AG Hamburg – Az.: 36a C 251/13 – Urteil vom 10.01.2014
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 453,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2013 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 83,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.08.2013 und an den Kläger zu 2) 600,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten tragen Klägerin zu 1) 19% und die Beklagte 81%. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) sowie 66% der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1); die Klägerin zu 1) trägt 34% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Im Übrigen tragen die Klägerin zu 1) und die Beklagte ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.222,90 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger begehren Ausgleichszahlungen und Schadensersatz aufgrund der Verspätung eines durch die Beklagte durchgeführten Fluges.
Die Kläger buchten einen Non-Stop-Flug von der kapverdischen Insel Sal nach Hamburg für den 08.01.2013.
Die Beklagte hatte den Flugzeugumlauf den 08.01.2013 in der Weise geplant, dass zunächst von Hamburg aus die kapverdische Insel Boa Vista und sodann Sal angeflogen werden sollten; im Anschluss sollte das Flugzeug von Sal zurück nach Hamburg fliegen. Sowohl auf Boa Vista als auch auf Sal sollten sowohl Passagiere abgeliefert (Hinflieger) als auch solche für den Rückflug nach Hamburg (Rückflieger) aufgenommen werden. Tatsächlich wurde der Flug in der Weise durchgeführt, dass das planmäßig in Hamburg gestartete Flugzeug nicht auf Boa Vista, sondern zunächst auf Sal landete. Von dort aus flog es am Nachmittag des 08.01.2013 auf die kanarische Insel Gran Canaria, wo die Kläger ebenso wie die anderen Passagiere, also die Hinflieger nach Boa Vista und die anderen Rückflieger von Sal, die Nacht in einem von der Beklagten gestellten Hotel verbrachten. Am nächsten Morgen des 09.01.2013 wurden zunächst die Passagiere, die am Vortag nach Boa Vista hätten geflogen werden sollen, mit dem Flugzeug nach Boa Vista gebracht und diejenigen, die Boa Vista am Vortag hätten verlassen sollen, dort aufgenommen. Danach wurden die Passagiere aus Sal, die am Tag zuvor nach Hamburg hätten fliegen sollen, mit demselben Flugzeug auf Gran Canaria abgeholt. Darunter befanden sich auch die Kläger. Die Maschine mit den Rückfliegern von Sal und Boa Vista erreichte Hamburg am Abend des 09.01.2013 mit einer Verspätung von 22 Stunden gegenüber der geplanten Ankunftszeit.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob und inwiefern ein Sandsturm auf Boa Vista für die Umplanung des Flugumlaufs ursächlich war.
Die Klägerin hat 147,00 € vom Reiseveranstalter erhalten.
Die Kläger sind der Ansicht, dass selbst dann, wenn der von der Beklagten behauptete Sandsturm auf Boa Vista dazu geführt haben sollte, dass die streitgegenständliche Maschine zunächst entgegen der Umlaufplanung auf Sal landete, eine planmäßige Beförderung der Kläger sowie der übrigen Passagiere mit dem Ziel Hamburg möglich und zumutbar gewesen wäre.
Sie behaupten, dass eine Verbringung nach Gran Canaria nicht erforderlich gewesen wäre. Die Beklagte habe jedenfalls nicht alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Verspätung getroffen. Insbesondere könnten Umplanungen, die zwar aufgrund eines etwaigen außergewöhnlichen Umstands erfolgten, die aber – wenn der in Bezug genommene Flug selbst nicht von dem Umstand betroffen sei – rein organisatorische Entscheidungen der Fluggesellschaft darstellten, nicht zu einem Haftungsausschluss führen.
Weiter behaupten die Kläger, sie hätten auf Gran Canaria Getränke selbst zahlen müssen. Daher stehe der Klägerin zu 1) insoweit ein Ersatzanspruch auf Zahlung von 22,90 € für verauslagte Kosten gemäß der als Anlage K6 eingereichten Rechnung zu. Die Zahlung von 147,00 € an die Klägerin zu 1) durch den Reiseveranstalter sei wegen anderer Reisemängel als der Flugverspätung erfolgt.
Zunächst hatte nur die die Klägerin zu 1) Klage auf Zahlung von 1.222,90 € erhoben. Nach richterlichem Hinweis auf die teilweise Unschlüssigkeit der Klage ist mit Schriftsatz vom 13.11.2013 der Kläger zu 2) als solcher in den Rechtsstreit eingetreten.
Die Kläger beantragen zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 622,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2013 zu zahlen;
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2013 zu zahlen. Im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, dass an diese 147,00 € gezahlt worden sind, ist dieser Betrag unerheblich.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 1) die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 186,24 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2013 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, während des Fluges des streitgegenständlichen Flugzeuges von Hamburg nach Boa Vista habe sich herausgestellt, dass auf Boa Vista ein Sandsturm die Landung unmöglich mache. Der Flughafen sei geschlossen gewesen. Der Flug sei daher unter Auslassung des Ziels Boa Vista nach Sal umgeleitet worden.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass es den Hinfliegern nach Boa Vista nicht zumutbar gewesen sei, gemeinsam mit den aufgenommenen Passagieren aus Sal zurück nach Hamburg zu fliegen. Es sei daher zunächst geplant gewesen, die Hinflieger für die Nacht auf Sal unterzubringen und den streitgegenständlichen Flug Sal – Hamburg annähernd rechtzeitig durchzuführen. Im Weiteren habe sich jedoch herausgestellt, dass auf Sal keine ausreichenden Hotelkapazitäten für die Unterbringung der Hinflieger nach Boa Vista zur Verfügung gestanden hätten. Im Rahmen einer Gesamtabwägung habe sie deshalb entschieden, als mildestes Mittel einen „Rescue-Flight“ von Sal nach Gran Canaria durchzuführen, wo für sämtliche Passagiere ausreichend Hotelzimmer zur Verfügung gestanden hätten.
Die Parteien haben für den eingetretenen Fall eines Vergleichswiderrufs einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.
I.
Das Amtsgericht Hamburg ist gemäß § 29 ZPO örtlich und nach §§ 23Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig.
Der Eintritt des Klägers zu 2) als solcher in den Rechtsstreit war im Sinne der Vermeidung eines weiteren Prozesses bei im Wesentlichen gleichen Lebenssachverhalt sachdienlich, so dass er gemäß § 263 ZPO analog zulässig war. Die Beklagte hat dagegen auch keine Einwendungen erhoben.
Den Klagantrag zu 1. legt das Gericht dahingehend aus, dass der darin enthaltene Satz „Im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, dass an diese 147,00 € gezahlt worden sind, ist dieser Betrag unerheblich.“ unbeachtlich ist. Es ist nicht erkennbar, dass damit eine Verurteilung der Beklagten, in welcher Weise auch immer, begehrt würde. Insbesondere ist darin kein Feststellungsantrag zu sehen, der im Übrigen auch mangels Feststellungsinteresses unzulässig wäre. Es handelt sich wohl nur um ein Redaktionsversehen des klägerischen Prozessbevollmächtigten.
II.
Trotz des Beitritts des Klägers zu 2) konnte gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Der Kläger zu 2) ist erst im bereits angeordneten Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO dem Rechtsstreit beigetreten. Sein späterer Prozessbevollmächtigter hatte in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2013 Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklären lassen und sich auch für den sodann eingetretenen Kläger zu 2) nicht dagegen gewendet.
III.
Die Klage ist überwiegend begründet. Der Klägerin zu 1) steht der geltend gemachte Anspruch nur zum Teil zu, hinsichtlich des Klägers zu 2) ist die Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs in vollem Umfang begründet.
1.
Beide Kläger haben einen Anspruch auf Entschädigung aus Artt. 5 Abs. 1c) analog, Art. 7 Abs. 1c) der EG-VO Nr. 261/2004 (im Folgenden: EG-VO).
a)
Die EG-VO ist nach ihrem Art. 3 Abs. 1b), Abs. 2 anwendbar. Die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen ist ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, und der streitgegenständliche Flug wurde von den Klägern auf einem Flughafen in einem Drittstaat – Republik Kap Verde – nach Hamburg und damit zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaates angetreten. Zahlungen durch den Drittstaat haben die Kläger nach Aktenlage nicht erhalten. Die Kläger hatten jeweils eine bestätigte Buchung für den Flug von Sal nach Hamburg am 08.01.2013.
b)
Artt. 5 Abs. 1 lit. c) analog, Art. 7 Abs. 1c) der EG-VO sind vorliegend einschlägig.
Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH (u. a. Urteil vom 19.11.2009, Az.: C 402/07 und C 432/07) und des BGH (Urteil vom 18.02.2010, Az.: Xa ZR 95/06), der das erkennende Gericht trotz einiger Bedenken folgt, kann Fluggästen über den Wortlaut des Art. 6 der EG-VO hinaus in analoger Anwendung des Art. 5 Abs. 1c) der EG-VO ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der EG-VO auch dann zustehen, wenn der Fluggast sein Endziel mit einer Verspätung von 3 Stunden oder mehr nach der planmäßigen Ankunftszeit erreicht und die Verspätung nicht auf unvermeidbare außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der EG-VO zurückgeht.
c)
Hier liegt mit 22 Stunden Verspätung am Endziel Hamburg eine solche sogenannte große Verspätung vor. Die Entfernung zwischen Sal und Hamburg beträgt mehr als 3.500 Kilometer.
d)
Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, dass unvermeidbare außergewöhnliche Umstände i.S.d. Art. 5 Abs. 3 EG-VO vorgelegen hätten, die zu einem Haftungsausschluss führen.
aa)
Der von der Klägerin behauptete Sandsturm, von dem der Flughafen der kapverdischen Insel Boa Vista am fraglichen Tag betroffen gewesen sei, würde zwar ohne weiteres einen solchen außergewöhnlichen Umstand i.S.v. Art. 5 Abs. 3 EG-VO darstellen (vgl. dazu auch Urteil des AG Hamburg vom 01.11.2013, Az. 23a C 157/13 – nicht veröffentlicht).
bb)
Die Beklagte hat aber nicht vorgetragen, geschweige denn bewiesen, dass sich die große Verspätung des streitgegenständlichen Fluges (Sal – Hamburg) auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Zunächst ist zu beachten, dass sich das Kriterium der Vermeidbarkeit nach dem Wortlaut der EG-VO nicht auf die Annullierung [respektive die große Verspätung], sondern auf die außergewöhnlichen Umstände, vorliegend also den Sandsturm, bezieht (vgl. AG Bremen, Urt. v. 04.08.2011, Az. 9 C 135/11).
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, auf den kapverdischen Inseln eine Ersatzmaschine vorzuhalten. Solche (seien es eigene oder Subcharter-Maschinen) insbesondere im Ausland für etwaige Fälle von Umorganisation regulär vorzuhalten, ist den Fluggesellschaften nicht zumutbar (vgl. auch LG Hannover, Urt. v. 18.01.2012, Az. 14 S 52/11, Rn. 31; LG Frankfurt, Urt. v. 29.11.2012, Az.: 2-24 S 111/12, Rn. 47).
Zudem gilt nach der Rechtsprechung des BGH: Sofern feststeht, dass die Abweichung von einem geplanten Flugumlauf aufgrund außergewöhnlicher Umstände i.S.d. Art. 5 Abs. 3 EG-VO erforderlich geworden ist, können an die Darlegung der Gründe, warum ein bestimmter Flug annulliert worden ist [bzw. eine große Verspätung entsteht], keine hohen Anforderungen gestellt werden (hier und im Folgenden BGH, Urt. v. 21.08.2012, Az. X ZR 138/11, Rn. 32 ff.)
In einer solchen Situation steht das Luftverkehrsunternehmen vor der Aufgabe, den Betriebsablauf entsprechend zu reorganisieren. Hierbei hat es vor allem darauf hinzuwirken, dass die Beeinträchtigung für die Gesamtheit der Fluggäste möglichst gering ausfällt und dass nach dem Wegfall der Beeinträchtigungen möglichst schnell wieder der Normalbetrieb aufgenommen werden kann. Schöpft das Luftverkehrsunternehmen unter Einhaltung dieser Anforderungen die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen in dem gebotenen Umfang aus, kann die Nichtdurchführung [oder große Verspätung] eines einzelnen Fluges in der Regel nicht allein deshalb als vermeidbar angesehen werden, weil stattdessen ein anderer Flug hätte annulliert [oder erheblich verspätet durchgeführt] werden können. In Anbetracht der komplexen Entscheidungssituation, bei der eine Mehrzahl von Flügen sowie deren Verknüpfung untereinander zu berücksichtigen sind, ist dem Luftverkehrsunternehmen vielmehr der erforderliche Spielraum bei der Beurteilung der zweckmäßigen Maßnahmen zuzubilligen. Eine Verkürzung der Verbraucherrechte ist hierdurch nicht zu besorgen, da es nicht zuletzt im eigenen wirtschaftlichen Interesse des Luftverkehrsunternehmens liegt, die Auswirkungen der Beeinträchtigungen der Fluggäste so gering wie möglich zu halten (BGH, a.a.O.).
Bei Anwendung dieser vorstehenden Maßgaben ist entgegen der Ansicht der Kläger davon auszugehen, dass die Beklagte – ihren Sachvortrag als richtig unterstellt – ihr Organisationsermessen grundsätzlich pflichtgemäß ausgeübt hat.
Das gilt allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie die Rückflieger von Sal und damit auch die Kläger auf der Insel Gran Canaria hat aussteigen und dort im Hotel übernachten lassen. Denn die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, warum die Rückflieger von Sal, ebenso wie die Hinflieger nach Boa Vista, auf Gran Canaria übernachten mussten und nicht stattdessen sogleich von dort aus weiter nach Hamburg geflogen wurden. Das erschließt sich dem Gericht auch nicht aus der Akte. Insbesondere ist nicht vorgetragen und auch nicht sonstwie erkennbar, dass dies nicht möglich gewesen sei, weil die Hinflieger am nächsten Morgen von Gran Canaria nach Boa Vista geflogen werden mussten. Es erscheint insbesondere angesichts der dortigen Landezeit von 16.01 Uhr und des nächsten Starts der Maschine am Morgen des 09.01.2013 nicht plausibel, dass die Kläger auf Gran Canaria übernachten mussten. Es wäre mit mehr als 12 Stunden ganz offenkundig genug Zeit gewesen, um die Rückflieger nach Hamburg zu bringen und sodann mit derselben Maschine nach Gran Canaria zurückzufliegen, um am nächsten Morgen die Hinflieger nach Boa Vista zu transportieren.
Die Beklagte war für diese Frage darlegungsbelastet, wie sich aus Art. 5 Abs. 3 der EG-VO ergibt. Danach ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Beklagte hat zu dieser Frage aber auch nach dem richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung überhaupt keinen Vortrag gehalten.
e)
Die Klägerin zu 1) muss sich allerdings auf ihren Anspruch, der gemäß Art. 7 Abs. 1c) der EG-VO ursprünglich in Höhe von 600,00 € bestand, die bereits erfolgte Zahlung in Höhe von 147,00 € analog Art. 12 Abs. 1 S. 2 der EG-VO anrechnen lassen.
Der BGH hat dazu in seinem Beschluss vom 30.07.2013, X ZR 111/12, zitiert nach juris, in Randnummern 10-11 wie folgt überzeugend ausgeführt:
„Zwar ist Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung, der nach seinem Wortlaut lediglich vorsieht, dass die gemäß Art. 7 der Verordnung gewährte Ausgleichsleistung auf einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung angerechnet werden kann, eine Ausnahmebestimmung, die die Ansprüche der Fluggäste einschränkt, und deshalb generell eng auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2012 – C22/11, NJW 2013, 361 Rn. 38 – Finnair Oyi/Lassooy). Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung soll aber verhindern, dass der Fluggast neben der Ausgleichsleistung gemäß Art. 7 der Verordnung den Ersatz weitergehenden Schadens verlangen kann, ohne dass es darauf ankommt, welche der beiden Ansprüche das Luftfahrtunternehmen zuerst erfüllt hat. Dies ergibt sich aus der Begründung der Vorschrift, die bei deren Auslegung zu berücksichtigen ist (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 – C-402/07, C432/07, NJW 2010, 43 Rn. 42 – Sturgeon/Condor Flugdienst-GmbH und Böck/Air France SA). Nach der Stellungnahme der Kommission vom 11. August 2003 gemäß Art. 251 Abs. 2 Unterabs. 3 Buchst. c EG-Vertrag zu den Abänderungen des Europäischen Parlaments betreffend den Vorschlag für die Verordnung (COD (2001) 305, dort unter 4.2, betreffend Abänderung 15) (nachfolgend: Stellungnahme der Kommission) sollte Art. 12 Abs. 1 Satz 2 beibehalten werden, damit die Gerichte verhindern könnten, dass dem Luftfahrtunternehmen ein doppelter Schadensersatz auferlegt werde (gerichtlich verhängter Schadensersatz zuzüglich der Ausgleichsleistung nach der vorgeschlagenen Verordnung). Dieses Ziel erfordert, auch den gewährten Ersatz weitergehenden Schadens auf die Ausgleichsleistung anzurechnen.
Zudem hinge andernfalls der Umfang der Ansprüche von der Reihenfolge der Geltendmachung ab: Setzte der Fluggast zunächst die Ansprüche auf weitergehenden Schadensersatz durch, könnte er anschließend die volle Ausgleichszahlung von der Fluggesellschaft verlangen. Setzt er hingegen zuerst die Ausgleichsleistung durch, könnte er anschließend bis zur Höhe der Ausgleichsleistung keine Ansprüche auf weitergehenden Schadensersatz durchsetzen, weil die Anrechnungsvorschrift zum Zuge käme. Dies wäre nicht sachgerecht.“
Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
Unstreitig hat die Klägerin bereits 147,00 € vom Reiseveranstalter erhalten. Sie hat zwar behauptet, diese Zahlung sei wegen anderer Reisemängel als der Flugverspätung erfolgt. Dieser Vortrag ist jedoch unbeachtlich, da völlig pauschal. Die Beklagte hat konkret behauptet, der Betrag sei vom Reiseveranstalter wegen der Flugverspätung gezahlt worden. Dazu hätte die Klägerin aufgrund der ihr insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast konkret vortragen müssen, worauf das Gericht auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat. Dem ist die Klägerin zu 1) jedoch nicht nachgekommen. Sie hat noch nicht einmal vorgetragen, für welchen angeblichen anderen Reisemangel die Zahlung denn geleistet worden sein sollte. Damit ist der Vortrag der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu betrachten.
Der Anspruch der Klägerin besteht daher nur in Höhe von 453,00 € (600,00 € – 147,00 €).
f)
Ein darüber hinausgehender Schadensersatzanspruch auf Zahlung weiterer 22,90 € steht der Klägerin zu 1) nicht zu. Letztlich war die Klage insoweit schon deshalb unschlüssig, weil die Kläger nicht vorgetragen haben, wer von ihnen die Kosten für die Getränke in Höhe von 22,90 € getragen hat (vgl. Klageschrift, S. 3 unten: „die Klägerin und ihr Ehemann“). Es wäre jedoch nur derjenige der beiden Kläger anspruchsberechtigt, der die Kosten getragen hat. Überdies erhielt die Klägerin zu 1) unstreitig ein Getränk zum Essen. Für ihre Behauptung, es seien (wohl darüber hinaus) Getränke nicht bezahlt worden, ist die Klägerin zu 1) beweisfällig geblieben. Sie hat dazu mit der Klageschrift die zeugenschaftliche Vernehmung des späteren Klägers zu 2) angeboten. Dieses Beweisangebot ist durch den Eintritt des Klägers zu 2) als solcher überholt. Das weitere Beweisangebot ist unbeachtlich („Zeugnis N.N.“). Aus Anlage K6 geht nur hervor, dass den Klägern Getränke in Rechnung gestellt wurden, nicht aber, wer diese Rechnung bezahlt hat und auch nicht, dass die Beklagte darüber hinaus keine anderen Getränke bezahlt habe.
g)
Der Kläger zu 2) hat aus den dargelegten Gründen einen Anspruch auf Zahlung von 600,00 € gemäß Artt. 5 Abs. 1c) analog, Art. 7 Abs. 1c) der EG-VO.
2.
Der Zinsanspruch folgt für die Kläger aus §§ 288Abs. 1, 286 BGB. Die Beklagte hatte den von beiden Klägern mit Schreiben vom 24.01.2013 (Anlage K2) geltend gemachten Ansprüche mit ihrem Schreiben vom 05.03.2013 (Anlage K3) ernsthaft und endgültig zurückgewiesen, so dass sie gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug geriet.
3.
Der Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten steht der Klägerin zu 1) zwar dem Grunde nach, jedoch nur in Höhe von 83,54 € zu. Der Anspruch folgt als Verzugsschadensersatzanspruch aus §§ 280Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Die Beklagte hatte den Anspruch mit ihrem Schreiben vom 05.03.2013 ernsthaft und endgültig zurückgewiesen und war damit gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug geraten. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin zu 1) war eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung.
Allerdings stand der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte ursprünglich lediglich ein Anspruch auf Zahlung von 600,00 € zu. Mit dem Anwaltsschreiben vom 30.05.2013 wurden hingegen 1.200,00 € geltend gemacht, obwohl die Prozessbevollmächtigten der Kläger ausdrücklich nur für die Klägerin zu 1) auftraten. Von dieser Summe war offenbar auch der Ausgleichsanspruch des Klägers zu 2) umfasst. Allerdings hat dieser seinen Anspruch weder an die Klägerin zu 1) abgetreten, noch selbst den Anwalt (mit-) beauftragt. Daher kann die Klägerin nur bezogen auf ihren eigenen Anspruch Rechtsverfolgungskosten geltend machen. Da die Klägerin zudem entgegen ihrer sekundären Darlegungslast nicht vorgetragen hat, wann sie die Zahlung von 147,00 € vom Reiseveranstalter erhalten hat, die auf ihren Ausgleichsanspruch anzurechnen ist, ist ein Gegenstandswert von 453,00 € zugrunde zu legen. Angesichts dessen belaufen sich die erforderlichen Anwaltskosten (1,3-Gebühr plus Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) nach damals geltendem Gebührenrecht auf 83,54 €. Das Ergebnis ist aufgrund der Gebührentabellen identisch mit einer Berechnung nach einem Gegenstandswert von 600,00 €. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Der Zinsanspruch auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Ein Verzugseintritt vor Eintritt der Rechtshängigkeit ist schon deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin zu 1) vorgerichtlich eine deutlich überhöhte Forderung geltend gemacht hat (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 286 Rn. 20 m.w.N.). Auch insoweit war die Klage im Übrigen abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO analog nach der sogenannten Baumbach’schen Formel. Für die Kostenentscheidung war dabei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1) hinsichtlich der außergerichtlichen Anwaltskosten mit 102,70 € unterliegt. Zwar handelt sich sich bei diesen Kosten um eine Nebenforderung, die nach § 4 ZPO den Streitwert nicht erhöht. Das Unterliegen ist aber im Verhältnis zum fiktiven Gesamtstreitwert von 1.409,14 € nicht geringfügig, sondern übersteigt 7%. Damit ist das Obsiegen und Unterliegen auch im Hinblick auf die nicht streitwerterhöhende Nebenforderung für die Kostenquote relevant (vgl. dazu Zöller-Herget, ZPO, 30. Aufl., § 92 Rn. 11).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich jeweils aus §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.