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Außerordentliche Kündigung wegen Führerscheinentzug

ArbG Dresden, Urteil vom 20.03.2014, Az.: 5 Ca 2776/13

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom … noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten vom … aufgelöst worden ist.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

3. Der Streitwert wird auf € … festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des beklagten Arbeitgebers.

Der … geborene, verheiratete Kläger ist bei dem Beklagten seit dem … als Kraftfahrer beschäftigt, zuletzt durch Abordnung beim Landesamt für … . Sein monatliches Bruttoeinkommen beträgt … €.

Außerordentliche Kündigung wegen Führerscheinentzug
Symbolfoto: Pixabay

Der Kläger hatte am … den Verlust seines Führerscheines bemerkt und daraufhin polizeilich gemeldet. Am … fuhr der Kläger auf dem Grundstück der Gartensparte … in … mit seinem PKW an ein anderes geparktes Fahrzeug und beschädigte dieses. Er stand dabei unter Alkoholeinfluss. Die benachrichtigte Polizei stellte einen BAK-Wert von über …‰ fest. Auf telefonische Rückfrage des Klägers am darauf folgenden Montag, dem …, wurde dem Kläger erklärt, dass er mit einer Vorladung bei der Polizei und einem strafrechtlichen Verfahren rechnen müsse. Schriftliche Mitteilungen erhielt der Kläger nicht. Am … beantragte der Kläger die Neuausstellung eines Führerscheines und nahm am … nach Beendigung seiner Erkrankung seinen Dienst beim Beklagten wieder auf. Als er am … nach Dienstende seinen Führerschein abholen wollte, wurde ihm mitgeteilt, dass eine Herausgabe nicht erfolgen könne, da es eine Beschlagnahmeanordnung der Polizeidienststelle … gebe. Daraufhin teilte der Kläger am … dem Präsidenten des Landesamtes für … mit, dass er keinen Führerschein besitze und schilderte in einem Personalgespräch am … die Ereignisse vom … . Bereits mit Schreiben vom … hatte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Polizeidienststelle … gewandt und darauf hingewiesen, dass ein Entzug des Führerscheines wegen einer Alkoholstraftat nicht in Betracht komme, da sich der Unfall am … auf einem Privatgrundstück ereignet habe. Hierauf wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom … auch den Beklagten hin.

Nachdem der Beklagte den Personalrat beteiligt hatte, kündigte er das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Schreiben vom … und hilfsweise ordentlich mit Schreiben vom … .

Gegen die außerordentliche Kündigung wandte sich der Kläger durch Einreichung einer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht … am … und erweiterte diese, die ordentliche Kündigung betreffend, am … .

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Kündigungen seien unwirksam, da kein Kündigungsgrund bestehe. Ihm sei zu Unrecht der Führerschein entzogen worden. Ihm sei bis zur Mitteilung der Führerscheinstelle am … auch nicht bewusst gewesen, dass er nicht fahren dürfe, zumal er sich in dieser Zeit im Besitz der aufgrund des Verlustes ausgestellten vorläufigen Fahrtberechtigung befunden habe.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom …, zugegangen am …, nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass auch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten vom … das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt: die Abweisung der Klage.

Er vertritt die Auffassung, die außerordentliche, jedenfalls jedoch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei wirksam und habe das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Der Kläger habe gegen die Pflicht als Berufskraftfahrer, sofort mitzuteilen, dass ihm am … ein Fahrverbot erteilt wurde, verstoßen. Hierdurch sei ein nachhaltiger Vertrauensverlust in seine Person eingetreten. Es sei dabei ohne Belang, ob der Führerschein dem Kläger körperlich abgenommen worden sei. Da eine anderweitige Beschäftigung des Klägers nicht möglich war, sei die Kündigung auch die ultima ratio gewesen. Daran ändere auch der Umstand, dass der Führerschein zwischenzeitlich wieder zurückgegeben worden sei, nichts.

Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, auf die Sitzungsniederschriften vom 07.10.2013 und 20.03.2014 sowie auf das nicht angekündigte mündliche Parteivorbringen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom … noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom … aufgelöst worden, denn die Kündigungen sind unwirksam. Für die außerordentliche Kündigung gab es keinen wichtigen Grund, die hilfsweise ordentliche Kündigung ist sozial ungerechtfertigt.

I.

Die außerordentliche Kündigung vom … ist unwirksam, da für ihren Ausspruch kein wichtiger Grund vorlag.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Folglich gibt es keine absoluten Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände an sich, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile- jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist- zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09 in NZA 2010, 1227 ff).

Dabei kann der längerfristige Entzug des Führerscheines „an sich“ einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer Kündigung eines Berufskraftfahrers darstellen, ebenso wie das Fahren ohne Führerschein. Für Berufskraftfahrer nimmt dies das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung auch für den Fall an, dass die Entziehung auf einer im Zustand der Trunkenheit im Verkehr bei einer außerhalb der Arbeitszeit durchgeführten Privatfahrt beruht.

Im vorliegenden Falle ist dem Kläger allerdings zu Unrecht der Führerschein vorläufig entzogen worden, wie nunmehr mit Beschluss des Amtsgerichtes … vom … und … rechtskräftig festgestellt wurde. Auf diese Rechtslage war der Beklagte bereits durch das anwaltliche Schreiben des Klägervertreters vom … und somit vor Ausspruch der Kündigung hingewiesen worden. Nach Prüfung der Rechtslage, zu der der Beklagte auch in der Lage war, konnte er somit nicht davon ausgehen, dass dem Kläger der Führerschein längerfristig entzogen bleibt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beklagte keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in Form eines freien Arbeitsplatzes für den Kläger hatte, der Kläger hat eine solche auch nicht behauptet, war die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses dem Beklagten dennoch zumutbar. Er hätte den Kläger entweder freistellen oder mit anderweitigen Aufgaben, z.B. bei der Pflege des Fuhrparkes einsetzen und gleichzeitig eine interne Anfrage zum Bearbeitungsstand der Führerscheinangelegenheit veranlassen können. Dies wäre wie in Urlaubs- und Krankheitszeiten sowohl hinsichtlich der Vertretung als auch hinsichtlich der Vergütung möglich gewesen.

Der als weiterer Kündigungsgrund vorgebrachte Vorwurf, der Kläger habe trotz Fahrverbotes auch dienstlich einen PKW geführt, ist so nicht gegeben. Der Kläger verfügte über den gesamten Zeitraum von der Meldung des Führerscheinverlustes bis zur Mitteilung an den Präsidenten des Landesamtes … am … über eine vorläufige Fahrtberechtigung.

II.

Da der Beklagte unterlegen ist, hat er gemäß § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, § 42 Abs. 2 GKG.

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