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Bankenhaftung für fehlerhafte Anlageberatung

LG Hamburg, Az.: 330 O 357/11

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 27.921,98 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Kläger 5.935,59 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2011 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.867,44 € freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds.

Die Klägerin zu 1) ist Geschäftsführerin eines international tätigen Unternehmens, das Ersatzteile für Pkw und Nutzfahrzeuge liefert. Auf Firmenkundenebene bestand eine langjährige Geschäftsverbindung mit der D Bank AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die Klägerin zu 1) regelte nicht die Bankgeschäfte für das Unternehmen.

Bankenhaftung für fehlerhafte Anlageberatung
Symbolfoto: Rido81/Bigstock

Am 24.01.2008 wurde die Geschäftsverbindung für private Vermögensgeschäfte – vermittelt durch den benannten Zeugen D , den Cousin der Klägerin zu 1) – begründet. An diesem Tag führte die Klägerin für sich und ihren Mann, den Kläger zu 2), auch das im Streit stehende Beratungsgespräch mit dem Berater der Beklagten, dem Zeugen F.

Die Kläger stellten einen Antrag auf Depoteröffnung (Anlage B 1) und unterzeichneten einen Fragebogen zum WpHG (Anlage B 2) mit Angaben zu Anlagezielen, Anlageerfahrungen und Risikobereitschaft. Bei der Frage nach den Anlagezielen wurden unter den angegebenen Auswahlmöglichkeiten „Vermögensanlage“, „Liquidität“ und „Steuerersparnis“ angekreuzt. Bei „Bisherige Anlageerfahrung“ sind handschriftliche Kreuze gesetzt bei „Renten Euro“, „Renten Fremdwährung“, „Aktien“, „Anlagekonzepte/Mischfonds“ und „Immobilienprodukte“. Hinter „Immobilienprodukte“ ist handschriftlich vermerkt: „auch geschl.“. Ferner ist angegeben, dass Wertpapiergeschäfte seit 1995 getätigt werden, normalerweise ein bis fünf pro Jahr. Die Frage nach dem Umfang der bisher getätigten Anlagen wurde mit „20′ – 40′ TEuro“ beantwortet. Unter den vier Auswahlmöglichkeiten war bei der Frage nach der Risikobereitschaft die zweite von vieren angekreuzt („mittel“). Unstreitig ist, dass die Kläger „in hohem Umfang rentenorientiert investiert“ waren.

Der Zeuge F stellte der Klägerin zu 1) am 24.01.2008 einen geschlossenen Immobilienfonds und den hier streitgegenständlichen offenen Immobilienfonds „DEGI International“ vor. Die Klägerin zu 1) erklärte dem Zeugen F, dass es ihr auch auf Liquidität ankomme. Auf die Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme von Fondsanteilen wies der Zeuge im Gespräch nicht hin. Zur Möglichkeit der Rücknahme erklärte der Berater, dass im Vergleich zu der weiter getätigten Anlage in den geschlossenen Immobilienfonds die Anlage in den offenen Immobilienfonds wegen der grundsätzlich eröffneten Möglichkeit der Rücknahme durch die Fondsgesellschaft und die Möglichkeit zur Veräußerung der Anteile an der Börse liquider sei.

Vor dem 24.01.2008 hatten die Kläger keinen Immobilienfonds erworben, bei dem die Rücknahme der Anteile ausgesetzt war.

Die Klägerin zu 1) entschied sich für beide Kläger am 24.01.2008, 60.000 EUR in den Fonds anzulegen. Der Kauf wurde am 08.02.2008 ausgeführt. Die Wertstellung erfolgte am 12.02.2008.

Die Beklagte übersandte den Klägern am 29.01.2008 die Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapiere.

Die Kläger erhielten in der Folgezeit Ausschüttungen in Höhe von 1.979,06 € netto (2.166,44 € brutto) am 14.4.2009 und in Höhe von 1.024,76 € (1.083,22 € brutto) am 12.04.2010.

Am 16.11.2009 wurde die Rücknahme der Anteilsscheine zunächst auf drei Monate befristet ausgesetzt, dann nach zweimaliger Verlängerung bis zum 16.11.2011. Seit der zweiten Aussetzung der Rücknahme verlor der Fonds erheblich an Marktwert.

Am 19.01.2011 verkauften die Kläger die Fondsanteile für 29.074,20 €. Mit Schreiben vom 24.01.2011 beantragten die Kläger die Einleitung eines außergerichtlichen Güteverfahrens (Anlage K 9). Mit Schreiben vom 09.02.2011 teilte die Beklagte mit, dass sie an dem Güteverfahren nicht teilnehmen werde (Anlage K 11).

Die Kläger behaupten, sie hätten dem Berater erklärt, dass sie selbst über keine nennenswerten Kenntnisse und Erfahrungen im Kapitalanlagebereich verfügten. Die Klägerin zu 1) habe unterstrichen, dass für den hier anzulegenden Betrag nur absolut sichere Kapitalanlagen in Frage kämen und sie den Betrag vollständig für die finanzielle Absicherung im Alter benötigen würden. Der Klägerin zu 1) sei es vor allem auf Substanzerhalt und regelmäßige Ausschüttungen angekommen. Dies habe sie auch zuvor ihrem Cousin Herrn D mitgeteilt, der dies vor dem Beratungsgespräch gegenüber dem Zeugen F kommuniziert habe. Im Zusammenhang mit dem WpHG-Bogen hätten sich die Kläger für „Vermögensanlage und Liquidität“ entschieden, weil dies für ihre persönliche Situation unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Absicherung im Alter sinnvoll und richtig erschienen sei, da sie ihr Vermögen sicher anlegen und gleichzeitig flexibel bleiben wollten. „Altersvorsorge“ habe sie mit langfristigen Sparanlagen assoziiert. Die Kläger behaupten ferner, sie hätten dem Zeugen F mitgeteilt, dass sie nicht in der Lage seien, die „Zusatzinformationen“ wie die „Informationen zum Wertpapiergeschäft“ und die „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“ eingehend zu studieren.

Der Zeuge F habe den Fonds als sichere Anlage beschrieben, bei der die Kläger eine Zielrendite von 5 % erwarten dürften. Er habe verschwiegen, dass die Rendite nicht gesichert ist. Über Kurs- und Wechselkursrisiken sei nicht aufgeklärt worden. Der Berater habe erklärt, dass die Beteiligung jederzeit verlustfrei zurückgegeben werden könne. Über Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und der jährlichen Verwaltungsvergütung sei nicht aufgeklärt worden.

Das als Anlage K 5 vorgelegte Informationsblatt habe die Klägerin zum Mitnehmen erhalten, als sie sich für die Anlage entschieden hatte.

Die Kläger meinen, dass die Beratung weder anleger- noch anlagegerecht war, da angesichts des Wunsches nach einer sicheren Anlage und der – mit Blick auf das Alter der Kläger – fehlenden Risikofähigkeit sowie mangels nennenswerter Kenntnisse und Erfahrungen im Kapitalanlagebereich nur ein einfaches Finanzprodukt hätte empfohlen werden dürfen, für das eine uneingeschränkte Garantie gilt und das unabhängig von Kursschwankungen ist. Daher hätten nach Auffassung der Kläger nur Bundesschatzbriefe empfohlen werden dürfen. Zudem habe der Zeuge F die Sicherheit der Anlage lückenhaft und falsch beschrieben, ebenso die Renditedarstellung, da nicht dargestellt worden sei, dass die in Aussicht gestellte Rendite nicht gesichert war. Sie rügen zudem, dass über weitere Risiken, auf die im Verkaufsprospekt hingewiesen werde, im Beratungsgespräch nicht aufgeklärt wurde. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf S. 7 der Klageschrift (Bl. 7 d. A.) Bezug genommen.

Die Kläger meinen, dass seit dem 13.12.2005 klar gewesen sei, dass offene Immobilienfonds keine jederzeit liquidierbare Geldanlage sind, weil – was unstreitig ist – an diesem Tag die D Bank-Tochter „R E “ die Anteilsrücknahme des Grundbesitz Invest ausgesetzt hat. Zwischen dem 13.12.2005 und dem Beratungsgespräch seien zudem weitere offene Immobilienfonds geschlossen worden.

Die Kläger behaupten, dass sie bei gehöriger Aufklärung von der Anlage abgesehen und in Bundesschatzbriefen zu 3,42 % p. a. angelegt hätten, was nach der Berechnung auf S. 15 der Klagschrift, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zu einem Gewinn von 5.938,99 € geführt hätte. Hilfsweise begehren sie einen entgangenen Gewinn von 2 % p. a.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 27.921,98 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Februar 2011 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 5.948,99 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Februar 2011 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.867,44 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Kläger hätten speziell Interesse an Anlagen im Immobilienbereich gezeigt. Vor Ordererteilung sei das Informationsblatt (Anlage K 5) durchgesprochen und ausgehändigt worden, in dem auf Wertschwankungs- und Wechselkursrisiken hingewiesen wird. Der Zeuge F habe die Möglichkeit von Kursschwankungen angesprochen und auf ein mögliches Verlustrisiko hingewiesen. Den Klägern sei bewusst gewesen und vom Zeugen F mitgeteilt worden, dass Kursschwankungen auftreten können und daher eingesetztes Kapital verloren gehen kann. Eine Zielrendite sei zwar angesprochen, aber nicht zugesichert worden. Zudem seien die Kläger mit dem Depoteröffnungsantrag (Anlage B 1), dessen Inhalt sie vor der Unterzeichnung am 24.01.2008 zur Kenntnis genommen hätten, auf Verlustrisiken bei ungünstiger Marktentwicklung hingewiesen worden.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe in dem Termin mit dem Zeugen F die Basisinformationen nicht ausgehändigt haben wollen und erklärt, dass sie diese Informationen bereits von den anderen Instituten, mit denen sie bis dahin in Geschäftsverbindung stand, erhalten habe. Die Kläger hätten die Basisinformationen, die sie von anderen Instituten erhalten hätten, zur Kenntnis genommen.

Die Beklagte meint, mit den Hinweisen in den Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren (dort S. 127) seien die Kläger über das Risiko der Aussetzung der Rücknahme von Investmentfondsanteilen informiert gewesen. Zudem sei dies kein Aspekt, der für die Anlageentscheidung ex ante betrachtet wesentliche Bedeutung hat oder haben könnte. Eine Aussetzung der Anteilsrücknahme sei zum Zeitpunkt des Erwerbs der Investmentfondsanteile weder für die Beklagte noch für den Berater ersichtlich gewesen, da die Verwerfungen am Finanzmarkt nach dem 15.9.2008, die daraus folgende Aussetzung der Anteilsrücknahme und anschließende Liquidation des Fonds für die Beklagte nicht vorhersehbar waren.

Die Beklagte behauptet, der Berater habe darauf hingewiesen, dass der wesentliche Teil des Ertrags der Bank, der aus dem Ausgabeaufschlag von 5 % und der Verwaltungsvergütung von jährlich 1 % stamme, an die Agentur D , über die der Kontakt zu den Klägern hergestellt wurde, weitergereicht werde. Die Beklagte habe die Fondsanteile im Festpreisgeschäft verkauft und sei nicht verpflichtet gewesen, über Gewinnmargen aufzuklären.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 02.11.2012 und 01.03.2013 Bezug genommen.

Das Gericht hat die Klägerin persönlich gemäß § 141 ZPO angehört und Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschluss vom 20.12.2012. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 01.03.2013.

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 10.01.2013 die teilweise Klagerücknahme hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer 2 erklärt. Die Beklagte hat dem ausdrücklich nicht zugestimmt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Lediglich hinsichtlich des begehrten entgangenen Gewinns ist sie teilweise unbegründet.

I.

Es ist über sämtliche Anträge, auch den Antrag zu Ziffer 2, in der Sache zu entscheiden. Die insoweit erklärte teilweise Klagerücknahme ist mangels Einwilligung der Beklagten nicht wirksam (§ 269 Abs. 1, 2 ZPO).

II.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrages.

1. Zwischen den Parteien ist in Bezug auf die Empfehlung der streitgegenständlichen Anteile am offenen Immobilienfonds „DEGI International“ unstreitig ein Beratungsvertrag zustande gekommen.

2. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt, weil sie die Kläger nicht vollständig über die mit der Beteiligung verbundenen Risiken informiert hat.

Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (BGHZ 123, 126, 128 f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. nur BGH, Urteil vom 27.09.2011, XI ZR 182/10 m. w. N.).

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Gemessen an diesen Anforderungen ist der Beklagten ein Verstoß gegen die Grundsätze der objektgerechten Beratung vorzuwerfen.

Die Beklagte hätte die Kläger über die Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme von Anteilen an dem offenen Immobilienfonds aufklären müssen. Es kann hier offen bleiben, ob über dieses Risiko stets zu informieren ist (so LG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.03.2012, 2-19 O 334/11). Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem unstreitig über das Thema Liquidität gesprochen wurde, gehört es zur geschuldeten vollständigen Risikoaufklärung, auf die möglichen Einschränkungen bei der Rückgabe oder Veräußerung hinzuweisen und dabei auch über die nicht unerheblichen mit einer anderweitigen Veräußerung im Falle der Aussetzung der Anteilsrücknahme verbundenen Verlustrisiken – die über Verlustrisiken durch Kursschwankungen hinausgehen – aufzuklären. Der unstreitig erteilte Hinweis des Zeugen F darauf, dass offene Immobilienfonds wegen der grundsätzlich eröffneten Möglichkeit der Rücknahme durch die Fondsgesellschaft und die Möglichkeit zur Veräußerung der Anteile an der Börse im Vergleich zu geschlossenen Immobilienfonds liquider seien, ist zwar richtig, aber nicht vollständig. Die Einschränkungen hinsichtlich der Verfügbarkeit im Falle der möglichen Aussetzung nach § 81 InvG hätten in diesem Zusammenhang erläutert werden müssen.

Der Hinweis auf die grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Rücknahme durch die Fondsgesellschaft und die Möglichkeit der Veräußerung über die Börse reicht zur Aufklärung auch dann nicht, wenn, wie von der Beklagten behauptet, auf die Möglichkeit von Verlusten aufgrund von Kursschwankungen und allgemein auf Verlustrisiken hingewiesen worden sein sollte. Dabei versteht das Gericht, worauf es im Beschluss vom 20.12.2012 hingewiesen hat, den Vortrag der Beklagten zur Aufklärung über Verlustrisiken so, dass der Zeuge F auf diese namentlich im Zusammenhang mit Kursschwankungen hingewiesen habe. Die mit einer Aussetzung verbundenen Verluste in erheblichem Umfang, die sich im Falle der Kläger verwirklicht haben, gehen aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers in der Situation der Kläger deutlich über Verluste infolge von Kursschwankungen hinaus. Dies gilt umso mehr, als die Kläger, wie vom Zeugen F im Rahmen der Beweisaufnahme bestätigt, eine sichere Anlage suchten, auch wenn dies nach Aussage des Zeugen F mit dem Wunsch nach einer höheren Rendite verbunden war, und die Empfehlung des offenen Immobilienfonds gerade unter dem Aspekt der Fungibilität gewählt wurde.

Mit Blick auf die Folgen der Aussetzung der Rücknahme der Fondsanteile teilt das Gericht die Auffassung etwa des Landgerichts Bonn (Urteil vom 18.01.2012, 2 O 204/11; ähnlich LG Magdeburg, Urteil vom 12.10.2011, 5 O 204/11), wonach über die Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme von Anteilen zu den jeweiligen Beratungszeitpunkten nicht aufgeklärt habe werden müssen, weil nur über wesentliche Umstände zu informieren sei und Risiken rein theoretischer Natur (hierzu auch AG Dresden, 103 C 5747/11, vorgelegt als Anlage B 3; LG Osnabrück, Urteil vom 18.07.2012, 7 O 20/12, vorgelegt als Anlage B 3) nicht erwähnt werden müssten, nicht. Es stellt keinen unwesentlichen Umstand dar, wenn die Liquidität in der Form eingeschränkt wird, dass aufgrund der Aussetzung der Rücknahme von Anteile lediglich ein Verkauf über die Börse möglich ist, dieser aber mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden sein kann. Auch kann eine Aufklärungspflicht nicht deswegen verneint werden, weil es sich im Zeitpunkt der Beratung um ein „theoretisches Risiko“ gehandelt habe. Auch über theoretische Risiken ist, wenn sie für die Anlageentscheidung eine wesentliche Bedeutung haben oder haben können, aufzuklären. So hat der BGH auch eine Aufklärungspflicht über das allgemeine Emittentenrisiko bei der Beratung zum Erwerb von Zertifikaten bejaht, unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt der Beratung bezogen auf die konkrete Emittentin Anhaltspunkte für eine drohende Zahlungsunfähigkeit bestehen (BGH, Urteil vom 27.09.2011, XI ZR 178/10, Rz. 27 f.).

Angesicht des nicht unerheblichen Kapitalverlustrisikos entfällt das Aufklärungsbedürfnis auch nicht deswegen, weil die Aussetzung der Anteilsrücknahme ein Mittel zum Schutz des Anlegers sein soll (so aber LG Frankfurt am Main, Urteil in der Sache 2-19 O 439/10, S. 6; LG Osnabrück, a. a. O.). Die Aufklärung ist nicht entbehrlich, denn die Frage, „(o)b und inwieweit eine Aussetzung sinnvoll und im Interesse gerade auch des nicht institutionellen Anlegers sogar vorteilhaft sein mag, berührt nämlich die Tatsache nicht, dass mit der Aussetzung für den Anleger ein naheliegendes, nicht unerhebliches Kapitalverlustrisiko besteht, welches auch und gerade durch die dem Anleger alternativ regelmäßig offen stehende Möglichkeit einer Veräußerung über den Zweitmarkt nicht abgefangen werden kann“ (LG Frankfurt, Urteil vom 23.03.2012, 2-19 O 334/11, Rz. 21).

Das Aufklärungsbedürfnis entfällt auch nicht deswegen, weil die Kläger vor der Beratung anderweitig erworbene Kenntnisse über die Möglichkeit der Aussetzung der Anteilsrücknahme gehabt hätten. Die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Kläger aufgrund vorheriger Anlagen in offenen Immobilienfonds vor dem hier streitgegenständlichen Beratungsgespräch Kenntnisse und Erfahrungen über bzw. mit der Aussetzung der Rücknahme von Fondsanteilen gemacht hätten, die ein Aufklärungsbedürfnis entfallen ließen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Kläger die Basisinformationen über die Vermögensanlage in Wertpapieren mit Hinweisen auf das Risiko der Aussetzung der Anteilsscheinrücknahme von einem anderen Geldinstitut erhalten hatten. Dass den Klägern die darin enthaltenen Hinweise über die Einschränkungen der Rücknahme von Anteilsscheinen im Zeitpunkt der Beratung durch die Beklagte bekannt waren, hat die Beklagte nicht konkret dargelegt. Die bloße Behauptung, die Kläger hätten diese Basisinformationen zur Kenntnis genommen, reicht nicht aus. Hierauf hat das Gericht mit Beschluss vom 20.12.2012 hingewiesen.

Die danach gebotene Aufklärung ist nicht erfolgt. Der Zeuge F wies unstreitig nicht auf die Möglichkeit der Aussetzung der Anteilsscheinrücknahme hin. Ob die Aufklärung über die Möglichkeit der Aussetzung der Anteilsscheinrücknahme und die damit verbundenen Risiken durch die Aushändigung von Basisinformationen erfolgen kann, kann vorliegend offen bleiben. Hier übergab die Beklagte den Klägern diese Basisinformationen jedenfalls nicht vor dem Beratungsgespräch und der Anlageentscheidung, sondern übersandte sie erst nachträglich per Post.

3. Das im Kauf der Anteile am DEGI International zu sehende Schadensereignis beruht kausal auf der unterlassenen Aufklärung über die Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme von Fondsanteilen. Es streitet für die Kläger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens mit der Folge, dass der Aufklärungspflichtige darlegen und beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte. Tatsachen, die diese Vermutung erschüttern könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Soweit sie behauptet, dass es der Klägerin nicht darauf ankam, absolut sichere Kapitalanlagen mit jederzeitiger Verfügbarkeit des Kapitals zu tätigen, ist darin nicht die Behauptung enthalten, die Kläger hätten auch bei der gebotenen vollständigen Aufklärung über die Grenzen der Verfügbarkeit, nämlich die Möglichkeit und Folgen einer Aussetzung mit erheblichen Abschlägen bei Verkauf über die Börse, die Anlage getätigt. Auch das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Frage der getätigten Alternativanlage, in der das Anlageziel einer sicheren und fungiblen Anlage vom Zeugen F bestätigt worden ist – wenn auch mit der Einschränkung, dass es den Kläger auch auf höhere Rendite angekommen sei – reicht nicht aus, um das Gericht davon zu überzeugen, dass die Kläger bei pflichtgemäßer Aufklärung den Anlagebetrag von 60.000,00 EUR in den DEGI International investiert hätten.

4. Die Beklagte haftet gemäß §§ 278, 280 Abs. 1 Satz 2 BGB für vermutetes Verschulden ihres Anlageberaters bzw. gemäß § 280 Abs. 1 BGB für eigenes Organisationsverschulden. Den Entlastungsbeweis hat sie nicht erbracht. Soweit sie unter Beweisantritt vorträgt, dass eine Aussetzung der Anteilsrücknahme zum Zeitpunkt des Erwerbs der Investmentfondsanteile weder für sie noch für den Zeugen F ersichtlich gewesen sei und sie nicht habe vorhersehen können, dass L B Gläubigerschutz beantragen und infolge der anschließenden Verwerfungen der Finanzmärkte die Rücknahme der Fondsanteile ausgesetzt und der Fonds schließlich liquidiert wird, kann dies – sofern es nicht als unstreitig anzusehen ist – als wahr unterstellt werden. Es entlastet sie jedoch hinsichtlich der Aufklärungspflicht über das theoretische Risiko nicht.

Dass ein solches theoretisches Risiko der Anteilsscheinrücknahme mit Auswirkungen auf die Fungibilität bestand, wusste die Beklagte, wie sich daraus ergibt, dass sie dies als „besonderes Risiko bei offenen Immobilienfonds“ in den als Anlage B 5 vorgelegten „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“ auf S. 127 selbst benannt hat. Zudem war wegen der am 13.12.2005 erfolgten Aussetzung des „R E „-Fonds für fachkundige Kreise wie die Beklagte erkennbar, dass es zu Aussetzungen kommen kann.

5. Die Beklagte schuldet den Klägern Schadensersatz im titulierten Umfang.

a) Die Kläger sind gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie sie stünden, wenn die Beklagte sie pflichtgemäß beraten hätte. Demnach steht ihnen ein Ersatzanspruch hinsichtlich des investierten Kapitals abzüglich des erzielten Verkaufserlöses und der erhaltenen (Netto-) Ausschüttungen zu. Aus den Anlagen K 6 und K 7 ergibt sich, dass vor der Ertragsgutschrift die Kapitalertragssteuer samt Solidaritätszuschlag abgezogen wurde. Dass die Kläger diese Steuer zurückerstattet erhalten haben oder bekommen werden, hat die Beklagte nicht dargelegt.

b) Die Kläger haben zudem Anspruch auf die geltend gemachte Verzinsung in Höhe von 3,42 % p. a.

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn, wobei als entgangen der Gewinn gilt, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 BGB). Um den konkreten Schaden geltend zu machen, muss der Geschädigte darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Anlage er erworben und welchen Gewinn er daraus erzielt hätte. Insoweit gelten keine Darlegungs- und Beweiserleichterungen (BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rz. 67 m. w. N.). Die Kläger haben hier ausreichend substantiiert dargelegt, dass sie den in den DEGI International angelegten Betrag bei pflichtgemäßer Aufklärung in Bundesschatzbriefe mit einer Verzinsung von 3,42 % angelegt hätten. Sie haben dies auch bewiesen. Es steht nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung des Zeugen F zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger bei der Anlage des hier streitgegenständlichen Betrages eine sichere Anlage suchten, wobei auch nach glaubhafter Aussage des Zeugen F der Wunsch nach einer sicheren Anlage im Vordergrund vor dem Wunsch nach einer höheren Rendite als bei festverzinslichen Anlagen stand. Der Zeuge hat auch nicht bestätigt, dass es der Klägerin auf die Anlage in Immobilien angekommen wäre, sondern dass der Vorschlag für Anlagen mit Immobilienbezug im Rahmen der Besprechung von ihm gekommen sei. Er hat auch bestätigt, dass es bei der Anlage in den offenen Immobilienfonds darum gegangen sei, Fungibilität zu gewährleisten. Dies spricht in einem für die Überzeugungsbildung ausreichendem Maße dafür, dass die Kläger bei pflichtgemäßer Aufklärung über die Einschränkungen hinsichtlich der Fungibilität und die mit einer Aussetzung verbundenen möglichen Folgen den Betrag von 60.000,00 EUR ebenso in Schatzbriefe angelegt hätten wie die bei der D Bank angelegten Beträge. Dabei übersieht das Gericht nicht, dass der Zeuge F ebenfalls glaubhaft bekundet hat, dass er mit Blick auf den Inflationsschutz die Anlage „außerhalb geldlicher Anlagen“ empfohlen habe, was gegen die Annahme der Alternativanlage in Rentenpapiere sprechen könnte. Es ist dabei aber wiederum zu berücksichtigen, dass das Ziel, sicher anzulegen, auch nach Aussage des Zeugen F im Vordergrund stand, und es um die Gewährleistung von Fungibilität gegangen sei.

Die Kläger haben durch Vorlage der Anlage K 4 auch ausreichend dargelegt und nachgewiesen, dass bei Bundesschatzbriefen mit einer Laufzeit von drei Jahren eine Verzinsung von 3,42 % p. a. zu erzielen war. Bei Anlage von 60.000,00 EUR in der Zeit vom 12.02.2008 (Wertstellung) bis zum 09.02.2011 hätten die Kläger unter Berücksichtigung der Ausschüttungen einen Ertrag von 5.935,59 € erzielt. Die Abweichung zu dem beantragten Betrag ergibt sich daraus, dass die Kläger bei der Zinsberechnung auf S. 15 der Klagschrift die Zinstage 14.04.2009, 12.04.2010 und 19.01.2011 doppelt angesetzt haben.

c) Die Kläger können außerdem die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Vertretung im außergerichtlichen Güteverfahren in titulierter Höhe verlangen.

6. Die Kläger haben Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in geltend gemachter Höhe (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB). In dem Antrag auf Einleitung eines außergerichtlichen Güteverfahrens vom 24.01.2011, der der Beklagten spätestens am 09.02.2011 zugegangen ist, wie sich aus dem Schreiben von diesem Tag (Anlage K 11) ergibt, ist eine konkludente Mahnung zu erkennen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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