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Außervollzugsetzung Niedersächsische Corona-Beherbergungs-Verordnung vom 9. Oktober 2020

OVG Lüneburg – Az.: 13 MN 371/20 – Beschluss vom 15.10.2020

§ 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über Beherbergungsverbote zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Beherbergungs-Verordnung) vom 9. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 357) werden vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung einer infektionsschutzrechtlichen Verordnung, die ihm die Beherbergung von Personen aus Corona-Risikogebieten zu touristischen Zwecken untersagt.

Der Antragsteller betreibt einen Ferienpark in A-Stadt. Dort bietet er Ferienhäuser, Wanderurlaub und Mountain-Bike-Touren an.

Am 9. Oktober erließ das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, die Niedersächsische Verordnung über Beherbergungsverbote zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Beherbergungs-Verordnung) mit folgendem Inhalt:

§ 1

Beherbergungsverbot

Außervollzugsetzung Niedersächsische Corona-Beherbergungs-Verordnung vom 9. Oktober 2020
Symbolfoto: Von anon_tae/Shutterstock.com

(1) 1In Hotels, Pensionen, Jugendherbergen und ähnlichen Beherbergungsbetrieben sind Übernachtungen zu touristischen Zwecken untersagt für Personen aus einem vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung festgelegten und veröffentlichten Gebiet oder einer Einrichtung, in dem oder in der die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt, die nicht über ein ärztliches Zeugnis in Papierform oder digitaler Form verfügen, das bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 vorhanden sind. 2Ein aus einem fachärztlichen Labor stammender Befund ist ein ärztliches Zeugnis. 3Das ärztliche Zeugnis muss sich auf eine molekularbiologische Testung stützen, die höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommen worden ist. 4Maßgeblich für den Beginn der 48-Stunden-Frist ist der Zeitpunkt der Feststellung des Testergebnisses. 5Das Unterbringungsverbot nach Satz 1 gilt nicht für Gäste,

1. die zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich oder medizinisch veranlasst anreisen,

2. die einen sonstigen triftigen Reisegrund haben, insbesondere einen Besuch einer oder eines Familienangehörigen, einer Lebenspartnerin, eines Lebenspartners oder einer Partnerin oder eines Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die Wahrnehmung eines Sorge- oder Umgangsrechts oder den Beistand oder die Pflege schutzbedürftiger Personen, oder

3. für die das für den Beherbergungsbetrieb zuständige Gesundheitsamt in begründeten Einzelfällen auf Antrag eine Ausnahme zugelassen hat.

(2) 1Für Übernachtungen in Ferienwohnungen, Ferienhäusern und auf Campingplätzen zu touristischen Zwecken gilt Absatz 1 entsprechend. 2Die Untersagung nach Satz 1 gilt nicht für die Nutzung von dauerhaft angemieteten oder im Eigentum befindlichen Immobilien und von dauerhaft abgestellten Wohnwagen, Wohnmobilen und ähnlichen Einrichtungen ausschließlich durch die Nutzungsberechtigten.

(3) 1Die Untersagung nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, gilt nur für Personen, die nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1 nach Niedersachsen eingereist sind. 2Liegt das nach Absatz 1 Satz 1 veröffentlichte Gebiet oder die nach Absatz 1 Satz 1 veröffentlichte Einrichtung in Niedersachsen, so tritt an die Stelle des Zeitpunkts der Einreise der Zeitpunkt des Beginns der Beherbergung.

§ 2

Ordnungswidrigkeiten

(1) Verstöße gegen § 1 stellen Ordnungswidrigkeiten nach § 73 Abs. 1 a Nr. 24 des Infektionsschutzgesetzes dar und werden mit Geldbuße bis zu 25 000 Euro geahndet.

(2) Die nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Behörden und die Polizei sind gehalten, die Bestimmungen dieser Verordnung durchzusetzen und Verstöße zu ahnden.

§ 3

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.

Die Verordnung wurde im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 9. Oktober 2020, S. 357, verkündet.

Am 13. Oktober 2020 hat der Antragsteller bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrolleilantrag gestellt. Er hält das in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung angeordnete Beherbergungsverbot für rechtswidrig. Das Verbot verletze seine Berufs- und Eigentumsfreiheit und auch die grundgesetzlich gewährte Freizügigkeit.

Die angefochtenen Regelungen seien schon nicht hinreichend bestimmt. Das Verbot werde nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung durch eine Veröffentlichung von Risikogebieten durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ausgelöst. Es bleibe aber unklar, in welcher Form und wo diese Veröffentlichung erfolgen solle. Dies sei aber unabdingbar, um rechtssicher Kenntnis von dem Verbot erlangen zu können. Darüber hinaus könne § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung nicht entnommen werden, ob es nur auf die Veröffentlichung des Ministeriums ankomme oder ob daneben auch tatsächlich in dem veröffentlichten Gebiet oder der veröffentlichten Einrichtung die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen betragen haben müsse.

Das Verbot sei auch zur Zielerreichung ungeeignet und nicht notwendig. § 1 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 der Verordnung sähen eine Ausnahme von dem Verbot vor, wenn der Reisende ein auf eine höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommene molekularbiologische Testung gestütztes ärztliches Zeugnis vorlege, das bestätige, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 vorhanden seien. Eine solche Testung stelle schon als solche nur eine Momentaufnahme dar. Sie könne zudem Infektionen, die kurz vor oder während der Reise eingetreten seien, gar nicht erfassen. Es sei daher unklar, was der Verordnungsgeber mit dem einmaligen Test vor Reiseantritt erreichen wolle. Das Testerfordernis erhöhe lediglich die Unsicherheit der Reisewilligen, bei denen der Staat noch kurz zuvor darum geworben habe, Urlaub im Inland zu machen. Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung vorgenommene Anknüpfung an schlichte Infiziertenzahlen sei ungeeignet, da sie keine verlässliche Auskunft über die Gefährdungslage gebe. Es müsse vielmehr auch die Anzahl der Testungen und die Zuordenbarkeit des Infektionsgeschehens zu lokalen Ereignissen, etwa vermehrten Infektionen in einzelnen Einrichtungen, berücksichtigt werden. Schließlich gebe es keine tatsächlichen Erkenntnisse dazu, dass touristische Reisen im Inland überhaupt signifikante Infektionsgefahren mit sich brächten. Nach einer nun bereits mehrere Monate andauernden Pandemie könne sich der Antragsgegner nicht mehr auf eine Einschätzungsprärogative berufen, sondern dürfe Maßnahmen nur noch auf tatsächliche Erkenntnisse stützen.

Der Antragsteller beantragt, § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über Beherbergungsverbote zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Beherbergungs-Verordnung) vom 9. Oktober 2020 vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die angefochtenen Verordnungsregelungen. Das Verbot sei hinreichend bestimmt. Die Veröffentlichung der Risikogebiete könne von jedem Normadressaten ohne Weiteres im Internetauftritt des Landes aufgefunden werden. Auf diesen Veröffentlichungsort sei in Pressemitteilungen ausdrücklich hingewiesen worden.

Das Beherbergungsverbot sei auch verhältnismäßig. Es ziele auf einen präventiven Infektionsschutz und solle eine Verteilung der Viruslast durch zu touristischen Zwecken umherreisende Personen verhindern und die Bildung neuer Infektionsherde und -ketten vermeiden. Zur Erreichung dieser Zwecke sei das Verbot förderlich. Reisebeschränkungen seien als eine wirkungsvolle Maßnahme zur Eindämmung des Infektionsgeschehens anerkannt. Mildere Maßnahmen stünden nicht zur Verfügung. Bei einem besonders betroffenen Landkreis mit hohen Infektionszahlen sei gerade aufgrund der teilweise symptomlosen und atypischen Krankheitsverläufe die Dunkelziffer hoch. Das hohe Risiko eines unwissentlichen und unentdeckten Verbreitens könne durch das Verbot reduziert werden. Entgegen der Annahme des Antragstellers seien auch hinreichende Testkapazitäten vorhanden, zumal nicht alle Reisewilligen von der Testmöglichkeit Gebrauch machen, sondern auf die Reise verzichten würden. Dies sei Ziel des Verbots. Das Verbot sei Teil eines Maßnahmenpaktes zur Verhinderung eines weiteren Lockdown. Bei der Festlegung von Risikogebieten unterscheide er. Für Gebiete außerhalb Niedersachsens würden die vom Robert Koch-Institut veröffentlichten Infiziertenzahlen herangezogen. Für niedersächsische Gebiete werte er die Daten des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes aus, um feststellen zu können, ob ein gesamter Landkreis oder nur ein Gebiet davon oder gar eine einzelne Einrichtung zum Risikogebiet erklärt werden müsse. Dabei berücksichtige er auch die Inzidenz-Dauer, das Alter der Infizierten, die Hospitalisierung, externe Effekte und Krankenhauskapazitäten. Die mangelnde Abbildung dieses Vorgangs in der Verordnung sei unerheblich. Infektionsraten während Reisen könnten sich auf die Ortsveränderung oder den Aufenthalt am Zielort beziehen. Derart konkrete Zahlen lägen nicht vor. Statistisch sei aber festzustellen, wie viele Personen sich in ihrem „Heimatlandkreis“ oder an einem davon abweichenden Expositionsort infiziert hätten. In der 33. Meldewoche hätten sich etwa 77,1% im eigenen Landkreis, 18,5% im Ausland, 2,3% in einem anderen Bundesland und 2,1% in einem niedersächsischen Ort außerhalb der Meldekommune infiziert. Bei touristischen Reisen müsse zudem das veränderte Verhalten am Urlaubsort berücksichtigt werden, das verstärkte Aktivitäten und Kontakte mit anderen Personen bedinge. Die Verordnung werde täglich überprüft.

Das Verbot sei auch angemessen. Die Verbotswirkung sei durch die Ausnahmen und insbesondere die Möglichkeit der Befreiung durch einen negativen Corona-Test begrenzt. Die Differenzierung zwischen Reisen aus Gebieten innerhalb und außerhalb Niedersachsens sei sachlich geboten. Reisende aus anderen Bundesländern hätten regelmäßig längere Reisewege und wären daher durch ein erst im Beherbergungsbetrieb festgestelltes Verbot deutlich stärker betroffen. Die vorzunehmende Abwägung zwischen dem gebotenen Schutz von Leben und Gesundheit gehe zu Lasten wirtschaftlicher Beeinträchtigungen der Betreiber von Beherbergungsbetrieben aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der zulässige (1.) Antrag ist begründet (2.) und führt zur vorläufigen Außervollzugsetzung der § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung mit allgemeinverbindlicher Wirkung (3.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 – 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist zulässig.

Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Verordnung über Beherbergungsverbote zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Beherbergungs-Verordnung) vom 9. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 357) ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 16 ff.).

Der Antragsteller ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da er geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung bestimmte grundsätzliche Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken von Personen aus vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung veröffentlichten Risikogebieten oder -einrichtungen ist auch an den Antragsteller als Betreiber eines Ferienparks, der unter anderem Ferienhäuser für Übernachtungen zu touristischen Zwecken vermietet, adressiert und lässt es möglich erscheinen, dass er in seinem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt ist (vgl. zu dieser Qualifizierung des Eingriffs: Senatsbeschl. v. 16.4.2020 – 13 MN 77/20 -, juris Rn. 29). Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition dürfte hingegen nicht vorliegen. Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die verordnete Beschränkung betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. – juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 – juris Rn. 79 m.w.N.).

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Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 – BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 – 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 – 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 – 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung Erfolg. Ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag des Antragstellers wäre voraussichtlich begründet (a.). Zudem überwiegen die gewichtigen Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe (b.).

a. Ein vom Antragsteller in der Hauptsache noch zulässigerweise zu stellender Normenkontrollantrag hat voraussichtlich Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung rechtswidrig sind und wegen der damit einhergehenden Verletzung des Antragstellers in seinem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären sein werden.

(1) Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1385) geänderten Fassung. Eine Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, ist jedenfalls nicht offensichtlich (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 – 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020 – 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.4. 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 -, juris 17 f.).

(2) Anhaltspunkte für eine formelle Rechtswidrigkeit der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung bestehen derzeit nicht.

Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. August 2020 (Nds. GVBl. S. 266), betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.

Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV ist die Verordnung von der das Ministerium vertretenden Ministerin ausgefertigt und im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 9. Oktober 2020, S. 357, verkündet worden.

§ 3 der Verordnung bestimmt, wie von Art. 45 Abs. 3 Satz 1 NV gefordert, den Tag des Inkrafttretens.

Auch dem Zitiergebot des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 NV (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerfG, Urt. v. 6.7.1999 – 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 – juris Rn. 152 ff. (zu Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG); Steinbach, in: Epping/Butzer u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 43 Rn. 20 m.w.N.) dürfte die Verordnung genügen.

(3) Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung getroffenen Regelungen sind aber voraussichtlich materiell rechtswidrig.

(a) Die Verordnungsregelungen sind bereits nicht hinreichend bestimmt (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerfG, Beschl. v. 13.7.2018 – 1 BvR 1474/12 -, BVerfGE 149, 160, 203 – juris Rn. 120; Senatsbeschl. v. 29.4.2020 – 13 MN 120/20 -, juris Rn. 18 m.w.N.).

Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung des Antragstellers, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung nicht hinreichend klar zu entnehmen ist, ob es nur auf die Veröffentlichung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ankommt oder ob daneben auch tatsächlich in dem veröffentlichten Gebiet oder der veröffentlichten Einrichtung die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen betragen haben muss. Denn § 1 Abs. 1 Satz 1 (auch in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1) der Verordnung ordnet ein Beherbergungsverbot „für Personen aus einem vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung festgelegten und veröffentlichten Gebiet oder einer Einrichtung“ an. Verbotsauslösend ist danach letztlich die Veröffentlichung durch das Ministerium. Die weitergehende Vorgabe, dass es sich um ein Gebiet oder eine Einrichtung handeln muss, „in dem oder in der die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt“, richtet sich ersichtlich nur an das Ministerium und formuliert ein materielles Kriterium für dessen Festlegung (und nachfolgende Veröffentlichung) von Gebieten und Einrichtungen.

Der Senat teilt bei summarischer Prüfung auch nicht die Auffassung des Antragstellers, dass der Bestimmtheitsgrundsatz die Vorgabe eines konkreten Mediums für die Veröffentlichung durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in der Verordnung selbst erfordert (vgl. Senatsbeschl. v. 5.6.2020 – 13 MN 195/20 -, juris Rn. 13; a.A. Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.7.2020 – 20 NE 20.1609 -, juris Rn. 42 ff.).

§ 1 Abs. 1 Satz 1 (auch in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1) der Verordnung bestimmt aber nicht hinreichend klar, welche „Personen“ von dem Beherbergungsverbot betroffen sein sollen. Die Anordnung des Beherbergungsverbots „für Personen aus einem vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung festgelegten und veröffentlichten Gebiet oder einer Einrichtung“ lässt nicht erkennen, welcher konkrete Bezug der Personen zu dem festgelegten und veröffentlichten Gebiet oder der festgelegten und veröffentlichten Einrichtung gefordert wird. Es bleibt offen, ob die Personen in dem Gebiet ihren melderechtlichen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben müssen oder ob bereits ein kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt in dem Gebiet oder der Einrichtung genügt und bejahendenfalls welche konkrete Dauer dieser aufweisen muss. Diese Lücke vermag der Senat auch nicht unter Anwendung herkömmlicher Auslegungsmethoden zu füllen.

(b) Darüber hinaus genügen § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung den sich aus § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG ergebenden materiellen Anforderungen nicht.

Der Senat zieht dabei nicht in Zweifel, dass auch beim derzeitigen Stand der Corona-Pandemie die Voraussetzungen für ein staatliches Einschreiten weiterhin vorliegen (aa). Es bestehen aber durchgreifende Zweifel daran, dass das in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung angeordnete Beherbergungsverbot in seiner konkreten Ausgestaltung eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG ist (bb).

(aa) Die Voraussetzungen des § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sind mit Blick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns gegeben.

Nach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind erfüllt.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Es wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 Nrn. 3 ff. IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, die offizielle Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Weltweit sind derzeit mehr 38.000.000 Menschen mit dem Krankheitserreger infiziert und mehr als 1.080.000 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben (vgl. WHO, Coronavirus disease (COVID-19) Pandemic, veröffentlicht unter: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019, Stand: 15.10.2020). Derzeit sind im Bundesgebiet mehr als 340.000 Menschen infiziert und mehr als 9.700 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben und in Niedersachsen mehr als 24.000 Menschen infiziert und mehr als 700 Menschen infolge der Erkrankung verstorben (vgl. Robert Koch-Institut (RKI), COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 15.10.2020). Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit nimmt die Anzahl der Fälle weiterhin zu. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau ist aktuell ein starker Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Die Dynamik nimmt in fast allen Regionen zu. Es kommt bundesweit zu Ausbruchsgeschehen (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 7.10.2020).

COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG. Die Erkrankung manifestiert sich als Infektion der Atemwege, aber auch anderer Organsysteme mit den Symptomen Husten, Fieber, Schnupfen sowie Geruchs- und Geschmacksverlust. Der Krankheitsverlauf variiert in Symptomatik und Schwere. Es wird angenommen, dass etwa 81% der diagnostizierten Personen einen milden, etwa 14% einen schwereren und etwa 5% einen kritischen Krankheitsverlauf zeigen. Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftreten und auch bei jüngeren Patienten beobachtet wurden, haben ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren), Männer, Raucher (bei schwacher Evidenz), stark adipöse Menschen, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck) und der Lunge (z.B. COPD) sowie Patienten mit chronischen Nieren- und Lebererkrankungen, mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), mit einer Krebserkrankung oder mit geschwächtem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie z.B. Cortison) ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Die Erkrankung ist sehr infektiös, und zwar nach Schätzungen beginnend etwa ein bis zwei Tage vor Symptombeginn und endend – bei mild-moderaten Erkrankungen – jedenfalls zehn Tage nach Symptombeginn. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel (größere Tröpfchen und kleinere Aerosole), die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen. Auch eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen kann nicht ausgeschlossen werden. Es ist zwar offen, wie viele Menschen sich insgesamt in Deutschland mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren werden. Schätzungen gehen aber von bis zu 70% der Bevölkerung aus, es ist lediglich unklar, über welchen Zeitraum dies geschehen wird. Grundlage dieser Schätzungen ist die so genannte Basisreproduktionszahl von COVID-19. Sie beträgt ohne die Ergreifung von Maßnahmen 3,3 bis 3,8. Dieser Wert kann so interpretiert werden, dass bei einer Basisreproduktionszahl von etwa 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssen, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel fünf bis sechs Tage bei einer Spannweite von einem bis zu 14 Tagen. Der Anteil der Infizierten, der auch tatsächlich erkrankt (Manifestationsindex), beträgt bis zu 85%. Laut der Daten aus dem deutschen Meldesystem werden etwa 14% der in Deutschland dem RKI übermittelten Fälle hospitalisiert. Unter hospitalisierten COVID-19-Patienten mit einer schweren akuten Atemwegserkrankung mussten 37% intensivmedizinisch behandelt und 17% beatmet werden. Die mediane Hospitalisierungsdauer von COVID-19-Patienten mit einer akuten respiratorischen Erkrankung beträgt 10 Tage und von COVID-19-Patienten mit einer Intensivbehandlung 16 Tage. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führt im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (> 30/min), dabei steht eine Hypoxämie im Vordergrund. Mögliche Verlaufsformen sind die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrome – ARDS) sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens (vgl. zum Krankheitsbild im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Kluge/Janssens/Welte/Weber-Carstens/Marx/Karagiannidis, Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19, in: Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin v. 12.3.2020, veröffentlicht unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-020-00674-3.pdf, Stand: 30.3.2020). Eine Impfung ist in Deutschland nicht verfügbar. Verschiedene spezifische Therapieansätze (direkt antiviral wirksam, immunmodulatorisch wirksam) wurden und werden im Verlauf der Pandemie in Studien untersucht. Zwei Arzneimittel erwiesen sich jeweils in einer bestimmten Gruppe von Patienten mit COVID-19 als wirksam. Als direkt antiviral wirksames Arzneimittel erhielt Remdesivir am 3. Juli 2020 eine bedingte Zulassung zur Anwendung bei schwer erkrankten Patienten durch die Europäische Kommission. Als immunmodulatorisch wirksames Arzneimittel erhielt Dexamethason eine positive Bewertung durch die Europäische Kommission für die Anwendung bei bestimmten Patientengruppen mit einer Infektion durch SARS-CoV-2. Aufgrund der Neuartigkeit des Krankheitsbildes lassen sich keine zuverlässigen Aussagen zu Langzeitauswirkungen und (irreversiblen) Folgeschäden durch die Erkrankung bzw. ihre Behandlung (z.B. in Folge einer Langzeitbeatmung) treffen. Allerdings deuten Studiendaten darauf hin, dass an COVID-19 Erkrankte auch Wochen bzw. Monate nach der akuten Erkrankung noch Symptome aufweisen können.

Während der Fall-Verstorbenen-Anteil bei Erkrankten bis etwa 50 Jahren unter 0,1% liegt, steigt er ab 50 zunehmend an und liegt bei Personen über 80 Jahren häufig über 10% (vgl. zu Vorstehendem im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888, Stand: 2.10.2020; Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, veröffentlicht unter: www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 6.10.2020).

Auch wenn nach diesen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verläuft, kann das individuelle Risiko anhand der epidemiologischen und statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, sind derzeit noch nicht abschätzbar. Die Belastung des Gesundheitssystems hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den hauptsächlich betroffenen Bevölkerungsgruppen, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen ab. Sie ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands gering, kann aber örtlich sehr schnell zunehmen und dann insbesondere das öffentliche Gesundheitswesen, aber auch die Einrichtungen für die ambulante und stationäre medizinische Versorgung stark belasten. Deshalb bleiben intensive gesamtgesellschaftliche Gegenmaßnahmen nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Diese Maßnahmen verfolgen weiterhin das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Hierdurch soll die Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden. Auch sollen Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden (vgl. hierzu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 7.10.2020).

Die danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichten die zuständigen Behörden zum Handeln (gebundene Entscheidung, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 – BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 – juris Rn. 23).

Zugleich steht damit fest, dass die Maßnahmen nicht auf die Rechtsgrundlage des § 16 Abs. 1 IfSG gestützt werden können. Denn die Rechtsgrundlagen einerseits des § 16 Abs. 1 IfSG im Vierten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Verhütung übertragbarer Krankheiten“ und andererseits des § 28 Abs. 1 IfSG im Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander; der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 IfSG ist nur eröffnet, solange eine übertragbare Krankheit noch nicht aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 – BVerwG I C 60.67 -, BVerwGE 39, 190, 192 f. – juris Rn. 28 (zu §§ 10 Abs. 1, 34 Abs. 1 BSeuchG a.F.); Senatsurt. v. 3.2.2011 – 13 LC 198/08 -, juris Rn. 40).

(bb) Nach summarischer Prüfung erweist sich das in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung angeordnete Beherbergungsverbot in seiner konkreten Ausgestaltung aber nicht als eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG.

§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 – BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 – juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020 – 13 MN 182/20 -, juris Rn. 37; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 – 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35). „Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG können daher auch Untersagungen oder Beschränkungen von unternehmerischen Tätigkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sein (vgl. mit zahlreichen Beispielen und weiteren Nachweisen: Senatsbeschl. v. 29.5.2020 – 13 MN 185/20 -, juris Rn. 27), wie sie in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung gegenüber den Betreibern von Hotels, Pensionen, Jugendherbergen und ähnlichen Beherbergungsbetrieben sowie Ferienwohnungen, Ferienhäusern und Campingplätzen getroffen worden sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5.5.2020 – OVG 11 S 38/20 -, juris Rn. 26).

Dem steht nicht entgegen, dass § 31 IfSG eine Regelung für die Untersagung beruflicher Tätigkeiten gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen, Ausscheidern und sonstigen Personen trifft. Denn diese Regelung ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG („insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten“) nicht abschließend. Auch die mangelnde Erwähnung der Grundrechte nach Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG steht der dargestellten Auslegung nicht entgegen. Denn das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, welches § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG zu erfüllen sucht, besteht nur, soweit im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG „ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“. Von derartigen Grundrechtseinschränkungen sind andersartige grundrechtsrelevante Regelungen zu unterscheiden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.5.1970 – 1 BvR 657/68 -, BVerfGE 28, 282, 289 – juris Rn. 26 ff. (zu Art. 5 Abs. 2 GG); Beschl. v. 12.1.1967 – 1 BvR 168/64 -, BVerfGE 21, 92, 93 – juris Rn. 4 (zu Art. 14 GG); Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 394/58 -, BVerfGE 10, 89, 99 – juris Rn. 41 (zu Art. 2 Abs. 1 GG)). Hierzu zählen auch die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 GG.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG aber dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall „notwendig“ sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020 – 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

Diese objektive Notwendigkeit ist bei summarischer Prüfung für das in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung angeordnete Beherbergungsverbot nicht gegeben.

(α) Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel an der Eignung und Erforderlichkeit des Beherbergungsverbots zur Erreichung des legitimen Ziels der Verhinderung der weiteren Ausbreitung von COVID-19.

Das in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung angeordnete Beherbergungsverbot bewirkt unmittelbar nur, dass Personen aus vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung festgelegten und veröffentlichten Risikogebieten in niedersächsischen Hotels, Pensionen, Jugendherbergen und ähnlichen Beherbergungsbetrieben sowie Ferienwohnungen, Ferienhäusern und Campingplätzen zu touristischen Zwecken grundsätzlich nicht mehr übernachten dürfen. Mittelbare Folge dieses Verbots soll zudem sein, dass die genannten Personen von Einreisen zu touristischen Zwecken in das Land Niedersachsen absehen. Ob und in welchem Umfang diese mittelbare Folge wirklich erreicht wird, ist angesichts nicht unwahrscheinlicher tagestouristischer Aktivitäten von Personen aus einem Risikogebiet, das in Niedersachsen selbst oder in einem der an Niedersachsen angrenzenden neun Bundesländer belegen ist, offen. Von dem Verbot des § 1 Abs. 1 Satz 1 (in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1) der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung ausgenommen sind zudem Beherbergungen durch Private (oder besser: Übernachtungen bei Privaten, vgl. Nds. Landesregierung, Reisen & Tourismus – Antworten auf häufig gestellte Fragen, veröffentlicht unter: https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/antworten_auf_haufig_gestellte_fragen_faq/reisen-und-tourismus-antworten-auf-haufig-gestellte-fragen-186671.html, Stand: 14.10.2.2020 „Wichtig: Übernachtungen im privaten Bereich, also bei Freunden und Familienangehörigen etc. fallen nicht unter das Beherbergungsverbot!“), Beherbergungen zu anderen als touristischen Zwecken, Personen, die durch ein auf eine höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommene molekularbiologische Testung gestütztes ärztliches Zeugnis ihre Infektionsfreiheit nachweisen, und Personen, die einen der in § 1 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung genannten Ausnahmetatbestände verwirklichen. Von dem bloßen Beherbergungsverbot gar nicht betroffen sind schließlich bloße Einreisen und Aufenthalte ohne Übernachtungen zu jedweden Zwecken, unter anderem Fahrten von Berufspendlern und Heimreisen niedersächsischer Bürgerinnen und Bürger aus Urlauben in Risikogebieten. Eine Eignung des streitgegenständlichen Verbots, zur Erreichung des legitimen Ziels der Verhinderung der weiteren Ausbreitung von COVID-19 überhaupt beizutragen, kann danach von vorneherein nur für einen eng begrenzten und allenfalls geringen Teil des tatsächlichen Infektionsgeschehens im Bundesgebiet und im Land Niedersachsen gegeben sein.

Diese Eignung, jedenfalls aber die Erforderlichkeit des Verbots erscheint zweifelhaft. Denn das Beherbergungsverbot bezieht sich auf Sachverhalte, die jedenfalls nicht offensichtlich mit einer erhöhten Gefahr der weiteren Ausbreitung von COVID-19 verbunden sind.

(αα) Dies gilt zunächst für die mit dem Verbot unmittelbar nur untersagte Beherbergung zu touristischen Zwecken. Denn die Beherbergung als solche, also die Gewährung einer Übernachtungsmöglichkeit, dürfte bei lebensnaher Betrachtung kaum mit erhöhten Infektionsgefahren verbunden sein. Der Antragsgegner selbst hat die mit Reisen verbundenen Infektionsgefahren in anderen Normenkontrolleilverfahren betreffend Quarantäneregelungen für Auslandsreisende dann auch maßgeblich in den Reisewegen und den dort eintretenden Kumulationen von Reisenden gesehen, nicht aber in dem Aufenthalt am Reiseort oder gar im Beherbergungsbetrieb (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 5.6.2020 – 13 MN 195/20 -, juris Rn. 26; v. 11.5.2020 – 13 MN 143/20 -, juris Rn. 31).

(ββ) Dies gilt darüber hinaus aber auch für die Reisetätigkeit als solche. Der Antragsgegner hat auch auf Nachfrage des Senats keine nachvollziehbaren tatsächlichen Erkenntnisse dazu präsentieren können, welche Zahl von infizierten Personen in den letzten Wochen im Bundesgebiet und in Niedersachsen auf Reisen innerhalb des Bundesgebiets zurückzuführen sind. Seine Erkenntnisse zu Differenzen zwischen dem Wohnort und Expositionsort eines Infizierten sind insoweit unergiebig, denn sie lassen nicht erkennen, worauf diese Differenz beruht, etwa einer touristischen Reise oder Fahrten als Berufspendler oder zu anderen nicht touristischen Zwecken. Im Übrigen kann auch nach den Angaben des Antragsgegners allenfalls ein sehr geringer Anteil der Infizierten überhaupt auf Reisen innerhalb des Bundesgebiets zurückzuführen sein, und zwar die 2,3% der Infektionen in einem anderen Bundesland und die 2,1% der Infektionen in einem niedersächsischen Ort außerhalb der Meldekommune. Weitergehende Erkenntnisse ergeben sich auch nicht aus der vom Antragsgegner in Bezug genommenen Publikation des RKI, die sich maßgeblich mit der infektiologischen Bedeutung von Auslandsreisen beschäftigt, die schon mit Blick auf die Reisewege und mit diesen verbundene Kumulationen von Reisenden nicht mit Reisen innerhalb des Bundesgebiets vergleichbar sind.

(γγ) Dies gilt weiter auch für die in § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung vorgenommene Anknüpfung des Verbots an „Personen aus einem … Gebiet oder einer Einrichtung, in dem oder in der die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt“. Diese Inzidenz soll die Grenze markieren, bis zu der die öffentliche Gesundheitsverwaltung in Deutschland zu einer Rückverfolgung der Infektionsketten maximal in der Lage ist und so das wichtige und legitime Ziel der Verhinderung der weiteren Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko noch erreicht werden kann (vgl. Senatsbeschl. v 5.6.2020 – 13 MN 195/20 -, juris Rn. 33). Wird diese Grenze in einem bestimmten Gebiet überschritten, bestehen auch nach dem Dafürhalten des Senats durchaus tatsächliche Anhaltspunkte für ein dynamisches Infektionsgeschehen und eine erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit. Dies allein rechtfertigt es aber nicht ohne Weiteres, für alle Personen in einem solchen Gebiet eine einheitliche Gefahrenlage anzunehmen und diesen gegenüber unterschiedslos generalisierende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zu treffen. Vielmehr können vorhandene oder zumutbar zu ermittelnde tatsächliche Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen in dem betroffenen Gebiet zu einer differenzierten Betrachtung und zu unterschiedlichen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zwingen, etwa bei zu lokalisierenden und klar eingrenzbaren Infektionsvorkommen (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.7.2020 – 20 NE 20.1609 -, juris Rn. 45; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.7.2020 – 13 B 940/20.NE -, juris Rn. 54 ff.). Von diesem Ansatz geht auch das von der Niedersächsischen Landesregierung erstellte „Handlungskonzept zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der COVID 19 Pandemie“ (veröffentlicht unter: www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/vorsorgliches-handlungskonzept-zur-bekampfung-eines-gegebenenfalls-weiter-ansteigenden-infektionsgeschehens-in-der-covid-19-pandemie-193263.html, Stand: 5.10.2020) aus, wenn es ein nicht nur an den Infiziertenzahlen orientiertes Einschreiten vorsieht, sondern eine Einbeziehung weiterer Aspekte (bspw. Inzidenz-Dauer, Alter der Infizierten, Hospitalisierung, externe Effekte, Krankenhauskapazitäten) fordert. Selbst für das streitgegenständliche Beherbergungsverbot scheint das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung bei der Festlegung und Veröffentlichung von Risikogebieten diesen Ansatz zunächst auch praktisch verfolgt zu haben, als es in Niedersachsen belegene Gebiete trotz Überschreitens der Inzidenz ausdrücklich nicht als Risikogebiete ausgewiesen hat (vgl. dahin auch: Nds. Landesregierung, Reisen & Tourismus – Antworten auf häufig gestellte Fragen, veröffentlicht unter: https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/antworten_auf_haufig_gestellte_fragen_faq/reisen-und-tourismus-antworten-auf-haufig-gestellte-fragen-186671.html, Stand: 14.10.2020: „Wenn in einem Kreis oder in einer kreisfreien Stadt diese 7-Tages-Inzidenz höher liegt als 50, wird vom Gesundheitsministerium geprüft, ob es Hinweise dafür gibt, dass es sich um ein eng eingrenzbares Infektionsgeschehen handelt. Für Menschen aus Gebieten, in denen das der Fall ist, wird dann voraussichtlich kein Beherbergungsverbot verhängt.“). Nur das Beherbergungsverbot, wie es in § 1 Abs. 1 Satz 1 (in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1) der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung angeordnet ist, verfolgt diesen Ansatz nicht. Denn normativ ist für die Festlegung von Gebieten, sei es auch unterhalb der Kreisebene, eine bloße Anknüpfung an die genannte Inzidenz vorgesehen und dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung keinerlei Spielraum (und auch keine objektiv nachvollziehbaren und damit hinreichend bestimmbaren Kriterien) für die in § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung vorgesehene Festlegung von Risikogebieten gegeben. Die darüber hinaus vorgesehene Festlegung und Veröffentlichung einzelner Einrichtungen scheint zwar eine kleinräumige Betrachtung zu ermöglichen. Unklar bleibt aber, wie insoweit die Inzidenz zu ermitteln ist und wie der Betreiber eines Beherbergungsbetriebs die Zuordnung eines Reisenden zu einer konkreten Einrichtung überprüfen können soll.

(δδ) Schließlich erscheint die Eignung und Erforderlichkeit des Beherbergungsverbots auch deshalb zweifelhaft, weil hinsichtlich seines Vollzugs gegenüber Personen aus Risikogebieten, die nicht in Niedersachsen belegen sind, ein strukturelles Vollzugsdefizit naheliegt (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen und sich daraus ergebenden Folgen: BVerwG, Urt. v. 16.12.2016 – BVerwG 8 C 6.15 -, BVerwGE 157, 126, 145 – juris Rn. 47 m.w.N.).

Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung gilt „die Untersagung nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, … nur für Personen, die nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1 nach Niedersachsen eingereist sind“. Personen aus Risikogebieten, die nicht in Niedersachsen belegen sind, unterliegen also nur dann einem Beherbergungsverbot, wenn spätestens im Zeitpunkt ihrer Einreise nach Niedersachsen das Gebiet, aus dem sie einreisen, vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung als Risikogebiet veröffentlicht worden ist. Um feststellen zu können, ob eine solche Person einem Beherbergungsverbot unterliegt, müssen die Betreiber von Beherbergungsbetrieben Kenntnis davon haben oder zumindest erlangen können, seit wann das Gebiet, aus dem die Person eingereist ist, als Risikogebiet veröffentlicht ist und wann die Person nach Niedersachsen eingereist ist. Schon die erstgenannte Kenntnis ist derzeit nicht zu erlangen. Denn das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung veröffentlicht unter https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/hinweise-fur-reisende-185450.html (Stand: 14.10.2020) nur eine werktäglich aktualisierte Liste von Risikogebieten. Aus dieser Liste ergibt sich nur, welches Gebiet d e r z e i t als Risikogebiet gilt, nicht aber seit wann dies der Fall ist. Mit Blick auf zurückliegende Einreisezeitpunkte bedürfte es insoweit für jedes festgelegte Risikogebiet der konkreten zeitlichen Angabe, seit wann dieses ein Risikogebiet ist. Neben diesem – durchaus behebbaren – Mangel vermag der rechtsunterworfene Betreiber eines Beherbergungsbetriebes aber in keinem Fall eine verlässliche Kenntnis davon zu erlangen, wann eine Person in das Land Niedersachsen eingereist ist. Dieser Einreisezeitpunkt wird in keiner Weise dokumentiert und dürfte selbst den einreisenden Personen mangels erkennbarer Grenzziehungen regelmäßig nicht bekannt sein, ist angesichts stunden- und minutengenauer Angaben in der Veröffentlichung des Ministeriums (Beispiel: „Stand: 14.10.2020 – 13:00 Uhr“) aber durchaus relevant. Für Personen aus Risikogebieten, die nicht in Niedersachsen belegen sind, hängt die Durchsetzung des Beherbergungsverbots danach maßgeblich von deren nicht überprüfbaren Angaben zur Einreise nach Niedersachsen ab. Dieses normativ angelegte und strukturelle Vollzugsdefizit führt zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Personen, die aus einem in Niedersachsen belegenen Risikogebiet anreisen, für die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung der objektiv ohne Weiteres zu ermittelnde „Zeitpunkt des Beginns der Beherbergung“ maßgeblich ist.

(β) Ungeachtet der danach bestehenden erheblichen Zweifel an der Eignung und Erforderlichkeit des Beherbergungsverbots ist dieses in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung zur Erreichung des legitimen Ziels der Verhinderung der weiteren Ausbreitung von COVID-19 jedenfalls nicht angemessen (so auch zu einer ähnlichen bayerischen Verordnungsregelung: Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.7.2020 – 20 NE 20.1609 -, juris Rn. 45; a.A. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 11.5.2020 – 2 KM 389/20 OVG -, juris).

Das angeordnete Beherbergungsverbot hat ersichtlich gravierende negative Auswirkungen für die Berufsausübung der betroffenen Betreiber von Hotels, Pensionen, Jugendherbergen und ähnlichen Beherbergungsbetrieben sowie Ferienwohnungen, Ferienhäusern und Campingplätzen. Diese sind einerseits gehalten, auf äußerst kurzfristige Änderungen der Verordnungslage zu reagieren, die nicht nur bei Einführung der Verordnung am 9. Oktober 2020 gegeben waren, sondern durch die fortlaufende Aktualisierung der Veröffentlichung von Risikogebieten mindestens werktäglich zu erwarten sind. Sie haben die Herkunft und ggf. Einreisezeitpunkte der Reisenden zu kontrollieren sowie durch Stornierungen gebuchter Aufenthalte und durch Abweisung Reisewilliger aus Risikogebieten das Verbot umzusetzen, um einen mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 EUR bewehrten Rechtsverstoß zu vermeiden. Die sich aus diesem erheblichen Organisationsaufwand ergebenden Belastungen werden noch erhöht durch finanzielle Einbußen, die sich aus Stornierungen und mangelnde Wiederbelegungen ergeben können.

Eine signifikante Milderung dieser gravierenden negativen Auswirkungen durch die in der Verordnung durchaus vorgesehenen Ausnahmen vom Beherbergungsverbot vermag der Senat derzeit nicht festzustellen. Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung für Reisende vorgesehene Möglichkeit, durch ein auf eine höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommene molekularbiologische Testung gestütztes ärztliches Zeugnis die Infektionsfreiheit nachzuweisen und so eine Ausnahme von dem Verbot zu erlangen, dürfte angesichts nur begrenzter theoretischer und bereits heute tatsächlich weitgehend ausgenutzter Testkapazitäten praktisch kaum zum Tragen kommen und auch der erstrebten Priorisierung von Testungen nach der Infektionswahrscheinlichkeit widersprechen (vgl. hierzu Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) v. 14.10.2020, dort S. 10 ff.: „Das RKI erreichen in den letzten Wochen zunehmend Berichte von Laboren, die sich stark an den Grenzen ihrer Auslastung befinden. Dies hat zur Folge, dass Abstrichproben, die nicht zeitnah bearbeitet werden können, aus überlasteten Laboren weiterverschickt werden müssen, was zu verlängerten Bearbeitungszeiten und Verzögerungen bei der Ergebnisübermittlung an die Gesundheitsämter führen kann.“). Die darüber hinaus vorgesehenen Ausnahmen für Personen, „die zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich oder medizinisch veranlasst anreisen,“ (§ 1 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 der Verordnung) und „die einen sonstigen triftigen Reisegrund haben, insbesondere einen Besuch einer oder eines Familienangehörigen, einer Lebenspartnerin, eines Lebenspartners oder einer Partnerin oder eines Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die Wahrnehmung eines Sorge- oder Umgangsrechts oder den Beistand oder die Pflege schutzbedürftiger Personen,“ (§ 1 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 der Verordnung) dürften eher Einzelfälle betreffen. Sie erhöhen zudem für den Betreiber eines Beherbergungsbetriebs den Organisationsaufwand, da anders als bei der Ausnahme nach §1 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 der Verordnung betreffend Personen „für die das für den Beherbergungsbetrieb zuständige Gesundheitsamt in begründeten Einzelfällen auf Antrag eine Ausnahme zugelassen hat“ er festzustellen und zu verantworten hat, ob die Voraussetzungen der Ausnahme erfüllt sind, was angesichts der vom Verordnungsgeber verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe häufig nicht zweifelsfrei möglich sein wird. Die Ausnahme des § 1 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 der Verordnung dürfte angesichts der aktuellen Belastung der örtlichen Gesundheitsämter und auch wegen fehlender materieller Kriterien für die Bejahung einer Ausnahme praktisch leerlaufen.

Diese gravierenden negativen Auswirkungen für die Berufsausübung der betroffenen Betreiber von Beherbergungsbetrieben stehen in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu der von vorneherein nur für einen eng begrenzten und allenfalls geringen Teil des tatsächlichen Infektionsgeschehens im Bundesgebiet und im Land Niedersachsen gegebenen Eignung des streitgegenständlichen Verbots, zur Erreichung des legitimen Ziels der Verhinderung der weiteren Ausbreitung von COVID-19 überhaupt beizutragen, die ebenso wie die Erforderlichkeit zudem erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist.

b. Gewichtige Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und der Allgemeinheit überwiegen auch die für den weiteren Vollzug der Verordnung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe.

Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2020 – 13 MN 143/20 -, juris Rn. 36; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).

Auch wenn die Gültigkeitsdauer der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung nach deren § 3 nicht begrenzt ist, wiegt schon danach das Interesse des Antragstellers an einer einstweiligen Außervollzugsetzung der ihn betreffenden Regelungen der Verordnung schwer. Dieses Gewicht findet Bestätigung in den dargestellten ersichtlich gravierenden Auswirkungen des verordneten Beherbergungsverbots für die betroffenen Betreiber von Beherbergungsbetrieben. Der Senat sieht auch keinen Anlass, die wirtschaftliche Existenz der Betreiber und auch Angestellten von Beherbergungsbetrieben und deren Bedeutung für die Volkswirtschaft geringer zu gewichten, als andere unternehmerische Tätigkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen.

Hinzu kommen die offensichtlichen Auswirkungen für betroffene Reisewillige und die Allgemeinheit. Das bloße Verbot der Beherbergung bewirkt, anders als ein Verbot der Einreise in ein Bundesland (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 16.9.2020 – 1 BvR 1977/20 -, juris Rn. 6), zwar keinen Eingriff in die in Art. 11 Abs. 1 GG garantierte Freizügigkeit. Freizügigkeit bedeutet das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen und auch zu diesem Zweck in das Bundesgebiet einzureisen (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.3.2004 – 1 BvR 1266/00 -, BVerfGE 110, 177, 190 f. – juris Rn. 33 m.w.N.). Die geschützte Aufenthaltnahme umfasst dabei nur solche Verhaltensweisen, die eine Bedeutung für die räumlich gebundene Gestaltung des alltäglichen Lebenskreises haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.3.2008 – 1 BvR 1548/02 -, juris Rn. 25). Hieran fehlt es bei dem in der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung angeordneten Verbot, in niedersächsischen Hotels, Pensionen, Jugendherbergen und ähnlichen Beherbergungsbetrieben sowie Ferienwohnungen, Ferienhäusern und Campingplätzen zu touristischen Zwecken beherbergt zu werden. Das Beherbergungsverbot greift aber in die allgemeine Handlungsfreiheit der Reisenden und Reisewilligen nach Art. 2 Abs. 1 GG ein. Das Gewicht dieses Eingriffs ist mit Blick auf die Einführung des Verbots sehr kurz vor den Herbstferien in Niedersachsen und tagesaktuelle Änderungen des Verbotsumfangs während der Geltungsdauer nicht zu vernachlässigen. Eine signifikante Milderung des Eingriffs ist angesichts nur begrenzter Testkapazitäten und mit einem Test verbundener Kosten auch nicht in der in § 1 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung vorgesehenen Möglichkeit zu sehen, durch ein auf eine höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommene molekularbiologische Testung gestütztes ärztliches Zeugnis die Infektionsfreiheit nachzuweisen und so eine Ausnahme von dem Verbot zu erlangen. Im Übrigen widerspricht diese Ausnahme der im gerichtlichen Verfahren geäußerten Zielsetzung des Verordnungsgebers.

Den so beschriebenen und gewichteten Aussetzungsinteressen stehen keine derart schwerwiegenden öffentlichen Interessen gegenüber, dass eine Außervollzugsetzung der voraussichtlich rechtswidrigen Regelungen im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes unterbleiben müsste. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass das Beherbergungsverbot ein wesentlicher Baustein in der Strategie der Pandemiebekämpfung des Antragsgegners ist. Dagegen sprechen schon die dargestellte begrenzte Wirkung des Beherbergungsverbots, dessen mangelnde Orientierung am von der Niedersächsischen Landesregierung erstellten „Handlungskonzept zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der COVID 19 Pandemie“ und auch die mangelnde Aufnahme des Verbots in die kurz zuvor am 7. Oktober 2020 erlassene (allgemeine) Niedersächsische Corona-Verordnung (Nds. GVBl. S. 346). Zudem bestehen angesichts teilweise fehlender und im Übrigen in verschiedenster Art und Weise geregelter Beherbergungsverbote in anderen Bundesländern auch unter Berücksichtigung der gerichtsbekannt sehr attraktiven und vielfältigen niedersächsischen Reiseziele keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Außervollzugsetzung zu einer übermäßigen Inanspruchnahme ausschließlich niedersächsischer Beherbergungsbetriebe durch Personen aus Risikogebieten führen würde. Die vorläufige Außervollzugsetzung der § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung schließt es auch nicht aus, dass Maßnahmen zur Verhinderung einer durch Reisen innerhalb des Bundesgebiets bedingten Verbreitung von COVID-19 getroffen werden dürfen. Dem Antragsgegner bleibt es unbenommen, sinnvolle und angemessene Reisebeschränkungen zu verordnen, wenn hierfür aufgrund nachvollziehbarer tatsächlicher Erkenntnisse eine objektive Notwendigkeit besteht.

3. Die vorläufige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten des Antragstellers in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Senatsbeschl. v. 28.8.2020 – 13 MN 307/20 -, juris Rn. 36; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die hierauf bezogene Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO unverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 

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