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Beendigung eheähnliche Lebensgemeinschaft – vorläufiges Verlassen der Wohnung – Auswechseln der Schlösser

AG Köln, Az.: 129 C 65/15, Urteil vom 09.04.2015

Die einstweilige Verfügung vom 5.3.2015 wird bestätigt.

Der Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der heute 78jährige Verfügungskläger lebte seit 1983 mit der Mutter des Verfügungsbeklagten, Frau M. P., geb. am 1929, in eheähnlicher Lebensgemeinschaft im Haus … in Köln zusammen. Eigentümer des Hauses ist seit dem 15.12.1983 der Beklagte. Frau P. ist dement; mit Urkunde des Notars T. vom 18.1.2010 hat sie dem Beklagten Generalvollmacht und Vorsorgevollmacht erteilt.

Beendigung eheähnliche Lebensgemeinschaft - vorläufiges Verlassen der Wohnung – Auswechseln der Schlösser
Symbolfoto: Von ronstik /Shutterstock.com

Am 13.2.2015 ließ der Verfügungsbeklagte nach einem Streit mit dem Kläger die Schlösser der Wohnung austauschen. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nimmt der Verfügungskläger ihn auf Wiedereinräumung des Besitzes an der Wohnung und seinen persönlichen Gegenständen sowie auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigung in Anspruch. Er hat nach seinem Vorbringen keinen Anlass zu diesen Eingriffen gegeben. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft bestehe noch. Er – der Kläger – sei allein aus Angst zwei Tage zuvor der Wohnung ferngeblieben.

Der Verfügungskläger hat beantragt, den Verfügungsbeklagten zu verurteilen,

1. ihm unverzüglich den Besitz an der mit Frau M. P. gemeinsam bewohnten und von Verfügungsbeklagten geräumten Wohnung …, wieder zu übergeben und dem Kläger hierzu alle Schlüssel zu übergeben,

2. dem Kläger den unmittelbaren Besitz an allen seine persönlichen beweglichen Sachen sofort wieder einzuräumen,

3. es künftig zu unterlassen, Sachen des Klägers eigenmächtig in Besitz zu nehmen und ihm den Besitz an seinen Sachen vorzuenthalten,

4. es künftig zu unterlassen, dem Kläger den Besitz an der mit Frau M. P. gemeinsam bewohnten Wohnung …, …, irgendwann zu entziehen oder den Kläger in diesem Besitz zu stören.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 5.3.2015 die einstweilig Verfügung antragsgemäß erlassen.

Hiergegen hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt mit dem Antrag,

a) Der Verfügungskläger war entgegen der Auffassung des Beklagten nicht lediglich Besitzdiener, er hatte vielmehr an der streitigen Wohnung Mitbesitz. Es entspricht heute allgemeiner Meinung, dass Ehegatten gleichberechtigte Mitbesitzer der ehelichen Wohnung sind, unabhängig davon, wer den Mietvertrag mit dem Eigentümer unterzeichnet hat (vgl. nur BGH NJW 2004, 3041; 2008, 1959). Im Grundsatz nichts anderes kann für eine auf Dauer angelegte nichteheliche Lebensgemeinschaft gelten (AG Waldshut-Tiengen NJW-RR 1994, 712 m.w.N.). Auch in diesem Falle würde es regelmäßig der beiderseits gewollten gleichwertigen Stellung der Lebenspartner widersprechen, einen von beiden nur als Besitzdiener des anderen anzusehen. Beweiskräftiges Indiz für Mitbesitz ist insbesondere, dass der Vermieter von der Aufnahme des Lebensgefährten unterrichtet wird oder dass der neue Partner sich nach den öffentlich-rechtlichen Meldegesetzen unter dieser Adresse anmeldet (BGH NJW 2008, 1959, 1960). So verhält es sich in beiden Punkten hier.

Seinen somit von Anfang an begründeten Mitbesitz hat der Verfügungskläger weder durch die vom Beklagten behauptete Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft – die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt – noch durch ein vorübergehendes Verlassen der Wohnung noch vor dem Schlösseraustausch verloren. Ein etwaiges Ende der Partnerschaft vermag für sich nichts an der vorher eingeräumten tatsächlichen Sachherrschaft zu ändern. An einen dann notwendigen Willen des Besitzers zur Besitzaufgabe (§ 856 Abs. 1 BGB) sind strenge Anforderungen zu stellen. Hierzu hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige (vgl. OLG Düsseldorf NZM 2002, 192) Beklagte nichts schlüssig vorgetragen und glaubhaft gemacht. Dem steht schon entgegen, dass der Verfügungskläger seine persönlichen Gegenstände in der Wohnung gelassen hatte. Eine vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt schadet gemäß § 856 Abs. 2 BGB ohnehin nicht.

b) Dass der Verfügungsbeklagte ohne den Willen des Klägers die Schlösser auswechseln ließ und ihm dadurch das Betreten der Wohnung unmöglich machte, war verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB). Ein Selbsthilferecht gemäß § 229 BGB oder eine andere Befugnis zu solch eigenmächtigem Vorgehen stand dem Beklagten nicht zu. Die geltend gemachten Unzuträglichkeiten, vor allem die behauptete Trunksucht des Verfügungsklägers, oder ein mangelndes Besitzrecht des Klägers wegen Endes der Lebensgemeinschaft hätten im Wege gerichtlicher Kontrolle, etwa durch eine Räumungsklage, geklärt werden können und müssen. Den hier in Rede stehenden Besitzschutzansprüchen, die gerade unberechtigter Selbsthilfe entgegenwirken sollen, können sie nach der Regelung des § 863 BGB nicht entgegengehalten werden. Der Einwendungsausschluss gilt grundsätzlich auch für die Berufung auf unzulässige Rechtsausübung (OLG Saarbrücken MDR 2007, 510). Für einen Ausnahmetatbestand, etwa eine konkrete Gefahr für Leib und Leben des Beklagten oder seiner Mutter, ist außer einem Hinweis auf abstrakte Brandgefahren beim Einschlafen des Klägers mit einem brennenden Zigarillo nichts dargetan. Der tatsächlich eingetretene Brandschaden im Jahr 2006 hatte nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers eine andere Ursache.

c) Der spätestens durch das Auswechseln der Schlösser seitens des Beklagten erlangte unmittelbare Besitz an den Wohnräumen ist gegenüber dem Kläger fehlerhaft. Bereits seine alleinige Verfügungsmacht über die neuen Schlüssel lässt den Schluss zu, dass der Beklagte nunmehr Alleinbesitz oder zumindest neben seiner Mutter unmittelbaren Mitbesitz erlangt hat (vgl. BGH NJW 1979, 714, 715). Es kommt hinzu, dass Frau P. unstreitig dement und somit nicht mehr oder nicht mehr voll geschäfts- und handlungsfähig ist und der Beklagte für diesen Fall über umfassende Vollmachten verfügt, von denen er auch dem Kläger gegenüber Gebrauch gemacht hat. Bei einer derartigen Sachlage tritt der Betreuer, ähnlich einem gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen (dazu Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 854 Rn. 9), wenn nicht in die volle Sachherrschaft des Betreuungsbedürftigen, so doch wenigstens in den zur Ausübung seiner Verwaltung notwendigen Teil, hier Mitbesitz, ein.

d) Gegenüber einem Mitbesitzer findet nach § 866 BGB Besitzschutz nur insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des dem Einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt. Im vorliegenden Fall geht es hingegen um eine vollständige Besitzentziehung.

e) Der Beklagte ist zugleich verpflichtet, dem Verfügungskläger Zugang zu dessen in der Wohnung befindlichen persönlichen Gegenständen zu gestatten. Auf die angebotene Abholung braucht sich der Kläger nicht verweisen zu fassen.

2. Soweit es um die mit den Anträgen außerdem begehrte Unterlassung geht, ergeben sich die Ansprüche der Verfügungsklägers aus den §§ 862, 823 und 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch deliktisch ist der Mitbesitz geschützt (Palandt/Sprau, § 823 Rn. 13). Wiederholungsgefahr folgt bereits aus der begangenen Rechtsverletzung, ganz abgesehen davon, dass der Verfügungsbeklagte sich weiterhin eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Rechts zur Selbsthilfe berühmt.

3. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich zugleich der für Eilverfahren grundsätzlich weiter erforderliche Verfügungsgrund (§ 935 ZPO), soweit es bei Besitzschutzansprüchen überhaupt eines solchen zusätzlichen Rechtsschutzinteresses bedarf (verneinend OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1516; OLG Düsseldorf NZM 2002, 192; abweichend, in der Sache jedoch übereinstimmend OLG Saarbrücken NJW-RR 2003, 1717).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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