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Ausschluss eines Schülers von Schulfahrt – Sanktion für vorangegangenes Fehlverhalten

Sächsisches Oberverwaltungsgericht – Az.: 2 B 158/19 – Beschluss vom 24.05.2019

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. Mai 2019 – 5 L 383/19 – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Schulleiterin der Grundschule B vom 21. Mai 2019, mit dem diese den Antragsteller von der Teilnahme an der vom 27. bis 29. Mai 2019 stattfindenden Schulfahrt der vom Antragsteller besuchten Klasse 4b ausgeschlossen (Ziffer 1) und die sofortige Vollziehung angeordnet hat (Ziffer 2), wiederherzustellen, entsprochen. Die vom Antragsgegner hiergegen mit der Beschwerde vorgetragenen Einwendungen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, führen zur Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO – wie hier die Schulleiterin – die sofortige Vollziehung anordnet, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Maßstab der gerichtlichen Entscheidung ist eine Interessenabwägung unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs.

Ausgehend davon erweist sich der gegenüber dem Antragsteller verfügte Ausschluss von der Teilnahme an der Schulfahrt auf Grundlage der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich als rechtmäßig.

Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 SächsSchulG ist die Schule im Rahmen der Vorschriften des Schulgesetzes berechtigt, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung des Schulbetriebs und zur Erfüllung der ihr übertragenen unterrichtlichen und erzieherischen Aufgaben erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dies kann über eine Hausordnung, allgemeine Anordnungen oder Einzelanordnungen geschehen. Um eine solche Einzelanordnung handelt es sich bei dem hier in Rede stehenden Ausschluss des Antragstellers von der Schulfahrt. Zwar hat ein Schüler grundsätzlich ein aus der in § 26 Abs. 1 und 2 SächsSchulG geregelten Schulpflicht, die sich neben dem regelmäßigen Besuch des Unterrichts auf die Teilnahme an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule, wie etwa Schulfahrten (vgl. Senatsurt. v. 28. August 2018 – 2 A 265/17 -, juris Rn. 29), erstreckt, folgendes Recht auch auf Teilnahme an einer Schulfahrt. Von einer verbindlichen Schulfahrt kann ein Schüler indessen nicht nur im Wege einer Ordnungsmaßnahme nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SächsSchulG ausgeschlossen werden, sondern auch aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen durch pädagogische Maßnahmen im Einzelfall nach § 32 Abs. 2 SächsSchulG. Organisation und Durchführung von Schulfahrten liegen in der pädagogischen Gesamtverantwortung der Schule. Hierbei kommt der Schule ein weiter Ermessensspielraum zu, aufgrund dessen sie einzelne Schüler aus zwingenden sachlichen Gründen auch außerhalb von Ordnungsmaßnahmen nach § 39 Abs. 2 SächsSchulG die Teilnahme versagen kann. So liegt es hier.

Klassenfahrt - Ausschluß Schüler
Klassenfahrt – Ausschluß Schüler (Symbolfoto: William Perugini/Shutterstock.com)

Ausweislich des Bescheids vom 21. Mai 2019 hat die Schulleiterin den Ausschluss des Antragstellers von der Schulfahrt mit den gegenüber dem Schulalltag im Schulgebäude und auf dem Schulgelände höheren Anforderungen begründet, die eine Schulfahrt an die Fürsorge- und Aufsichtspflicht des Leiters und der Begleitperson(en) stelle; dies schließe im Grundschulbereich auch die Freizeit ein. Der Lehrer treffe die erforderlichen Maßnahmen und Vorkehrungen, um die ihm anvertrauten Schülern keinen unnötigen Gefährdungen und Risiken auszusetzen. Der Antragsteller habe seit März 2019 mehrfache Disziplinarverstöße begangen. Er halte die Regeln des Schulalltags nicht ein. So habe er sich im Zeitraum Februar bis April 2019 mehrfach unerlaubt außerhalb der Unterrichtszeit im Schulgebäude aufgehalten, das Handy benutzt, obwohl kein Notfall vorgelegen habe, und sich im Unterricht provokant verhalten, etwa indem er im Mathematikunterricht die Lehrkraft absichtlich durch ein Lineal geblendet und sich im Englischunterricht geweigert habe, während einer spielerischen Unterrichtsphase einen bestimmten Platz einzunehmen, weshalb das Spiel habe abgebrochen werden müssen. In den letzten Wochen habe sich der Antragsteller respektlos, impulsiv und unbeherrscht verhalten, Lehrkräfte mit den Worten: „Was sind Sie denn für Erzieher? Wieso dürfen Sie hier überhaupt arbeiten?“ beschimpft und eine Erzieherin geschubst.

Weiter verweist die Schulleiterin auf ihre dem Bescheid vorausgegangen Schreiben an die Eltern des Antragstellers vom 15. April und 15. Mai 2019. Danach sieht sie die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule durch eine vom Vater des Antragstellers angekündigte Strafanzeige und dessen nachfolgende Kommentare im Hausaufgabenheft seines Sohnes nicht mehr gewährleistet. Das Verhalten des Antragstellers sei seit mehreren Wochen geprägt von mündlichen Provokationen gegenüber Lehrkräften und Mitschülern, ständigen körperlichen Auseinandersetzungen mit Schülern unterschiedlichen Alters, Widerstand gegen klare Anweisungen der Lehrer und verbalen Beleidigungen gegenüber den Horterziehern. Der Antragsteller zeige erste Anzeichen von Selbstverletzungen z. B. durch bewusstes Stolpern und Hinfallen, Stürzen gegen die Türe etc., um sein Mittelpunktstreben auszuleben. Die Eltern wurden davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Teilnahme ihres Sohnes aufgrund der genannten Vorkommnisse derzeit nicht verantwortet werden könne; ihnen werde die Möglichkeit eröffnet, auf ihren Sohn einzuwirken. Dieser habe sein Verhalten, so die Schulleiterin im Schreiben vom 15. Mai 2019, indes nicht geändert. Aufgrund der genannten Vorfälle und der Tatsache, dass der Antragsteller Anweisungen der Lehrer im laufenden Schulbetrieb weiterhin nicht befolge, übliche Anstandsregeln nicht beachte und Störungen provoziere, bestehe die begründete Besorgnis, dass der Antragsteller sich auch während der Schulfahrt nicht an die Vorgaben der Aufsichtspersonen halte. Ein reibungsloser und konfliktfreier Ablauf der Schulfahrt und die Sicherheit des Antragstellers und der übrigen mitfahrenden Schüler könnten unter diesen Umständen nicht sichergestellt werden.

Diese Erwägungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken und tragen den Ausschluss des Antragstellers von der Teilnahme an der Schulfahrt. Die Maßnahme stellt sich nicht in erster Linie als Ordnungsmaßnahme zur Sanktion für vorangegangenes Fehlverhalten des Antragstellers dar. Im Vordergrund steht vielmehr die Gewährleistung der Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule (§ 1 SächsSchulG). Schulfahrten sind ein wichtiger Bestandteil der Erziehungs- und Bildungsarbeit. Sie vertiefen, erweitern und ergänzen den Unterricht und unterstützen und fördern die Sozial- und Gemeinschaftsfähigkeit der Schüler in besonderer Weise (vgl. Nr. 1.2 VwV-Schulfahrten). Vorbereitung und Durchführung der Schulfahrt obliegen in der Regel dem Klassenlehrer (Nr. 5.2 VwV-Schulfahrten). Art und Umfang der Aufsicht richten sich nach den Gegebenheiten der jeweiligen Schulfahrt und dem Alter und der Einsichtsfähigkeit der Schüler. Bei – wie hier – mehrtägigen Schulfahrten ist die Teilnahme einer Begleitperson, d. h. eines Lehrers oder einer anderen volljährigen Person, erforderlich; bei schwierigen Aufsichtsverhältnissen ist die Teilnahme einer zusätzlichen Begleitperson erforderlich (Nr. 6.1., 6.2 VwV-Schulfahrten). Hieran knüpft die Entscheidung der Schulleiterin, den Antragsteller von der Schulfahrt auszuschließen, ersichtlich an. Dies belegt auch das Protokoll zum Beschluss der Klassenkonferenz vom 20. Mai 2019. Darin heißt es ausdrücklich, dass die „Mitnahme des seit März 2019 stark verhaltensauffälligen“ Antragstellers „die schulfahrtleitende Lehrkraft und ihre Begleitperson … vor besondere zusätzliche Herausforderungen“ hinsichtlich der bei mehrtägigen Schulfahrten bestehenden erhöhten Fürsorge- und Aufsichtspflicht stelle. Dieser Einschätzung hat sich die Schulleiterin im Bescheid vom 21. Mai 2019 angeschlossen. Insoweit führt sie in ihrer mit der Antragserwiderung vorgelegten dienstlichen Erklärung ergänzend aus, dass der Antragsteller nach ihrer Auffassung ein Verhalten an den Tag lege, das einen erhöhten Betreuungsbedarf erforderlich mache. Die Schulfahrt, an der 18 Schüler teilnähmen, werde von der Klassenlehrerin, unterstützt vom Vater eines Schülers als Begleitperson, durchgeführt. Die Mitnahme einer weiteren Lehrkraft könne die Schule nicht leisten. Der individuellen Begleitung und Beaufsichtigung des Antragstellers durch ein Elternteil stehe das zerrüttete Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Eltern entgegen. Von daher erweist sich der Ausschluss des Antragstellers von der Teilnahme an der Schulfahrt mithin auch als verhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Der sich danach ergebende Auffangwert ist zu halbieren, weil die Aussetzung der Vollziehung lediglich vorläufigen Charakter hat (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs; Senatsbeschl. v. 4. Mai 2017 – 2 B 108/17 -, juris).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 

 

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