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Aufhebungsvertrag – Wirksamkeit und Schriftformerfordernis

Thüringer Landesarbeitsgericht

Az: 7 Sa 597/07

Urteil vom 27.01.2009


Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 19.09.2007, 5 Ca 690/07, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.

Die am 28.02.1958 geborene Klägerin war bei der beklagten Versicherungsgesellschaft als „Partnerverkäuferin“ im Außendienst der Vertriebsdirektion E. beschäftigt. Mit Schreiben vom 21.04.2006 (Bl. 64 d. A.) teilte sie mit, dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich sei, den heutigen Anforderungen des Partnerverkäufers nachzukommen, weshalb sie einem Aufhebungsvertrag zum 30.06.2006 zustimme, wenn die Versetzung in den Innendienst nicht möglich sei. Freie Arbeitsplätze im Innendienst gab es nicht. Die Beklagte erstellte einen schriftlichen Aufhebungsvertrag aus „gesundheitlichen Gründen“ zum 30.06.2006. Für den Arbeitgeber sind dort die Unterschriften der Prokuristen J. und F. vorgesehen. Der Prokurist J. ist Vertriebsdirektor in E.. Er hat im Handelsregister eingetragene Gesamtprokura gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied oder einem anderen Prokuristen. Der Prokurist F. ist Organisationsleiter in B.. Der Aufhebungsvertrag wurde am 12.06.2006 von der Klägerin und vom Prokuristen J. unterzeichnet (Bl. 28 d. A.). Die vorgesehene Unterschrift des Prokuristen F. fehlt. Die Klägerin erhielt ein Vertragsexemplar.

Die E.-er Vertriebsdirektion schickte die Vertragsurkunde vom 12.06.2006 nach B.. Der Prokurist F. unterschrieb zusätzlich und reichte das Original nach Vorabfax vom 22.06.2006 (Bl. 22 d. A.) zurück. Nach Behauptung der Beklagten wurde das Original der Klägerin sodann auf dem Postweg übersandt. Nach Behauptung der Klägerin kam es dort nicht an.

Zum 30.06.2006 wurde das Arbeitsverhältnis abgewickelt. Wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses widerrief die Beklagte die der Klägerin zugesagte betriebliche Altersversorgung. Die Parteien stritten zunächst über die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft. Mit Schreiben vom 16.10.2006 machte die Klägerin sodann die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages wegen fehlender Unterschrift des Prokuristen F. geltend. Mit Schreiben vom 05.01.2007 erklärte sie die Anfechtung des Aufhebungsvertrages nach § 123 BGB wegen fehlender Belehrung über die Konsequenzen für die betriebliche Altersversorgung.

Mit ihrer am 05.04.2007 eingereichten Klage hat die Klägerin die Feststellung verlangt, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch den Aufhebungsvertrag vom 12.06.2006 zum 30.06.2006 beendet wurde. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.09.2007 abgewiesen. Auf dessen Tatbestand wird ergänzend Bezug genommen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Streit über den wirksamen Abschluss des Aufhebungsvertrages könne offen bleiben. Auf die Unwirksamkeit könne sich die Klägerin wegen Verwirkung nicht berufen. Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages greife nicht durch. Eine arglistige Täuschung über die Folgen des Aufhebungsvertrages für die betriebliche Altersversorgung sei nicht ersichtlich.

Gegen das ihr am 21.09.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.10.2007, einem Montag, Berufung einlegen lassen, die am 20.11.2007 begründet wurde.

Die Berufung rügt, das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages vom 12.06.2006 habe die Klägerin nicht verwirkt. Weder das erforderliche Zeit-, noch das Umstandsmoment sei erfüllt. Der Aufhebungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil die nach § 126 BGB erforderliche Unterschrift des zweiten Gesamtvertreters F. fehle. Einzelvertretungsbefugnis des Prokuristen J. sei nicht eingeräumt und wäre wegen der positiven Publizität des Handelsregisters auch unbeachtlich. Mit ihrer Unterschrift habe die Klägerin ein Angebot zum Abschluss des Aufhebungsvertrages abgegeben, das nicht wirksam angenommen worden sei. Das vom Prokuristen F. zusätzlich unterschriebene Vertragsexemplar habe sie nicht erhalten. Auf den Zugang habe die Klägerin nicht nach § 151 BGB verzichtet. Jedenfalls sei die Anfechtung nach § 123 BGB begründet. Die Beklagte habe es vor Abschluss des Aufhebungsvertrages unterlassen, die Klägerin über die Folgen für die betriebliche Altersversorgung hinzuweisen. Bei entsprechender Aufklärung hätte die Klägerin den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben.

Die Berufung beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Erfurt vom 19.09.2007, Az.: 5 Ca 690/07, der Klage stattzugeben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und behauptet erstmals, nach der internen Vertretungsregelung habe der Prokurist J. als Vertriebsdirektor Einzelvertretungsmacht zum Abschluss von Aufhebungsverträgen mit Partnerverkäufern.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsrechtszug eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Aufhebungsvertrag vom 12.06.2006 ist wirksam. Damit wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2006 aufgelöst.

I. Der Aufhebungsvertrag vom 12.06.2006 ist wirksam zustande gekommen.

1. Offenbleiben kann, ob die Geltendmachung der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages verwirkt ist, wie das Arbeitsgericht annimmt, oder unzulässige Rechtsausübung vorliegt, wie die Beklagte meint. Treu und Glauben muss nicht bemüht werden.

2. Die Berufung stützt sich zu Unrecht auf Formnichtigkeit (§ 125 BGB).

a. Richtig ist, dass ein Aufhebungsvertrag der konstitutiven Schriftform bedarf (§ 623 BGB). Schriftform heißt Unterschrift (§ 126 BGB). Bei Vertretung muss der Vertreter unterzeichnen, bei Gesamtvertretung ist die Unterschrift aller Gesamtvertreter erforderlich, es sei denn, ein Gesamtvertreter handelt erkennbar für sich und in Vertretung der anderen Gesamtvertreter.

b. Der Prokurist J. hatte im Handelsregister eingetragene Gesamtprokura mit einem weiteren Prokuristen. Damit ist die Einräumung einer Einzelvertretungsbefugnis für bestimmte Rechtsgeschäfte aber nicht gesperrt, wie die Berufung meint. Das Handelsregister schützt den Rechtsverkehr, der darauf vertrauen können muss, dass die dort publizierte Vertretungsbefugnis besteht, das in Vertretung abgeschlossene Rechtsgeschäft also wirksam ist. Umgekehrt kann aber nicht darauf vertraut werden, dass ein mit Alleinvertretungsbefugnis abgeschlossenes Rechtsgeschäft unwirksam ist. Erst im Berufungsrechtszug hat die Beklagte Einzelvertretungsbefugnis des Prokuristen J. für den Abschluss von Aufhebungsverträgen mit „Partnerverkäufern“ seiner Vertriebsregion eingewandt. Wie sich die behauptete Einzelvertretungsbefugnis zum doppelten Unterschriftserfordernis auf dem Aufhebungsvertrag verhält, bleibt offen. Auf den Streit über den Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen J. kommt es nicht an, weil zu Gunsten der Klägerin Gesamtvertretung unterstellt werden kann.

aa. Zwar ist dem Aufhebungsvertrag vom 12.06.2006 nicht zu entnehmen, dass der Prokurist J. zugleich für den zweiten Gesamtvertreter F. handelte. Der zweite Gesamtvertreter F. hat die nach § 126 BGB erforderliche Unterschrift aber spätestens am 20.06.2006 nachgeholt.

bb. Die Berufung selbst geht davon aus, dass die Klägerin mit ihrer Unterschrift ein Vertragsangebot abgab, das noch vom zweiten Gesamtvertreter F. angenommen werden musste, und zwar in der gebotenen Schriftform. Richtig ist, dass die formwirksame Annahmeerklärung zugehen muss. Den Zugang des vom Prokuristen F. spätestens am 20.06.2006 zusätzlich unterschriebenen Aufhebungsvertrages kann die Beklagte nicht beweisen. Auf den Zugang kann aber nach § 151 BGB verzichtet werden. Ein Zugangsverzicht ist auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften möglich und kann konkludent erklärt werden oder sich aus den Umständen ergeben (BGH vom 27.05.1986, KZR 38/85, NJW-RR 1986, 1300; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 08, § 151 Rz. 3). Der Klägerin muss bei Vertragsunterzeichnung aufgefallen sein, dass die dort vorgesehene zweite Unterschrift des Prokuristen F. fehlt. Auszusetzen hatte sie nichts. Sie war mit dem Aufhebungsvertrag vom 12.06.2006 und seinem Vollzug zum 30.06.2006 einverstanden. Auf den Zugang eines Vertragsexemplars mit beiden Unterschriften legte sie keinen Wert. Das ist ein konkludenter Verzicht i. S. des § 151 BGB, so dass sich ein Rückgriff auf § 242 BGB erübrigt.

cc. Auf Grundlage ihrer eigenen Argumentation (Vertragsangebot ohne formwirksame Annahme), stellt sich für die Berufung die Frage nach vollmachtlosem Vertragsabschluss am 12.06.2006 nicht. Unwirksamkeit nach § 177 BGB wird nicht geltend gemacht. Jedenfalls reicht es bei Gesamtvertretung aus, dass ein Gesamtvertreter den Vertrag abschließt und die anderen Gesamtvertreter intern oder gegenüber dem Geschäftsgegner zustimmen (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 167 Rz. 13 und § 177 Rz. 6), wobei ein Schriftformerfordernis zu beachten ist (BAG vom 31.01.1996, 2 AZR 91/95, AP Nr. 41 zu § 123 BGB). Mit seiner Unterschrift spätestens am 20.06.2006 und Rücksendung des Originals (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 126 Rz. 11) hat der Prokurist F. intern formwirksam zugestimmt. Die Klägerin hatte nicht vorher nach § 178 BGB widerrufen.

II. Der Aufhebungsvertrag wurde mit der Rechtsfolge des § 142 BGB auch nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung durch Unterlassung angefochten (§ 123 BGB). Es fehlt schon an einer Belehrungspflicht über die Folgen der Vertragsbeendigung für die betriebliche Altersversorgung. Jede Vertragspartei ist für die Wahrnehmung ihrer Interessen verantwortlich. Deshalb ist vom BAG (Urteil vom 03.07.1990, 3 AZR 382/89, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG; Urteil vom 13.11.1984, 3 AZR 255/84, BAGE 47, 169) seit Langem geklärt, dass sich ein Arbeitnehmer vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst Klarheit über die rechtlichen Folgen verschaffen muss. Das gilt auch für den Verlust einer Versorgungsanwartschaft. Eine Hinweispflicht des Arbeitgebers besteht nur dann, wenn er einen Vertrauenstatbestand dahin begründet hat, dass kein Versorgungsschaden eintreten werde. Erfolgt die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses im eigennützigen (betrieblichen) Interesse des Arbeitgebers, kann im Einzelfall ein Vertrauen des Arbeitnehmers begründet sein, der Arbeitgeber werde seine Interessen wahren und ihn vor den nachteiligen Folgen des vorzeitigen Ausscheidens bewahren. Eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht der Beklagten wegen Verfolgung eigennütziger Interessen bestand hier nicht. Der Aufhebungsvertrag wurde nicht aus betrieblichen Gründen abgeschlossen, sondern aus Gründen in der Person der Klägerin. Sie war nach eigener Einschätzung ihrer Arbeitsaufgabe gesundheitlich nicht mehr gewachsen und wollte deshalb die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Den Streit über die Unverfallbarkeit ihrer Versorgungsanwartschaft mag die Klägerin gerichtlich klären lassen.

B. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.

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