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Arbeitsgerüst – Haftungsverteilung bei fehlerhaft aufgebautem und benutztem Gerüst

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 1 U 31/20 – Urteil vom 07.07.2021

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25.2.2020 (Aktenzeichen 8 O 89/16) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2016 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 50 % aller materiellen Schäden aus dem Unfall vom 8.12.2015 am Anwesen in zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind sowie sämtliche zukünftigen immateriellen Schäden des Klägers aus diesem Unfall unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 50 % zu tragen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die A. Rechtsschutzversicherung AG, Uhlandstraße 7, 80336 München 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2016 zu zahlen.

4. Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger und der Beklagte jeweils hälftig.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie Feststellung der Einstandspflicht für Folgeschäden nach einem Sturz auf einem Arbeitsgerüst in Anspruch.

Der Kläger ist als Zimmermann bei der Firma G. G. GmbH angestellt. Diese führte im Dezember 2015 im Auftrag der Firma D Dachdeckungs GmbH Arbeiten am Dach des Bauvorhabens in aus. Zur Durchführung unter anderem dieser Arbeiten mieteten die Bauherren bei der M GbR, deren Gesellschafter die Zeugen A. und M. sind, ein Arbeitsgerüst an. Da weder der Zeuge A. noch der Zeuge M. über eine Meisterprüfung im Gerüstbauhandwerk verfügen, arbeitete die M GbR mit dem Beklagten als Kooperationspartner zusammen. Dieser ist Dachdecker und Zimmerer und darf als eingetragener Meister in der Handwerksrolle die Tätigkeiten eines Gerüstbauers gewerblich ausüben. Im Folgenden errichteten die M GbR und der Beklagte das Gerüst. Fertiggestellt und von dem Beklagten als dem für die Aufstellung Verantwortlichen freigegeben wurde das Gerüst am Samstag, den 5.12.2015. Am 10.12.2015 waren Teile des Gerüsts entfernt; den Zustand des Gerüsts an diesem Tag dokumentieren das vom Kläger als Anlage 1 vorgelegte Foto Nr. 2 (GA 20) sowie das der E-Mail der Firma G. vom 11.12.2015 beigefügte Foto, das den Bau in Übersicht zeigt (GA 133).

Der Kläger hat behauptet, er sei am Dienstag, den 8.12.2015, beim Heruntersteigen vom Dach des Bauvorhabens auf dem Gerüst gestürzt. Um auf die Laufebene des Gerüsts zu gelangen, habe er sich mit beiden Händen an der zweitobersten Gerüststange festhalten müssen. Dabei sei diese Stange aufgrund der Belastung nach unten abgerutscht, sodass er das Gleichgewicht verloren habe. Die Gerüststange sei mangelhaft befestigt gewesen. Sie sei lediglich mit einem Spanngurt etwa in Höhe der roten Markierung, die auf dem mit der Anlage K 1 vorgelegten Foto Nr. 4 (GA 22) zu sehen ist, angebunden gewesen, mithin unterhalb der Querstange (auch ersichtlich auf dem identischen, zusätzlich jedoch beschrifteten Foto (GA 134), das der E-Mail der Firma G. vom 11.2.2015 beigefügt war). Auf diese Weise sei das Gerüst seitens des Beklagten und der M GbR aufgestellt und von dem Beklagten freigegeben worden. Zu Umbauten des Gerüsts nach dessen Fertigstellung und Freigabe vor dem Sturz am 8.12.2015 sei es nicht gekommen. Bei dem Sturz habe er sich einen Rotatorenmanschettendefekt in der Supraspinatussehne in der linken Schulter zugezogen, weshalb er bis zum 16.8.2016 arbeitsunfähig gewesen sei. Er leide bis heute an den Unfallfolgen.

Nach teilweiser Klagerücknahme hat der Kläger den Beklagten erstinstanzlich zuletzt auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds in Höhe von mindestens 4.000 €, auf Feststellung der Einstandspflicht für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden und auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € an seine Rechtsschutzversicherung in Anspruch genommen.

Arbeitsgerüst - Haftungsverteilung bei fehlerhaft aufgebautem und benutztem Gerüst
(Symbolfoto: LOOKSLIKEPHOTO.COM/Shutterstock.com)

Der Beklagte hat auf Klageabweisung angetragen und behauptet, er habe die nach der Darstellung des Klägers abgerutschte Gerüststange zwar mit einem Spanngurt befestigt, sie aber über die Querstange gelegt, sodass sie nicht habe abrutschen können. Seiner Ansicht nach sei diese Art der Befestigung ordnungsgemäß gewesen. Er habe das Gerüst außerdem mit einem Netz gesichert, wie auf dem durch den Kläger mit der Anlage K 1 vorgelegten Foto Nr. 1 (GA 19) ersichtlich ist, das den Zustand des Gerüsts am 3.12.2015 dokumentiert. Der Beklagte hat behauptet, das Gerüst müsse in dem Zeitraum zwischen der Fertigstellung bzw. Freigabe und dem behaupteten Sturz des Klägers seitens dritter Personen geändert worden sein. Denn zum einen habe die Stange sonst nicht abrutschen können und zum anderen sei auf dem mit der Anlage K 1 vorgelegten Foto Nr. 4 (GA 22), das nach dem Vortrag des Klägers die Situation vor Ort unmittelbar nach seinem Sturz dokumentiere, das vom Beklagten am Gerüst angebrachte Netz nicht zu sehen. Für die nachträgliche Veränderung des Gerüsts hat der Beklagte auch eine nachvollziehbare Erklärung gesehen. Er hat vorgetragen, dass oft Gerüstbauteile von anderen Arbeitern auf der Baustelle entfernt würden, um das Verbringen von Material auf den Bau zu erleichtern. Insoweit hat er darauf hingewiesen, dass – was zwischen den Parteien außer Streit steht – im besagten Zeitraum zwischen der Fertigstellung bzw. Abnahme des Gerüsts und dem behaupteten Sturz des Klägers neben den Mitarbeitern der Firma G. auch Maurer auf der Baustelle tätig gewesen seien.

Vorsorglich hat sich der Beklagte auch auf ein Mitverschulden des Klägers berufen, das er zum einen darin sieht, dass der behauptete Befestigungsmangel ohne weiteres erkennbar gewesen und vom Kläger bei der gebotenen vorherigen Besichtigung des Gerüsts auch hätte erkannt werden müssen und zum anderen der Kläger die Gerüststange schon gar nicht als Hilfe zum Absteigen vom Dach habe benutzen dürfen.

Das Landgericht hat den Kläger informatorisch zum Unfallgeschehen angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F., Schu, Sch, M., A., Schn und G. sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Gerüstbausachverständigen L. vom 27.9.2017 nebst mündlicher Erläuterung vom 24.4.2018 sowie des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 21.11.2018 nebst schriftlichem Ergänzungsgutachten vom 16.7.2019.

Mit seinem am 25.2.2020 verkündeten Urteil hat das Landgericht den Beklagten im Wesentlichen – mit Ausnahme einer geringfügigen Klageabweisung der Zinsforderung – antragsgemäß verurteilt, wobei es in Ausübung seines Ermessens dem Kläger ein Schmerzensgeld von 5.000 € zuerkannt hat, die Einstandspflicht des Beklagten für sämtliche materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen vom 8.12.2015 festgestellt und schließlich den Beklagten zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € an die Rechtsschutzversicherung des Klägers – die beiden Zahlungsansprüche jeweils zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen – verurteilt hat. Wegen der Einzelheiten der Begründung und der vom Landgericht in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil (GA 445 ff.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 25.2.2020 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 25.3.2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung (GA 530) mit am 27.5.2020 eingegangenem Schriftsatz vom selbigen Tag (GA 533 ff.) begründet.

Der Beklagte ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass er die Verletzung des Klägers schuldhaft verursacht habe. Die durchgeführte Beweisaufnahme stütze dies bei zutreffender Würdigung nicht, vielmehr habe die Klage wegen Beweisfälligkeit des Klägers abgewiesen werden müssen. Dem Landgericht sei zwar insoweit zuzustimmen, als dass das Gerüst nicht ordnungsgemäß aufgebaut worden wäre, wenn die abgerutschte Stange unterhalb der Querstange durch Verwendung von Spanngurten angebunden gewesen wäre. Der Beklagte habe das Gerüst jedoch nicht in einem derartigen Zustand freigegeben, sondern die streitgegenständliche Stange oberhalb der Querstange befestigt. Die gegenteilige Überzeugung des Landgerichts sei fehlerhaft, insbesondere habe es zu Unrecht ausgeschlossen, dass Dritte zwischen der Freigabe des Gerüsts und dem Unfall Veränderungen am Gerüst vorgenommen haben. Der Beklagte rügt, dass die Unerklärlichkeit der unstreitig erfolgten nachträglichen Veränderungen am Gerüst, wie sie auf dem mit der Anlage K 1 vorgelegten Foto Nr. 2 (GA 20) erkennbar sind, das den Zustand des Gerüsts am 10.12.2015 zeigt, seitens des Landgerichts hingenommen worden sind, während unerklärliche Veränderungen vor dem Unfallgeschehen für die Überzeugungsbildung ausgeschlossen wurden. Wenn es vor dem Unfall einen unerklärlichen Rückbau gab, dann, so die Ansicht des Beklagten, könne es einen solchen ebenso auch vor dem Unfall gegeben haben. Hierfür spreche auch der unklare Verbleib des Netzes, das zum Zeitpunkt der Freigabe des Gerüsts durch den Beklagten unter anderem auch auf der Höhe der abgerutschten Querstange befestigt gewesen war, das aber auf dem Foto Nr. 4 der Anlage K 1 (GA 22), das den Zustand des Gerüsts unmittelbar nach dem Sturz des Klägers dokumentiert, nicht zu sehen ist. In diesem Zusammenhang rügt der Beklagte außerdem die Würdigung der Aussagen der Zeugen A. und M., aus denen sich entgegen der Überzeugung des Landgerichts ergebe, dass die abgerutschte Gerüststange nicht unterhalb der Querstange befestigt worden sei, sowie die Annahme des Landgerichts, wonach die Tatsache, dass auf der rechten Seite des Gerüsts die Stange nachweislich auf eine Querstange aufgelegt gewesen sei, keine aussagekräftige Schlussfolgerung bezüglich des Aufbaus auf der linken Gerüstseite zulasse.

Des Weiteren wiederholt der Beklagte seinen bereits erstinstanzlich erhobenen Einwand, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, seine Unfallschilderung plausibel darzulegen. Der Beklagte nimmt Bezug auf die Schilderungen des Klägers zum Unfallhergang in der mündlichen Verhandlung vom 3.7.2017 und behauptet, dass die Stange, an der sich der Kläger festgehalten haben will, sich nicht, wie von diesem dargelegt, auf Brusthöhe befunden haben könne, sondern eher auf Kniehöhe oder tiefer gewesen sein müsse. Der vom Kläger geschilderte Unfallhergang könne sich mithin so nicht zugetragen haben. Gleiches gelte für den Ablauf, den der Kläger dem Sachverständigen Prof. Dr. R. dargelegt habe.

Zudem bestreitet der Beklagte, dass das Unfallgeschehen die geltend gemachte Verletzung bewirkt habe und rügt, dass dem Kläger ein Nachweis seiner unfallbedingten Verletzungen nicht durch lückenlose Vorlage sämtlicher medizinischer Dokumente gelungen sei. Er wiederholt seine erstinstanzlichen Einwendungen gegen die Beurteilung durch den medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 21.11.2018 und das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 16.7.2019. Der Rotatorenmanschettendefekt an der linken Schulter des Klägers sei nicht durch den Unfall verursacht worden, sondern degenerativer Natur. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein früheres oder späteres Ereignis den Defekt erst hervorgerufen habe. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach die vom Kläger geltend gemachten Verletzungen kausal auf das streitgegenständliche Unfallgeschehen zurückzuführen seien, sei daher nicht überzeugend.

Hilfsweise, für den Fall, dass von seiner Haftung dem Grunde nach ausgegangen werden sollte, beanstandet der Beklagte schließlich, dass das Landgericht den Einwand des Mitverschuldens nicht für durchgreifend erachtet hat. Der Kläger sei nicht gezwungen gewesen, das Dach durch Inanspruchnahme der Gerüststange zu verlassen. Er habe, um einen sicheren Abstieg vom Dach zu gewährleisten, dafür Sorge tragen müssen, dass für den Abstieg eine Leiter zur Verfügung stehe. Zudem habe er erkennen müssen, dass die unterhalb der Querstange angebundene Gerüststange nicht habe halten können, weshalb er auch nicht sein gesamtes Gewicht auf diese Stange habe legen dürfen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25.2.2020, Az. 8 O 89/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass dem Beklagten eine Verkehrssicherungspflichtverletzung deshalb vorzuwerfen sei, weil er die abgerutschte Stangenur mit einem Spanngurt gesichert habe. Der Kläger ist der Ansicht, dass aus diesem Grund bereits ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit des Verkehrssicherungspflichtverstoßes für seinen Sturz eingreife, den der Beklagte nicht habe widerlegen können. Auf die Frage, ob die abgerutschte Stange oberhalb oder unterhalb der Querstange befestigt gewesen ist, komme es daher gar nicht an, eine diesbezügliche Beweisaufnahme sei deshalb auch nicht vor dem Senat zu wiederholen. Der Kläger stellt – nach Hinweis des Senats – klar, dass er sich vorsorglich den Sachvortrag des Beklagten, wonach er das Gerüst in einem Zustand freigegeben habe, bei dem die abgerutschte Stange auf der Querstange aufgelegt und mit Spanngurten angebunden war, hilfsweise zur Begründung seiner Klageansprüche zu eigen macht.

Soweit die Berufung versuche, dem Kläger einen unschlüssigen Sachvortrag im Hinblick auf den Ablauf des Unfalles zu unterstellen, greife dieser Berufungsangriff nicht durch. Maßgeblich sei allein, dass der Kläger deswegen gestürzt sei, weil er sich an einer Stange des Gerüsts festgehalten habe, die nachgegeben habe. Dies sei durch den Kläger auch durchgängig einheitlich angegeben und durch die Zeugen, die Kenntnis von dem Unfall hatten, bestätigt worden.

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Ebenfalls keinen Erfolg könne der Angriff auf die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den klägerseits vorgetragenen unfallbedingten Verletzungen haben. Das Landgericht habe auf der Grundlage der überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. R. richtigerweise den Kausalzusammenhang bejaht. Der Sachverständige habe schlüssig dargelegt, warum er von einer Kausalität des Unfalls für die diagnostizierten Verletzungen ausgehe und sei dabei auch mit den von der Berufung vorgebrachten Einwänden konfrontiert worden.

Auch den Einwand des Mitverschuldens habe das Landgericht zu Recht abgelehnt, da dem Kläger ein Verschulden gegen sich selbst nicht vorzuwerfen sei. Die Verletzung der Sicherheitsbestimmungen, das Gerüst nicht zum Herabsteigen vom Dach zu benutzen, sondern eine Leiter zur Hand zu nehmen, sei nicht kausal für die eingetretene Verletzung geworden, ungeachtet dessen habe das Landgericht aber auch zutreffend ausgeführt, dass vom Kläger nicht zu erwarten gewesen sei, sich eine Leiter für den Abstieg zu besorgen. Der Kläger habe sich so verhalten, wie vermutlich jeder andere Handwerker auch. Dies stelle kein Verschulden gegen sich selbst im Sinne von § 254 BGB dar.

Der Senat hat Beweis erhoben durch wiederholte Anhörung des Sachverständigen L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2.6.2021 (GA 654 ff.) Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 26.9.2017 (GA 59 ff.), vom 16.3.2018 (GA 119 ff.), vom 5.7.2019 (GA 350 ff.) und des Senats vom 2.6.2021 (GA 654 ff.) Bezug genommen.

B.

Die nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung des Beklagten erzielt einen Teilerfolg und führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen haben, dass der Beklagte dem Kläger wegen der Verletzungen an seiner Schulter, die er bei dem Sturzgeschehen vom 8.12.2015 erlitt, dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum materiellen und immateriellen Schadensersatz verpflichtet ist. Die Berufung rügt jedoch mit Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung auf Fehlern in der materiellen Rechtsanwendung im Sinne des § 546 ZPO beruht, als das Landgericht den Einwand des Mitverschuldens nicht hat durchgreifen lassen und die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen insoweit eine dem Beklagten vorteilhaftere Entscheidung rechtfertigen, § 513 ZPO. Die Ersatzpflicht des Beklagten für die unfallbedingt eingetretenen Schäden ist infolge eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB auf eine Haftungsquote von 50 % beschränkt, auch im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung nach § 253 Abs. 2 BGB und bei der Berechnung der Ersatzforderung auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten muss dies berücksichtigt werden. Im Einzelnen gilt folgendes:

I. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass als Anknüpfungspunkt für eine Haftung des Beklagten nach dem von den Parteien zur Entscheidung gestellten Sachverhalt allein deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen, während vertragliche Ansprüche mangels einer Sonderrechtsbeziehung zwischen den Parteien ausscheiden. Nichts anderes gilt unter dem Gesichtspunkt der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 27.2.2020 – VII ZR 151/18, bei Juris Rn. 21/22; Urteil vom 7.12.2017 – VII ZR 204/14, bei Juris Rn. 16/17), die im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommen. Denn die Firma G. GmbH, bei der der Kläger angestellt ist, unterhält ihrerseits keine vertraglichen Beziehungen zu dem Beklagten oder der M GbR; auch aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten und der M GbR lassen sich auf der gegebenen Tatsachengrundlage keine vertraglichen Ansprüche des Klägers über die Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ableiten.

II. Das Landgericht hat eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB für begründet erachtet. Dieses Ergebnis hält der berufungsrechtlichen Nachprüfung stand, die hiergegen ins Feld geführten Berufungsangriffe haben lediglich insoweit Erfolg, als nach dem zur Entscheidung gestellten Sachverhalt der Beklagte nicht in vollem Umfang für die unfallbedingten Schäden des Klägers haftet, sondern sich die Haftung des Beklagten unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB auf eine Haftungsquote von 50 % beschränkt.

1. Eine deliktsrechtliche Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass durch eine Handlung des Schädigers widerrechtlich eines der in der Vorschrift genannten Rechtsgüter eines anderen – das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht – vorsätzlich oder fahrlässig verletzt wird. Nach anerkannten Grundsätzen trägt der Anspruchsteller für alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB die Darlegungs- und Beweislast (vgl. JurisPK-BGB/J. Lange, 9. Aufl., § 823 Abs. 1 Rn. 168). Daher muss er u.a. eine objektive Rechtsgutverletzung, eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzungshandlung des Anspruchsgegners und den haftungsbegründenden Kausalzusammenhang zwischen Verletzungshandlung und Rechtsgutverletzung darlegen und beweisen, soweit nicht im Einzelfall Beweiserleichterungen zu seinen Gunsten eingreifen (vgl. JurisPK-BGB/J. Lange, aaO).

2. Das Landgericht ist hiervon ausgegangen und hat die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach für erfüllt erachtet. Dem ist unter Berücksichtigung der zweitinstanzlich ergänzten Sachaufklärung zuzustimmen, wobei die Frage, ob die abgerutschte Gerüststange zum Zeitpunkt der Freigabe des Gerüsts durch den Beklagten oberhalb oder unterhalb der Querstange befestigt war, entgegen der Sichtweise des Landgerichts keine entscheidungserhebliche Bedeutung hat, da der Beklagte bereits deshalb deliktsrechtlich für das Unfallgeschehen haftet, weil er als verantwortlicher Gerüstbauer das Gerüst am 5.12.2015 zum Baustellenverkehr freigab, obwohl die später bei dem Sturz des Klägers abgestürzte Gerüststange nur mit Spanngurten und nicht mit einer kraftschlüssigen Verbindung befestigt war.

a) Das Landgericht hat zunächst festgestellt, dass der Kläger am 8.12.2015 infolge des Abrutschens einer Gerüststange im Bereich der oberen Laufebene auf das Gerüst stürzte, als er vom Dach des Bauvorhabens in über das unter der Verantwortung des Beklagten erstellte und von ihm am 5.12.2015 freigegebene Gerüst absteigen wollte. An diese Tatsachenfeststellung ist der Senat im eingeschränkten Prüfungsrahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, denn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit liegen nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.3.2018, VII ZR 170/17, juris Rn. 15) nicht vor. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Richtigkeit der klägerischen Behauptung, dass er auf dem Gerüst stürzte, weil er sich beim Herabsteigen vom Dach mit beiden Händen an einer Gerüststange festhielt und diese unter seinem Gewicht nach unten abrutschte, sodass er zunächst auf die Gerüststange prallte und sodann auf den Gerüstboden fiel, im Einklang mit § 286 Abs. 1 ZPO beanstandungsfrei begründet. Der Erstrichter hat in seine Beweiswürdigung die Angaben des Klägers aus seiner informatorischen Anhörung vor dem Landgericht (GA 97/98) und gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. R. (GA 284 ff.) sowie ferner die Aussagen der Zeugen F. (GA 101 ff.) und Schu (GA 102 ff.) einbezogen und ist aufgrund einer sorgfältigen Auswertung der Beweisergebnisse zu der Überzeugung gelangt, dass keine vernünftigen Zweifel an der Wahrheit der Unfalldarstellung des Klägers bestehen. Der Beweiswürdigung des Landgerichts kann bedenkenfrei gefolgt werden, eine Notwendigkeit, zweitinstanzlich hierzu neue oder ergänzende Feststellungen zu treffen, besteht nicht, insbesondere gibt das Berufungsvorbringen keinen Anlass, an der Richtigkeit der vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellung zu zweifeln. Soweit die Berufung kritisiert, der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, seine Unfallschilderung plausibel zu gestalten und er einzelne von dem Kläger geschilderte Details zum Unfallablauf anzweifelt, er namentlich unter anderem meint, die Stange, die der Kläger gegriffen haben wolle, könne sich unmöglich auf Brusthöhe befunden haben, sie müsse sich vielmehr auf Kniehöhe befunden haben, ferner sich die untere der drei Gerüststangen aus technischer Sicht in geradezu unmöglicher Entfernung befunden haben müsse, um mit dem rechten Bein auf dem Dach stehend mit dem linken Bein erreicht werden zu können, wie es der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. R. geschildert habe, sind diese Einwände nicht geeignet, die Beweiswürdigung des Landgerichts entscheidend infrage zu stellen, da das Landgericht seine Überzeugungsbildung hinsichtlich des Unfallgeschehens nicht nur auf die Aussage des Klägers persönlich gestützt hat, sondern insbesondere auch auf die Aussage des neutralen Zeugen F., der das von dem Kläger beschriebene Sturzgeschehen in seinem maßgeblichen Kern, wonach der Kläger deshalb auf das Gerüst gestürzt ist, weil eine Gerüststange nach unten abrutschte, an der der Kläger sich zum Zwecke des Abstiegs vom Dach auf das Gerüst festgehalten hatte, bestätigt hat (LGU 6). Bei dieser Sachlage und auch, weil der weitere neutrale Zeuge Schu, der bei dem Bauvorhaben als Bauleiter fungierte, bekundet hat, der Kläger und der Zeuge F. hätten ihm unmittelbar nach dem Sturz erklärt, dass der Kläger an einer Seitenbefestigung des Gerüsts gestürzt sei, weil eine Stange nicht sicher befestigt gewesen und diese deshalb verrutscht sei, hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass sich vernünftigerweise nicht in Zweifel ziehen lässt, dass der Kläger am 8.12.2015 stürzte, weil eine Gerüststange des von dem Beklagten am 5.12.2015 freigegebenen Gerüsts, auf die der Kläger sich zum Zwecke des Abstiegs vom Dach gestützt hatte, nach unten abrutschte.

b) Das Landgericht hat auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme ferner festgestellt, dass der Kläger sich bei dem Sturz eine Verletzung an seinem Körper im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB in Gestalt eines Rotatorenmanschettendefekts im Bereich der Supraspinatussehne an der linken Schulter zugezogen hat, und zwar eine Ruptur oder einen vollschichtigen Defekt (LGU 21). Auch diese Feststellung bindet den Senat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), die von der Berufung erhobenen Einwände gegen die Beurteilung des Sachverständigen Dr. R. in dem Gutachten vom 28.11.2018 und dem Ergänzungsgutachten vom 16.7.2019 sind nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellung zu begründen.

aa) Die Berufung zweifelt die getroffene Kausalitätsbewertung des Rotatorenmanschettendefekts zunächst mit Verweis darauf an, dass diese in der medizinischen Begutachtung zu den schwierigsten Zusammenhangsbegutachtungen gehöre. Der Beklagte macht geltend, dass die Mehrzahl der Rotatorenmanschettendefekte gerade nicht unfallbedingt, sondern degenerativer Natur sei. Der Beklagte meint, auch bei der Verletzung des Klägers handele es sich um einen solchen anlagenbedingten degenerativen Defekt, hierfür spreche die Tatsache, dass dies an der rechten, nicht bei dem Unfallgeschehen verletzten Schulter des Klägers der Fall sei. Mit diesem Einwand dringt der Beklagte nicht durch. Er übersieht, dass der Sachverständige Prof. Dr. R. diese Umstände bei seiner Begutachtung explizit berücksichtigt (Seite 7 ff. des Ergänzungsgutachtens vom 16.7.2019, GA 408 ff. d. A.) und nichtsdestoweniger den Kausalzusammenhang zwischen dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen und dem diagnostizierten Rotatorenmanschettendefekt sicher bejaht hat.

bb) Der Beklagte rügt weiterhin, dass der Krankheitsverlauf vom Kläger nicht lückenlos durch Vorlage sämtlicher medizinischer Dokumente aufgeklärt worden sei. Auch damit dringt der Beklagte nicht durch, denn der Sachverständige Prof. Dr. R. geht entgegen der Berufungsrüge in seinem Ergänzungsgutachten vom 16.7.2019 von der (schlussendlichen) Vollständigkeit der Unterlagen aus, aus denen sich keine logischen Lücken ergäben (Seite 10 des Ergänzungsgutachtens vom 16.7.2019, GA 411). Der Sachverständige hat die Beurteilungsbedingungen für die Frage, ob ein Rotatorenmanschettendefekt unfallbedingt entstanden sei oder nicht, im vorliegenden Fall als sehr gut bezeichnet (Seite 11 des Ergänzungsgutachtens vom 16.7.2019, GA 412) und er ist auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass das Unfallereignis vom 8.12.2015 für die Ruptur der Rotatorenmanschette im Bereich der linken Supraspinatussehne des Klägers kausal geworden ist (Seite 13 des Ergänzungsgutachtens vom 16.7.2019, GA 414). Die Ausführungen des Sachverständigen sind in jeder Hinsicht schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Der Einwand des Beklagten, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein früheres oder späteres Ereignis den eigentlichen Defekt erst hervorgerufen habe, ist nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen zu begründen. Vielmehr verbleibt der Angriff im Bereich der bloßen Spekulation, für die ein überzeugender tatsächlicher Anhaltspunkt nicht dargelegt ist. Im vorliegenden Fall ist nach der Überzeugung des Senats durch die Begutachtungen des forensisch sehr erfahrenen Sachverständigen Dr. R. sicher ausgeschlossen, dass der Rotatorenmanschettendefekt auf einem anderen Unfallereignis beruht.

c) Das Landgericht hat schließlich auch zu Recht angenommen, dass der Unfall des Klägers und die dabei erlittene Verletzung auf einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten beruht, wobei im Hinblick auf die Entscheidungsbegründung des Erstrichters und die wechselseitige Argumentation der Parteien zu diesem Punkt klarzustellen ist, dass der entscheidende haftungsbegründende Verhaltensvorwurf schon darin liegt, dass die streitgegenständliche Stange unter der Verantwortung des Beklagten nur mit Spanngurten und nicht mit einer kraftschlüssigen Verbindung befestigt und das Gerüst in diesem Zustand von dem Beklagten zur Nutzung freigegeben wurde. Auf die weitere, zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der konkret unfallursächlich gewordene Montagezustand, nämlich die Befestigung der abgerutschten Stange unterhalb der Querstange im Bereich der roten Banderole mit einem Spanngurt, so wie es sich auf dem Foto Nr. 4 der Anlage K 1 (Bl. 22 d. A.) darstellt, von dem Beklagten oder unter seiner Verantwortung von den Zeugen A. und M. hergestellt und in dieser Weise von dem Beklagten freigegeben wurde, wie es der Kläger behauptet hat, kommt es dagegen nicht entscheidend an, da der Beklagte unter dem Aspekt einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung auch dann für das streitgegenständliche Unfallgeschehen haftet, wenn der Entscheidung seine Version zum Ablauf der Geschehnisse zugrunde gelegt wird, mithin die streitgegenständliche Gerüststange mit Spanngurten oberhalb der Querstange angebunden, das Gerüst in diesem Zustand von dem Beklagten freigegeben und dieser Zustand erst nachträglich von Dritten in den konkret unfallursächlich gewordenen Montagezustand geändert wurde, indem durch Maurer, die unstreitig am Tag vor dem Unfallereignis auf der Baustelle tätig waren, zum Zwecke des schnellen Materialtransports die später unfallursächliche Stange ausgehängt und das Netz verschoben beziehungsweise teilweise abgehängt und die besagte Stange dann unsachgemäß in der Weise wieder befestigt wurde, dass die Stange nunmehr unterhalb der Querstange im Bereich der roten Banderole lediglich mit einem Spanngurt remontiert wurde. Eine Verurteilung des Beklagten unter Zugrundelegung dieses, vom Klägervortrag abweichenden Sachvortrags zum Ablauf der Geschehnisse ist möglich, weil der Kläger sich den Beklagtenvortrag im Berufungsrechtszug zulässigerweise hilfsweise zur Begründung seiner Klageansprüche zu Eigen gemacht hat. Im Einzelnen:

aa) Eine Verurteilung des Beklagten auf der Grundlage seines eigenen Vortrags setzt voraus, dass sich der Kläger diesen zumindest hilfsweise zu eigen macht, da ein dem Klägervortrag widersprechendes Vorbringen des Beklagten, das der Klage ebenfalls zur Schlüssigkeit verhilft, nur verwertet werden darf, wenn festzustellen ist, dass der Kläger sich das widersprechende Vorbringen zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat. Nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit des Parteivorbringens kann sich der Kläger die von seinem Sachvortrag abweichenden Behauptungen des Beklagten hilfsweise zu eigen machen und seine Klage darauf stützen. Aber nur wenn der Kläger dies auch tut, darf das Vorbringen des Beklagten der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Wenn der Kläger den Vortrag des Beklagten bestreitet oder ein ihm günstiges Beweisergebnis nicht gegen sich gelten lassen will, ist es nicht zulässig, ihm einen Erfolg aufzunötigen, den er mit dieser tatsächlichen Begründung nicht beansprucht (vgl. BGH, Urteil vom 18.1.2018, I ZR 150/15, bei juris Rn. 39 m.w.N.).

bb) Im Streitfall hatte der Kläger in seiner Berufungserwiderung vom 8.8.2020 (GA 584 ff.) zunächst nicht hinreichend klar gemacht, ob er sich das Beklagtenvorbringen zum Zustand des Gerüsts bei Freigabe und der nachträglichen, vor dem Unfall erfolgten Veränderung durch einen Dritten, namentlich die an dem Tag vor dem Unfall an der Baustelle tätig gewesenen Maurer, hilfsweise zu Eigen machen will. Zwar hatte sich der Kläger in der Berufungserwiderung darauf berufen, es komme nicht auf die Streitfrage an, ob die Gerüststange von dem Beklagten oberhalb oder unterhalb der Querstange montiert worden sei. Jedoch hatte er sich insoweit nur auf das Eingreifen eines vermeintlichen Anscheinsbeweises für die Kausalität zwischen Verkehrssicherungspflichtverletzung und Unfall berufen und in diesem Zusammenhang gemeint, dass der Nachweis einer nachträglichen Veränderung von Dritten seitens des Beklagten nicht erbracht, mithin eine Erschütterung des behaupteten Anscheinsbeweises nicht gelungen sei. Der Senat hat deswegen mit Verfügung vom 14.12.2020 (GA 610) einen rechtlichen Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 ZPO erteilt. Auf diesen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 5.1.2021 dahingehend reagiert, dass er zwar weiterhin bei seinem Vortrag bleibe, dass die abgerutschte Stange mittels Spanngurt unterhalb der Querstange befestigt gewesen sei (GA 620), er sich aber dennoch der Behauptung des Beklagten, wonach dieser die abgerutschte Stange auf der darüber liegenden Querstange aufgelegt und dort mit einem Spanngurt befestigt bzw. das Gerüst in einem solchen Zustand freigegeben habe, hilfsweise anschließe (GA 623 sowie 620).

cc) Der Kläger hat sich damit den widersprechenden Vortrag des Beklagten in zulässiger Weise hilfsweise zu Eigen gemacht.

(1) Eine Partei kann ohne Verstoß gegen die Wahrheitspflicht miteinander logisch oder empirisch unvereinbare, sich gegenseitig ausschließende tatsächliche Behauptungen als Haupt- und Hilfsbegründung für ihren Anspruch vorbringen, wenn sie beide Sachverhalte für möglich hält. Es wäre widersprüchlich, wenn das Gericht Hilfsvorbringen, das mit dem Hauptvorbringen unvereinbar ist, wegen Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht unbeachtet ließe, obwohl die Wahrheit des Hauptvorbringens gerade nicht zur richterlichen Überzeugung feststeht (BGH, Urteil vom 25.1.1956, V ZR 190/54, BGHZ 19, 387; BeckOK-ZPO/Vorwerk/Wolf, 40. Edition Stand: 01.03.2021, § 138 Rn. 34). Auch Vorbringen des Gegners, das dem eigenen Vortrag widerspricht, kann sich die Partei nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit des Parteivorbringens hilfsweise zu eigen machen, solange das Verhältnis der Behauptungen zueinander klargestellt ist und nicht objektiv feststeht, dass die Hilfsdarstellung bewusst wahrheitswidrig abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2015, V ZR 63/13, NJW 2015, 1678, bei juris Rn. 11).

(2) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 5.1.2021 klargestellt, dass er primär bei seiner Behauptung bleibt, wonach der Beklagte die unfallverursachende Gerüststange unsachgemäß unterhalb der hierzu verlaufenden Querstange angebracht hat (GA 620); den Vortrag des Beklagten, wonach eine Befestigung der streitgegenständlichen Stange oberhalb der Querstange mittels Spanngurten erfolgt sei, macht er sich indessen hilfsweise zu eigen (GA 623 sowie 620). Der Kläger hat hiermit seine Behauptungen in ein klares Verhältnis zueinander gestellt, eine bewusste Wahrheitswidrigkeit der Hilfsdarstellung ist nicht erkennbar.

dd) Ausgehend von dem nach Vorstehendem zulässigerweise eingeführten Hilfsvortrag des Klägers, auf den sich der Senat für seine Entscheidung ohne Bindung an die vom Kläger gewählte Rangfolge stützen kann (vgl. OLG Köln, Urteil vom 14.1.1970, 18 U 95/69, MDR 1970, 686; Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO 4. Aufl. § 253 Rn. 69), ist dem Beklagten eine für die Verletzungen des Klägers kausal gewordene Verkehrssicherungspflichtverletzung bereits deshalb vorzuwerfen, weil die unfallverursachende Stange im Zeitpunkt der Freigabe des Gerüsts durch den Beklagten am 5.12.2015 nur mittels Spanngurten und nicht mit einer kraftschlüssigen Verbindung befestigt gewesen ist.

(1) Im rechtlichen Ausgangspunkt gilt, dass derjenige, der eine Gefahrenlage schafft oder unterhält, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (st. Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 2.10.2012, VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30, bei juris Rn. 6 m.w.N.). In diesem Sinne verkehrssicherungspflichtig ist namentlich, wer ein Gerüst freigibt (BGH, Urteil vom 4.4.1989, VI ZR 269/87, NJW-RR 1989, 921, juris Rn. 18) oder allgemein der Unternehmer, der eine Baustelle oder einen Teil davon unterhält (BGH, Urteil vom 18.11.2014, VI ZR 47/13, BGHZ 203, 224, bei juris Rn. 11). Zu berücksichtigen ist zwar, dass insoweit nur ein beschränkter Verkehr – nämlich für die auf der Baustelle Tätigen – eröffnet wird und dass dies Auswirkungen auf die zu treffenden Maßnahmen der Gefahrverhütung haben kann; auch dieser Personenkreis ist aber vor solchen Gefahren zu schützen, die ein naheliegendes Fehlverhalten begründet (BGH, Urteil vom 8.1.2002, VI ZR 364/00, NJW 2002, 1263, bei juris Rn. 6).

(2) Ausgehend hiervon hat das Landgericht zutreffend und von der Berufung unangegriffen angenommen, dass den Beklagten als für die Aufstellung und Freigabe des Gerüsts verantwortlichen Gerüstbauer eine Verkehrssicherungspflicht nach vorstehendem Maßstab traf. Der Beklagte war gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass das Gerüst so errichtet und freigegeben wurde, dass es – insbesondere mit Blick auf seine Stabilität und Standsicherheit – von den auf der Baustelle tätigen Arbeitern gefahrlos benutzt werden konnte.

(3) Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt. Der von ihm freigegebene Montagezustand war verkehrssicherungswidrig und zwar insbesondere auch dann, wenn der konkrete Vortrag des Beklagten zum Montagezustand bei Freigabe des Gerüsts zugrunde gelegt wird, namentlich die streitgegenständliche Gerüststange mit Spanngurten oberhalb der Querstange angebunden war, so wie es sich auf den Lichtbildern in GA 156 ff. darstellt, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 28.8.2017 exemplarisch zur Akte gereicht hat. Aus den in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen L., denen der Senat folgt, ergibt sich unzweifelhaft, dass diese Art der Montage verkehrssicherungswidrig war, da eine Befestigung von Gerüststangen mittels Spanngurten grundsätzlich unzulässig ist, zulässig sind nur kraftschlüssige Verbindungen (vgl. Seite 5 des Gutachtens vom 27.9.2017, GA 172, Seite 2 des Protokolls über die Anhörung des Sachverständigen vom 24.4.2018, GA 203 und Seite 4 f. des Protokolls über die Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 2.6.2021, GA 657 f.). Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat erläutert, dass solche kraftschlüssigen Verbindungen durch die Verwendung sogenannter Geländerkupplungen beziehungsweise Geländerkästchen erzeugt werden. Es handele sich hierbei um ein an das Gerüst anschraubbares Bauteil, das es ermögliche, an denjenigen Stellen des Gerüsts, an denen keine fest verschweißten Geländerhalterungen am Gerüstrahmen vorhanden sind, nachträglich eine kraftschlüssige Verbindung von zu befestigenden Gerüststangen anzubringen (GA 656). Unter Vorhalt der Fotos Nr. 1 und 2 der Anlage K 1 (Bl. 19, 20 d. A.) hat der Sachverständige weiter erläutert, dass ausweislich des Fotos Nr. 1 vom 28.11.2015 das Gerüst im Bereich der späteren Unfallstelle zunächst mit einer Schutzgitterstütze ausgestattet war und diese Konstruktion nachfolgend ausweislich des Fotos Nr. 2 vom 10.12.2015 unter der Verantwortung des Beklagten vor der Freigabe dahingehend geändert wurde, dass die vormalige Schutzgitterstütze durch einen Gerüstrahmen ausgetauscht wurde (GA 657). Der Unterschied zwischen einem Gerüstrahmen und einer Schutzgitterstütze bestehe, so der Sachverständige auf Nachfrage, darin, dass bei einer Schutzgitterstütze auch in höheren Regionen fest verschweißte Geländerkästchen angebracht seien, während das bei einem Gerüstrahmen nicht der Fall sei. Die Konstruktionsänderung habe demnach dazu geführt, dass die zuvor mit der Schutzgitterstütze gegebene kraftschlüssige Verbindung in Höhe der späteren Unfallstelle weggefallen sei, weswegen der Beklagte nach den im Gerüstbau maßgeblichen anerkannten Regeln der Technik gehalten gewesen wäre, in diesem Bereich nunmehr anschraubbare Geländerkupplungen an dem Gerüstrahmen anzubringen, um in fachgerechter Weise auch im höheren Bereich, in dem auch die später abgerutschte seitliche Gerüststange zu montieren war, kraftschlüssige Verbindungen weiterhin sicherzustellen. Der Sachverständige hat im Anhörungstermin vom 2.6.2021 Bezug genommen auf seine erstinstanzlichen mündlichen Erläuterungen vor dem Landgericht und bekräftigt, dass die von dem Beklagten stattdessen gewählte Befestigungskonstruktion mangels kraftschlüssiger Verbindung unzulässig war (GA 658).

(4) Die Freigabe des Gerüsts durch den Beklagten in diesem verkehrssicherungswidrigen Zustand hat die spätere Verletzung des Klägers adäquat kausal und zurechenbar verursacht.

(a) Der Zurechnungszusammenhang ist bei solchen Schäden zu bejahen, die in den Schutzbereich der haftungsbegründenden Norm beziehungsweise der Vertragspflicht fallen, mithin aus denjenigen Gefahren herrühren, zu deren Verhinderung die betreffende Norm erlassen beziehungsweise die betreffende Vertragspflicht übernommen worden ist (sogenannter Schutzzweckzusammenhang, vgl. BGH, Urteil vom 8.12.2020, VI ZR 19/20, NJW 2021, 925 Rn. 11). Der Schädiger haftet demnach nur für solche Schäden, die sich als Verwirklichung der Gefahr darstellen, wegen der der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten untersagt hat (vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 8. Aufl., § 249 Rn. 121; Erman/Ebert, 16. Aufl., Vorb § 249 Rn. 34). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein rein äußerlicher, gewissermaßen zufälliger Zusammenhang genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 10.7.2012, VI ZR 127/11, bei juris Rn. 13). Dies ist anhand einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BGH, Urteil vom 8.12.2020, VI ZR 19/20, NJW 2021, 925 Rn. 11). Dabei wird der haftungsrechtliche Zusammenhang nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Handlung noch weitere Ursachen zu dem eingetretenen Schaden beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn der Schaden erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt auch in derartigen Fällen nur, wenn die zweite Ursache den Geschehensablauf so verändert hat, dass der Schaden bei wertender Betrachtung nur noch in einem äußerlichen, gleichsam zufälligen Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken dagegen in dem Schaden die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (BGH, Urteil vom 22.9.2016, VII ZR 14/16, bei juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 55 m.w.N.).

(b) Ausgehend hiervon ist dem Beklagten der von ihm vorgetragene Geschehensablauf, wonach die unsachgemäß mit Spanngurten befestigte Gerüststange nachträglich von einem der auf der Baustelle tätigen Maurer zum schnelleren Materialtransport entfernt und fehlerhaft unterhalb der Querstange wieder angebracht wurde, so dass die Gerüststange nunmehr bei einem Aufstützen des Klägers von oben mangels fester Stütze nach unten abrutschen konnte, was unmittelbar ursächlich für den Sturz des Klägers wurde, bei der gebotenen wertenden Betrachtung haftungsrechtlich zuzurechnen. In diesem Geschehensablauf hat sich die Gefahr verwirklicht, die der Beklagte dadurch geschaffen hat, dass er in unzulässiger Weise keine kraftschlüssige Verbindung, sondern lediglich Spanngurte zur Befestigung der Gerüststange verwendet hat. Denn wäre die Stange, wie geboten, mit einer kraftschlüssigen Verbindung befestigt gewesen – sei es unter Verwendung einer Schutzgitterstütze, sei es bei Verwendung eines Gerüstrahmens ohne entsprechendes Geländerkästchen an dieser Stelle, wie es hier der Fall war, unter Befestigung einer verschraubten Geländerkupplung (vgl. Anhang zum Sachverständigengutachten, GA 175 f., sowie die mündlichen Erläuterungen des Sachverständen L. vom 2.6.2021, GA 656 f.) –, dann hätte es nicht dazu kommen können, dass ein fachunkundiger Dritter nachträglich, nach Freigabe des Gerüsts, die bloß mit Spanngurten befestigte Stange entfernt und in der letztlich unfallursächlich gewordenen Weise dergestalt remontiert, dass die Stange nunmehr unterhalb der Querstange lediglich mit einem Spanngurt gesichert ist. Wäre eine kraftschlüssige Verbindung vorhanden gewesen, hätte sich auch dem sachunkundigen Dritten aufgedrängt, dass die Stange zur fachgerechten Sicherung in das Geländerkästchen eingehängt werden muss. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, als dass eine Gefahr für eine unsachgemäße Remontage der Gerüststange mittels Spanngurten unterhalb der Querstange hier insbesondere auch dadurch naheliegend mitbegründet war, dass sich an dem von dem Beklagten im Bereich der Unfallstelle verwendeten Gerüstrahmen eine rote Markierung (rote Banderole) befindet. Dieser Umstand konnte einen nicht mit dem Aufbau des Gerüsts vertrauten Dritten leicht zu der Fehlannahme verleiten, dass die Gerüststange an dieser Stelle, beziehungsweise auf dieser Höhe, zu befestigen sei. Wäre die streitgegenständliche Stange beim Aufstützen des Klägers kraftschlüssig in einer Geländerkupplung eingehängt gewesen, wie es geboten gewesen wäre, hätte sich der streitgegenständliche Unfall nicht ereignet, denn die Geländerstange hätte nicht nach unten abrutschen können.

(c) Damit ist der vom Kläger zu erbringende Nachweis für die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Verletzungsverhalten und der eingetretenen Rechtsgutsverletzung geführt, ohne dass es entscheidend darauf ankommt, ob der konkret unfallursächliche Montagezustand – namentlich die Befestigung unterhalb der Querstange mit einem Spanngurt ohne feste Stütze nach unten – unter der Verantwortung des Beklagten hergestellt wurde oder zu Gunsten des Klägers für den Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Unfallereignis eine Beweiserleichterung in Gestalt eines Anscheinsbeweises eingreift.

ee) Dem Beklagten ist schließlich auch ein Verschuldensvorwurf zu machen. Zur Frage des Verschuldens hat das Landgericht zwar Feststellungen nicht getroffen, im Falle der unsachgemäßen Befestigung mittels Spanngurten ohne kraftschlüssige Verbindung, die ein Abrutschen der Stange nach unten sicher verhindert, liegt jedoch ein Verstoß des Beklagten gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB) vor, denn dieser hätte dafür Sorge tragen müssen, dass das Gerüst nicht ohne eine solche fachgerechte kraftschlüssige Befestigung freigegeben wird. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt hat der Beklagte nicht obwalten lassen, insbesondere entschuldigt es ihn nicht, dass er die Vorgabe, dass eine Befestigung mittels Spanngurten ohne kraftschlüssige Verbindung (Geländerkupplung) unzulässig ist, nicht kannte, denn die anerkannten Regeln der Technik müssen dem Beklagten als für die Freigabe des Gerüsts verantwortlichen Gerüstbauer bekannt sein. Der Verschuldensvorwurf wird im Streitfall auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich dieser auf den gesamten haftungsbegründenden Tatbestand – mithin auch auf die haftungsbegründende Kausalität – erstrecken muss (BGH, Urteil vom 8.12.2020, VI ZR 19/20, NJW 2021, 925 Rn. 25) und der Vorwurf der Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 BGB die Vorhersehbarkeit der Gefahr voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 4.5.1993 – VI ZR 283/92, bei Juris Rn. 9). Denn nach ständiger Rechtsprechung verlangt das Erfordernis der Vorhersehbarkeit gemäß § 276 BGB nicht, dass sich der Schädiger vorzustellen vermag, wie sich der Schadenshergang im Einzelnen abspielt und in welcher Weise sich der Schaden verwirklicht, es genügt vielmehr, dass der Schädiger die Möglichkeit des Eintritts eines schädigenden Erfolges im Allgemeinen hätte vorhersehen können (vgl. BGH, Urteil vom 8.12.2020, VI ZR 19/20, NJW 2021, 925 Rn. 25; Urteil vom 4.5.1993 – VI ZR 283/92, bei Juris Rn. 9; Urteil vom 10.11.1992 – VI ZR 45/92, bei Juris Rn. 12). Dies berücksichtigend ist dem Beklagten hier vorzuwerfen, dass er die Befestigung der unfallverursachenden Gerüststange mittels Spanngurten bewusst und willentlich vornahm bzw. dass er das Gerüst in diesem Zustand wissentlich freigab, obschon ihm bewusst war, dass nachträgliche Veränderungen an dem Gerüst durch die auf der Baustelle tätigen Arbeiter zum schnelleren Materialtransport nicht unüblich sind. Insoweit muss sich der Beklagte daran festhalten lassen, dass er selbst schon in seiner Klageerwiderung darauf hinwies, dass er davon ausgehe, dass auf der Baustelle tätige Arbeiter in eigener Verantwortung einen Rückbau des Gerüsts vorgenommen hätten, um Material auf das Dach zu bringen (GA 62). Da dies für den Beklagten also keineswegs einen ungewöhnlichen Geschehensablauf darstellte war die Möglichkeit des Eintritts eines schädigenden Erfolges, wie er sich dann tatsächlich auch ereignete, im Allgemeinen für den Beklagten vorhersehbar, weswegen er fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB handelte, indem er keine Sicherheitsmaßnahmen gegen die Gefahr einer vorbezeichneten fehlerhaften Remontierung durch Dritte traf, insbesondere keine Geländerkupplung zur Befestigung der abgerutschten Stange benutzte.

3. Der unter Berücksichtigung des Vorstehenden dem Grunde nach gegebene Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 1 BGB gegenüber dem Beklagten ist allerdings wegen eines dem Kläger gemäß § 254 Abs. 1 BGB anzulastenden Mitverschuldens auf eine Haftungsquote von 50 % zu kürzen. Soweit das Landgericht dies in der angefochtenen Entscheidung anders gesehen und eine Kürzung des klägerischen Anspruchs unter dem Aspekt eines Mitverschuldens insgesamt verneint hat, beruht die angefochtene Entscheidung auf einem Fehler in der materiellen Rechtsanwendung.

a) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, gilt die Vorschrift des § 254 Abs. 1 BGB, nach der die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon abhängt, inwieweit der Schaden überwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht wurde. § 254 Abs. 1 BGB ist eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Verstößt der Geschädigte gegen die Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, dann erscheint es unbillig, gleichwohl vom Schädiger in uneingeschränktem Umfang Schadensersatz zu fordern; eine Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn der Geschädigte die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (vgl. BGH, Urteil vom 17.6.2014 – VI ZR 281/13, NJW 2014, 2493 Rn. 8 f.).

b) Ausgehend hiervon hat das Landgericht ein Mitverschulden des Klägers an der Entstehung des Schadens gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu Unrecht verneint.

aa) Zuzustimmen ist dem Landgerichts allerdings in seiner Beurteilung, dass es dem Kläger nicht zum Mitverschuldensvorwurf gereicht, die unzureichende Befestigung der abgerutschten Stange vor deren Benutzung als Abstiegshilfe nicht erkannt zu haben.

(1) Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, als einfacher Mitarbeiter der Firma G., der erst am zweiten Tag der Arbeiten zur Baustelle gekommen sei, sei der Kläger nicht gehalten gewesen, das Gerüst vor seinem Besteigen einer allgemeinen Kontrolle zu unterziehen, er habe sich vielmehr darauf verlassen dürfen, dass eine wohl gebotene überschlägige Sichtkontrolle seitens der Firma G. bereits erfolgt gewesen sei. Es sei weder aufgezeigt noch ersichtlich, dass der Kläger habe erkennen können, dass die konkrete Gefahr des Abrutschens der Stange besteht. Dass er offenbar nicht darauf geachtet habe, wie die Stange konkret befestigt war und er deshalb die bereits gegenwärtige Gefahr des Abrutschens verkannt habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Da das Gerüst bereits seitens der Firma G. benutzt worden sei, ohne dass es zu Auffälligkeiten gekommen war, habe er keinen Anlass gehabt, besonders auf den ordnungsgemäßen Aufbau des Gerüsts zu achten.

(2) Dieser Argumentation ist zuzustimmen mit der Einschränkung, dass zwar von dem Kläger grundsätzlich schon erwartet werden konnte, das Gerüst vor der Benutzung im Wege einer einfachen Sichtkontrolle in Augenschein zu nehmen und hierbei auch zu erkennen, dass zwischen oberster Gerüstebene und Dach keine Aufstiegshilfe vorhanden war, nicht jedoch von ihm verlangt werden konnte, vor Nutzung des Gerüsts sämtliche Bauteile, namentlich die Befestigungen der Gerüststangen, auf sachgerechte Ausführung zu überprüfen, denn insoweit durfte er sich zum einen grundsätzlich auf die gebotene überschlägige Kontrolle durch die Firma G. und zum anderen insbesondere aber auch auf eine sachgerechte Kontrolle des freigebenden Gerüstbauers verlassen. Daraus, dass der Kläger vor seiner Entscheidung, die Gerüststange zum Zwecke des Abstiegs zu nutzen, nicht explizit darauf geachtet hat, wie diese genau befestigt ist, kann ihm aus den vom Landgericht angeführten Gründen kein anspruchsmindernder Mitverschuldensvorwurf gemacht werden.

bb) Der Kläger hat jedoch dadurch eine ihm zum Mitverschulden im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB gereichende Obliegenheitspflicht verletzt, dass er die streitgegenständliche Gerüststange als Abstiegshilfe verwendet und er nicht dafür Sorge getragen hat, dass er stattdessen eine Leiter zum Absteigen vom Dach benutzen konnte.

(1) Der Sachverständige L. hat in seinem Gutachten vom 27.9.2017 (Bl. 172 d. A.) und bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 24.4.2018 (Bl. 204 d. A.) unmissverständlich dargelegt, dass die Inanspruchnahme der Gerüststangen auf einer Baustelle als Steighilfe zwar üblich, aber gleichwohl unzulässig sei. Die Gerüststangen seien nicht dafür vorgesehen, sie mit Gewicht zu belasten. Das Gerüst dürfe daher nur auf den Gehflächen oder den Leitern begangen werden.

(2) Das Landgericht hat gemeint, der gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf des Sachverständigen L., den sich der Beklagte zu Eigen gemacht habe, dass der Kläger die Gerüststange zum Absteigen benutzt habe, begründe kein Mitverschulden, weil zu berücksichtigen sei, dass der Kläger erst am zweiten Tag der Arbeiten der Firma G. als deren Mitarbeiter auf die Baustelle gekommen und nicht ersichtlich oder aufgezeigt sei, dass er ohne die Nutzung der Gerüststange vom Dach habe absteigen können. Bei dieser Sachlage habe von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden können, vom Besteigen des Dachs abzusehen, bis ein Gerüstbauer eine Leiter liefert, die ihm das Absteigen auch ohne die Benutzung der Gerüststange ermöglicht.

(3) Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, denn wenn der Kläger Zimmererarbeiten auf dem Dach zu verrichten hatte, dann musste er sich bereits vor dem Aufstieg auf das Dach Gedanken darüber machen, wie er im Anschluss an die Arbeiten das Dach sicher wieder verlassen kann. Wenn es insoweit an einer Leiter fehlte, die eine Benutzung der Gerüststangen zum Abstieg entbehrlich gemacht hätte, was bei einer einfachen Sichtprüfung des Gerüsts erkennbar war, hätte er die Leiter bereits beim Aufstieg mitnehmen oder veranlassen müssen, dass eine Leiter von dritter Seite aufgestellt wird. Der Sachverständige L. hat insoweit Bezug genommen auf die einschlägige Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten (BGV C 22, dort § 10 UVV „Verkehrswege“), nach der das Absteigen vom Dach nur mit geeigneten Mitteln zulässig ist und die die Vorgabe beinhaltet, dass Aufstiege zu Arbeitsplätzen als Treppen oder Laufstege ausgeführt sein müssen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei kurzzeitigen Bauarbeiten Leitern als Aufstiege verwendet werden dürfen und insoweit einfache Anlegeleitern geeignet sind (Seite 6 des Gutachtens vom 27.9.2017, GA 173). Die Zweckentfremdung eines Gerüstgeländes als Steighilfe hat er zwar als übliche Praxis, jedoch als unzulässig bezeichnet. Der Kläger macht nicht geltend, dass die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen unrichtig und ihm diese Vorgaben nicht bekannt gewesen wären. Letzteres wäre auch unmaßgeblich, denn die Kenntnis der einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften muss auch bei den Angestellten eines Zimmererunternehmens, die die Arbeiten an der Baustelle ausführen, vorausgesetzt werden.

(4) Der Verstoß des Klägers gegen § 10 UVV war entgegen der Berufungserwiderung mitursächlich für den Unfall. Denn hätte der Kläger vor dem Aufstieg auf das Gerüst und das Dach für eine sichere und zulässige Aufstiegs- und Abstiegshilfe in Gestalt einer Leiter gesorgt, dann wäre die Verwendung der Gerüststange als Abstiegshilfe auf die Laufebene und die Belastung der Gerüststange mit dem Körpergewicht des Klägers unterblieben und der streitgegenständliche Unfall hätte sich nicht ereignet.

cc) Das dem Kläger anzulastende Mitverschulden vermag die Haftung des Beklagten indessen nicht vollständig auszuschließen. Der Senat geht von einer Mitverschuldensquote des Klägers in Höhe von 50 % aus. Bei der gebotenen Abwägung der Interessen des Schädigers und des Geschädigten war insbesondere zu berücksichtigen, dass sowohl der Beklagte als auch der Kläger gegen sicherheitsrelevante, auf die Ausübung ihrer jeweiligen Berufstätigkeit bezogene Normen verstoßen haben. Dabei war zu Lasten des Beklagten festzuhalten, dass er in unzulässiger Weise anstelle der gebotenen Befestigung der unfallursächlichen Stange mittels einer kraftschlüssigen Verbindung lediglich einen Spanngurt benutzt bzw. das Gerüst in diesem Zustand freigegeben hat. Dem Kläger war vorzuwerfen, dass er sich entgegen der Sicherheitsbestimmungen an der streitgegenständlichen Gerüststange festhielt, um vom Dach auf die Laufebene des Gerüsts zu steigen. Durch diese – unzulässige – Belastung der Stange mit seinem Gewicht hat der Kläger den Unfall erst verursacht. Der Senat geht in Ausübung des ihm bei der Anwendung von § 254 Abs. 1 BGB zustehenden Beurteilungsspielraums davon aus, dass die jeweiligen sicherheitsrelevanten Sorgfaltsverstöße der Parteien im Rahmen der Abwägung der Mitverschuldensanteile gleich zu gewichten sind und demnach eine hälftige Mitverschuldensquote anzusetzen ist.

III. Dem Kläger steht aufgrund der unfallbedingten Verletzungsfolgen ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gemäß § 253 Abs. 2 BGB nebst des zuerkannten Zinsanspruches zu.

1. Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu verschaffen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien. Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren. Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen (Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28.2.2013, 4 U 587/10, bei Juris Rn. 77). Wegen der Genugtuungsfunktion sind ferner das Maß des Verschuldens des Schädigers, die Höhe eines Mitverschuldens des Verletzten sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Seiten heranzuziehen (Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 1.7.2008, 4 U 392/07, NJOZ 2009, 579, 583).

2. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht in seine Erwägungen insbesondere die Schwere und Dauer des unfallbedingten Schadens in Gestalt des Rotatorenmanschettendefekts in der linken Schulter des Klägers eingestellt und berücksichtigt, dass der Kläger in den ersten Wochen nach dem Unfall unter starken Schmerzen litt, die zu erheblichen Beeinträchtigungen der Beweglichkeit des linken Arms führten, dass er stationär behandelt und dabei operiert wurde und dass er bis zum 16.8.2016 arbeitsunfähig war (LGU 24 f.). Ferner hat das Landgericht sich mit der insoweit einschlägigen Rechtsprechung zu vergleichbaren Unfallschäden auseinandergesetzt und auf dieser Grundlage das dem Kläger zustehende Schmerzensgeld mit 5.000 € bemessen.

3. Die Ausführungen des Erstrichters zur Bemessung des Schmerzensgeldes sind im Grundsatz nicht zu beanstanden und werden von der Berufung ausdrücklich auch nicht angegriffen. Allerdings hat das Landgericht das Mitverschulden des Klägers nicht berücksichtigt und insoweit gibt die Schmerzensgeldbemessung des Landgerichts Anlass zur Korrektur, da ein Mitverschulden des Klägers an der Entstehung der erlittenen Verletzungen als wichtiger Bemessungsfaktor zu beachten ist (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 3.2.2020 – 12 U 98/19, bei Juris Rn. 26; OLG Zweibrücken, Urteil vom 13.11.2019 – 1 U 153/14, bei Juris Rn. 79; OLG München, Urteil vom 25.10.2019 – 10 U 3171/18, bei Juris Rn. 73). Im Rahmen der hiernach neu gebotenen Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalls hält der Senat im Hinblick auf die Schwere der erlittenen Verletzung an der linken Schulter, die Dauer der unfallbedingten Beeinträchtigungen, der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit bis August 2016 sowie unter Berücksichtigung des Verschuldens des Beklagten einerseits und des Mitverschuldensanteils des Klägers andererseits ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € für angemessen, so dass – soweit das Landgericht dem Kläger ein weitergehendes Schmerzensgeld zuerkannt hat – die landgerichtliche Entscheidung insoweit abzuändern war.

4. Der geltend gemachte Zinsanspruch war gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zuzusprechen. Mit der Zustellung der Klage am 18.11.2016 ist Rechtshängigkeit der Zahlungsforderung eingetreten, weshalb der Beklagte die berechtigte Schmerzensgeldforderung gemäß § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem Folgetag, dem 19.11.2016, zu verzinsen hat. Soweit das Landgericht den weitergehenden Zinsanspruch (Zinsen bereits ab dem 21.6.2016 unter dem Aspekt des Zahlungsverzugs) abgewiesen hat (LGU 25/26), ist das erstinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen und steht die diesbezügliche Entscheidung daher nicht zur Überprüfung des Senats.

IV. Der mit dem Klageantrag zu 2 verfolgte Feststellungsantrag ist zulässig und unter Berücksichtigung der dem Kläger anzulastenden Mitverschuldensquote in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig, das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung ergibt sich, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, aus der Tatsache, dass der Beklagte seine Haftpflicht in Abrede stellt, der drohenden Verjährung der Ersatzansprüche des Klägers und daraus, dass nach dem Vorbringen des Klägers mit der Entstehung weiterer Schäden noch zu rechnen ist. Für die Feststellung der Einstandspflicht für immaterielle Schäden gilt dies mit der Maßgabe, dass nur die noch nicht vorhersehbaren Verletzungsfolgen, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes noch nicht berücksichtig werden können, von dem Antrag umfasst sind (LGU 27), insoweit ist der Ansicht des Erstrichters zuzustimmen, dass ungewöhnliche und unvorhersehbare Verletzungsfolgen hier schon deshalb nicht ausgeschlossen werden können, weil der Kläger auch heute noch in gewissem Umfang an den Unfallverletzungen leidet und er sich möglicherweise noch behandeln lassen muss (LGU 28).

2. Das Feststellungsbegehren ist jedoch nur in eingeschränktem Umfang begründet. Ihm steht zwar dem Grunde nach ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten zu, der auch dessen künftige Einstandspflicht rechtfertigt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger bei der Schadensentstehung ein Mitverschulden anzulasten ist, das zum einen die Haftung des Beklagten für die materiellen Schäden des Klägers auf eine Quote von 50 % reduziert und zum anderen auch im Rahmen etwaiger künftiger immaterieller Schäden des Klägers als Bemessungsfaktor einzubeziehen ist, so dass dies auch entsprechend bei der Feststellung der Ersatzpflicht zum Ausdruck kommen muss.

V. Zuletzt ist auch der mit dem Klageantrag zu 3 verfolgte Zahlungsanspruch zulässig und teilweise, in Höhe von 413,64 € nebst Rechtshängigkeitszinsen, begründet.

1. Da der Kläger mit diesem Antrag in seiner zuletzt zur Entscheidung gestellten Fassung keine eigenen Rechte mehr verfolgt hat, sondern gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf diesen übergegangene Ansprüche seines Rechtsschutzversicherers, der A. Rechtschutzversicherung, geltend macht, ist das Landgericht zu Recht vom Vorliegen einer gewillkürten Prozessstandschaft ausgegangen, die zulässig ist, wenn der materiell Berechtigte eine entsprechende Erklärung erteilt und dem Kläger an der Durchsetzung des fremden, übertragbaren Rechts im eigenen Namen ein schutzwürdiges Interesse zusteht, das dann gegeben ist, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage hat, das aber auch wirtschaftlicher Natur sein kann (BGH, Urteil vom 24.8.2016, VIII ZR 182/15, NJW 2017, 487 Rn. 17 m.w.N.). Ausgehend hiervon hat der Erstrichter zur Bejahung der Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft zu Recht darauf abgestellt, dass das Schreiben der Rechtsschutzversicherung des Klägers vom 26.9.2016 (GA 79) eine Ermächtigung des Klägers zur Prozessführung beinhaltet. Aus seinem Interesse an der störungsfreien Fortführung des Versicherungsverhältnisses resultiert sein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Verfolgung des fremden Rechts (LGU 29).

2. Dem Umstand, dass es sich bei den gegenständlichen Ansprüchen um Ansprüche des Rechtsschutzversicherers handelt und der Kläger deswegen ohne Einziehungsermächtigung nicht Zahlung an sich selbst beanspruchen kann, hat der Kläger im Rahmen seiner Antragsstellung richtigerweise dadurch Rechnung getragen, dass er die Zahlung an den Rechtsschutzversicherer verlangt.

3. Die – insoweit infolge Anspruchsübergangs (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG) gegenüber dem Rechtsschutzversicherer bestehende – Haftpflicht des Beklagten erfasst auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, die zur Rechtsverfolgung aufgewandt werden und die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH, Urteil vom 10.1.2006, VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn. 5). Der auf den Rechtsschutzversicherer übergegangene Erstattungsanspruch des Geschädigten besteht jedoch, wie das Landgericht zutreffend gesehen hat, nicht uneingeschränkt zwangsläufig in der Höhe der Forderung, mit deren Geltendmachung der Rechtsanwalt betraut war, vielmehr berechnet sich der Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen Kosten im Verhältnis zum Schädiger nur nach der Forderung, die dem Geschädigten tatsächlich zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 7.11.2007, VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888, 1888 f.). Dies vorausgeschickt war der hier geltend gemachte Erstattungsanspruch lediglich aus einem Gegenstandswert von 3.500 € zu berechnen, denn aus der von dem Kläger vorgelegten Kostenabrechnung seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.9.2016 (Anlage K 24, GA 52) ergibt sich, dass die außergerichtliche Rechtsverfolgung auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 6.000 € erfolgte, wobei unter Berücksichtigung der Klageschrift und dem dort angegebenen Gegenstandswert die Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass die Wertberechnung unter dem Ansatz einer Schmerzensgeldforderung in Höhe von 4.000 € und sonstigen Ansprüchen im Wert von 2.000 € erfolgte; abweichendes hat der Kläger nicht dargelegt. Da sich die Ersatzpflicht des Beklagten jedoch nach Maßgabe der obigen Ausführungen auf eine Haftungsquote von 50 % beschränkt und der dem Kläger tatsächlich zustehende Schmerzensgeldanspruch sich auch nur auf einen Betrag von 2.500 € beläuft, war der Erstattungsanspruch lediglich auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 3.500 € zu bemessen, nach der bis zum 31.12.2020 maßgeblichen Gebührentabelle gemäß Anlage 2 zum RVG ergibt sich dementsprechend eine Ersatzforderung in Höhe von 413,64 € nach Maßgabe der folgenden Berechnung:

  • 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG:    327,60 €
  • Auslagen Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €
  • MwSt Nr. 7008 VV RVG:  66,04 €
  • Summe: 413,64 €

3. Die Zinsforderung zu der mit dem Klageantrag zu 3 geltend gemachten Hauptforderung ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 308 Abs. 2 ZPO.

Hierbei waren die Kosten des ersten Rechtszuges entsprechend dem Ergebnis des Rechtsstreits, wie er sich nach Abschluss des Berufungsverfahrens darstellt, unter Bewertung der wechselseitigen Verlustanteile neu zu verteilen, wobei für die erstinstanzliche Kostenentscheidung zusätzlich berücksichtigt werden musste, dass der Kläger erstinstanzlich ursprünglich noch einen weiteren Ersatzanspruch in Höhe von 1.046,35 € für Fahrtkosten geltend gemacht hatte (vgl. GA 97), in Bezug auf den dem Kläger im Rahmen der zu treffenden einheitlichen Kostenentscheidung infolge Klagerücknahme nach mündlicher Verhandlung (vgl. GA 442) in Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten aufzuerlegen waren, der Kläger andererseits erstinstanzlich aber auch nur ein Mindestschmerzensgeld von 4.000 € geltend gemacht hatte, so dass hinsichtlich des Schmerzensgeldantrags auch lediglich eine Verlustquote hinsichtlich der Differenz zwischen Mindestschmerzensgeld und tatsächlich berechtigtem Schmerzensgeld in die Berechnung der Kostenquoten einzustellen war. Daraus ergibt sich für die erste Instanz bei einem Gesamtstreitwert von 10.046,35 € für die erste Instanz (4.000 € Schmerzensgeld, 5.000 € Feststellungsantrag, 1.046,35 € ursprünglicher Klageantrag zu 4) für den Kläger eine Verlustquote von gerundet 50 % und für den Beklagten ebenfalls von 50 %. Für die Berufungsinstanz ergibt sich bei einem Streitwert von 10.000 € für beide Parteien ebenfalls eine Verlustquote von jeweils 50 %.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. § 711 ZPO findet wegen § 713 ZPO keine Anwendung.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

 

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