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Wirbelsäulenkorrektur misslungen – Arzthaftung

Oberlandesgericht Koblenz

Az: 5 U 212/05

Urteil vom 27.07.2006

Vorinstanz: Landgericht Mainz – Az.: 1 O 497/99


In dem Rechtsstreit wegen Arzthaftung hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2006 für R e c h t erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 27. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern die Beklagten nicht vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.
Der 1976 geborene Kläger nimmt die drei beklagten Ärzte und deren ehemalige Arbeitgeberin, die Universitätsklinik, auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch. Daneben begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für materielle und immaterielle Zukunftsschäden.

Der Kläger leidet an einer Wirbelsäulenverkrümmung (Thorakolumbalskoliose mit linkskonvexer seitlicher Krümmung und ausgeprägter kyphotischer Komponente). Ein örtlicher Facharzt überwies ihn zur operativen Korrektur in die Universitätsklinik (Beklagte zu 4.). Der seinerzeit dort als leitender Oberarzt tätige Beklagte zu 1., der den Kläger bereits knapp ein Jahr zuvor ambulant behandelt und beraten hatte, teilte bei der Untersuchung am 27. Juni 1995 die Einschätzung des überweisenden Arztes, wonach eine Indikation zur operativen Beseitigung der Wirbelsäulenverkrümmung bestand. Noch am selben Tag wurde der Kläger über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt. Das Aufklärungsgespräch führte der Stationsarzt Dr. R…, der die Einverständniserklärung des Klägers vor der Unterzeichnung mit handschriftlichen Ergänzungen versah (Bl. 33/34 GA).

Die Operation erfolgte am 29. Juni 1995. Operierender Arzt war der Erstbeklagte; die Beklagten zu 2. und 3. assistierten ihm. Der Beklagte zu 2. war seit November 1993 als Oberarzt bei der Beklagten zu 4. tätig. Der Beklagte zu 3. befand sich zum Operationszeitpunkt als Assistenzarzt in der Facharztweiterbildung.

Bei der Operation wurde eine Versteifung der Wirbelsäule mittels Titanstäben in dem gesamten Bereich zwischen dem 10. Brustwirbel und dem 3. Lendenwirbel ( Th 10 bis L 3 ) vorgenommen, um die Krümmung zu korrigieren. Nachdem der zweite Stab implantiert war, erfolgte noch vor Wundverschluss der Wachtest, der links gute, rechts fragliche Beweglichkeit zeigte, wobei der rechte Fuß festgezurrt war.

Am nächsten Morgen zeigte sich bei beidseitig gut erhaltener Sensibilität, dass auch die Beweglichkeit des linken Beins zurückging, weshalb die Ärzte den Entschluss zur Revision und Entnahme des zuvor eingesetzten Instrumentariums fassten.

Der Revisionseingriff wurde noch am selben Tag von den Beklagten zu 1 bis 3 bei gleicher Aufgabenverteilung vorgenommen. Beide Operationen sind in einem Operationsbericht dokumentiert, der das Datum 29. Juni 1995 trägt ( Bl. 77 GA ).

Über Inhalt und Umfang der Aufklärung des Klägers und dessen Aufnahmefähigkeit vor dem zweiten Eingriff besteht Streit (Einverständniserklärung vom 30. Juni 1995 Bl. 35/36 GA).
In der Folgezeit bildete sich beim Kläger ein unteres Querschnittsyndrom mit Teillähmung der unteren Körperhälfte unter dem Lendenwirbel 1 und Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion.

Der Kläger hat vorgetragen, die Ausbildung des Querschnittsyndroms sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Beklagten zu 1. bis 3. die operative Wirbelsäulenkorrektur nicht sachgemäß vorgenommen hätten. Der Kläger meint, es sei unerheblich, ob die Beklagten zu 2. und 3. als Operateure oder Assistenten mitgewirkt hätten. Ursache des Querschnittsyndroms sei höchstwahrscheinlich, dass es im Verlauf der Korrektur der Krümmung zu einer Dehnung des Rückenmarks gekommen sei. Dadurch sei eine Minderversorgung mit sauerstoffhaltigem Blut eingetreten mit der Folge, dass das Rückenmark dauerhaft und bleibend geschädigt sei. Der Operationsbericht sei schon deshalb zu beanstanden, weil er sich über zwei Operationen verhalte. Dies und weitere Mängel führten zu einer Umkehr der Beweislast. Zudem sei er vor den Operationen nur unzureichend aufgeklärt und darüber hinaus vor dem zweiten Eingriff noch narkotisiert und daher nicht hinreichend aufnahmefähig gewesen.

Der Kläger hat ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 120.000 DM sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden begehrt.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben die Ursächlichkeit der Operationen, die sachgemäß durchgeführt worden seien, für die eingetretene Schädigung bestritten. Die Wirbelsäule sei nicht gestreckt, sondern zusammengezogen worden. Man habe postoperativ eine Myelographie durchgeführt und deren Ergebnis lediglich deshalb nicht dokumentiert, weil es keinen reaktionspflichtigen Befund gegeben habe. Die Myelographie als solche sei durch das Anästhesieprotokoll (Bl. 161 ff GA) hinreichend belegt. Eine MRT Aufnahme des Operationsfeldes sei wegen der Artefaktbildungen des verwendeten Metallmaterials nicht angezeigt gewesen. Die Aufklärung des Klägers sei vollständig und sachgemäß erfolgt.

Das Landgericht hat zunächst durch Teilurteil die Klage gegen die Beklagten zu 2. und 3. abgewiesen. Das hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz beanstandet, das Teilurteil als unzulässig aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen ( 12 U 249/01 ). Sodann hat das Landgericht Sachverständigenbeweis erhoben (schriftliches Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. M… vom 11. 11. 2002 – Bl. 284 296 GA), den Sachverständigen mündlich angehört ( Bl. 377 378 GA ) und die drei beklagten Ärzte als Partei vernommen (Sitzungsniederschrift vom 21. 12. 2004 Bl. 446 452 GA). Hiernach hat der Einzelrichter die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagten zu 2. und 3. hätten bei beiden Eingriffen lediglich assistiert. Irgendwelche eigenverantwortlichen, als Schadensursache in Betracht kommenden Maßnahmen dieser beiden Ärzte seien nicht ersichtlich. Dem Erstbeklagten seien weder bei der ersten noch bei der zweiten Operation Fehler oder Versäumnisse unterlaufen. Das ergebe sich aus den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Die Zusammenfassung des Verlaufs beider Eingriffe in einem Operationsbericht sei ebenso wenig zu beanstanden wie der Inhalt dieses Berichts. Beweiserleichterungen oder gar eine Beweislastumkehr kämen daher nicht in Betracht. Soweit der Kläger sich hilfs-weise darauf stütze, der Revisionseingriff sei verfrüht, wenn nicht gar überflüssig gewesen, führe auch das nicht zur Haftung. Die Entscheidung zum Revisionseingriff sei vertretbar gewesen. Auch lasse sich nicht feststellen, ob der weitere Kausalverlauf ohne den Revisionseingriff günstiger gewesen wäre. Dass die gebotene Myelographie nach dem ersten Eingriff durchgeführt worden sei, ergebe sich aus der Parteivernehmung der beklagten Ärzte. Letztlich seien auch die Rügen des Aufklärungsinhalts und des Aufklärungszeitpunktes nicht begründet. Etwa 10 Monate vor dem Eingriff habe der Erstbeklagte den Kläger bereits im Rahmen einer ambulanten Untersuchung auf die speziellen und hohen Risiken des Eingriffs hingewiesen. Dass der Kläger dies unmittelbar vor dem Ersteingriff nicht mehr gewusst habe, werde nicht behauptet. Im Übrigen sei das Aufklärungsgespräch vom 27. Juni 1995 vollständig gewesen. Auch sei die Aufklärung rechtzeitig erfolgt. Ob vor dem Revisionseingriff eine gesonderte Aufklärung erforderlich gewesen sei, erscheine zweifelhaft. Jedenfalls sei eine Aufklärung aber sachgemäß vorgenommen worden. Den detaillierten und daher überzeugenden Prozessvortrag der Beklagten zu dem zweiten Aufklärungsgespräch (Ärztin Dr. Mä) habe der Kläger nicht entkräftet.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine Anträge weiterverfolgt und das erstinstanzliche Vorbringen ergänzt und vertieft:

Der Operationsbericht sei insbesondere hinsichtlich des ersten Eingriffs derart lücken- und fehlerhaft, dass er die Ursache der operationsbedingten Verschlimmerung der Beschwerden des Klägers verschleiere. Daher müsse von einem Fehler bei dem ersten Eingriff ausgegangen werden, der den heutigen Zustand verursacht habe. Beim Kläger sei es intraoperativ zu einem spinalen Infarkt gekommen, weil die Beklagten die arteria radicularis magna (Adamkiewicz-Arterie) unterbunden hätten. Das sei durch eine MRT Untersuchung vom 24. Januar 2005 belegt. Die Beklagten hätten versäumt, vor dem ersten Eingriff eine Angiographie durchzuführen, um die zu unter-bindenden Gefäße sicher bestimmen zu können. Über das Erfordernis einer Angiographie hätte man ihn auch aufklären müssen. Nach dem ersten Eingriff habe man versäumt, durch eine MRT Untersuchung die Ursache der Lähmung festzustellen.

Der Revionseingriff sei überflüssig gewesen; hätte man ihn unterlassen, wäre der heutige Zustand besser.

Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des Landgerichts. Beim ersten Eingriff seien drei Röntgenaufnahmen gefertigt worden, die keinen interventionspflichtigen Befund ergeben hätten. Bei der letzten habe es sich wohl um die Myelographie gehandelt. Daneben sei eine MRT Untersuchung nicht geboten gewesen. Die paarigen Segmentalgefäße seien nur einseitig unterbunden worden. Diese medizinische Selbstverständlichkeit habe nicht dokumentiert werden müssen. Die Arteria Adamkiewicz sei nicht koaguliert worden. Eine Angiographie sei nicht geboten gewesen, weshalb auch das insoweit gerügte Aufklärungsversäumnis nicht vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurochirurgischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. S… (Bl. 800 827 GA). Der Sachverständige ist außerdem ebenso wie der schon in erster Instanz beauftragte Orthopäde Prof. Dr. M… im Senatstermin vom 6. Juli 2006 angehört worden. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 876 – 886 GA) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagten weder auf vertraglicher noch auf deliktischer Grundlage ein Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch zu.

Dabei steht für den Senat allerdings außer Zweifel, dass die außerordentlich bedauerlichen Ausfälle und Beschwerden des Klägers, die deutlich gravierender sind als vor den beiden Eingriffen, auf die erste Operation zurückgehen. Bei dieser Sachlage käme eine Haftung der Beklagten in Betracht, wenn die erste Operation medizinisch nicht indiziert gewesen wäre. Indes bestand eine Indikation, die Operation vorzunehmen. Der Kläger hatte seinerzeit wegen der Wirbelsäulenverkrümmung bereits einen langen Leidensweg hinter sich und empfand seinen Zustand nach Ausschöpfung aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten als unbefriedigend. Dementsprechend hatte ihm auch der örtliche Facharzt eine operative Korrektur empfohlen, nachdem der Kläger bereits ein Jahr zuvor den ärztlichen Rat des Erstbeklagten eingeholt hatte. Auch die beiden gerichtlichen Sachverständigen stimmen darin überein, dass eine Indikation für die erste Operation bestand. Hinsichtlich der therapeutischen Aufklärung ist nach Auffassung des Senats nichts zu beanstanden.

Der Rüge des Klägers, vor der ersten Operation hätte eine Angiographie durchgeführt werden müssen zur Darstellung der das Operationsgebiet versorgenden Gefäße, ist der Senat nachgegangen. Nach Einschätzung beider Sachverständigen versprach eine derartige Untersuchung hier keine maßgeblichen Erkenntnisse. Angesichts der Risiken einer derartigen, rein diagnostischen Maßnahme war sie sogar eher contraindiziert.

Die Aufklärung des Klägers über die Operationsrisiken ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das maßgebliche Gespräch führte der Stationsarzt Dr. R… am 27. Juni 1995, zwei Tage vor dem ersten Eingriff. Gegen diesen Zeitpunkt des Gesprächs ist nichts zu erinnern; dem Kläger blieb genügend Zeit, das Für und Wider abzuwägen. Der geplante Eingriff und die weiteren Maßnahmen sind in der schriftlichen Einverständniserklärung (Bl. 33/34 GA) hinreichend bestimmt umschrieben. Als Risiken nennt die Einverständniserklärung unter anderem:

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Nervenverletzungen, deutlich höher Querschnittslähmung, Lähmungen, Blasen – und Mastdarmlähmung “

Dabei handelt es sich um handschriftliche Eintragungen des Arztes Dr. R…. Für den Senat steht außer Zweifel, dass Dr. R… mit dem Kläger auch tatsächlich über diese und die anderen Risiken gesprochen hat. Der Kläger war in Kenntnis der Risiken, die sich letztlich auch verwirklicht haben, mit der ersten Operation einverstanden. Sie war daher kraft seiner Einwilligung gerechtfertigt.

Der Misserfolg des ersten Eingriffs beruht auch nicht auf Versäumnissen, Fehlern oder Nachlässigkeiten der Beklagten. Davon ist der Senat nach dem Gutachten der beiden Sachverständigen und den hierzu in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen überzeugt. Auf die von der Berufung in den Mittelpunkt gerückte Frage, worauf die erheblich verstärkten Beeinträchtigungen des Klägers genau zurückgehen, kommt es nicht an. Maßgeblich ist allein, dass dem für eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung darlegungs – und beweispflichtigen Kläger nicht der Nachweis gelungen ist, dass den beklagten Ärzten bei der Operation am 29. Juni 1995 ein Versäumnis oder ein sonstiger Fehler unterlaufen ist.

Die Beweislast des Klägers ist hier nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Erstbeklagte die Operation vom 29. Juni 1995 und den Revisionseingriff am Folgetag in einem Operationsbericht zusammengefasst hat. Da die menschliche Erinnerung mit der Zeit selbst bei derart signifikanten Ereignissen wie der vorliegenden Operation nachlässt, ist es ganz selbstverständliche Pflicht eines Arztes, den Operationsbericht zeitnah zu erstellen. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, der Erstbeklagte habe noch in den Abendstunden des 29. Juni 1995 seinen Bericht über die Operation diktieren müssen. Der Eingriff war sehr schwierig; die Operation hatte lange gedauert. Bei dieser Sachlage ist es – auch angesichts der mannigfachen anderen Aufgaben eines Oberarztes in einer großen Universitätsklinik – nicht zu beanstanden, wenn er davon absieht, den Bericht noch am selben Tag zu fertigen. Da bereits am Folgetag ein Revisionseingriff durchgeführt wurde, ist der Entschluss des Erstbeklagten, beide Operationen in einem Bericht zusammenzufassen angesichts des zeitlichen Ablaufs der Dinge nachvollziehbar. Aus der Tatsache, dass keine getrennten Berichte geschrieben wurden, lässt sich daher beweisrechtlich nichts herleiten. Dass wäre sachlich auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil nicht zu ersehen ist, welcher Informationsgewinn sich ergäbe, wenn der Erstbeklagte unmittelbar nach dem zweiten Eingriff zwei getrennte Berichte gefertigt hätte. Auch in diesem Fall wäre der Bericht über die erste Operation angesichts des Fehlschlags dem Einwand ausgesetzt, sein Inhalt sei wegen des zwischenzeitlich erforderlichen zweiten Eingriffs “ geschönt „. Dass der Bericht das Datum des ersten Eingriffs trägt, ist ebenfalls unschädlich. Aus dem Inhalt ergibt sich zweifelsfrei, dass er nach dem zweiten Eingriff gefertigt wurde. Hätte der Erstbeklagte zum damaligen Zeitpunkt, als eine gerichtliche Auseinandersetzung noch nicht im Raume stand, etwas manipulieren oder vertuschen wollen, hätte es näher gelegen, statt des rückdatierten Berichts zwei getrennte Berichte unter dem jeweils richtigen Datum zu schreiben. Nach Auffassung des Senats sprechen Datierung und Inhalt des Operationsberichts somit eher gegen als für die vom Kläger gemutmaßte Manipulation.

Nach alledem teilt der Senat die Schlussfolgerungen nicht, die der Rechtsmittelführer daraus zieht, dass es nur einen Operationsbericht gibt.

Auch inhaltlich genügt der Operationsbericht noch den zu stellenden Anforderungen. Bei ihren abweichenden Überlegungen verkennt die Berufung, dass die ärztliche Dokumentation und damit auch ein Operationsbericht nicht auf die Vorbereitung eines Haftpflichtprozesses gegen den behandelnden Arzt zielt. Der Operationsbericht soll vielmehr dem Sachkundigen ermöglichen, die wesentlichen Schritte des Eingriffs nachzuvollziehen. Der Senat ist dieser Frage mit dem Ergebnis nachgegangen, dass beide medizinischen Sachverständigen letztlich darin übereinstimmten, der vorliegende Bericht schildere den Operationsverlauf noch hinreichend deutlich und nachvollziehbar.

Der Kläger bezweifelt dies und meint, der Bericht verschweige wesentliche Schritte und damit auch die maßgeblichen Fehler (Koagulation nicht paarig verlaufender Blutadern; fehlerhafte Unterbindung der Adamkiewicz Arterie usw.).

Das ist weder im rechtlichen Ausgangspunkt noch in den medizinischen Mutmaßungen zutreffend. Selbst bei schwierigsten Operationen ist der Weg bis zum eigentlichen Operationsfeld häufig standardisiert. In derartigen Fällen ist es nicht zu beanstanden, wenn der operierende Arzt sich auf den Hinweis beschränkt, dass der Zugang in typischer Weise erfolgte. Daneben ist der Arzt jedoch nicht verpflichtet, detailgetreu an jeder Stelle festzuhalten, dass er sämtliche jeweils in Betracht kommenden Fehler und Versäumnisse vermieden hat. Sähe man das anders, würden Operationsberichte bei komplexen und lang dauernden Eingriffen zu Rechtfertigungsschriften ausufern, ohne damit einen Informationsgewinn zu verschaffen. In der Regel ergibt sich nämlich aus dem Schweigen des Berichts zu den üblichen, jedoch medizinisch unwesentlichen Zwischenschritten, dass diese unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wurden.

Die insoweit von der Berufung angestellten, auf verschiedene Versäumnisse und Fehler zielenden Mutmaßungen sind allesamt nicht begründet. Das ergibt sich aus der Anhörung der beiden Sachverständigen, auf deren protokollierte Aussagen verwiesen wird. Insbesondere ist auszuschließen, dass der Erstbeklagte versehentlich die Adamkiewicz Arterie unterbunden hat. Denn dies hätte nach Darstellung beider Gutachter sofort zu anderen und noch weiter greifenden Ausfällen geführt.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass es bei dem Versuch, die Verkrümmung der Wirbelsäule zu beheben, zu einer Läsion maßgeblicher Leitungsbahnen gekommen ist. Dabei handelt es sich jedoch um ein Risiko, dass diesem Eingriff typischerweise anhaftet und trotz ärztlicher Sorgfalt nicht umfassend beherrschbar ist.

Der Berufung kann auch nicht darin gefolgt werden, unmittelbar nach der ersten Operation seien eine Myelographie und Untersuchungen mit anderen bildgebenden Verfahren versäumt worden. Eine Myelographie ist durchgeführt worden. Diese Überzeugung hat das Landgericht nach persönlicher Anhörung der beklagten Ärzte gewonnen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Einzelrichters zur Beweiswürdigung wird statt Wiederholung verwiesen. Untersuchungen mit sonstigen bildgebenden Verfahren waren nicht geeignet, weiter-führende Erkenntnisse zu vermitteln. Bei dem implantierten Metall handelte es sich nicht um Titan. Daher war bei einer MRT Untersuchung mit derart erheblichen Artefaktbildungen zu rechnen, dass keinerlei brauchbare Erkenntnisse zu erwarten waren.

Letztlich haben die Beklagten auch auf die schon am Operationstag wahrnehmbare mäßige Bewegungseinschränkungen des rechten Beins therapeutisch angemessen reagiert. Auch das ergibt sich aus den Bekundungen der Sachverständigen bei der Anhörung durch den Senat. Insgesamt ist daher das ärztliche Handeln der Beklagten am 29. Juni 1995 haftungsrechtlich nicht zu beanstanden, mag das Ergebnis ihrer Bemühungen für den Kläger auch noch so belastend sein. Eine Erfolgsgarantie gibt es gerade bei derart schwierigen und komplexen Eingriffen nicht.

Die Beklagten haften auch nicht wegen Aufklärungsversäumnissen vor oder Fehlern bei dem Revisionseingriff vom 30. Juni 1995. Insbesondere der neurochirurgische Sachverständige Prof. Dr. S… hat überzeugend dargestellt, dass die Ausfälle und Beschwerden des Klägers ausschließlich darauf zurückgehen, dass bei dem ersten Eingriff im Rahmen der Begradigungsbemühungen auf die Wirbelsäule des Klägers eingewirkt wurde. Diesen Verdacht hegte seinerzeit auch der Erstbeklagte. Sein Entschluss zum Revisionseingriff war daher von der Erwartung getragen, mit dem Revisionseingriff auch die unbeabsichtigte Beeinträchtigung der maßgeblichen Leitungsbahnen rückgängig machen zu können. Dass insoweit am Vortag bereits eine irreparable Schädigung eingetreten war, konnte nicht vorausgesehen werden. Der Senat hält die medizinischen Sachargumente für den Revisionseingriff daher für vertret-bar, wenn nicht gar unausweichlich.

Vor diesem Hintergrund kommt auch dem gerügten Aufklärungsmangel vor dem zweiten Eingriff nicht die von der Berufung behauptete Bedeutung zu. War der Kläger orientiert und aufnahmefähig, wovon der Senat ausgeht, ist seine Einwilligung in den zweiten Eingriff wirksam. Fehlt es daran, mussten die Beklagten auch ohne wirksame Einwilligung alsbald tätig werden, weil nach den seinerzeit bestehenden Erkenntnismöglichkeiten akuter Handlungsbedarf bestand. Ohne alsbaldige Revisionsoperation drohte vermeintlich eine noch gravierendere Beeinträchtigung des Klägers.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) bestehen nicht.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 76.693,78 Euro.

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