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Auffahrunfall auf Autobahn nach grundlosem Bremsen ohne verkehrsbedingten Anlass

Autobahn-Auffahrunfall durch grundlose Vollbremsung

Das Gericht hat entschieden, dass die Beklagten 70% des Schadens aus einem Auffahrunfall auf der Autobahn zu tragen haben. Der Unfall wurde durch eine unerwartete Vollbremsung des Beklagten zu 2) verursacht. Es gab keinen zwingenden Grund für diese Bremsung. Die Klägerin erhält einen Großteil der geforderten Schadensersatzansprüche, während einige Forderungen abgewiesen wurden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 331 O 134/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Der Unfall ereignete sich aufgrund einer grundlosen Vollbremsung des Beklagten zu 2) auf der Autobahn.
  2. Die Haftungsverteilung liegt bei 70:30 zu Lasten der Beklagten.
  3. Der Beklagte zu 2) verstieß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO (Straßenverkehrsordnung), da er ohne zwingenden Grund stark abbremste.
  4. Die Schadensersatzforderung der Klägerin wurde teilweise anerkannt, einschließlich der Kosten für das Abschleppen und Mehrkosten durch Mautgebühren und Spritkosten.
  5. Einige Forderungen, wie die Kosten für einen Mitarbeiter und für die Erneuerung eines Königszapfens, wurden abgewiesen.
  6. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner zur Zahlung verpflichtet.
  7. Der Wiederbeschaffungswert des verunfallten Fahrzeuges wurde als angemessen anerkannt.
  8. Das Urteil beruht auf den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Haftung bei Verkehrsunfällen: Grundlose Vollbremsungen und ihre Folgen

Auffahrunfall auf Autobahn: Vorausfahrender bremst grundlos
(Symbolfoto: kung_tom /Shutterstock.com)

Verkehrsunfälle auf Autobahnen stellen ein häufiges und zugleich ernstes Problem dar. Ein besonders brisantes Szenario ergibt sich, wenn ein Unfall durch eine grundlose Vollbremsung verursacht wird. Solche Ereignisse werfen wichtige Fragen hinsichtlich der Haftungsverteilung und des Schadensersatzes auf. Es geht darum, zu klären, inwieweit Fahrer für plötzliche und unbegründete Bremsmanöver verantwortlich gemacht werden können, und wie sich dies auf die Beteiligten eines daraus resultierenden Auffahrunfalls auswirkt.

Im Kontext solcher Ereignisse spielen juristische Überlegungen eine entscheidende Rolle. Es geht nicht nur um die Feststellung der Schuld, sondern auch um die Bewertung der daraus entstehenden Schäden und die daraus resultierenden finanziellen Verpflichtungen. Diese Aspekte bilden den Kern zahlreicher Klagen vor Gericht, bei denen es um erhebliche Summen und wichtige rechtliche Prinzipien geht. Lesen Sie weiter, um Einblicke in ein konkretes Urteil zu erhalten, das Licht auf die Behandlung solcher Fälle in der Rechtspraxis wirft und zeigt, wie Gerichte mit der komplexen Materie der Schadensregulierung bei Auffahrunfällen umgehen.

Unerwartete Vollbremsung auf der Autobahn führt zu Auffahrunfall

Am 10. Dezember 2021 kam es auf der BAB A zu einem gravierenden Verkehrsunfall, ausgelöst durch eine unerwartete Vollbremsung eines Fahrzeuges, das von einem Beklagten geführt wurde. Diese abrupte Aktion führte dazu, dass ein polnischer Sattelzug auffuhr, gefolgt von einem weiteren Aufprall durch das Fahrzeug der Klägerin. Die Klägerin, Mieterin einer Sattelzugmaschine und eines Sattelaufliegers, forderte daraufhin Schadensersatz von den Beklagten, da sie der Meinung war, der Unfall sei allein durch die grundlose Vollbremsung des Beklagten verursacht worden.

Schadensersatzforderungen und Gegenargumente der Beklagten

Die Klägerin machte verschiedene Posten geltend, darunter Wiederbeschaffungskosten für das verunfallte Fahrzeug, Abschleppkosten sowie Mehrkosten für Mautgebühren und Kraftstoff, da kein Erdgasfahrzeug als Ersatz verfügbar war. Die Beklagten hingegen argumentierten, dass die Vollbremsung verkehrsbedingt und moderat gewesen sei und bestreiten zudem die Erforderlichkeit einiger Kostenposten. Sie forderten die Abweisung der Klage.

Gerichtliche Bewertung und Haftungsverteilung

Das Landgericht Hamburg verhandelte den Fall und kam zu dem Schluss, dass die Klage in Teilen begründet sei. Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte zu 2 gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 der Straßenverkehrsordnung verstoßen hatte, da er ohne zwingenden Grund stark abgebremst hatte. Diese Aktion führte zu einer Haftungsverteilung von 70:30 zu Lasten der Beklagten. Die Klägerin erhielt 70 % des ihr entstandenen Schadens ersetzt, einschließlich des Fahrzeugschadens, Abschleppkosten und Mehrkosten durch Sprit und Mautgebühren. Einige Forderungen, wie die Kosten für einen Mitarbeiter und die Erneuerung eines Königszapfens, wurden jedoch abgewiesen.

Auswirkungen des Urteils auf künftige Fälle von Auffahrunfällen

Dieses Urteil beleuchtet die rechtlichen Nuancen bei Auffahrunfällen auf Autobahnen, insbesondere wenn sie durch unerwartete Manöver wie grundlose Vollbremsungen ausgelöst werden. Es zeigt die Wichtigkeit einer genauen Prüfung der Umstände und die Notwendigkeit, sowohl die Verursachungsbeiträge als auch die Schadenshöhe sorgfältig abzuwägen. Der Fall dient als Beispiel für die rechtlichen Herausforderungen, die bei der Feststellung von Schadensersatzansprüchen in Verkehrsunfallsachen auftreten können. Im weiteren Verlauf werden die Details und die Tragweite des Urteils ausführlicher erörtert, um die tiefgreifenden Implikationen dieses Falles für zukünftige Rechtsprechungen im Bereich des Verkehrsrechts zu verdeutlichen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird die Haftungsverteilung bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn bestimmt?

Die Haftungsverteilung bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn wird in der Regel durch die spezifischen Umstände des Unfalls bestimmt. Grundsätzlich gilt der sogenannte Anscheinsbeweis, der besagt, dass der auffahrende Fahrer den Unfall verursacht hat, entweder weil er den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, unaufmerksam war oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist.

Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Wenn beispielsweise das vorausfahrende Fahrzeug unerwartet und ohne ersichtlichen Grund stark abbremst oder die Fahrspur wechselt, kann dies die Haftungsverteilung beeinflussen. In einem solchen Fall könnte der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs ganz oder teilweise für den Unfall verantwortlich sein.

Ein weiterer Faktor, der die Haftungsverteilung beeinflussen kann, ist das Verhalten der Fahrer nach dem Unfall. Wenn beispielsweise ein Fahrzeug auf der Autobahn liegen bleibt und der Fahrer nicht angemessen warnt, kann dies zu einer Mitverantwortung für nachfolgende Auffahrunfälle führen.

Es ist wichtig, nach einem Unfall den genauen Hergang zu dokumentieren und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen, um die spezifischen Umstände des Unfalls und ihre Auswirkungen auf die Haftungsverteilung zu klären.

Welche Rolle spielt der § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO bei der Beurteilung von Bremsmanövern?

Der § 4 Abs. 1 Satz 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) spielt eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung von Bremsmanövern im Straßenverkehr. Dieser Paragraph besagt, dass ein Fahrzeugführer, der vorausfährt, nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen darf. Ein starkes Bremsen liegt vor, wenn es deutlich über das Maß eines normalen Bremsvorgangs hinausgeht.

In der Rechtsprechung wird dieses Gebot so interpretiert, dass ein Fahrer, der ohne zwingenden Grund stark bremst, einen Verkehrsverstoß begeht und im Falle eines dadurch verursachten Auffahrunfalls zumindest eine Teilschuld tragen kann. Ein zwingender Grund für ein starkes Bremsmanöver könnte beispielsweise das Verhindern eines noch größeren Schadens oder einer unmittelbaren Gefahr sein.

Bei der Beurteilung eines Unfalls wird also geprüft, ob das Bremsmanöver des vorausfahrenden Fahrzeugs gerechtfertigt war oder ob es gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO verstieß. War das Bremsen nicht gerechtfertigt, kann dies die Haftungsverteilung zuungunsten des bremsenden Fahrers beeinflussen.

Welche Bedeutung hat der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen?

Der Anscheinsbeweis spielt eine wichtige Rolle bei Auffahrunfällen im Straßenverkehr. Er ist eine typisierte Form des Indizienbeweises und greift in der Regel bei typischen Geschehensabläufen ein. Bei Auffahrunfällen wird typischerweise ein Verschulden des Auffahrenden angenommen. Dies bedeutet, dass derjenige, der aufgefahren ist, auch schuld an dem Auffahrunfall ist. Es wird also zunächst vermutet, dass der Fahrer des auffahrenden Fahrzeuges entweder nicht den notwendigen Sicherheitsabstand eingehalten hat, unaufmerksam war oder zu schnell gefahren ist.

Allerdings gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Der Anscheinsbeweis kann erschüttert werden, wenn der Beschuldigte belegen kann, dass eine ungewöhnliche Situation vorlag, wodurch der Unfall ohne sein Verschulden passieren konnte. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn der Vorausfahrende einen Spurwechsel vornahm und es deshalb zum Auffahrunfall kam.

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Es ist jedoch zu beachten, dass der Anscheinsbeweis nur unter engen Voraussetzungen herangezogen werden darf. Er kann nur Anwendung finden, wenn das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür ist, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet wird, schuldhaft gehandelt hat.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen eine Vermutung für das Verschulden des Auffahrenden darstellt, diese Vermutung jedoch durch den Nachweis ungewöhnlicher Umstände erschüttert werden kann.


Das vorliegende Urteil

LG Hamburg – Az.: 331 O 134/21 – Urteil vom 23.09.2022

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, einen Betrag von 48.034,48 Euro an die V. A. V. AG vertreten durch den Vorstand, V.-Platz… H., zur Schadensnummer SD… , zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.366,96 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2021 auf 54.401,44 Euro bis zum 07.07.2021 und seit dem 08.07.2021 auf 6.366,96 Euro zu zahlen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 821,12 Euro freizuhalten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 32 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 68 %.

4. Das Urteil ist für die Parteien gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin beansprucht von den Beklagten Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 10. Dezember 2021 auf der BAB A… in H. ereignet hat.

Die Klägerin war Mieterin einer Sattelzugmaschine plus Sattelauflieger. Eigentümerin war die H. K. OHG.

Die Klägerin trug die Kosten, die im Rahmen des Betriebes des Fahrzeuges anfielen. Die H. K. OHG hat ihre Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Vorfall an die Klägerin abgetreten.

Der Beklagte zu 2) befuhr mit dem bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeug auf der BAB A… . Der Beklagte zu 2) überholte mit dem bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeug einen polnischen Sattelzug, der auf der rechten Fahrspur vor dem von der Klägerin gemieteten Sattelzug fuhr. Er scherte auf die rechte Fahrspur vor diesem polnischen Sattelzug ein. Nach dem Einscheren bremste der Beklagte zu 2) das Fahrzeug ab. Der vor dem Fahrzeug der Klägerin fahrende polnische Fahrer fuhr mit seinem Sattelzug auf das bei der Beklagten zu 1) versicherte Fahrzeug auf. Nachdem der polnische Sattelzug auf das Fahrzeug des Beklagten zu 2) aufgefahren war, fuhr auch das gemietete Fahrzeug der Klägerin hinten auf den polnischen Sattelzug auf.

Die Einzelheiten der Kollision sind streitig.

Die Klägerin nahm den Kaskoversicherer des Sattelzuges in Anspruch. Nach dem von der Kaskoversicherung eingeholten Sachverständigengutachten der D. vom 22.12.2020 (Anlage K 1) betrug der Wiederbeschaffungswert 93.000,– Euro. Der Kaskoversicherer erstattete der Klägerin im Laufe dieses Verfahrens den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe eines Betrages von 68.620,69 Euro.

Für das Abschleppen des Fahrzeuges berechnete die S. GmbH 3.134,– Euro (Anlage K 4). Die Firma A. S. berechnete für das Abschleppen des Fahrzeuges einen Betrag in Höhe von 1.260,– (Anlage K 5).

Die Klägerin beansprucht weiter einen Betrag von 156,64 Euro für eine Rechnung der Firma B..

Des Weiteren beansprucht die Klägerin 546,25 Euro für den Einsatz eines Mitarbeiters.

Weiterhin beansprucht die Klägerin einen Betrag von 4.681,66 Euro für Mehrkosten, die ihr in dem Zeitraum 16.12.2020 bis zum 26.01.2021 dadurch entstanden sind, dass ihr kein mit Erdgas betriebenes Leihfahrzeug zur Verfügung stand. Neben diesen Positionen beansprucht die Klägerin eine Kostenpauschale von 25,– Euro.

Die Klägerin trägt vor, der Unfall sei allein auf eine völlig grundlos vorgenommene Vollbremsung des Beklagten zu 2) zurückzuführen. Bei dem von der Klägerin gemieteten Fahrzeug sei sowohl der Geschwindigkeitstempomat wie auch der Abstandshalter eingeschaltet gewesen. Das Fahrzeug habe somit automatisch den Abstand zum vorausfahrenden Sattelzug eingehalten und hätte auch in einer Gefahrsituation rechtzeitig bremsen können.

Ihr sei ein Schaden dadurch entstanden, dass sie durch die Nichtnutzbarkeit des verunfallten Fahrzeuges einen erhöhten Aufwand für Kraftstoff gehabt habe. Bei dem verunfallten Fahrzeug habe es sich um ein Erdgasfahrzeug gehandelt. Dieses Fahrzeug sei auch von der LKW-Maut befreit. Die Klägerin habe sich nach dem Verkehrsunfall bemüht, ein Leihfahrzeug mit Erdgas zu erlangen, dies sei jedoch nicht möglich gewesen. Dadurch, dass die Klägerin keinen Erdgassattelzug habe anmieten können, habe sie ihre Aufträge mit einem Dieselsattelzug durchführen müssen. Hierfür seien im Zeitraum 16.12.2020 bis 26.01.2021 gesonderte Kosten durch Mautgebühren und Spritkosten in Höhe von 4.681,66 Euro netto angefallen. Ihr sei auch dadurch ein Schaden entstanden, dass ihr eigener Mitarbeiter den verunfallten Auflieger in Hamburg habe abholen müssen. Der Mitarbeiter L. M. sei am 10.12.2020 in der Zeit von 10.30 Uhr bis 16.15 Uhr, mithin 5,7 Stunden, beschäftigt gewesen. Ihr sei insoweit ein Schaden von 546,25 Euro netto entstanden, bei einem Stundensatz von 95,– Euro. Dieser sei üblich und angemessen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Hierzu tragen sie vor, der Beklagte zu 2) habe verkehrsbedingt kurz und moderat gebremst. Aufgrund eines Blockieren der Räder habe er dann nicht beschleunigen können. Gegen die Klägerin streite ein Anscheinsbeweis, dass der Fahrer der Sattelzugmaschine den nötigen Abstand nicht einhalten können. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges sei zu hoch angesetzt worden. Des Weiteren bestreitet die Beklagte die Erforderlichkeit der Abschleppkosten und dass der Klägerin durch die Nichtnutzbarkeit des verunfallten Fahrzeugs ein erhöhter Aufwand für Kraftstoff entstanden sei. Sie bestreitet, dass insofern gesonderte Kosten durch Mautgebühren und Sprit in Höhe von 4.681,66 Euro angefallen seien.

Das Gericht hat den Beklagten zu 2) nach § 141 ZPO persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2021.

Das Gericht hat weiter Beweis erhoben über die Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeuges. Insoweit wird Bezug genommen auf das Gutachten der Sachverständigen G. vom 25.04.2022 und deren ergänzende Stellungnahme vom 15.06.2022.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet und insoweit abzuweisen.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz von 70 % des ihr durch den Unfall am 10. Dezember 2021 entstandenen Schadens gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823 BGB, 115 VVG.

Der Verkehrsunfall hat sich sowohl beim Betrieb des von der Klägerin gemieteten Fahrzeuges als auch beim Betrieb des bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeuges ereignet (§ 7 Abs. 1 StVG). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verkehrsunfall bei Anwendung höchster Sorgfalt für jeden der Unfallbeteiligten vermeidbar gewesen wäre, liegt ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG für keinen der Beteiligten vor. Die beiderseitigen Verursachungsbeiträge sind daher gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG gegeneinander abzuwägen. Dabei kann das Gericht dieser Abwägung allein unstreitige oder erwiesene Tatsachen zugrunde legen. Auf dieser Grundlage erachtet das Gericht eine Haftungsverteilung im Verhältnis 70:30 zu Lasten der Beklagten für angemessen. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Der Beklagte zu 2) hat gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO verstoßen.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO darf der Vorausfahrende nicht ohne zwingenden Grund stark abbremsen. Voraussetzung ist danach zum einen, dass der Vorausfahrende deutlich über das Maß eines normalen Bremsvorgangs hinaus gebremst hat (vgl. KG, Versicherungsrecht 2002, 1571; Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 4 StVO Rn. 11). Zum anderen muss nachgewiesen sein, dass kein zwingender Grund für ein plötzliches Bremsmanöver vorlag. Vorliegend hat der Beklagte zu 2) eingeräumt, dass er mit seinem Fahrzeug zunächst auf die rechte Spur eingeschert sei und dann sein Fahrzeug eigenständig eine starke Vollbremsung durchgeführt habe. Das bei der Beklagten zu 1) versicherte Fahrzeug ist mithin deutlich über das Maß eines normalen Bremsvorgangs hinaus abgebremst worden. Unstreitig ist geblieben, dass ein zwingender Grund für ein starkes Abbremsen nicht vorlag. Auch wenn der Beklagte zu 2) die von ihm geschilderte Vollbremsung nicht verschuldete, sondern seine Behauptung, es habe ein Fahrzeugdefekt vorgelegen, ist von einer Haftungsquote von 70 % auszugehen. Ein Fahrzeug, bei welchem auf einer Bundesautobahn die Bremsen versagen, hat eine extrem hohe Betriebsgefahr.

Der gegen die Klägerin als Auffahrende sprechende Anscheinsbeweis ist im Hinblick auf den nachgewiesenen Verstoß des Beklagten zu 2) gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO erschüttert.

Ein Verschulden des Zeugen T. vermag das Gericht vorliegend nicht festzustellen. Der Zeuge T. musste auf der Bundesautobahn nicht mit einer starken Bremsung der vor ihm fahrenden LKWs rechnen. Auf Seiten der Klägerin ist jedoch die Betriebsgefahr des Fahrzeuges in Ansatz zu bringen. Bei besonderer Aufmerksamkeit und erhöhter Bremsbereitschaft des Zeugen T. hätte der Unfall möglicherweise vermieden werden können. Auf der Bundesautobahn war jedoch eine plötzliche Vollbremsung unwahrscheinlich, so dass die Beklagten den überwiegenden Teil des Schadens zu tragen haben.

Zur Schadenshöhe gilt Folgendes.

Die Beklagte ist verpflichtet, 70 % des Fahrzeugschadens an die V. A. V. AG zu erstatten.

Nach den Feststellungen der Sachverständigen Dipl.-Ing. G. in ihrem Gutachten vom 25.04.2022 ist der von der Klägerin in Ansatz gebrachte Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges in Höhe von 93.000,– Euro jedenfalls nicht überhöht. Abzüglich des Restwertes ergab sich ein Betrag in Höhe von 68.620,69 Euro. Hiervon haben die Beklagten 70 %, mithin einen Betrag in Höhe von 48.034,48 Euro, zu erstatten.

Die Beklagten sind weiter als Gesamtschuldner verpflichtet, der Klägerin 70 % der entstandenen Abschleppkosten des Fahrzeuges zu erstatten. Die Abschleppkosten des Fahrzeuges hat die Klägerin durch Vorlage der Rechnungen Anlage K 4 und Anlage K 5 belegt.

Die Beklagten haben weiterhin 70 % der Mehrkosten, welche durch Mautgebühren und Spritkosten entstanden sind, zu erstatten. Die Beklagten sind auch insoweit der Aufstellung der Klägerin (Anlage K 8) jedenfalls substantiiert nicht mehr entgegen getreten. Von dem geltend gemachten Betrag in Höhe von 4.681,66 Euro waren von den Beklagten 70 %, mithin 3.277,16 Euro, zu erstatten.

Die Kostenpauschale beträgt nach der Rechtsprechung der Verkehrskammern 20,– Euro, soweit wie hier vorliegend ein weiterer Schaden nicht nachgewiesen ist. Hiervon waren ebenfalls 70 %, mithin ein Betrag von 14,– Euro, zu erstatten.

Insgesamt ergab sich ein von den Beklagten als Gesamtschuldner zu erstattender Betrag in Höhe von 6.366,96 Euro.

Soweit die Klägerin für einen Mitarbeiter und dessen Tätigwerden einen Betrag von 546,25 Euro netto beansprucht, war die Klage abzuweisen. Insoweit hat die Klägerin nicht dargelegt, dass dem Unternehmen durch den Einsatz ihres Mitarbeiters ein Schaden entstanden ist.

Soweit die Klägerin weiterhin 156,74 Euro für die Erneuerung eines Königszapfens beansprucht, war die Klage ebenfalls abzuweisen. Für das Gericht war nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um einen unfallbedingten Schaden handeln könnte.

Der Zinsanspruch auf die geltend gemachte Forderung beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Darüber hinaus schulden die Beklagten der Klägerin die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Diese sind auf einen Gegenstandswert von 54.401,44 Euro zu berechnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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