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Unzulässige Formaldehydkonzentration in Einbauküche als erheblicher Mangel

Formaldehyd-Gefahr: Einbauküchen können gesundheitsschädlich sein

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat entschieden, dass eine unzulässig hohe Formaldehydkonzentration in einer gelieferten Einbauküche einen erheblichen Mangel darstellt. Der Beklagte, der Käufer der Küche, hatte aufgrund dieser gesundheitsgefährdenden Emissionen eine Minderung des Kaufpreises gefordert. Das Gericht bestätigte, dass die Formaldehydemission über den zulässigen Grenzwerten lag und somit der Mangel signifikant und gesundheitsgefährdend war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 U 109/87 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Klägerin, ein Küchenhersteller, forderte die Zahlung des Restkaufpreises für die gelieferte und montierte Einbauküche.
  2. Der Beklagte machte geltend, dass die Küche Formaldehyd in unzulässiger Konzentration emittierte und verweigerte die vollständige Zahlung.
  3. Untersuchungen bestätigten eine Formaldehydkonzentration, die deutlich über den gesetzlich zulässigen Grenzwerten lag.
  4. Das Gericht stellte fest, dass die Einbauküche wegen der hohen Formaldehydemissionen fehlerhaft war.
  5. Die gesundheitlichen Risiken durch die Formaldehydemissionen führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohlbefindens des Beklagten und seiner Familie.
  6. Die Klägerin wurde zur Verantwortung gezogen, da sie für den Zustand der verkauften Küche haftet.
  7. Das Urteil berücksichtigte, dass die Formaldehydemissionen zeitlich begrenzt waren, jedoch war die Überschreitung der Grenzwerte so erheblich, dass sie als nicht unerheblicher Mangel eingestuft wurde.
  8. Die Klägerin konnte sich nicht darauf berufen, dass sie die als mangelfrei erachteten Produkte eines anderen Herstellers verwendet hatte, da sie für den gesamten Zustand der Küche verantwortlich war.

Unzulässige Formaldehydkonzentration: Ein juristischer Blickpunkt

Unzulässiger Formaldehydgehalt in Einbauküchen
(Symbolfoto: PK-Donovan /Shutterstock.com)

Die Qualität und Sicherheit von Einrichtungsgegenständen sind essentielle Aspekte, die nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Gesundheit der Nutzer direkt beeinflussen. Ein spezielles Augenmerk liegt hierbei auf der Formaldehydkonzentration in Möbelstücken, insbesondere in Einbauküchen. Dieses Thema gewinnt an Bedeutung, da es sowohl Verbraucherrechte als auch Herstellerpflichten berührt und dabei grundlegende Fragen zur Produktsicherheit und Gesundheitsrisiken aufwirft.

In diesem Kontext ist die rechtliche Auseinandersetzung zwischen einer Klägerin, typischerweise dem Hersteller oder Verkäufer, und einem Beklagten, dem Kunden, von zentraler Bedeutung. Die Kernfrage dreht sich um die Verantwortlichkeit und mögliche Konsequenzen, wenn Produkte, hier spezifisch Einbauküchen, gesundheitsschädliche Stoffe ausstoßen, die über den gesetzlich zulässigen Werten liegen. Die folgenden Ausführungen befassen sich mit einem konkreten Fall, der diese Problematik aufgreift und beleuchten die juristischen Feinheiten dieses wichtigen Themas. Lassen Sie uns gemeinsam in die Tiefen dieser faszinierenden und bedeutsamen juristischen Auseinandersetzung eintauchen.

Der Streit um die Formaldehydkonzentration in einer Einbauküche

Bei diesem Rechtsfall dreht sich alles um die Lieferung und Montage einer Einbauküche, für die die Klägerin, ein Küchenherstellungswerk, von dem Beklagten den Restkaufpreis einfordert. Der Kern des Konflikts liegt in der Behauptung des Beklagten, die Küche habe Formaldehyd in einer unzulässigen Konzentration emittiert. Diese Angelegenheit führt zu einer intensiven rechtlichen Auseinandersetzung, die sich auf die Einhaltung von gesundheitlichen Sicherheitsstandards und Verbraucherrechten konzentriert.

Die Beweisführung und Gegenargumente beider Parteien

Der Beklagte ließ nach der Montage der Küche eine Untersuchung durchführen, welche eine erhöhte Formaldehydkonzentration ergab – weit über dem gesetzlichen Grenzwert. Dies führte zu seiner Forderung nach Rücknahme der Küche und Verweigerung der Restzahlung. Die Klägerin hingegen berief sich auf die Angaben des Zulieferers, laut denen die verwendeten Spanplatten den Richtlinien entsprechen und kein Risiko darstellen. Sie argumentierte weiter, dass ein möglicher Mangel nur kurzfristig bestanden habe und somit als unerheblich zu bewerten sei.

Gerichtliche Entscheidung und ihre Begründung

Das Gericht stellte fest, dass die Einbauküche einen erheblichen Mangel aufwies, da die Formaldehydemissionen die zulässigen Grenzwerte überschritten. Dieser Mangel minderte den Wert und die Gebrauchstauglichkeit der Küche erheblich. Interessant ist, dass das Gericht die Argumentation der Klägerin, sie sei für den Mangel nicht verantwortlich, da sie lediglich Produkte eines anderen Herstellers verwendete, nicht gelten ließ. Die Klägerin wurde für den Zustand der verkauften Sache haftbar gemacht.

Implikationen des Urteils und Ausblick auf weitere rechtliche Bewertungen

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung gesundheitlicher Standards und die Verantwortung der Hersteller für die Sicherheit ihrer Produkte. Die Entscheidung des Gerichts hebt hervor, dass die Nichtbeachtung gesetzlicher Grenzwerte für Gesundheitsrisiken, wie die Formaldehydkonzentration, zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen kann. Es zeigt auch, dass im Falle von Mängeln die Verbraucherrechte gestärkt werden und Hersteller für die Qualität ihrer Produkte vollumfänglich einstehen müssen. Der Fall gibt einen wichtigen Einblick in die rechtliche Bewertung von Produktmängeln und deren Auswirkungen auf die Verbraucher und die Industrie.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was definiert einen erheblichen Mangel bei einem Kaufgegenstand?

Ein „erheblicher Mangel“ bei einem Kaufgegenstand ist definiert durch die Auswirkungen des Mangels auf die Verwendung des Gegenstandes und die Kosten für die Mängelbeseitigung.

Ein Mangel ist erheblich, wenn er die Verwendung des Gegenstandes in großem Umfang einschränkt oder sogar unmöglich macht. In Bezug auf die Kosten für die Mängelbeseitigung hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Mangel bereits dann als erheblich angesehen werden kann, wenn die Kosten für die Mängelbeseitigung 5% des Kaufpreises übersteigen.

Es ist jedoch zu beachten, dass auch ein erheblicher Mangel nicht unmittelbar zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Zunächst muss der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung setzen.

Wenn der Mangel erheblich ist und den Verkäufer ein Verschulden trifft, kann der Käufer Schadensersatz statt der geschuldeten Leistung verlangen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Erheblichkeit eines Mangels immer im Einzelfall zu beurteilen ist und von verschiedenen Faktoren abhängt, einschließlich der Art des gekauften Gegenstandes und der spezifischen Umstände des Kaufs.

Welche rechtlichen Folgen hat eine Überschreitung der zulässigen Formaldehydkonzentration in Produkten?

Die Überschreitung der zulässigen Formaldehydkonzentration in Produkten kann verschiedene rechtliche Folgen haben. Formaldehyd ist ein bekanntes Reizmittel, das die Schleimhäute der Augen und der oberen Atemwege reizen kann. Daher sind Grenzwerte festgelegt, um die Gesundheit der Menschen zu schützen.

Wenn ein Produkt die zulässige Formaldehydkonzentration überschreitet, kann dies als Mangel angesehen werden. Dies kann zu einer Mietminderung berechtigen und sogar eine fristlose Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung begründen. Darüber hinaus kann der Käufer eines solchen Produkts Schadensersatz verlangen.

In einigen Fällen kann die Überschreitung der zulässigen Formaldehydkonzentration auch steuerliche Auswirkungen haben. Wenn beispielsweise die Formaldehydkonzentration in Innenräumen den Grenzwert von 0,1 ppm überschreitet, können Maßnahmen zur Beseitigung dieser Ausgasung als steuerlich abzugsfähig angesehen werden.

Es ist auch zu erwähnen, dass Formaldehyd als krebserzeugend eingestuft ist. Daher kann die Überschreitung von Grenzwerten zu rechtlichen Konsequenzen führen, die in der Verantwortung des Herstellers liegen.

Die genauen rechtlichen Folgen können jedoch je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls variieren, einschließlich der Art des Produkts, der Höhe der Überschreitung der Formaldehydkonzentration und der Auswirkungen auf die Gesundheit der Nutzer.


Das vorliegende Urteilt

OLG Frankfurt – Az.: 1 U 109/87 – Urteil vom 09.05.1988

Tatbestand

Die Klägerin, ein Küchenherstellungswerk, verlangt von dem Beklagten Zahlung eines Restkaufpreises für die Lieferung und Montage einer Einbauküche.

Die Parteien hatten am 13.2.1985 einen Kaufvertrag über eine komplette Einbauküche zu einem Festpreis von 19.740,- DM (einschließlich Transport und Montagekosten) geschlossen. In dem Betrag waren die Preise u.a. für einen Kühlschrank, ein Mikrowellengerät und ein Glaskeramik-Kochfeld enthalten. Die Küche sollte in das nach baubiologischen Grundsätzen neu erbaute Haus des Beklagten eingebaut werden.

Der Beklagte machte gegen den Restkaufpreis einen Minderungsanspruch mit der Begründung geltend, die Einbauküche habe Formaldehyd in einer unzulässigen Konzentration emittiert.

Die Klägerin hat zu den Verkaufsgesprächen mit dem Beklagten in einem Schreiben v.19.7.1985 u.a. ausgeführt: „Einer Klarstellung bedarf auch Ihre Äußerung, daß unser Küchenfachberater, Herr H., auf Befragen hin erklärt habe, die Küche sei formaldehydfrei. Richtig ist hingegen, daß Herr H. in Beantwortung ihrer Anfrage Ihnen ein Formblatt überreichte, aus welchem deutlich hervorgeht, daß die von unserem Zulieferanten produzierten Spanplatten den vorgegebenen Richtlinien entsprechen.“

In einem Informationsblatt der Zulieferfirma Z. wird darauf verwiesen, daß die von Z. hergestellten – und näher bezeichneten – Spanplatten den geforderten Werten der Schadstoffverordnung entsprächen und in Innenräumen durch sie eine Formaldehydkonzentration von 0,1 ml/cbm (ppm) nicht überschritten. Das Informationsblatt endet mit dem Hinweis, daß sichergestellt sei, die Verwendung von beschichteten Spanplatten und Hartfaserplatten des Herstellerwerkes Z. stelle kein Risiko dar.

Die Klägerin lieferte die Küche am 12.7.1985 und montierte sie am 15.7.1985. Nach der Rechnung der Klägerin war der Festpreis von 19.740,- DM sofort nach der Montage fällig, abzüglich eines Skontos von 987,- DM.

Am 16.7.1985 ließ der Beklagte die Küche von dem Dipl.-Ing. für Umwelt- und Hygienetechnik J. auf Formaldehydemissionen untersuchen. Dieser stellte eine Formaldehydkonzentration in der Küche von 0,5 ppm fest. Daraufhin verlangte der Beklagte von der Klägerin die Rücknahme der gelieferten Küche.

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Eine weitere Nachuntersuchung des Dipl.-Ing. J. am 19.7.1985 ergab eine Formaldehydkonzentration in der Küche von 0,3 ppm und in einem Unterschrank von 1,0 ppm.

Auf die Zahlungsaufforderung der Klägerin v.19.7.1985 (mit einem Zahlungsziel von 10 Tagen) verweigerte der Beklagte die Kaufpreiszahlung und leitete im August 1985 ein Beweissicherungsverfahren beim AG ein. Eine im Rahmen dieses Verfahrens vom Institut F. am 28.11.1985 durchgeführte Untersuchung und Messung gelangte zu dem Ergebnis, daß die gelieferte Kücheneinrichtung hinsichtlich einer eventuellen Formaldehydabgabe als nicht mangelhaft bezeichnet werden könne; dieses Gutachten v. 2.1.1986 wurde durch eine Stellungnahme v. 12.6.1986 des vorgenannten Instituts dahin ergänzt, daß aus den gewonnenen Untersuchungsergebnissen keine Rückschlüsse auf Formaldehyd-Emissionen für eine vorausgegangene Zeit gezogen werden könnten, da für solche Ausdünstungen mehrere – zeitlich wechselnde – Parameter eine Rolle spielen würden.

Der Beklagte zahlte nunmehr am 11.6.1986 einen Betrag von 10.000,- DM und am 1.7.1986 weitere 4.500,- DM.

Die Klägerin verlangt Zahlung von 5.240,- DM nebst Zinsen.

Der Beklagte hat vorgetragen, auf Grund der von dem Dipl.-Ing. J. festgestellten Formaldehydkonzentration am 16.7.1985 seien die zulässigen Grenzwerte einer Formaldehydkonzentration für Wohnräume bei weitem überschritten worden. Unmittelbar nach der Lieferung und Montage der Küche habe sich im Küchenraum ein intensiver, beißender Geruch entwickelt; dieser habe zu Reizungen der Augen, des Rachens und der Bronchien sowie zu starken Kopfschmerzen geführt.

Das LG hat den Beklagten zur Zahlung von 3.530,- DM nebst Zinsen verurteilt. Das erstinstanzliche Gericht hat ausgeführt, die Einbauküche sei auf Grund einer zu hohen Formaldehydemission in den Wochen nach der Lieferung als fehlerhaft zu beurteilen; diese Fehlerhaftigkeit habe die Klägerin auch zu vertreten. Bei der Berechnung der Höhe der Minderung seien allerdings zunächst die im Festkaufpreis enthaltenen Kosten für elektrische Geräte, die selbst kein Formaldehyd emittierten, abzusetzen. Der verbleibende Restbetrag sei um 10% zu kürzen; dabei sei berücksichtigt worden, daß die Einbauküche einerseits eine Haltbarkeitsdauer von mehreren Jahren besitze, und andererseits eine eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der Küche nur für wenige Monate bestanden habe.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, durch die Formaldehydemission sei der Wert der Küche bzw. deren Eignung zum gewöhnlichen oder vertraglich vorausgesetzten Gebrauch nicht herabgesetzt worden. Darüber hinaus sei ein – unterstellter – Mangel auch nur als unerheblich zu bewerten, da er nur kurzfristig bestanden habe. Schließlich habe sie für einen Mangel auch nicht einzustehen, weil sie keine eigene Prüfungspflicht bezüglich der Formaldehydemissionen treffe; sie verwerte die ihr angelieferten Spanplatten, die von dem Herstellerwerk als risikolos bezeichnet worden sind. Schließlich sei der Wert der für eine Minderung nicht in Betracht kommenden Gerätschaften, nämlich der der Elektrogeräte, als zu niedrig angesetzt worden. Außerdem habe das LG nicht festgestellt, daß das körperliche Wohlbefinden des Beklagten und seiner Familie tatsächlich durch Emissionen beeinträchtigt worden sei.

Entscheidungsgründe

Der von der Klägerin verkauften Einbauküche haftete ein Fehler an, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch minderte (§ 459 BGB). Denn sie emittierte Formaldehydkonzentrationen, die über den vom Bundesgesundheitsamt als zulässig erachteten Grenzwerten von 0,1 mg/cbm lagen. Diese Feststellung beruht auf den Untersuchungen des Ingenieurs für Umwelt-Hygienetechnik J.

Nach dem Vertrag sollte die Kücheneinrichtung im Hause des Beklagten keine oder jedenfalls keine die zulässigen Grenzwerte überschreitenden Formaldehydemissionen abgeben. Das ergibt sich aus dem im Tatbestand zitierten Schreiben der Klägerin an den Beklagten v.19.7.1985. Wenn dort das Problem der Freisetzung von Formaldehydemissionen erwähnt wurde und zugleich auf die Übergabe eines Informationsblattes des Zulieferers hingewiesen wurde, so kann daraus nur gefolgert werden, daß der Beklagte über die Hinweise des Herstellerwerkes Z. zur vermeintlich schadstoffarmen (formaldehydarmen) Herstellung von Spanplatten informiert worden ist. Eine Erörterung zwischen den Vertragsparteien hierüber war auch naheliegend, da der Beklagte unstreitig sein Haus nach baubiologischen Gesichtspunkten erstellt und unwidersprochen dabei Naturstoffe und -farben verwendet hat. Seine Intension, sein Haus in nicht gesundheitsbeeinträchtigender Weise zu erstellen, wäre gestört worden, wenn er in die zum Wohnen und Arbeiten vorgesehenen Räume Stoffe hätte einbringen lassen, die eine gesundheitsschädigende oder zumindest gesundheitsgefährdende Wirkung ausüben konnten. Die Erörterung der Vertragsparteien über die Verwendung von Formaldehyd beim Herstellen der gekauften Einbauküche findet danach nicht nur formal in dem Schreiben der Klägerin v. 19.7.1985 seine Stütze, sondern wird auch aus dem inneren Zusammenhang heraus, nämlich der Absicht, gesundheitsbewußt zu wohnen, bestätigt. Damit war auch für die Klägerin erkennbar und in ihren Willen eingegangen, daß von den von ihr verkauften Gegenständen keine die zulässigen Grenzwerte überschreitenden Formaldehydkonzentrationen ausgehen durften. Diese beiderseitigen Vorstellungen sind danach Gegenstand des Bewußtseins geworden, daß nach dem Vertrag ein Gebrauch vorausgesetzt wurde, welcher eine gesundheitsgefährdende Beeinträchtigung des Käufers (des Beklagten) ausschließen sollte. Dem hat die Einbauküche für einen Zeitraum von etwa vier Monaten nicht entsprochen.

Der Sachverständige Zeuge J. hat bekundet, seine Messung am 16.7.1985 habe eine Formaldehydkonzentration von 0,5 ppm ergeben. Seine Nachmessung am 19.7.1985 hat zwar einen geringeren Wert, nämlich von ca. 0,3 ppm ausgewiesen, dennoch überschritt auch dieser Wert den zulässigen Grenzwert von 0,1 ppm ganz wesentlich. Hinzu kommt, daß bei der Messung am 19.7.1985 in einem Unterschrank der Küche ein extrem hoher Formaldehydkonzentrationswert von 1,0 ppm durch den Zeugen J. festgestellt worden ist. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß es sich bei der Überschreitung des Grenzwertes von 0,1 ppm um die vorgenannten Werte um ganz erhebliche – unzulässige – Konzentrationserhöhungen gehandelt hat. Denn wie bereits erwähnt worden ist, stellt eine Überschreitung des Grenzwertes von 0,1 ppm (0,12 mg/cbm) nach dem gemeinsamen Bericht des Bundesgesundheitsamtes und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz sowie des Umweltbundesamtes v. 1.10.1984 ein Risiko im Sinne einer gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkung dar. Davon geht im übrigen nicht nur das Herstellerwerk (Z.) der Spanplatten in seinem Informationsblatt, sondern auch die von der Klägerin vorgelegten Prüfzeugnisse des Fraunhofer Instituts für Holzforschung aus, daß seiner Untersuchung die „ETB-Richtlinien über die Klassifizierung von Spanplatten bezüglich Formaldehydabgabe“ (Fassung April 1980) zugrunde gelegt hat. Danach bedarf es keiner tiefergreifenden Begründung der Feststellung, daß eine verkaufte Sache, die Gesundheitsrisiken auslösen kann, fehlerhaft ist und den Gebrauch der Sache zumindest mindert.

Die Untersuchungsergebnisse des sachverständigen Zeugen J. werden durch das im Beweissicherungsverfahren der Parteien eingeholte Gutachten des Instituts F. v. 2.1.1986 und die Ergänzung v. 12.5.1986 nicht in Frage gestellt. Denn aus beiden gutachtlichen Äußerungen geht zweifelsfrei hervor, daß eine Rückrechnung des seinerzeit vom F.-Institut ermittelten geringen Formaldehydwertes in dem Küchenraum des Hauses des Beklagten auf die Zeit zwischen Lieferung der Einbauküche und der Untersuchung am 28.11.1985 nicht möglich ist. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, daß aus anderen Erwägungen heraus die Feststellungen des Sachverständigen J. in Zweifel zu ziehen wären. Der Zeuge ist zwar wie der Beklagte Bediensteter der Stadt. Aus diesem Umstand kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß er seine Untersuchungen zweckgerichtet zugunsten des Klägers ausgestaltet und wiedergegeben habe. Auch gegen seine Untersuchungsmethode sind Einwände nicht zu erheben. Bereits in dem Beweissicherungsverfahren der Parteien ist eine schriftliche Abhandlung über die Zusammenstellung der praktizierten Meßverfahren bei der Feststellung von Formaldehydkonzentrationen vorgelegt worden. Die Anwendung dieses Verfahrens ist in den ergänzenden Äußerungen des Instituts F. v. 12.5.1986 nicht beanstandet worden. Vielmehr ist dort ausgeführt worden, aus der Erfahrung heraus seien die erhöhten Formaldehyd-Raum-Luft-Werte, die von Dipl.-Ing. J. gemessen worden sind, verständlich, da die Emission von Formaldehyd aus Holzgegenständen einer zeitlichen Funktion unterliege, bei der erwartungsgemäß am Anfang dieses Emissionsprozesses mehr Formaldehyd emittiert werde als nach einigen Monaten oder Jahren.

Unter Berücksichtigung aller dieser Aspekte begegnet es keinen Bedenken, von den Meßergebnissen des sachverständigen Zeugen J. auszugehen und daraus die Folgerung zu ziehen, daß der Kaufgegenstand mit einem erheblichen Mangel behaftet war.

Es bedarf keiner näheren Begründung, daß die Klägerin für den Mangel der von ihr gelieferten Küche einzustehen hat und sich nicht darauf zurückziehen kann, sie habe lediglich die als mangelfrei erachteten Produkte eines anderen Herstellers verwendet. Für den Zustand der Kaufsache haftet der Verkäufer (§ 459 BGB).

Die Auffassung der Klägerin, es habe sich um einen unerheblichen Fehler gehandelt, weil dieser innerhalb kurzer Zeit von selbst verschwunden sei, vermag nicht zu überzeugen. Zwar wird ein derartiger Grundsatz im allgemeinen vertreten (vgl. Palandt, BGB, 45. Aufl., 1986, § 459 Anm. 3f). Dieser Grundsatz bedarf aber der Ausfüllung, die hier zu einem für die Klägerin negativen Ergebnis führt. Selbst wenn nicht schon die sehr erhebliche Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für Formaldehydemissionen berücksichtigt würde, so muß beachtet werden, daß die Formaldehydausdünstungen zu beträchtlichen Einschränkungen des gesundheitlichen Wohlbefindens des Beklagten und seiner Familie geführt haben. Nach den im Beweissicherungsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen des Beklagten, seiner Ehefrau und seines Sohnes haben die Emissionen zu Reizungen der Augen und der Atemwege sowie zu Übelkeit und Kopfschmerzen geführt. Diese im Wege des Urkundenbeweises zu verwertenden eidesstattlichen Versicherungen belegen, daß die Formaldehydausdünstungen zu beachtlichen Gesundheitseinschränkungen geführt haben mit der Folge, daß die hiervon betroffenen Räume des Hauses des Beklagten von seinen Bewohnern weitgehend gemieden worden sind. Eine solche von der Kaufsache ausgehende Beeinträchtigung, die sich immerhin über fast vier Monate erstreckt hat, kann nicht als unerheblich qualifiziert werden. Für eine Beeinträchtigung der Hausbewohner, die geringgradiger als in den eidesstattlichen Versicherungen geschildert gewesen wäre, ist kein Beweis angeboten worden, so daß von der dargestellten Intensität der Ausdünstungen ausgegangen werden muß. Diese ist erheblich.

Bei der Bewertung des Minderwertes der Einbauküche hat das LG zutreffend eine Relation zwischen einer mehrjährigen Lebensdauer der Gegenstände und einer eingeschränkten Benutzbarkeit der Einbauküche für die Dauer von etwa vier Monaten hergestellt. Die Bemessung des Minderwertes in einer Höhe von 10% ist überzeugend und kann nicht beanstandet werden. Allerdings kann die rechnerische Ausprägung dieses Minderwertes durch das LG nicht nachvollzogen werden. Das LG hat nämlich von dem Festkaufpreis Beträge abgesetzt für Gegenstände, von denen unstreitig keine Formaldehydemissionen ausgingen. Das ist nicht folgerichtig. Denn durch die Ausdünstung von Formaldehyd an bestimmten Einbauteilen war die Benutzung der Küche insgesamt eingeschränkt, so daß auch der Wert der Küche insgesamt gemindert war. Das bedeutet, daß bei der Bemessung des Minderwertes von dem Wert der Einbauküche insgesamt, d.h. von dem Festkaufpreis von 19.740,- DM auszugehen ist. Aus einer Minderung um 10% ergibt sich mithin ein Betrag von 1.974,- DM.

Wegen der am Tag nach dem Umtausch der Einbauküche festgestellten Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes durfte der Beklagte einen Betrag in Höhe des von ihm angemessen erachteten Minderwertes einbehalten. Die Nichtzahlung des Kaufpreises beruhte deshalb zunächst nicht auf einem Verschulden des Beklagten, so daß er sich bis zu einer erneuten Zahlungsaufforderung und Mahnung der Klägerin nicht in Verzug befunden hat. Infolge seiner Nichtzahlung konnte er nicht das vereinbarte Skonto von dem Rechnungsbetrag über 19.740,- DM, also den Betrag von 987,- DM, absetzen. Ihm ist insoweit ein durch die mangelhafte Lieferung der Klägerin verursachter Schaden entstanden, den die Klägerin zu ersetzen hat. Der Beklagte hat diesen Schaden zwar nicht ausdrücklich als solchen im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits beansprucht. Aus der von ihm dargelegten Auffassung, daß er im Wege der Minderung aber nicht den vollen Kaufpreis zu zahlen habe, ist mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß er alle von ihm als finanzielle Vermögenseinbuße betrachteten finanziellen Einschränkungen dem Kaufpreisanspruch der Klägerin entgegensetzen will. Es bestehen deshalb keine Bedenken, ihm das Skonto zuzubilligen, das er bei mangelfreier Lieferung und sofortiger Zahlung hätte in Anspruch nehmen können. Nach alledem war der Restkaufpreis von 5.240,- DM um die Beträge von 1.974,- DM und 987,- DM, insgesamt also um 2.961,- DM zu reduzieren, so daß für die Klägerin noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von (nur) 2.279,- DM verbleibt.

 

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