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Alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit bei Fahrten mit einem Mofa

OLG Zweibrücken, Az.: 1 Ss 157/80, Urteil vom 03.07.1980

Zum Blutalkoholgrenzwert für den Führer eines Mofa 25

Gründe

Das Amtsgericht Speyer hat den Angeklagten durch Urteil vom 29. November 1979 wegen versuchten Diebstahls in „Tateinheit“ (richtig: Tatmehrheit, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt) mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten und zwei Wochen, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, verurteilt und eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von einem Jahr festgesetzt. Auf die Berufung des Angeklagten hat die 2. Kleine Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) durch Urteil vom 20. Februar 1980 das Verfahren, soweit es ein Vergehen der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr zum Gegenstand hat, eingestellt, ihn im übrigen wegen versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und die weitergehende Berufung als unbegründet verworfen. Gegen dieses am 4. März 1980 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Februar 1980 bei Gericht eingegangene und am 24. März 1980 begründete Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls nicht angreift. Sie rügt im übrigen die Verletzung materiellen Rechts und ist der Auffassung, der Angeklagte hätte auch wegen eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt werden müssen. Er sei nämlich absolut fahruntüchtig gewesen, weil die 1,3vT-Grenze auch für den Fahrer eines führerscheinfreien Mofas (Mofa 25) gelte.

Infolge der Beschränkung der Revision ist das Urteil, soweit es den Angeklagten wegen eines Vergehens des versuchten Diebstahls verurteilt hat, rechtskräftig. Die auf den Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr beschränkte, verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

Alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit bei Fahrten mit einem Mofa
Symbolfoto: kegfire/bigstock

Das angefochtene Urteil hat zur Frage der Fahruntüchtigkeit des Angeklagten festgestellt, daß dieser in der Nacht vom 22. zum 23. Mai 1978, etwa um 1.00 Uhr, in der B.-Straße in S. einige hundert Meter mit einem nicht führerscheinpflichtigen Mofa fuhr, wobei er unter Alkoholeinfluß stand – die ihm um 3.10 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,54vT -, Anzeichen für eine relative Fahruntüchtigkeit hätten nicht nachgewiesen werden können.

Das Landgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, daß eine relative Fahruntüchtigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht festgestellt werden könne. Insoweit greift die Revision das Urteil auch nicht an. Nähere Ausführungen sind deshalb nur zu der Rechtsauffassung der Revision, die Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,3vT gelte auch für den Fahrer eines führerscheinfreien Mofas, erforderlich.

Dieser Rechtsansicht vermag der Senat nicht beizutreten.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung BGHSt 25, 360 die Geltung eines allgemeinen Grenzwertes der alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit für Führer eines führerscheinfreien Fahrrads mit Hilfsmotor mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h (Mofa 25) – um ein solches handelt es sich hier – abgelehnt. Diese Auffassung hält auch der Senat für zutreffend. Die von der Revision dagegen vorgebrachten Argumente überzeugen nicht.

Ob und wann eine Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB gegeben ist, hängt einerseits ab von dem Ausmaß der alkoholbedingten Änderung der Leistungsfähigkeit und der Beeinträchtigung der Gesamtpersönlichkeit des Fahrzeugführers selbst, andererseits vom Ausmaß der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch ihn (BGH aaO). Aufgrund des Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes „Alkohol bei Verkehrsstraftaten“, wonach ein Blutalkoholgehalt von 1vT – 1,1vT als der Grad der Alkoholisierung feststeht, bei dem die Leistungsstörungen und Persönlichkeitsveränderungen des Kraftfahrers sowie die Gefährdung anderer ein solches Ausmaß erreichen, daß die Teilnahme des Fahrzeugführers am Straßenverkehr nicht mehr verantwortet werden kann, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung BGHSt 21, 157 unter Hinzurechnung eines Sicherheitszuschlags von 0,2vT den allgemeinen Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit für Kraftfahrer auf 1,3vT festgesetzt. In der anfangs genannten Entscheidung wie auch in der Entscheidung BGHSt 22, 352 hat der Bundesgerichtshof jedoch darauf hingewiesen, daß das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes auf Erkenntnissen aufbaue, die in erster Linie an Autofahrern gewonnen worden seien. Für andere Verkehrsteilnehmer liege kein annähernd vergleichbares Material vor. Aus diesem Grund hat es der Bundesgerichtshof in der zuletzt genannten Entscheidung abgelehnt, für Kraftradfahrer einen Grenzwert unter 1,3vT festzusetzen. Schon in dieser Entscheidung hat er ausgeführt, es begegne Bedenken, den Erfahrungssatz uneingeschränkt auf alle Arten zweirädriger Kraftfahrzeuge anzuwenden, und hat dabei insbesondere auf das Mofa 25 hingewiesen.

Eben wegen dieses Fehlens gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse hat es dann der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHSt 25, 360 abgelehnt, auch für den Fahrer eines Mofa 25 einen bestimmten Beweisgrenzwert der Blutalkoholkonzentration festzusetzen. Er ist dabei davon ausgegangen, daß das Mofa 25 eher mit einem Fahrrad als mit den anderen Krafträdern verglichen werden kann, weil die durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h nicht höher sei als die von einem Radfahrer mit Mehrgangschaltung erreichbare Geschwindigkeit und die Betriebsgefahr des Mofa 25 nur geringfügig höher als die des Fahrrads sei, andererseits aber die anderer Krafträder nicht erreiche. Dabei hat er auf seine den Radfahrer betreffende Entscheidung in BGHSt 19, 82 Bezug genommen, in der ausgeführt wird, der Verkehr stelle an die Leistungsfähigkeit des Fahrradfahrers teilweise andere Anforderungen als an den Kraftwagenführer und an den Kraftradfahrer; die technische Bedienung schnellerer Motorfahrzeuge mit ihren weitaus größeren Gefahren für andere erfordere größere Umsicht und erheblicheres Geschick. Seine Auffassung sieht der Bundesgerichtshof dadurch bestätigt, daß der Gesetzgeber das Mofa 25 dem Fahrrad immer mehr gleichgestellt hat (vgl für die Einzelheiten BGHSt 25, 360).

Gegenüber diesen Erwägungen vermag die Revision, die sich auf Händel, NJW 1974, 2292; Dreher-Tröndle, StGB, 38. Aufl, § 316 RdNr 6; Cramer in Schönke-Schröder, StGB, 19. Aufl, § 315c RdNr 8 und ein Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 7. Juni 1979 – 137 Js 41166/78 – stützt, nicht durchzudringen. Auch die Revision behauptet nicht, daß es inzwischen neuere, gesicherte, dem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes vergleichbare wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich des Fahrers eines Mofa 25 gibt. Es trifft zwar zu, daß die Betriebsgefahr des Mofa 25 wegen der Motorkraft und der höheren kinetischen Energie größer ist als die eines Fahrrads. Hiervon ist aber auch schon der Bundesgerichtshof ausgegangen. Dies hat den Gesetzgeber auch bewogen, die Haftpflichtversicherungspflicht anzuordnen und ein Mindestalter für das Führen eines Mofa vorzuschreiben. Jedoch kann auf der anderen Seite nicht übersehen werden, daß sie wesentlich hinter der Betriebsgefahr eines schnelleren Kraftfahrzeugs zurückbleibt. Das Mofa 25 kann somit nicht in eine Reihe mit den führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen gestellt werden.

Dies hat der Gesetzgeber auch mit der Einführung der Prüfbescheinigung für Fahrer eines Mofa 25 durch § 4a StVZO nicht getan. Diese Änderung der StVZO beruht auf der Überlegung, daß nicht nur die Zunahme dieser Fahrzeuge übermäßig stark sei, sondern auch die Zunahme der verletzten Mofafahrer außergewöhnlich hoch liege. Dabei weist der Verordnungsgeber darauf hin, daß solche Fahrzeuge ganz überwiegend von 15jährigen gefahren werden, die die mit dem Führen solcher Kraftfahrzeuge verbundenen Gefahren nicht richtig einschätzten, so daß eine bessere Kenntnis der Verkehrsvorschriften und insbesondere der Gefahrenlehre erforderlich sei (amtliche Begründung in VkBl 1959, 836). Nach wie vor nimmt aber § 4 Abs 1 Nr 1 StVZO das Mofa 25 von der Fahrerlaubnispflicht aus. Die Prüfbescheinigung ist deshalb keine Fahrerlaubnis. Bei ihrer Erteilung werden die körperliche und geistige Eignung des Bewerbers nicht überprüft. Die Prüfbescheinigung kann auch nicht entzogen werden. Eine Ausbildung zum Erwerb der Prüfbescheinigung ist nicht vorgeschrieben (vgl hierzu Bouska in VD 1979, 355, 356). Somit läßt sich auch aus § 4a StVZO nicht herleiten, daß das Mofa 25 den fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen gleichzustellen wäre, selbst wenn die amtliche Begründung zu dieser Vorschrift (aaO) zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Mofafahrer gegenüber den Radfahrern ausführt, das Mofa 25 unterscheide sich in Handhabung und Fahrgeschwindigkeit erheblich vom Fahrrad.

Soweit die Revision weiter ausführt, an den Führer von motorisierten Zweirädern würden im Vergleich zu Kraftwagenfahrern erhöhte verkehrstechnische Anforderungen – wie besondere körperliche Geschicklichkeit, Gleichgewichthalten und Reaktionsvermögen – gestellt, geht sie damit nicht auf die Sonderstellung des vergleichsweise langsamen Mofa 25 innerhalb der motorisierten Zweiräder ein. Der Bundesgerichtshof hat in BGHSt 25, 360 darauf hingewiesen, daß bei einem Radfahrer durch das Pedaltreten das Halten des Gleichgewichts sogar noch erschwert sei. Im übrigen liegt es auf der Hand, daß sich mit abnehmender Höchstgeschwindigkeit eine alkoholbedingte Verlängerung der Reaktionszeit weniger gravierend auswirkt als bei dem Führer schnellerer Kraftfahrzeuge.

Es ist auch nicht widersprüchlich, daß der in § 24a StVG allgemein für Kraftfahrzeugführer festgelegte Gefahrenwert von 0,8vT auch für Mofafahrer gilt, bezüglich des 1,3vT-Beweisgrenzwertes bei den §§ 315c, 316 StGB jedoch eine Differenzierung zwischen Mofas und anderen Kraftfahrzeugen vorgenommen wird. Dies erklärt sich aus dem unterschiedlichen Ausgangspunkt dieser Vorschriften. Während durch § 24a StVG wegen der abstrakten Gefährlichkeit des Führens von Kraftfahrzeugen auch schon mit einer geringeren alkoholischen Beeinträchtigung jede derartige Handlung ohne Rücksicht auf die Fahrtüchtigkeit im Einzelfall für ordnungswidrig erklärt wird, kommt es bei den §§ 315c, 316 StGB darauf an, ob im Einzelfall der Fahrzeugführer nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, was über § 24a StVG hinausgeht und die Tat zu einem Vergehen macht. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs (aaO) läßt sich aber gerade hierfür für den Fahrer eines Mofa 25 nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kein allgemeiner Beweisgrenzwert feststellen.

Auch der Senat ist deshalb der Auffassung, daß der Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,3vT für den Fahrer eines Mofa 25 nicht gilt. Er sieht sich hiermit in Übereinstimmung auch mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, soweit sie nach der Entscheidung BGHSt 25, 360 ergangen ist (OLG Celle VRS 50, 286; OLG Koblenz VRS 55, 47; OLG Düsseldorf VM 1976, 46 und VM 1977, 29).

Ob auch bei dem Fahrer eines Mofa 25 allein aufgrund einer besonders hohen Blutalkoholkonzentration Fahruntüchtigkeit festgestellt werden kann (vgl OLG Hamburg VM 1976, 7; OLG Düsseldorf VM 1976, 46), kann hier dahinstehen, weil die dort erörterten Blutalkoholkonzentrationen (über 2,5vT) hier nicht erreicht sind; jedenfalls hat das OLG Düsseldorf (aaO) auch bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,25vT weitere Beweisanzeichen für erforderlich gehalten.

Eine Verurteilung nach § 316 StGB ist somit nicht möglich. Zu Recht geht das angefochtene Urteil auch davon aus, daß die Verfolgung der nach § 24a StVG begangenen Ordnungswidrigkeit verjährt ist, so daß auch deshalb eine Verurteilung nicht erfolgen kann. Allerdings hätte das Landgericht das Verfahren insoweit nicht einstellen dürfen, sondern hätte den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr freisprechen müssen. Dieses Vergehen war Gegenstand der Anklage. Läßt es sich nicht erweisen, so hat das Gericht zwar zu prüfen, ob der angeklagte Lebenssachverhalt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeitsnorm erfüllt. Kann jedoch insoweit wegen eines Verfahrenshindernisses der Angeklagte nicht verurteilt werden, so ist er freizusprechen (BGHSt 1978, 371).

Mit dieser Maßgabe ist die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs 1 StPO.

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