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Ausgleichsanspruch nach Fluggastrechteverordnung – Passivlegitimation Luftfahrtunternehmen

AG Bremen – Urteil vom 21.02.2014 – Az.: 25 C 388/13

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann aber die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Ausgleichsanspruch nach Fluggastrechteverordnung - Passivlegitimation Luftfahrtunternehmen
Symbolfoto: Von Vlad Teodor /Shutterstock.com

Der Kläger nimmt die beklagte Fluggesellschaft auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungszahlungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. EG Nr. L 46 v. 17.02.2004, S. 1; im Folgenden: Verordnung) und Schadensersatz wegen eines entgangenen Urlaubstages aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau in Anspruch.

Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug von Bremen über Paris nach Punta Cana (Dominikanische Republik) für sich und seine Ehefrau. Der Flug war für den 7.12.2012 vorgesehen. Der Flug … nach Paris wurde annulliert, worüber der Kläger bei Ankunft am Flughafen von Bremen unterrichtet wurde. Stattdessen wurden der Kläger und seine Ehefrau auf einen Flug am nächsten Tage umgebucht und erreichten ihr Flugziel mit einer Verspätung von mehr als 24 Stunden.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € und pauschalen Schadensersatz von 100 € pro Person von der Beklagten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.200 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.05.2013, 200 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und 248,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.05.2013 für vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der streitgegenständliche Flug habe wegen widriger Wetterbedingungen in Paris annulliert werden müssen. Allerdings sei sie nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung gewesen, denn der annullierte Flug habe von der Fluggesellschaft R… durchgeführt werden sollen; dies ergäbe sich auch bereits aus der dem Kläger ausgehändigten und von ihm vorgelegten Buchungsbestätigung.

Wegen weiterer Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Ein Ausgleichsanspruch des Klägers i.H.v. 600,00 € pro Person aus Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung scheidet bereits aufgrund fehlender Passivlegitimation der Beklagten aus, denn die Beklagte war nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen.

Ein Ausgleichsanspruch gemäß Art. 7 der Verordnung richtet sich bei Annullierung eines Fluges nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung nur gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. Als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“, für das die Verordnung nach der Regelung ihres Anwendungsbereiches in Art. 3 Abs. 5 Satz 1 ausschließlich gilt, ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. b der Verordnung das Luftfahrtunternehmen anzusehen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Indem sie auf die Durchführung des Fluges abstellt und hiervon die zugrunde liegende Vertragsbeziehung abgrenzt, die der Fluggast auch zu einem anderen Unternehmen begründet haben kann, macht die Legaldefinition in der deutschen Sprachfassung deutlich, dass für den Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens allein maßgeblich ist, welches Unternehmen mit dem von ihm bereit gestellten Flugzeug und Personal die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt, und nicht, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist (vgl. bereits BGH, Urteil v. 26.11.2009 – Xa ZR 132/08, m.w.N.). Wegen weiterer Ausführungen zum Begriff des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“ schließt sich das Gericht der ausführlichen Diskussion durch den BGH in der vorgenannten Entscheidung an, auf die an dieser Stelle der Einfachheit halber verwiesen wird.

Ausführendes Luftfahrtunternehmen des annullierten Fluges … von Bremen nach Paris war hier die Fluggesellschaft „R…“, bei der es sich zwar nach den unbestrittenen Darlegungen der Beklagten um eine Tochtergesellschaft der Beklagten handelt, die jedoch nicht mit ihr identisch ist. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass  beide Fluggesellschaften selbständige juristische Personen sind.

Zu Recht lässt der Kläger ausführen, dass hier ein Fall des Code-Sharing, mit dem sich die Rechtsprechung vielfältig auseinanderzusetzen gehabt hat, gerade nicht vorliegt. Unter diesem Begriff wird die Kooperation zweier Luftfahrtunternehmen bezeichnet, die dadurch gekennzeichnet ist, dass neben dem ausführenden Unternehmen das andere Unternehmen eigene Fluggäste unter einer eigenen zweiten Flugnummer auf den Flug einbucht. Hier stellt sich dann die Frage, ob zwischen dem Betriebsunternehmen und dem Vertriebsunternehmen zu differenzieren ist. Gerade die Fälle des Code-Sharings  zeigen aber, dass es auf die Flugnummer und die Zuordnung des enthaltenen Buchstabenkürzels zu einer bestimmten Fluggesellschaft gerade nicht ankommen kann (entgegen AG Bremen, Urteil vom 18.01.2013, 4 C 516/11), denn in jenen Fällen soll nach überwiegender Ansicht bei der Einbuchung über verschiedene Fluggesellschaften unter verschiedenen (eigenen) Flugnummern es gerade nicht auf die Flugnummer oder auf die einbuchende Fluggesellschaft, sondern allein auf das tatsächlich ausführende Unternehmen ankommen. Das erscheint auch schon deshalb sinnvoll, weil es regelmäßig das ausführende Unternehmen sein wird, welches die Entscheidung, einen Flug zu annullieren trifft und deshalb mit allen Folgen zu verantworten hat, und nicht das einbuchende Unternehmen. Anders mag dies im Ergebnis lediglich in den Fällen sein, in denen – etwa wegen kurzfristigen Ausfalls eines Fluggerätes – das Luftfahrtunternehmen auf ein anderes Unternehmen zurückgreift, ohne dies gegenüber den Passagieren offen zu legen. Ein derartiger Fall ist hier aber gerade nicht gegeben.

Im vorliegenden Fall ist danach tatsächlich ausführendes Luftfahrtunternehmen für den ursprünglich vorgesehenen Rückflug auf der betreffenden Teilstrecke Bremen – Paris das Luftfahrtunternehmen R… gewesen. Nur gegenüber diesem Unternehmen kann der Anspruch auf Entschädigung aufgrund der FluggastrechteVO bestehen. Dass tatsächlich nicht die Beklagte, sondern die Fluggesellschaft R… den Flug durchführen würde bzw. hätte durchführen sollen, hätte sich für den Kläger ohne weiteres bereits aus den hier im Prozess vorgelegten Buchungsunterlagen ergeben können. Dort ist nämlich ausdrücklich vermerkt, dass der Zubringerflug Air … /Flug-Nr…. (wie Übrigens auch der entsprechende Flug Paris-Bremen auf dem Rückflug) „ausgeführt (wird) von R…“.

Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte vorprozessual die Ansprüche nicht aus diesem sondern anderem Grund zurückgewiesen hat. Darin mag eine gewisse Irreführung liegen, diese macht die Beklagte aber nicht zu dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, welches sie nie gewesen ist.

Ein Schadensersatzanspruch der Kläger  wegen vertaner Urlaubszeit, unnötig aufgewendeter Fahrtkosten und anderer Unannehmlichkeiten ist ebenfalls nicht gegeben.

Der Anspruch aus Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 stellt seinem Zweck nach einen pauschalierten Schadenersatzanspruch dar. Nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers muss das Luftfahrtunternehmen für die Nichtbeförderung eine Ausgleichszahlung nach dieser Vorschrift leisten und hat weiterhin für Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und 9 der VO (EG) Nr. 261/2004 zusätzlich Sorge zu tragen. Gemäß Art. 12 Abs. 1 der VO (EG) 261/2004 sind Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der VO (EG) 261/2004 auf etwaige weitergehende Schadenersatzansprüche anzurechnen. Das gilt demnach auch im Hinblick auf Ansprüche des Klägers aus dem Beförderungsvertrag, obwohl sich die Ausgleichsansprüche gerade nicht gegen die Beklagte, sondern das ausführende Luftfahrtunternehmen richten. Die Beklagte muss sich im Beförderungsvertrag zwar ein etwaiges Verschulden des ausführenden Luftfahrtunternehmen als Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen, zugleich kann das Auseinanderfallen der vertraglichen Beziehung und der tatsächlichen Ausführung aber nicht zu einer Verdopplung der Ansprüche führen. Zwar unterliegt die Beklagte als die für alle Flüge auf der Gesamtstrecke verantwortliche Vertragspartnerin des Klägers hinsichtlich dieses Streckenabschnittes einer – hier von dem Kläger geltend gemachten – vertraglichen Haftung. Allerdings setzt diese  zum einen voraus, dass die Beklagte als Vertragspartnerin des Beförderungsvertrages den Schaden zu vertreten hat, zum anderen ist auf der Anspruch wegen der Anrechnung der gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen bestehenden Ansprüche ausgeschlossen. Das gilt im Ergebnis selbst dann, wenn das ausführende Unternehmen Ausgleichsleistungen nicht schuldet, weil die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, weil dann regelmäßig ein zurechenbares Verschulden nicht feststellbar sein wird.

Da schon der Hauptanspruch nicht besteht, kann der Kläger auch den als Nebenforderung geltend gemachten Ersatz vorgerichtlicher Kosten nicht beanspruchen.

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