Skip to content

Stromlieferungsvertrag – Kündigung bei Widerspruch gegen Preiserhöhung wegen Energiekrise

Stromvertrag: Kann Widerspruch gegen Preiserhöhung Kündigung auslösen?

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in seinem Urteil entschieden, dass ein Stromlieferungsvertrag vonseiten des Anbieters nicht einfach wegen Widerspruchs des Kunden gegen eine Preiserhöhung aufgrund der Energiekrise gekündigt werden darf. Die Argumentation der Beklagten, basierend auf „exorbitant gestiegenen Beschaffungskosten“, wurde als unzureichend für eine Kündigung angesehen, besonders unter Berücksichtigung einer vertraglich vereinbarten Preisgarantie.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-6 U 102/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unzulässigkeit der Kündigung: Ein Stromlieferungsvertrag kann nicht einfach gekündigt werden, wenn der Kunde einer Preiserhöhung wegen gestiegener Beschaffungskosten widerspricht.
  2. Rolle der Preisgarantie: Eine bestehende Preisgarantie im Vertrag schützt den Kunden vor willkürlichen Preiserhöhungen und Kündigungen.
  3. Verbraucherschutz: Das Urteil stärkt die Rechte der Verbraucher im Falle von unerwarteten Vertragsänderungen durch den Anbieter.
  4. Bedeutung der Energiekrise: Die Energiekrise allein ist kein ausreichender Grund für eine Vertragskündigung, wenn vertragliche Vereinbarungen dagegenstehen.
  5. Reaktion des Kunden: Die Ablehnung des Kunden gegenüber der Preiserhöhung ist ein legitimes Recht und keine Grundlage für eine Kündigung.
  6. Gerichtliche Bewertung: Das OLG Köln betont die Wichtigkeit einer fairen Vertragsauslegung und Verbraucherrechte.
  7. Verpflichtungen des Anbieters: Stromlieferanten müssen sich an vertragliche Vereinbarungen halten und dürfen nicht eigenmächtig kündigen.
  8. Konsequenzen für die Praxis: Das Urteil könnte Signalwirkung für ähnliche Fälle in der Stromversorgungsbranche haben.

Rechtliche Herausforderungen bei Stromlieferungsverträgen

Strom-Kündigung bei Preiserhöhung: Verbraucherschützer raten zum Widerspruch
(Symbolfoto: SP-Photo /Shutterstock.com)

Im Fokus der aktuellen rechtlichen Diskussion steht der Stromlieferungsvertrag, insbesondere die Frage, unter welchen Umständen eine Kündigung eines solchen Vertrages rechtens ist. Besonders brisant wird dieses Thema, wenn es um Preiserhöhungen im Kontext der Energiekrise geht. Die Auseinandersetzung zwischen Verbraucherinteressen und den wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Anbieter führt zu komplexen juristischen Fragen. Dabei spielt nicht nur das Vertragsrecht eine wesentliche Rolle, sondern auch Verbraucherschutzaspekte sind von hoher Bedeutung.

Die Entscheidungen von Gerichten, wie beispielsweise des OLG Köln, setzen wichtige Präzedenzfälle und bieten Orientierung für Verbraucher und Unternehmen in ähnlichen Konfliktsituationen. Die Auslegung und Anwendung rechtlicher Rahmenbedingungen in diesem Kontext sind entscheidend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Vertragskündigungen. Im Folgenden wird ein konkretes Urteil näher beleuchtet, das wichtige Impulse für die zukünftige Handhabung solcher Vertragsverhältnisse setzt. Lesen Sie weiter, um tiefer in die Materie einzutauchen und die Tragweite dieser Entscheidung zu erfassen.

Der Streit um den Stromlieferungsvertrag und die Kündigung

Im Zentrum dieses juristischen Falles steht ein Stromlieferungsvertrag und dessen Kündigung durch den Anbieter aufgrund einer Preiserhöhung. Die Klägerseite argumentierte, dass eine Kündigung des Vertrags nach einem Widerspruch gegen eine mit „exorbitant gestiegenen Beschaffungskosten“ begründete Preiserhöhung unzulässig sei, insbesondere unter Berücksichtigung einer zum Zeitpunkt der Kündigung noch gültigen Preisgarantie. Das Landgericht Köln hatte zunächst der Klägerseite Recht gegeben und die Beklagte verurteilt, woraufhin diese Berufung einlegte.

Juristische Grundlage und Argumentation der Beklagten

Die Beklagte, vertreten durch die H. GmbH, hatte die Kündigung des Stromlieferungsvertrags ausgesprochen, da der Kunde der Preisanpassung nicht zustimmte. Die Beklagte berief sich in ihrer Argumentation auf die Notwendigkeit der Anpassung der Energietarife aufgrund der Energiekrise und exorbitant gestiegener Beschaffungskosten. Diese Argumentation wurde jedoch vom Kläger angefochten, der darauf hinwies, dass eine solche Kündigung den vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere der Preisgarantie, widerspreche.

Entscheidung des OLG Köln und deren Begründung

Das OLG Köln hat in seinem Urteil vom 25.11.2022 (Az.: I-6 U 102/22) das vorherige Urteil des Landgerichts Köln abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Gericht erachtete die Berufung der Beklagten als zulässig und führte aus, dass die Kündigung nicht als irreführend im Sinne des UWG anzusehen sei. Die Äußerungen der Beklagten im Kündigungsschreiben seien als Darstellung ihrer Rechtsansicht zu verstehen, die nicht zwangsläufig irreführend sei. Zudem wurde betont, dass eine etwaige Unrichtigkeit dieser Rechtsansicht im Rahmen eines anderen Verfahrens zu klären sei, nicht jedoch im Kontext des Wettbewerbsrechts.

Ausblick auf die Bedeutung des Urteils

Das Urteil des OLG Köln gibt wichtige Einblicke in die Handhabung von Vertragskündigungen im Kontext der Energiekrise und wie Gerichte die Balance zwischen Verbraucherschutz und den Rechten der Anbieter wahren. Es zeigt die Komplexität auf, die entsteht, wenn steigende Beschaffungskosten auf feste Preisgarantien treffen. Dieser Fall könnte auch für ähnliche Fälle in der Energiebranche wegweisend sein und zeigt, wie wichtig es ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Interpretation von Vertragsklauseln genau zu verstehen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Unter welchen Umständen kann eine Kündigung eines Stromlieferungsvertrags rechtens sein?

Die Kündigung eines Stromlieferungsvertrags in Deutschland kann unter verschiedenen Umständen rechtens sein. Kunden, die in der Grundversorgung beliefert werden, können ihren Vertrag jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen kündigen, ohne dass ein besonderes Kündigungsrecht erforderlich ist.

Ein Sonderkündigungsrecht besteht bei Strom- und Gaslieferverträgen, die außerhalb der Grundversorgung abgeschlossen wurden, insbesondere bei Preiserhöhungen oder Veränderungen der Vertragsbedingungen. Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anbieter eine Preiserhöhung ankündigt, haben Kunden das Recht, den Vertrag zu kündigen, wobei die Kündigungsfrist in der Regel zwei Wochen beträgt.

Bei einem Umzug besteht ebenfalls ein Sonderkündigungsrecht. Wenn der Kunde in der Grundversorgung ist, kann der Vertrag mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Bei Verträgen mit anderen Anbietern hängt das Kündigungsrecht von den jeweiligen Vertragsbedingungen ab. Einige Anbieter räumen ein Sonderkündigungsrecht bei Umzug ein, andere verpflichten ihre Kunden, den Vertrag am neuen Wohnort fortzusetzen, sofern der Anbieter dort liefern kann.

Die Kündigung muss in der Regel schriftlich erfolgen, und es ist ratsam, eine Kündigungsbestätigung zu verlangen. Kunden sollten auch darauf achten, eine erteilte Einzugsermächtigung explizit zu widerrufen, um zu verhindern, dass der Anbieter nach der Kündigung weiterhin Zahlungen einzieht.

Es ist ratsam, sich vor einer Kündigung genau über die Bedingungen im eigenen Vertrag zu informieren und gegebenenfalls die Beratung durch Verbraucherzentralen oder andere Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen.

Welche Bedeutung hat eine Preisgarantie in einem Stromlieferungsvertrag?

Eine Preisgarantie in einem Stromlieferungsvertrag bedeutet, dass der Stromanbieter sich verpflichtet, bestimmte Preisbestandteile während der Vertragslaufzeit nicht zu ändern. Diese Garantie kann jedoch unterschiedlich ausgelegt werden und sich auf verschiedene Bestandteile des Strompreises beziehen.

Eine vollständige Preisgarantie verspricht einen unveränderlichen Kostenanteil und beinhaltet die Energiekosten, die Netzentgelte sowie die meisten Umlagen und Abgaben. Änderungen der Mehrwertsteuer und der Stromsteuer dürfen jedoch direkt weitergegeben werden. Eine eingeschränkte Preisgarantie hingegen fixiert nur den Energiekostenanteil und eventuell einige weitere Bestandteile, aber nicht alle Steuern, Abgaben und Umlagen.

Es ist zu beachten, dass die Preisgarantie sich nicht immer auf den vollen Strompreis bezieht. Daher sollten die Bedingungen für die Kostengarantie und die Dauer der Preisfixierung genau gelesen werden. Preisgarantien werden in der Regel zwischen 12 und 24 Monaten angeboten und die Dauer der Preisgarantie sollte idealerweise der Vertragslaufzeit entsprechen.

Trotz einer Preisgarantie können Kunden mit Preiserhöhungen konfrontiert werden. Dies liegt daran, dass bestimmte Preisbestandteile, wie Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte, oft von den Preisgarantien ausgenommen sind. Wenn diese steigen, können die Anbieter die Preise erhöhen, ohne ihr Preisversprechen zu brechen.

Es gibt jedoch Fälle, in denen Energieversorger versucht haben, die Preise trotz einer Preisgarantie zu erhöhen, was von Verbraucherschutzorganisationen als unzulässig angesehen wird. In solchen Fällen haben Verbraucher das Recht, der Preiserhöhung zu widersprechen und gegebenenfalls ein Sonderkündigungsrecht auszuüben.

Benötigen Sie Hilfe in einem ähnlichen Fall? Schildern Sie uns jetzt in unserem Kontaktformular Ihren Sachverhalt und fordern unsere Ersteinschätzung an.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: I-6 U 102/22 – Urteil vom 25.11.2022

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.06.2022 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 34/22 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHv 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit iHv 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beklagte, die sich zur Vertragsdurchführung einer Vermittlungsfirma, der H. GmbH (H.) bedient, ließ gegenüber einem Kunden eine Kündigung des Stromliefervertrags aussprechen, nachdem dieser einer mit „exorbitant gestiegenen Beschaffungskosten“ begründeten Preiserhöhung unter Verweis auf die vertraglich vereinbarte und zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch laufende Preisgarantie widersprochen hatte. Das Kündigungsschreiben der H. (Anlage K6) enthält folgende auszugsweise wiedergegebene Äußerungen:

„(…) in den vergangenen Tagen sind wir mit verschiedenen Anliegen auf Sie zugekommen. Hierbei hatten wir Ihnen dargestellt, dass es in der gegenwärtigen Situation leider unumgänglich ist, Ihre Energietarife auf die exorbitant gestiegenen Beschaffungskosten anzupassen. Auch über Änderungen der monatlichen Zahlbeträge hatten wir informiert.

Leider haben wir von Ihnen zu diesen Maßnahmen keine zustimmende Rückmeldung erhalten. Allerdings können wir ohne Ihre Zustimmung die Belieferung an Ihrer Versorgungsstelle nicht weiter fortführen und kündigen infolgedessen hiermit den Belieferungsvertrag mit Strom zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Unter Berücksichtigung der Marktregeln endet damit die Belieferung für Sie am 12.11.2021. (…)

Bitte beachten Sie: Ihre Versorgung ist jederzeit sichergestellt und es wird zu keinen Unterbrechungen in der Lieferung von Strom bei Ihnen kommen. Sofern Sie kein anderes Energieversorgungsunternehmen beauftragen, wird der örtliche Grundversorger nach dem 12.11.2021 die Belieferung mit Strom übernehmen.“

Das Landgericht hat der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel antragsgemäß untersagt,

I. an einen Verbraucher, der mit der Beklagten einen Vertrag über die Lieferung von Strom mit einer Mindestvertragslaufzeit und einer innerhalb dieser Mindestvertragslaufzeit vereinbarten „Preisgarantie“ geschlossen hat, die eine Preissteigerung außerhalb von staatlich veranlassten Umständen ausschließt (Anlage K 2 des Urteils), durch einen Dritten eine E-Mail versenden zu lassen, wie geschehen gemäß E-Mail vom 08.11.2021 der Firma H. GmbH nach Anlage K 6 des Urteils, in der der Dritte unter Bezugnahme auf eine fehlende Zustimmung des Verbrauchers zur Preiserhöhung wegen „exorbitant gestiegener Beschaffungskosten“ das Vertragsverhältnis unter Bezugnahme auf die Berücksichtigung von „Marktregeln“ im Auftrag der Beklagten mit Wirkung von vier Tagen nach Versand der E-Mail nach Anlage K 6 des Urteils kündigt.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 243,51 zzgl. Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit dem 09.04.2022 zu bezahlen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Das Schreiben sei schon nicht geeignet gewesen, Verbraucher irrezuführen, wie die Reaktion des Kunden gezeigt habe.

Soweit das Landgericht sich auf § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG stütze, sei nicht begründet worden, woraus sich eine Machtposition der Beklagten ergebe. Eine unangemessene Beeinflussung setze weiter ein Verhalten des Unternehmers oder einen vom Unternehmer erzeugten Sachverhalt voraus, wodurch die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt wird. Auch hierzu fehlten entsprechende Feststellungen. Das Landgericht unterstelle weiter eine bestimmte Absicht der Beklagten, ihre Machtposition „auszuspielen“, um Kunden zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, obwohl eine solche Absicht dem Schreiben nicht entnommen werden könne und auch nicht unstreitig sei. Weiter unterstelle das Landgericht, die Behauptung, eine Abmeldung zum nächstmöglichen Termin betrage nach den geltenden Marktregeln vier Tage, sei unwahr, obwohl sie wahr sei, ohne dazu Beweis zu erheben. Das Landgericht habe zudem argumentiert, es werde im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Sonderkündigungsschreibens „der Eindruck erweckt, als sei die Sonderkündigung zwingende Folge der fehlenden Zustimmung, was allgemeinen „Marktregeln“ entspreche.“ Ein solcher Eindruck werde aber bei objektiver Betrachtung nicht erweckt.

Die Berufung rügt schließlich, dass das Landgericht jede eigene Subsumtionsleistung vermissen lasse und das Klägervorbringen etwa durch „copy and paste“ schlicht übernommen habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Köln vom 08.06 2022, AZ. 84 O 34/22, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Es lasse keine eigene Urteilsbegründung vermissen. Soweit sich das Landgericht die Ausführungen des Klägers zu eigen gemacht oder sich nicht mit jedem Gegenvorbringen der Beklagten auseinandergesetzt habe, genüge dies den Anforderungen aus § 313 ZPO.

Für § 5 UWG sei lediglich eine unwahre Angabe erforderlich, die geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine zusätzliche Eignung einer unwahren Angabe zur Täuschung des Verbrauchers bedürfe es nicht. Die unwahre Angabe zur Berechtigung der Einstellung der Belieferung mit Strom begründe bereits den Irreführungsvorwurf, so dass es nicht mehr darauf ankomme, ob eine Irreführung daneben auch aus der Darstellung resultiere, infolge der nicht näher bezeichneten „Marktregeln“ ende die Belieferung zum 12.11.2021.

Jedenfalls sei die Geschäftspraxis nach § 3 Abs. 2 UWG zu untersagen. Bei der Beurteilung, inwieweit ein Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt verstoße, sei auf die berechtigten Erwartungen des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Eine Kündigung unter Vorspiegelung „krass“ unwahrer Tatsachen stelle einen Verstoß nach § 3 Abs. 2 UWG dar.

Auf § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG komme es nicht mehr an.

Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs stehe auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Weder sei der Streitwert übersetzt noch müsse der Kläger sich entgegenhalten lassen, es hätte ohne weiteres ausgereicht, nur die Beklagte und nicht daneben ihre Vermittlungsfirma abzumahnen und zu verklagen. Die doppelte Inanspruchnahme des Beauftragten und auftraggebenden Unternehmens sei in § 8 Abs. 2 UWG bereits gesetzlich angelegt. Zudem lägen beiden Ansprüchen mit der Haftung für eigenes Verhalten auf der einen Seite und einer Haftung für den Beauftragten auf der anderen Seite unterschiedliche Inhalte zugrunde.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Klage scheitert nicht bereits an der Frage der Zulässigkeit. Dem Kläger kann ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen und ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen nicht festgestellt werden.

a. Obwohl die Beklagte sich gegen Angaben im Zusammenhang mit einer Kündigungserklärung wendet, ist ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Rechtsuchende haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die staatlichen Gerichte ihr Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden. Nur unter ganz besonderen Umständen kann ihnen der Zugang zu einer sachlichen Prüfung durch die Gerichte verwehrt werden (BGH, Urteil vom 21. September 2017 – I ZR 58/16 -, Rn. 37, juris – Sicherung der Drittauskunft, mwN).

Solche besonderen Umstände liegen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig vor,

„wenn mit einer Klage die Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen begehrt wird, die der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Die Relevanz des Vorbringens soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden. Dies gilt grundsätzlich auch bei Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren, durch die Rechte von am Verfahren beteiligten Dritten betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen. (…) Eine differenzierte Betrachtung ist geboten, wenn die Klage auf Unterlassung von Äußerungen gerichtet ist, die zwar außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens erfolgt sind, aber mit einem solchen in einem Zusammenhang stehen. Es reicht für die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses nicht aus, dass eine außergerichtliche Auseinandersetzung – wie stets – in eine gerichtliche Auseinandersetzung münden kann (vgl. Koch, WRP 2019, 1259, 1264). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt in diesen Fällen vielmehr nur dann, wenn die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage auf eine Beschränkung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung des Gegners gerichtet ist, die im Falle des Obsiegens in dem nachfolgenden gerichtlichen oder behördlichen Verfahren fortwirkte. (…) Ebenso kann die Abgabe einer Gestaltungserklärung – wie zum Beispiel einer Kündigung – nicht mit einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage unterbunden werden, da dies zu einer Beschränkung der außergerichtlichen Rechtsverfolgung oder -verteidigung führte, die in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren fortwirkte.

Das Rechtschutzbedürfnis für eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage fehlt jedoch nicht, soweit mit ihr nicht die Rechtsverfolgung oder -verteidigung an sich, sondern lediglich Ausführungen zu ihrer Begründung angegriffen werden. Hinsichtlich solcher Ausführungen muss eine Prüfung am Maßstab des Irreführungsverbots möglich sein, weil sie geeignet sind, die geschäftliche Entscheidung der Gegenseite zu beeinflussen, ob sie sich gegen die Rechtsverfolgung oder -verteidigung zur Wehr setzt oder diese hinnimmt. Bei an Verbraucherinnen und Verbraucher gerichteten Äußerungen muss ein Rechtsschutzbedürfnis in dieser Konstellation bereits deswegen angenommen werden, weil sonst der von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG bezweckte Schutz vor zur Täuschung geeigneten Angaben unterlaufen würde“ (BGH, Urteil vom 23. April 2020 – I ZR 85/19 -, Rn. 20 – 24, juris – Preisänderungsregelung).

Nach diesen Grundsätzen ist das Rechtsschutzbedürfnis im Streitfall zu bejahen. Die Beklagte hat das Kündigungsschreiben nicht innerhalb, sondern außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens an ihren Kunden versenden lassen. Die Unterlassungsklage des Klägers ist nicht unmittelbar auf ein Verbot der Rechtsverfolgung der Beklagten – hier die Kündigung des Vertrages – gerichtet. Angegriffen wird vielmehr die Darstellung der Beklagten im Schreiben vom 08.11.2021, die Kündigung werde wegen fehlender zustimmender Rückmeldung ausgesprochen und der Vertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt, welcher unter Berücksichtigung der Marktregeln der 12.11.2021 sei. Mit der Unterlassungsklage wird daher der Beklagten nicht untersagt, eine Kündigung auszusprechen. Es soll ihr vielmehr verboten werden, eine Kündigung mit der Aufstellung – aus Sicht des Klägers – unwahrer, zur Irreführung geeigneter Angaben zu begründen.

b. Die Klage ist auch nicht im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich iSd § 8c UWG, unzulässig.

aa. Rechtsmissbrauch wegen Ansetzung eines zu hohen Streitwerts kann bei einem Wert von 30.000 EUR nicht angenommen werden. Dies entspricht der Festsetzung in vergleichbaren Irreführungssachverhalten. Der Wert erscheint angemessen, weil es sich vorliegend um eine Verbandsklage im satzungsgemäß wahrgenommenen Interesse aller Verbraucher handelt und dabei auf den den Verbrauchern drohenden Nachteil abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.09.2016 – I ZR 24/16 -, Rn. 9, juris – Finanzsanierung).

bb. Der Umstand, dass der Kläger sowohl die Beklagte als auch die für sie handelnde H. separat abgemahnt und in getrennten Verfahren verklagt hat, begründet ebenfalls keinen Rechtsmissbrauch.

Nach 8c Abs. 2 Nr. 7 UWG ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden. Ein sachlicher Grund liegt vor, wenn das mehrfache Vorgehen unter den gegebenen Umständen der prozessual sicherste Weg wäre, weil etwa unterschiedliche Streitgegenstände angegriffen werden und die rechtliche Beurteilung oder Beweisbarkeit unterschiedlich sein kann oder wenn das Risiko von Verzögerungen besteht oder ein einheitlicher Gerichtsstand fehlt (Feddersen in: KBF, UWG,40. Aufl. § 8c Rn. 29 mwN). Den Regelbeispielen soll lediglich eine Indizwirkung und keine Beweislastumkehr zukommen, so dass gleichwohl noch eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat, andererseits im Regelfall davon auszugehen sein wird, dass bei Verwirklichung eines Beispielstatbestandes ein Missbrauch vorliegt, da ansonsten diese Regelungstechnik keinen Sinn ergeben würde. Daher setzt die Ablehnung eines Missbrauchs im Falle der Erfüllung eines Beispielstatbestandes voraus, dass der Anspruchsberechtigte erhebliche Gründe vorträgt, die sein Handeln trotz Vorliegen eines Beispielstatbestandes nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen (Seichter in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 8c UWG, Rn. 43 [Stand: 03.01.2022]).

Wie der Kläger in seiner Berufungserwiderung ausführt, handelt es sich vorliegend um einen Anspruch gegen den Unternehmensinhaber, dem das Handeln eines Beauftragten nach § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet wird. Im konkreten Fall haben sich zwar keine besonderen Probleme der Zurechnung ergeben, weil unstreitig geblieben ist, dass die H. für die Beklagte als Beauftragte iSd Norm handelt. Dennoch handelt es sich bei den Unterlassungsansprüchen gegenüber dem Beauftragten als unmittelbar Handelnden und dem Unternehmensinhaber, dem das Handeln zugutekommt, um zwei grundsätzlich selbständige Ansprüche, die unabhängig voneinander geltend gemacht werden und ein getrenntes rechtliches Schicksal nehmen können (vgl. Köhler/Feddersen in: KBF, UWG, 40. Auf. § 8 Rn. 2.52). Vor diesem Hintergrund ist ein sachlicher Grund für eine getrennte Geltendmachung gegeben.

2. Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG zu. Der Kläger rügt einen Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs. 1, S. 2 Nr. 7 UWG, §§ 3, 5a Abs. 2 UWG, §§ 3, 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 sowie § 3 Abs. 2 UWG. Dabei geht es dem Kläger in allen Fällen um dasselbe Schreiben und dieselbe Handlung, mithin um denselben Klagegrund, sodass von einem einheitlichen Streitgegenstand auszugehen ist, der jeweils unter verschiedenen rechtlichen Aspekten auf seine Unlauterkeit hin zu prüfen ist.

a. Ein Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG liegt nicht vor.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält.

aa. Das Kündigungsschreiben der Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung iSv § 5 Abs. 1 UWG dar. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung u.a. jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens – auch nach einem Geschäftsabschluss – das mit der Durchführung eines Vertrags über Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Eine geschäftliche Handlung kann auch in einem Verhalten liegen, das sich auf die geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 10.1.2013 – I ZR 190/11 – Standardisierte Mandatsbearbeitung). Die von der H. im Interesse der Beklagten ausgesprochene Kündigung hängt mit der weiteren Durchführung des Vertrages objektiv zusammen. Ob der Verbraucher die Kündigung hinnimmt oder ihr entgegentritt, stellt eine geschäftliche Entscheidung iSd § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

bb. Bei den im Kündigungsschreiben beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Angaben iSd § 5 Abs. 1 S. 2 UWG. Dies sind zum einen objektiv unrichtige, aber auch sonst zur Täuschung geeignete Angaben. Dabei fallen unter den Begriff der „Angabe“ nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern es können bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung auch Meinungsäußerungen darunter fallen. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG dient der Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 der RL 2005/29/EG, der als irreführende Geschäftspraxis neben generell unwahren Angaben auch alle Geschäftspraktiken, die in irgendeiner Weise – also sowohl durch wahre Angaben als auch Meinungsäußerungen – zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind, erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 – Rn. 26 ff., juris – Prämiensparverträge). Es werden alle täuschenden oder zur Täuschung geeigneten Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt vom Tatbestand des Irreführungsverbots erfasst (BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 – Rn. 28, juris – Prämiensparverträge).

cc. Aussagen über die Rechtslage werden allerdings nur in bestimmten Fällen von § 5 Abs. 1 UWG erfasst. Dabei ist entscheidend, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Weise der Äußerung auffasst. Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht handelt, fehlt dieser Äußerung die erforderliche Eignung zur Täuschung. Das folgt aus der Überlegung, dass es dem Unternehmer unbenommen bleiben muss, eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Ob diese Rechtsansicht richtig ist, kann nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht (BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 – Rn. 30, juris – Prämiensparverträge). Dagegen werden Äußerungen erfasst, in denen der Unternehmer eine eindeutige Rechtslage behauptet, die tatsächlich nicht besteht, sofern der Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht (BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 – Rn. 32, juris – Prämiensparverträge).

dd. Nach diesen Grundsätzen werden die beanstandeten Äußerungen der Beklagten in dem Kündigungsschreiben nicht von § 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG erfasst.

Die Beklagte hat in ihrem Kündigungsschreiben, bei dessen Auslegung auch die Vorkorrespondenz zu berücksichtigen ist, geäußert, dass eine Anpassung des Tarifs wegen der „exorbitant gestiegenen Beschaffungskosten“ erfolgen müsse. Da die Beklagte vom Kunden keine „zustimmende Rückmeldung“ erhalten habe, und sie ohne seine Zustimmung die Belieferung nicht weiter fortführen könne, kündige sie infolgedessen den Belieferungsvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Unter Berücksichtigung der Marktregeln ende damit die Belieferung am 12.11.2021.

aaa. Bei der ersten Angabe vertritt die Beklagte aus Sicht des Kunden als Empfänger der Erklärung die Rechtsansicht, dass sie den Vertrag angesichts der unter dem Stichwort „Energiekrise“ zusammenzufassenden Beschaffungslage nur unter geänderten Bedingungen weiter fortzuführen habe. Sie behauptet nicht, dass dies einhellige Meinung oder höchstrichterlich in diesem Sinne geklärt sei. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Kunde wird der beanstandeten Formulierung entnehmen, dass die Beklagte den Stromliefervertrag mangels Zustimmung zur Vertragsanpassung für kündbar hält. Es ist zwar nicht ausdrücklich eine Relativierung dahingehend aufgenommen worden, dass dies nur ihrer Rechtsansicht entspreche. Dies ergibt sich für den angesprochenen Kunden jedoch daraus, dass die fehlende Zustimmung zur Vertragsanpassung trotz Energiekrise von der H. als Begründung dafür angeführt wird, so handeln zu dürfen.

In dem vom Bundesgerichthof entschiedenen Fall „Prämiensparverträge“ (Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 – juris) hatte die dortige Sparkasse angegeben „bei den bestehenden Verträgen handelt es sich um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Eine Vertragslaufzeit ist nicht vereinbart.“ Der Bundesgerichtshof hat dort keinen Anlass für die Adressaten des Kündigungsschreibens gesehen anzunehmen, die o.g. Aussage entspräche einer gesicherten Rechtslage, obwohl auch dort die Aussage als objektive Feststellung formuliert und keine subjektive Einschätzung zum Ausdruck gebracht worden war.

Im vorliegenden Fall, in dem die Beklagte angibt, nicht zu den alten Tarifen beliefern zu können und mangels Zustimmung des Kunden zur Vertragsanpassung kündigt, ergibt sich für den Kunden, dass die Beklagte den Vertrag aus den genannten Gründen für kündbar hält. Es kommt nirgends zum Ausdruck, dass dies aus Sicht der Beklagten einer gesicherten Rechtslage entspreche, sodass dieser Angabe als für den Verbraucher erkennbarer Rechtsansicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die für den § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG erforderliche Eignung zur Täuschung des Verbrauchers fehlt.

bbb. Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die weitere Formulierung, dass „unter Berücksichtigung der Marktregeln die Belieferung am 12.11.2021“ ende. Durch diese Angabe wird der Zeitpunkt der Kündigung mit dem Kunden unbekannten „Marktregeln“ begründet. Damit meint die Beklagte, die schnellstmögliche technische Realisierbarkeit des Belieferungsendes. Dass die Aussage unzutreffend sei, wird nicht behauptet.

Durch den Verweis auf dem Kunden unbekannte „Marktregeln“ könnte zwar beim Kunden der Eindruck erweckt werden, die Kündigung selbst beruhe auf bestimmten Regeln im Sinne von rechtlichen Vorgaben.

Ob damit eine gesicherte Rechtslage zum Ausdruck gebracht wird, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn entgegen der Ansicht des Klägers, bezieht sich dieser Satz über die „Marktregeln“ für den Kunden erkennbar lediglich auf den Kündigungszeitpunkt und nicht auf den Kündigungsgrund. Kündigungsgrund ist aus Sicht der Beklagten offensichtlich die in den vorhergehenden Absätzen bereits ausgeführte Energiekrise und Notwendigkeit einer Vertragsanpassung.

Der Kläger behauptet nicht, dass die Angabe des genannten Kündigungszeitpunkts objektiv falsch, weil nicht den Marktregeln entsprechend, oder zur Täuschung geeignet sei. Im Übrigen entscheidet sich die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers, ob er die Kündigung hinnimmt oder nicht, nicht danach, ob der Vertrag einige Tage früher oder später endet, sondern danach ob er meint, der Vertrag dürfe generell nicht wegen gestiegener Beschaffungskosten gekündigt werden.

b. Ein Verbot ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus §§ 3, 5a Abs. 2, 8 UWG, weil der Kunde erkennt, dass der Bezug auf die „Marktregeln“ nur den objektiv zutreffenden Zeitraum der verbleibenden Belieferung betrifft. Eine Irreführung durch Unterlassen ist nicht ersichtlich.

c. Eine unangemessene Beeinflussung iSv § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG liegt ebenfalls nicht vor. Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte, § 4a Abs. 1 S. 1 UWG. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen, § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG. Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt, § 4a Abs. 1 S. 3 UWG.

aa. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagten als Belieferer von Strom generell eine Machtposition iSd § 4a UWG zukommt. Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Beklagte ihren Kunden ausdrücklich darauf hinweist, dass die Stromversorgung als solche auch nach der Vertragsbeendigung weiter unterbrechungsfrei gewährleistet sei, kann eine Machtposition nicht angenommen werden. Im Kündigungsschreiben wurde der Kunde wie folgt auf die weitere Versorgung hingewiesen:

„Bitte beachten Sie: Ihre Versorgung ist jederzeit gesichert und es wird zu keinen Unterbrechungen in der Lieferung von Strom bei Ihnen kommen, (…) wird der örtliche Grundversorger (…) die Belieferung mit Strom übernehmen“).

Die grundsätzlich bestehende besondere Bedeutung der Belieferung mit Strom als Teil der Daseinsvorsorge wirkt sich für den Kunden im konkreten Fall nicht aus. Die Kündigung betrifft den Kunden in erster Linie in seinen wirtschaftlichen Interessen, sodass die Position der Beklagten nicht anders zu bewerten ist als die Position jedes anderen Vertragspartners, der einen für den Verbraucher günstigen Vertrag vorzeitig kündigt.

bb. Ob die Beklagte ihre Position zur Ausübung von Druck in einer Weise ausgenutzt hat, die die Fähigkeit des Kunden zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt, kann danach dahingestellt bleiben.

d. Der Kläger stützt sich in der Berufung zudem auf § 3 Abs. 2 UWG, weil ein Kündigungsschreiben wie das vorliegende nicht der unternehmerischen Sorgfalt entspreche. Ein Unterlassungsanspruch gestützt auf § 3 Abs. 2 UWG scheidet jedoch aus den Gründen zu Ziff. 2a aus.

Nach § 3 Abs. 2 UWG sind geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Dabei greift § 3 Abs. 2 UWG subsidiär für den Fall ein, dass sich eine Unlauterkeit nicht aus den §§ 4a, 5 und 5a UWG ergibt (vgl. Büscher in: Büscher, UWG, 2. Aufl. § 3 Rn. 99).

Auch im Rahmen des § 3 Abs. 2 UWG ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um die Äußerung einer Rechtsansicht handelt, die zwar falsch sein mag, deren Äußerung dem Unternehmer aber nur unter bestimmten Voraussetzungen untersagt werden kann. Sollte der Beklagten die Berufung auf die „exorbitant gestiegenen Beschaffungskosten“ und der fehlenden Zustimmung zur Preisanpassung untersagt werden, wäre sie in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren über die Berechtigung ihrer Kündigung durch die Verurteilung in diesem Verfahren daran gehindert, ihre Kündigung rechtlich zu begründen. Dass und weshalb das Äußerungsprivileg im Rahmen des subsidiären § 3 Abs. 2 UWG weiter eingeschränkt werden dürfte als im Rahmen des § 5 UWG, ist nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 09.11.2022 die Ansicht vertritt, dass jedenfalls im vorliegenden Fall einer „krass falschen“ Äußerung ein Rechtsdurchsetzungsprivileg unter dem Gesichtspunkt der Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus ausscheiden müsse, ist gerade die rechtliche Prüfung dem eigentlichen Gerichtsverfahren über die Wirksamkeit der Kündigung vorzubehalten. Der Senat hat über die Wirksamkeit der Kündigung nicht abschließend entschieden und aus seiner Sicht nicht entscheiden dürfen. Im vorliegenden Fall kann angesichts der objektiv bestehenden „Energiekrise“ jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine Vertragsanpassung oder außerordentliche Kündigung etwa unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen könnte.

Soweit der Kläger auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 04.11.2022 im Parallelverfahren 6 U 106/22 verweist, lag dem eine abweichende Sachverhaltsgestaltung zugrunde. Dort war zum einen angekündigt worden, dass sich der Strompreis erhöhen werde und zum anderen hatte der Kunde nach dem Preiserhöhungsverlangen der Beklagten diese gebeten, sich vertragskonform zu verhalten, woraufhin die Beklagte dem Kunden seine (nicht erklärte) Kündigung bestätigt hat. Bei der Ankündigung einer Preiserhöhung und der Bestätigung einer (nicht erklärten) Kündigung handelt es sich aus Sicht des angesprochenen Kunden nicht um Rechtsansichten, sondern Tatsachenbehauptungen.

e. Die Abmahnkosten sind wegen fehlender Berechtigung der Abmahnung nicht aus § 13 Abs. 3 UWG begründet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos