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Autowaschanlage – Anscheinsbeweis für Verletzung Verkehrssicherungspflicht

LG Itzehoe – Az.: 6 O 279/16 – Urteil vom 26.01.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.269,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.07.2016 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 75% und die Beklagte 25% zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.078,98 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Zahlungen, welche die Beklagte als einstandspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund rechtskräftigen Urteils an einen Dritten geleistet hat.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Autowaschanlage - Anscheinsbeweis für Verletzung Verkehrssicherungspflicht
(Symbolfoto: Olga Alper/Shutterstock.com)

Die Beklagte betreibt in P. eine Waschanlage. Die Waschanlage funktioniert dergestalt, dass die Fahrzeuge mittels eines Förderbandes durch die Waschstraße zu den einzelnen Stationen bewegt werden. In dieser automatisierten Waschanlage der Beklagten kam es am 21.08.2015 zu einem Unfall. Der Versicherungsnehmer der Klägerin, der Zeuge …, blieb mit seinem Fahrzeug, einem VW Golf, nach Abschluss des Waschvorgangs beim Ausfahren aus der Waschanlage, aber außerhalb des Förderbandes im Ausgangsbereich auf der Fahrspur liegen. Das Fahrzeug ließ sich nicht mehr starten. Es gelang dem Zeugen auch nicht, das Fahrzeug manuell aus dem Bereich, in welchem das Fahrzeug bis dahin stand, heraus zu bewegen. Das dem Zeugen … nachfolgende Fahrzeug der Zeugin …, ein SUV der Marke Kia, konnte anschließend die Waschstraße, mithin das Förderband, noch verlassen. Das Fahrzeug der Zeugin … konnte jedoch nicht am Fahrzeug des Zeugen … vorbeifahren und blockierte somit die Ausfahrt. Das nächstfolgende Fahrzeug der Geschädigten … konnte so nach Beendigung des Waschvorgangs bereits die automatisierte Waschstraße nicht verlassen und wurde durch das weiter in Bewegung befindliche Förderband gegen das Fahrzeug der Zeugin … geschoben.

Wegen dieses Vorfalls ist vor dem hiesigen Landgericht ein Verfahren zum Aktenzeichen 2 O 304/15 geführt worden. Die Klägerin ist unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zur Zahlung der durch die Geschädigte … geltend gemachten Schäden in Höhe von insgesamt 5.078,98 € verurteilt worden. Die Klägerin hat diese Zahlungen geleistet und begehrt nunmehr die Erstattung durch die Beklagte. Mit Schreiben vom 08.07.2016 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 22.07.2016 zur Zahlung auf.

Die Klägerin behauptet, der Zeuge … habe alles Mögliche getan, um einen Schaden zu verhindern. Er sei fortgeeilt, um die Mitarbeiter der Beklagten über den Vorfall zu informieren. Diese seien jedoch nicht tätig geworden. Es habe mehrere Minuten gedauert, bis das Waschstraßenförderband letztlich abgeschaltet worden sei. Den Zeugen … treffe deshalb auch kein Mitverschulden. Sein Fahrzeug ließ sich nicht starten und habe sich auch nicht manuell fortbewegen lassen. Wegen des überwiegenden Verschuldens der Beklagten müsse auch die Betriebsgefahr insoweit zurücktreten.

Die Klägerin ist der Auffassung, es greife zu ihren Gunsten bereits ein Anscheinsbeweis einer Pflichtverletzung der Beklagten, da feststehe, dass die Schadensursache allein im Verantwortungsbereich des Waschanlagenbetreibers liege. Bei automatisierten Waschanlagen müsse der Betreiber sicherstellen, dass in Fällen gefährlicher Situationen eine Abschaltung des Förderbandes sofort erfolge. Zu Lasten der Beklagten sei auch zu berücksichtigen, dass sie keine umfangreiche Videoüberwachung eingerichtet habe und auch keine Sensoren oder Lichtschranken eingerichtet habe. Diese seien notwendig gewesen, um dem Stand der Technik zu entsprechen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.078,89 € nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Anlage selbst sei an diesem Tag funktionsfähig und nicht defekt gewesen. Die Anlage sei ordnungsgemäß gewartet worden. Die Beklagte habe die Anlage so betrieben, wie es dem Stand der Technik entspreche und wie es ihr im Übrigen zumutbar sei. Der Einbau eines erweiterten Lichtschrankensystems sei technisch nicht darstellbar. Weitere, zusätzliche Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die Überwachung durch Personal oder Technik sei weder zumutbar, noch wirtschaftlich. Sie hätten im Übrigen den Unfall auch nicht verhindern können.

Die Beklagte meint, es liege ein überwiegendes Mitverschulden des Zeugen … vor. Dieser hätte hupen müssen, was er nicht getan habe. Auf entsprechende Huppflichten werde auch durch Hinweisschilder hingewiesen. Im Übrigen habe sich der Zeuge … bei den Mitarbeitern der Beklagten lediglich nach einem Überbrückungskabel erkundigt. Er habe nicht die konkrete Gefahrsituation geschildert.

Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen …, …, … und …. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.01.2017.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

Der Klägerin steht aus §§ 426 Abs. 1, 2, 421 BGB i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 631 Abs. 1 BGB ein Regressanspruch in Höhe von 1.269,75 € zu.

1.

Ein in Anspruch genommener Haftpflichtversicherer kann einen Mitschädiger seines Versicherungsnehmers aus übergegangenem Recht nach § 86 Abs. 1 VVG in Anspruch nehmen, wenn und soweit zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Mitschädiger eine gesamtschuldnerische Haftung besteht (OLG Frankfurt, Urteil v. 29.03.2016 – 16 U 139/15). Diese Voraussetzung ist hier dem Grunde nach erfüllt.

Der Versicherungsnehmer der Klägerin, der Zeuge …, ist – wie durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Itzehoe zum Az. 2 O 304/15 festgestellt – einem Dritten, der Geschädigten …, aus § 7 Abs. 1 StVG zum Schadensersatz verpflichtet. Daneben besteht dem Grunde nach auch ein Anspruch der Geschädigten … gegen die Beklagte. Beide Ansprüche sind gleichstufig. Der Anspruch der Geschädigten … gegen die Beklagte ist ebenfalls ein Schadensersatzanspruch und folgt aus §§ 631 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB.

2.

Die Geschädigte … und die Beklagte waren unstreitig durch eine als Werkvertrag zu qualifizierenden vertragliche Vereinbarung über die Nutzung der von der Beklagten betriebenen automatisierten Waschstraße verbunden. Diesem Schuldverhältnis ist auch die vertragliche Nebenpflicht immanent, sich bei der Abwicklung des Vertragsverhältnisses so zu verhalten, dass Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Gegen diese Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte verstoßen.

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt eine solche Pflichtverletzung allerdings nicht bereits daraus, dass das Fahrzeug der Geschädigten … beim Betrieb der automatisierten Waschanlage beschädigt worden ist. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass in Abweichung von der grundsätzlichen Beweislastverteilung für Schadensfälle, die sich in einer Waschstraße ereignet haben, von der Schädigung auf die Pflichtverletzung des Betreibers geschlossen werden kann, wenn der Geschädigte darlegt und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Betreibers herrühren kann. Dieser Anscheinsbeweis kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn feststeht, dass der Schaden nur durch den automatisierten Waschvorgang in der Waschstraße selbst verursacht worden sein kann, also keine andere Schadensursache in Betracht kommt (OLG Düsseldorf, Urteil v. 16.12.2003 – 2 U 97/03; LG Paderborn, Urteil v. 26.11.2014 – 5 S 65/14). Die Annahme eines solchen Anscheinsbeweises kommt als restriktiv zu behandelnde Ausnahme von der grundsätzlichen Beweislastverteilung nur in Betracht, wenn Gründe außerhalb des Verantwortungsbereiches zweifellos ausgeschlossen sind. Dies setzt voraus, den Verantwortungsbereich des Betreibers zu definieren und zu begrenzen. Sinn und Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Anscheinsbeweises bei Beschädigungen von Kraftfahrzeugen in Waschanlagen war es im Ausgangspunkt, dem Autofahrer nicht den von ihm nur sehr schwer zu erbringen Nachweis zuzumuten, dass Schäden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Waschvorgang selbst passiert sind, auch tatsächlich und ausschließlich durch den Waschvorgang verursacht worden sind. Die Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis in solchen Fällen ist zahlreich (exemplarisch OLG Hamm, Urteil v. 12.04.2002 – 12 U 170/01; AG Dieburg, Urteil v. 25.03.2015 – 20 C 74/14). Dies verdeutlich aber auch, dass der Annahme eines Anscheinsbeweises Grenzen gesetzt sind. Wenn neben dem Waschvorgang, wozu auch die Beförderung während des Vorgangs gehört, noch andere Umstände für die Entstehung des Schadens jedenfalls erkennbar mitursächlich sind, kann ein Anscheinsbeweis nicht mehr ohne Weiteres angenommen. Dabei gilt: Je weiter entfernt vom eigentlichen Waschvorgang – räumlich, zeitlich oder sachlich-inhaltlich – die zusätzliche Ursache ihrerseits ist, desto eher scheidet die Annahme eines Anscheinsbeweises aus.

Nach diesen Maßstäben kann in der vorliegenden Konstellation kein Anscheinsbeweis zulasten der Beklagten angenommen werden. Nach Ansicht des Gerichts ist der vorliegende Schaden am Fahrzeug der Geschädigten … nicht ausschließlich durch den automatisierten Waschvorgang verursacht worden. Bei wertungsmäßiger Betrachtung unterfällt der Vorfall nicht ausschließlich dem Verantwortungsbereich der Beklagten. Ein weiteres maßgebliches Moment der Schadensverursachung war vielmehr auch die Tatsache, dass der Zeuge … mit seinem Fahrzeug im erweiterten Ausfahrtsbereich der Waschanlage, aber außerhalb der automatisierten Waschstraße mit seinem Fahrzeug liegenblieb und es ihm auch in der Folgezeit nicht gelang, schadensverhindernde Maßnahmen zu ergreifen. Anders als in Fällen, in denen ein Fahrzeug unmittelbar beim Verlassen der Waschstraße liegenbleibt, beschränkt sich hier die Verantwortlichkeit des „Liegenbleibers“ nicht darauf, schlicht die Waschstraße nicht verlassen zu können. Der Zeuge … konnte immerhin die Waschstraße verlassen und auch den Ausfahrtsbereich soweit verlassen, dass ein weiteres Fahrzeug die Waschstraße verlassen konnte. Erst das Unterlassen notwendiger weiterer Handlungen durch den Zeugen … führte dazu, dass sich die Gefahr verwirklichte. Diese zeitliche und räumliche Zäsur eines weiteren Fahrzeuges grenzt den vorliegenden Fall auch von ähnlich gelagerten Fallkonstellationen (etwa LG Paderborn, Urteil v. 26.11.2014 – 5 S 65/14; AG Bremen, Urteil v. 23.01.2014 – 9 C 439/13) ab, in denen ein Anscheinsbeweis angenommen wurde. Die Beklagte ist daher nicht gehalten, einen Anscheinsbeweis zu widerlegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob die Anlage der Beklagten dem Stand der Technik entspricht und von der Beklagten dem Stand der Technik entsprechend betrieben und gewartet worden ist (OLG Düsseldorf, Urteil v. 16.12.2003 – 2 U 97/03).

b) Die Beklagte hat jedoch dadurch gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen, dass sie ihre Anlage nicht so organisiert und betrieben hat, dass die Gefahr von Beschädigungen der Rechtsgüter der Benutzer in zumutbarer Weise auf ein Minimum reduziert wird.

aa) Zwar folgt ein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten nicht daraus, dass die Waschanlage defekt war oder nicht ordnungsgemäß gewartet worden ist. Denn dies war tatsächlich nicht der Fall. Zwar hat die Klägerin bestritten, dass die Anlage funktionsfähig und ordnungsgemäß gewartet war. Ein einfaches Bestreiten genügt indes nicht, § 138 Abs. 2 ZPO. Die Klägerin wäre vielmehr gehalten gewesen, substantiiert zu bestreiten, da aus den Umständen nicht ersichtlich ist, welchen Defekt die Anlage aufgewiesen haben soll. Tatsächlich geht der Vortrag der Klägerin auch nicht dahin, die Funktionsfähigkeit der Anlage als solche in Abrede zu stellen. Umstritten ist zwischen den Parteien vielmehr, welche technischen Voraussetzungen die Anlage haben muss, um als „funktionsfähig“ zu gelten. Dass die Anlage, so wie sie zum streitgegenständlichen Zeitpunkt technisch ausgerüstet war, funktionierte, ist hiernach von der Beklagten nicht, jedenfalls nicht hinreichend substantiiert bestritten worden.

bb) Der Umfang von Verkehrssicherungspflichten bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Leitend sind Gedanken der Risikoverteilung, der Schutzbedürftigkeit, der Erkennbarkeit der Risiken, aber auch der Zumutbarkeit der etwa erforderlichen Maßnahmen. Für Betreiber von automatisierten Waschanlagen bedeutet dies, dass sie gehalten sind, durch die Installation eines Risikominimierungssystems dafür Sorge zu tragen haben, dass nicht nur bei Fehlfunktionen der Anlage selbst, sondern gerade auch bei Gefahrsituationen, die durch andere Nutzer hervorgerufen werden, ein rechtzeitiger Stopp der Anlage erfolgen kann. Konkrete Vorgaben zur Umsetzung gibt es nicht (so im Ausgangspunkt auch LG Paderborn, Urteil v. 26.11.2014 – 5 S 65/14). Es bleibt vielmehr den Waschanlagenbetreibern selbst überlassen, ob sie zur Gefahrvermeidung auf lichtsensorische, technische Systeme, auf digitale Überwachung, personelle Überwachung und Beaufsichtigung oder sonstige geeignete Maßnahmen zurückgreifen. Entscheidend ist, dass die vom Anlagenbetreiber vorgehaltenen Sicherungssysteme geeignet sind, den Weitertransport auf dem Förderband in Gefahrsituationen unverzüglich zu stoppen. Die Pflicht des Anlagenbetreibers ist dabei nicht darauf beschränkt, in einer bestimmten Art und Weise tätig zu werden, die Verpflichtung ist vielmehr unmittelbar erfolgsbezogen (OLG Karlsruhe, Urteil v. 24.06.2015 – 9 U 29/14).

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cc) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Entgegen der Auffassung der Klägerin würde sich dies zwar nicht bereits ohne Weiteres daraus ergeben, dass kein (funktionierendes) lichtsensorisches System vorhanden war. Es kann daher offen bleiben, ob – wie zunächst schriftsätzlich vorgetragen – jedenfalls eine Lichtschranke im unmittelbaren Anschluss an das Ende der Transportvorrichtung (Bl. 38 d.A.) vorhanden war, die unter bestimmten Voraussetzungen einen automatischen Anlagenstopp ausführt oder ob es – als Ergebnis der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung – unklar bleibt, dass ein solches System vorhanden war. Offen bleiben kann auch, ob das System der Lichtschranken zwingend dahingehend erweitert werden muss, dass weitere Lichtschranken innerhalb der Waschstraße, aber auch außerhalb der Waschstraße zu installieren sind oder ob dies bereits technisch nicht möglich ist. Denn die Beklagte hat jedenfalls dadurch gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen, dass die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter die Anlage nicht unverzüglich gestoppt haben, obgleich sie von der Gefahrensituation Kenntnis erlangt haben oder hätten erlangen können.

Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Zeugin … als Angestellte der Beklagten das Förderband nicht rechtzeitig angehalten hat. Die Zeugin hat ausgesagt, dass sie an diesem Tag zur Felgenreinigung eingeteilt und mit dieser Arbeit am Eingang und Kassenbereich der Waschstraße beschäftigt war, als ein Mann – hier der Zeuge … – bei ihr erschien und erklärte, sein Auto funktioniere nicht. Bereits dies war Anlass genug, das Förderband manuell durch Betätigung des in ihrer unmittelbaren Nähe befindlichen Notknopfes anzuhalten. Die Zeugin hat weiter ausgesagt, davon ausgegangen zu sein, dass das Fahrzeug möglicherweise im Bereich der ebenfalls auf dem Gelände befindlichen Staubsaugeranlage nicht funktioniert und deshalb den Zeugen auf später vertröstet zu haben. Unabhängig davon, ob – wie die Zeugin weiter kundtat – der Zeuge … sich mit einer solchen vertröstenden Antwort begnügte, wäre die Zeugin verpflichtet gewesen, nachzufragen oder nachzuschauen, ob und wo tatsächlich das Auto liegengeblieben ist. Es genügt auch nicht, dass die Zeugin sich lediglich – wie sie in ihrer Vernehmung kundtat – vergewisserte, ob das Band noch lief. Denn gerade das laufende Band war ja die Gefahrenquelle, die es auszuschalten galt. Das Gericht geht weiter davon aus, dass die Zeugin, die keine Muttersprachlerin der deutschen Sprache ist und die deutsche Sprache – wie in der Vernehmung vor Gericht sehr deutlich wurde – nur sehr eingeschränkt versteht und spricht, den Hinweis des Zeugen … inhaltlich nicht hinreichend verstanden hat und auch wegen sprachlicher Barrieren von einer weiteren Kommunikation oder Nachfragen absah. Die fehlenden Deutschkenntnisse hat auch die Zeugin … bestätigt, die im Gespräch mit der Zeugin … am Tag des Unfalls den Eindruck hatte, sie sei sprachlich nicht verstanden worden. Ein solches Verhalten widerspricht jedoch der Sorgfaltspflicht von Mitarbeitern einer Anlage, von der Gefahren für deren Nutzer ausgehen. Dass der Zeuge … – wie von der Beklagten behauptet – nicht auf die Gefahrsituation hingewiesen, sondern lediglich nach einem Überbrückungskabel gefragt haben soll, konnte die Zeugin nicht bestätigen. Auch der Zeuge … hat ausgesagt, allenfalls zusätzlich nach einem Überbrückungskabel gefragt zu haben (dies jedoch möglicherweise sogar einem anderen Kunden gegenüber), aber jedenfalls auch auf sein liegengebliebenes Auto hingewiesen zu haben. Das Gericht hält es angesichts der in der mündlichen Verhandlung offenbarten Sprachkenntnisse der Zeugin … auch für sehr unwahrscheinlich, dass die Zeugin das Wort „Überbrückungskabel“ verstanden hätte oder dies entsprechend wiedergeben könnte.

c) Das Verschulden der Beklagten wird gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Die Beklagte muss sich das Verschulden ihrer Angestellten gem. § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen. Die Beklagte ist demnach einstandspflichtig für die der Geschädigten … adäquat kausal entstandenen Schäden, die dieser dadurch entstanden sind, dass sie vom weiter laufenden Förderband auf das vor ihr befindliche Fahrzeug der Zeugin … aufgeschoben worden ist.

3.

Indes haftet die Beklagte trotz ihres Verstoßes gegen die Verkehrssicherungspflicht im Verhältnis zur Klägerin nur im Umfang von 25%. Dies ergibt eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 254 Abs. 1 BGB. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Bei Schadensersatzansprüchen richtet sich die Verteilung des Schadens auf mehrere Ersatzpflichtige nach § 254 BGB (Palandt/Grüneberg, 74. Auflage 2015, § 426 Rn. 14). Ein Forderungsübergang nach § 426 Abs. 2 BGB erfolgt stets nur im Umfang des Ausgleichsanspruchs. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin mitgewirkt, das das Gericht mit 75% bewertet. Die Klägerin, die einen übergegangenen Anspruch des Versicherungsnehmers geltend macht, muss sich dieses Verschulden auch zurechnen lassen.

Das insoweit zu berücksichtigende Mitverschulden des Zeugen … ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit 75% zu berücksichtigen.

a) In die Haftung einzustellen ist dabei zunächst die Betriebsgefahr nach § 7 Abs. 1 StVG. Die Vorschrift ist anwendbar, da sich das Fahrzeug des Zeugen … bei dem Betrieb befand. Anders als in der Situation, in welcher sich das Fahrzeug innerhalb einer Waschstraße auf dem Förderband befindet, ist der Fahrer jedenfalls nach Verlassen des Förderbandes wieder Herr über das Fahrzeug. Der Gedanke der Fremdbestimmung, der dazu führt, dass § 7 Abs. 1 StVG bei Fahrzeugen auf dem Förderband während des Waschvorgangs keine Anwendung findet, kommt dann nicht zur Geltung, wenn das Fahrzeug das Förderband verlassen hat. Die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 StVG ist daher nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich das Ereignis im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Waschvorgang in einer Waschstraße ereignet hat. Die hiernach grundsätzlich zu berücksichtigende Betriebsgefahr ist weiter auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte ihrerseits grob fahrlässig gehandelt hat. Zwar ist es zutreffend, dass die Betriebsgefahr vollständig zurücktreten kann, wenn ein grob fahrlässiges Verhalten der anderen Seite anzunehmen ist. Grob fahrlässig ist ein Handeln aber nur dann, wenn in objektiver Hinsicht ein schwerer und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbarer Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorläge. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Es muss eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (BGH, Urteil v. 10.10.2013 – III ZR 345/12). Dies ist indes nicht der Fall. Die Tatsache, dass die Zeugin … das Förderband nicht rechtzeitig anhielt, ist eine fahrlässige Pflichtverletzung, die im Wesentlichen durch Verständnisschwierigkeiten begründet ist. Die Zeugin hat damit zwar die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung ist dies jedoch nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin bleibt die Betriebsgefahr auch nicht deshalb unberücksichtigt, weil die Beklagte keine (weiteren) technischen Maßnahmen zum automatischen Anlagenstopp vorgesehen hat. Allein das Nichtvorhandensein von Lichtschranken stellt für sich betrachtet schon keinen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten dar (s.o.).

b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem gesamten Inhalt der Verhandlung ist zudem auch ein Verschulden des Zeugen … in die Haftung einzustellen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Zeuge … in mehrfacher Hinsicht durch besonneneres oder jedenfalls zügigeres Handeln den Unfall hätte vermeiden können.

aa) Bereits aus den als Anlage B 3 zur Akte gereichten Videosequenzen ergibt sich, dass der Zeuge … in mehrfacher Hinsicht nicht die in dieser Situation gebotenen Handlungen vornahm. Die zeitlich erste Videosequenz, mit einer Gesamtdauer von 2:41 min, beginnt damit, dass der Zeuge die Waschstraße verlässt. Jedenfalls nach ca. 45 Sekunden hat der Zeuge … die Waschstraße – hier ist gemeint: das Förderband – verlassen. In den nachfolgenden beinahe 2 Minuten hat der Zeuge … nicht – was in solchen Situationen als erstes angezeigt wäre – die verantwortlichen Mitarbeiter informiert. Er hat vielmehr über einen Zeitraum von fast 1:30 Minuten versucht, sein Fahrzeug zu starten. Zwar ist er dabei in zwei Fällen jeweils ein kleines Stück vorwärts gekommen. Dies allerdings ohne erkennbares scharfes Einschlagen der Räder, obwohl dies angesichts der erkennbaren Kurve im Ausgangsbereich notwendig gewesen wäre, um das Fahrzeug sicher aus der Gefahrenzone bewegen zu können. Auch, als der Zeuge … nach ca. 2:10 min aus seinem Fahrzeug – recht gemächlich – ausstieg und das Fahrzeug schieben wollte, tat er dies, ohne zuvor notwendigerweise die Räder einzuschlagen. Zwar mag ein Einschlagen der Räder bei ausgeschaltetem Motor angesichts nicht funktionsbereiter Servolenkungsfunktion kraftaufwändiger sein. Es ist jedoch jedenfalls für einen jungen Mann wie den Zeugen … bei einem Fahrzeug der Kompaktklasse, noch dazu einem mit einem deutlich älteren Baujahr (hier: VW Golf III) und daher verhältnismäßig geringem Gewicht ohne Weiteres möglich. Von weiteren Versuchen, das Auto fortzuschieben, ließ der Zeuge dann ab. In der mündlicher Verhandlung erklärte er hierzu, er wäre wegen des Randsteins mit dem Fahrzeug ohnehin nicht um die Kurve gekommen. Vor dem Hintergrund der Videoaufnahmen ist das Gericht hiervon jedoch nicht überzeugt. Auch der Zeuge … überprüfte dies nicht etwa. Er befand sich die ganze Zeit auf Höhe der Fahrertür und setze sich, nachdem der Versuch des Wegschiebens aus seiner Sicht untauglich bleiben musste, wieder in sein Fahrzeug, anstatt nunmehr unverzüglich und zügig die Mitarbeiter der Beklagten aufzusuchen. Soweit der Zeuge in der mündlichen Verhandlung ausgesagt hat, in der Zeit bis zum erstmaligen Verlassen seines Fahrzeuges mehrfach versucht zu haben, seinen Wagen zu starten, so kann ihn dies nicht entlasten. Der Zeuge hätte auch unter der nachvollziehbaren Anspannung, unter der ein Fahrer in dieser Situation steht, erkennen müssen, dass diese Maßnahme allein nicht hinreichend erfolgversprechend ist. Stattdessen hat die Zeugin … ausgesagt, dass der Zeuge … die Mitarbeiter der Beklagten erst auf eine entsprechende Anweisung von ihr informierte.

bb) Ein fahrlässiges Verhalten des Zeugen … ist auch darin zu sehen, dass dieser die Zeugin … oder weitere Mitarbeiter der Beklagten nicht mit Nachdruck auf die gefährliche Situation hinwies. Selbst wenn man davon ausgeht, dass insoweit ein einmaliger Hinweis grundsätzlich ausreichend ist, waren vorliegend weitere Hinweise oder ein Nachfragen durch den Zeugen … geboten. Der Zeuge hat ausgesagt, ihm sei vom Personal – hier: von der Zeugin … – auf seine Meldung entgegnet worden, „man würde gleich gucken“. Mit einer solchen Antwort hätte sich der Zeuge nicht zufrieden geben dürfen. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass bereits einige Zeit verstrichen war, bevor der Zeuge überhaupt die Mitarbeiter der Beklagten aufsuchte. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, er hätte den Eindruck gehabt, die Mitarbeiterin der Beklagten, die Zeugin … habe ihn entweder akustisch, sprachlich oder in beiderlei Hinsicht nicht verstanden. Die Zeugin … habe ihn angeschaut, als würde sie sagen: „Was will der von mir?“ Dem Zeugen … muss also bewusst gewesen sein, dass die Gefahrträchtigkeit der Situation der Mitarbeiterin der Beklagten nicht hinreichend gegenwärtig war. Vor diesem Hintergrund drängt es sich geradezu auf, deutlicher und mit Nachdruck auf die Gefahrensituation hinzuweisen oder alternativ, sich an andere Mitarbeiter zu wenden. Ob, wie der Zeuge auf Nachfrage des Beklagtenvertreters ausgesagt hat, er gegenüber der Zeugin … mehrfach gesagt hat „Mein Auto steht dort in der Kurve“, kann dahinstehen. Wenn der Zeuge das Gefühl hatte, inhaltlich nicht verstanden worden zu sein, wird dieses Verständnis nicht unbedingt durch eine Wiederholung des nicht verstandenen Satzes herbeigeführt. Entscheidend ist, dass der Zeuge, wie er auf Nachfrage des Beklagtenvertreters erklärte, sah, wie die Zeugin … mit ihrer Arbeit – dem Waschen der Felgen – fortfuhr und er gleichwohl zu seinem Fahrzeug zurückkehrte.

cc) Schließlich ist ein Verschuldensbeitrag des Zeugen … auch darin zu sehen, dass er entgegen den vorhandenen Hinweisen, wonach bei Gefahrsituationen die Hupe zu betätigen ist, dies nicht getan hat. Das Gericht ist von vorhandenen Hinweisschildern auch im streitgegenständlichen Zeitraum angesichts der Zeugenaussagen der Zeugen … und … überzeugt. Dass der Kläger die Hupe betätigt hat, hat dieser nicht behauptet. Ob insoweit ein anderer Nutzer der Waschanlage hupte, wie der Zeuge … aussagte, kann insoweit dahinstehen.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 ZPO, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Verzugszinsen sind hier gem. § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem 23.07.2016 geschuldet.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2, 711 ZPO.

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