklagten dahingehend, dass dieser für die offenen Forderungen gegen seinen Vater selbst einstehen will.

Das Schreiben des Beklagten ist gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger den Inhalt nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Dabei sind insbesondere der Wortlaut des Schreibens, die Begleitumstände und die Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen.

a)

Der Wortlaut des Schreibens spricht für eine bloße Erfüllungsübernahme.

Im Rahmen des Schreibens erklärt der Beklagte an keiner Stelle ausdrücklich, selbst für die Schuld seines Vaters einstehen zu wollen. Die Rede ist lediglich von „selbstverständlich werden diese Forderungen beglichen“, wobei offen gelassen wird, ob diese durch den Beklagten oder dessen Vater beglichen werden. Soweit der Beklagte später schreibt „daher springe ich hier ein, damit wenigstens die notwendigsten Ausgaben zum Lebensunterhalt bezahlt werden können“ bezieht sich diese Aussage systematisch gesehen eindeutig auf den davor liegenden Abschnitt und die dortigen Ausführungen. Hier spricht der Beklagte aber gerade nicht von der streitgegenständlichen Forderung, sondern von der Kontopfändung bei seinem Vater und den Umständen aus denen dieser in Liquiditätsengpässe geriet. Aus „Einspringen“, von dem der Beklagte spricht, bezieht sich daher nach Wortlaut und Systematik lediglich auf die Steuerschulden seines Vaters.

Zum Schluss des Briefes erklärt der Beklagte „falls Sie damit einverstanden sind, beginne ich jedoch ab sofort mit Zahlungen, ohne feste Beträge zusagen zu können“. Zwar spricht die Frage nach dem Einverständnis der Kläger zunächst für die Einholung der Zustimmung nach § 415 BGB und damit für einen Schuldübernahmevertrag. Aus dem zweiten Halbsatz, wonach keine festen Beträge zugesagt werden sollen und der Formulierung „beginne ich mit den Zahlungen“ wird jedoch deutlich, dass nur Zahlungen angekündigt werden und gerade keine rechtlich verbindliche Verpflichtung geschaffen werden sollte.

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b)

Auch die Begleitumstände des Schreibens sprechen für eine bloße Erfüllungsübernahme und gegen eine befreiende oder kumulative Schuldübernahme. Die Kläger, die ein nachbarschaftliches und freundschaftliches Verhältnis zum Vater des Beklagten führten, schrieben diesen an, da er ihnen ebenfalls persönlich bekannt war und nachdem sie zunächst fast zehn Jahre versucht hatten, die ausstehenden Beträge vom Vater des Beklagten zu erhalten. In ihrem Schreiben vom 10.04.2014 (Anlage 7) wandten sich die Kläger mit der Begründung an den Beklagten, dieser solle seinem Vater mitteilen, dass er sich an die Kläger wenden solle, da sie nicht sicher seien, ob dieser ihre Schreiben erhalten habe. Der Beklagte erklärt als Antwort in seinem Schreiben vom 15.04.2014 – wohl vor dem Hintergrund dieses besonderen Verhältnisses – über mehrere Absätze und damit den Großteil des Schreibens die Umstände aus denen sein Vater die Forderungen nicht bereits beglichen hat und wirbt um Verständnis. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beklagte – obwohl die Kläger ihn lediglich um Weiterleitung ihrer Bitte an seinen Vater gebeten hatten – rechtlich verpflichten wollte.

c)

Die Interessenlage des Beklagten spricht ebenfalls nicht für eine Schuldübernahme. Wie bereits ausgeführt ging es diesem vorrangig darum, den Ruf und das Ansehen seines Vaters gegenüber dessen Freunden zu wahren. Der Beklagten hat hingegen keinerlei Eigeninteresse hinsichtlich der geltend gemachten Forderung.

Ein objektiver Dritter in der Person der Kläger dürfte das Schreiben des Beklagten vom 15.04.2014 nicht dahingehend verstehen, dass dieser nunmehr für sämtliche Verbindlichkeiten seines Vaters gegenüber den Klägern einstehen will.

4.

Hinzu kommt, dass sich das Schreiben vom 15.04.2014 ohnehin nur auf Hauptforderungen und nicht etwa vereinbarte Zinsen bezieht. Inwieweit Verpflichtungen aus Nebenrechten wie Zinsen bei einer befreienden Schuldübernahme übergehen, ist nämlich durch Auslegung zu ermitteln (Rohe in: Beck-Online Kommentar, BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 43. Edition, § 415, Rn. 21). Vorliegend sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich der Beklagte zur Zahlung von Zinsen verpflichtet hätte. Weder im Schreiben vom 15.04.2014 noch in den schriftlichen Zahlungsaufforderungen der Kläger findet sich eine Bezugnahme auf Zinsen. Insbesondere im Schreiben vom 09.01.2016 listen die Kläger lediglich eine Restschuld in Höhe von 674,89 € auf.

II.

Mangels Begründetheit der Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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