Klage auf Berufsunfähigkeitsrente abgewiesen: Chirurg erhält keine weitere Unterstützung
Ein ehemaliger Chirurg hatte gegen das Versorgungswerk der Ärztekammer Bremen geklagt, da er die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit ab Oktober 2018 beantragte. Der Kläger hatte 2007 einen schweren Verkehrsunfall erlitten und konnte infolge dessen seine Tätigkeit als Arzt nicht weiter ausüben. Trotz wiederholter Begutachtungen und der temporären Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente entschied das Verwaltungsgericht Bremen, die Klage abzuweisen.
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Übersicht:
- Klage auf Berufsunfähigkeitsrente abgewiesen: Chirurg erhält keine weitere Unterstützung
- Das vorliegende Urteil
- Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant
- FAQ: Häufig gestellte Fragen
- Was ist eine Berufsunfähigkeitsrente und wie unterscheidet sie sich von einer Erwerbsminderungsrente?
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente zu haben?
- Was ist ein Gutachten und welche Rolle spielt es bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsrente?
- Kann eine Berufsunfähigkeitsrente auch befristet gewährt werden?
- Wie kann man gegen eine Ablehnung der beantragten Berufsunfähigkeitsrente vorgehen?
Erste Beantragung der Berufsunfähigkeitsrente
Nach seinem ersten Antrag im Mai 2010 wurde dem Kläger aufgrund eines im Auftrag seiner privaten Krankenversicherung erstellten Gutachtens, in dem eine schwere depressive Episode, eine Angststörung und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurden, eine Berufsunfähigkeitsrente auf Zeit vom 01.06.2010 bis längstens zum 30.04.2013 gewährt. Diese war an die Auflage geknüpft, dass der Kläger nachweislich eine ambulante psychotherapeutische und eine arbeitstherapeutische Rehabilitationsmaßnahme durchführe.
Fortführung der Berufsunfähigkeitsrente beantragt
Der Kläger beantragte anschließend die Weitergewährung der Berufsunfähigkeitsrente. Daraufhin gab das Versorgungswerk eine psychiatrische Nachbegutachtung in Auftrag. Diese kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine ausgeprägte chronifizierte depressive, somatisierende und (sozial-)phobische Symptomatik im Rahmen einer Anpassungsstörung vorliege, aufgrund derer ihm aktuell und für ein weiteres Jahr die Ausübung einer vergleichbaren ärztlichen Tätigkeit als Chirurg nicht möglich sei. Im weiteren Verlauf solle er eine Tätigkeit in anderen Bereichen, z.B. in der pharmazeutischen Industrie oder bei einer Krankenkasse, in Erwägung ziehen.
Keine weitere Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente
Das Verwaltungsgericht Bremen entschied letztendlich, die Klage abzuweisen und dem Kläger somit keine weitere Berufsunfähigkeitsrente zuzusprechen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Das Gericht folgte damit den Argumenten des Versorgungswerks und den Ergebnissen der psychiatrischen Nachbegutachtung. Für den Kläger bedeutet dies, dass er in Zukunft keine finanzielle Unterstützung mehr erhält und sich neuen beruflichen Perspektiven zuwenden muss.
Das vorliegende Urteil
VG Bremen – Az.: 5 K 1306/19 – Urteil vom 09.09.2021
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der … geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit ab Oktober 2018.
Er ist Vater zweie … und … geborener Kinder und lebt seit August 2016 mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern in Berlin. Von … bis … absolvierte er das Medizinstudium in Hamburg und war im Anschluss daran bis … als Arzt im Praktikum am … tätig. Bereits im … erlangte er die Approbation zum Arzt. Im August 2005 begann der Kläger eine Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie im Klinikum …. Infolge der Überleitung bereits an das Versorgungswerk der Ärztekammer … geleisteter Abgaben und Beiträge ist er mit Wirkung vom 15.09.2003 Mitglied des Versorgungswerks der Ärztekammer Bremen geworden. Vor dem Abschluss der Facharztweiterbildung erlitt er am …9.2007 auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle einen Verkehrsunfall, als ein anderer Verkehrsteilnehmer auf das am Stauende stehende Fahrzeug des Klägers auffuhr. Zum ….2009 schied er aus dem Dienst im Klinikum … aus.
Im Mai 2010 beantragte der Kläger erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente und fügte dem Antrag u.a. ein im Auftrag seiner privaten Krankenversicherung erstelltes „AU-Checkup – Gutachten nach Aktenlage zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit/Berufsunfähigkeit“ bei. Darin wurden eine schwere depressive Episode, eine Angststörung und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Ein daraufhin von der Beklagten in Auftrag gegebenes neurologisch-psychiatrisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstisch-kränkbaren, abhängigen und ängstlichvermeidenden Zügen sowie eine akute Belastungsreaktion und in der Folge eine anhaltende Anpassungsstörung mit einer gemischten Störung von Gefühlen und Sozialverhalten mit depressiven, somatisierenden und sozialphobischen Reaktionsweisen vorliege. Ihm sei aktuell und voraussichtlich für die nächsten zwei Jahre die Ausübung jedweder ärztlichen Tätigkeit nicht möglich.
Auf der Grundlage dieses Gutachtens gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12.05.2011 eine Berufsunfähigkeitsrente auf Zeit vom 01.06.2010 bis längstens zum 30.04.2013 mit der Maßgabe, dass er ab Juli 2011 nachweislich sowohl eine ambulante analytische Richtlinien-Psychotherapie als auch eine teilstationäre arbeitstherapeutische Rehabilitationsmaßnahme aufnehme und deren fortlaufende Durchführung bis Ende Dezember 2011 nachweise.
Nachdem der Kläger die Weitergewährung der Berufsunfähigkeitsrente beantragte, gab die Beklagte eine psychiatrische Nachbegutachtung des Klägers in Auftrag. In diesem Gutachten hieß es, bei ihm bestehe eine ausgeprägte chronifizierte depressive, somatisierende und (sozial-) phobische Symptomatik im Rahmen einer sogenannten Anpassungsstörung mit Störungen von Gefühlen und Sozialverhalten auf dem Boden einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstisch-kränkbaren, abhängigen und ängstlich-vermeidenden Zügen. Aktuell und für ein weiteres Jahr sei ihm die Ausübung einer vergleichbaren ärztlichen Tätigkeit als Chirurg nicht möglich. Im weiteren Verlauf solle eher eine Tätigkeit in anderen Bereichen, z.B. in der pharmazeutischen Industrie oder bei einer Krankenkasse in Erwägung gezogen werden. Die Beklagte bewilligte daraufhin unter dem 02.07.2013 eine Verlängerung der Berufsunfähigkeitsrente bis zum 30.04.2014.
Im Zuge eines weiteren Weiterbewilligungsantrages veranlasste die Beklagte eine erneute Nachbegutachtung des Klägers, die ergab, dass bei ihm eine akzentuierte, chronifizierte, depressive und (sozial-) phobische Symptomatik als Folge einer Anpassungsstörung auf dem Boden einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstisch-kränkbaren, abhängigen und ängstlich-vermeidenden Zügen vorliege. Zum Untersuchungszeitpunkt und voraussichtlich für mindestens ein weiteres Jahr sei eine Ausübung der verantwortlichen ärztlichen Tätigkeit aufgrund der beschriebenen Einschränkungen nicht möglich. Im weiteren Verlauf sollten eher Tätigkeiten im patientenferneren Bereich in Erwägung gezogen werden. Grundsätzlich sei von einer Besserung des Störungsbildes auszugehen. Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2014 eine Berufsunfähigkeitsrentengewährung bis zum 31.10.2015. Aufgrund der Mitwirkungspflicht des Klägers sei eine leitliniengetreue Therapie bei einem geeigneten Facharzt durchzuführen. Dabei sei ein Plan zur Wiedereingliederung in das Berufsleben auszuarbeiten und umzusetzen. Gemäß § 14 Abs. 5 der Satzung der Beklagten könne ein Arbeitsversuch unternommen werden.
Nach einem erneuten Weiterbewilligungsantrag beauftragte die Beklagte Herrn Prof. Dr. …, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Nachbegutachtung des Klägers. Im Gutachten vom 18.01.2016 hieß es, dass es in den vergangenen zwei Jahren nach Angaben des Klägers zu keiner stationären psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung gekommen sei. Sein Gesundheitszustand habe sich gegenüber den Voruntersuchungen deutlich gebessert. Die depressive Symptomatik habe im Vergleich zu den Voruntersuchungen gemildert gewirkt. Trotz der Äußerung psychosomatischer Beschwerden schienen diese die Lebensgestaltung des Klägers wesentlich weniger zu beeinträchtigen als in der Vergangenheit. Beim Kläger liege ein blandes depressives und sozial-phobisches Syndrom im Sinne einer Dysthymia auf dem Boden einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vermeidend-abhängigen und narzisstischen Tendenzen vor. Auch wenn die Rückkehr in eine ärztliche Tätigkeit nach der mehrjährigen erkrankungsbedingten Pause sicher schwierig sein dürfte, sei aufgrund der jetzigen Untersuchungsergebnisse davon auszugehen, dass er grundsätzlich zu einer ärztlichen Tätigkeit in der Lage sei; erst einmal vielleicht nicht als Chirurg, aber doch in einem patientenfernen Arbeitsbereich, zum Beispiel bei einem Versorgungsamt oder dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Bei den jetzt deutlich verringerten depressiv abhängigen und sozial-phobischen Erlebens- und Verhaltensweisen sei bei einer zumutbaren Willensanspannung eine ärztliche Tätigkeit in einem gegebenenfalls patientenfernen Bereich mit vier bis sechs Stunden täglich wieder möglich.
Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterbewilligung der Berufsunfähigkeitsrente ab und berief sich auf das Gutachten von Herrn Prof. Dr. …. Hiergegen erhob der Kläger erfolglos Widerspruch. Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens (Aktenzeichen 5 K 2965/16) beauftragte das Gericht Frau Dr. …, Ärztin für Neurologie/Psychiatrie, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Diese explorierte den Kläger am 16.05.2018 und führte in ihrem Gutachten vom 23.05.2018 in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Herrn Prof. Dr. … aus, dass beim Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und vermeidend-abhängigen Zügen sowie die Restsymptomatik eines weitgehend abgeklungenen depressiven und sozialphobischen Syndroms im Sinne einer Dysthymia mit verbliebener Grübelneigung, nächtlichem Gedankenkreisen und Schlafstörungen vorliege. Sein Gesundheitszustand habe sich seit der Begutachtung durch Herrn Prof. Dr. … noch einmal gering gebessert und die Besserung der depressiven Symptomatik sei weiter vorangeschritten. Aus den Einschränkungen des Klägers resultiere eine eingeschränkte Stressbelastbarkeit, weshalb er keine Nachtdienste mehr durchführen und auch nicht mehr in Situationen arbeiten sollte, in denen er unter Zeitdruck Entscheidungen treffen müsse, die sofort umgesetzt würden. Er sei in der Lage, Verantwortung zu übernehmen und prinzipiell Entscheidungen zu treffen. Eine Antriebsstörung liege nicht mehr vor. Innerhalb des ärztlichen Berufs könne er im reinen Tagdienst außerhalb der Notfallversorgung und außerhalb der operativen Gebiete weiterhin tätig sein. Er könne nichtoperativ auch im direkten Patientenkontakt tätig sein, wobei der Zeitdruck nicht so hoch sein dürfe, dass er seine Entscheidungen nicht nochmal überprüfen könne. Er könne beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, bei Versorgungsämtern oder auch angestellt in einer Allgemeinarztpraxis, mit Ausnahme der Notfallversorgung, arbeiten. Hierzu bedürfe es lediglich des Einsatzes seines Restleistungsvermögens. Zur Ausübung seines früheren ärztlichen Berufs in der Weiterbildung zum Chirurgen sei der Kläger wegen des dort zwingenden operativen Tätigkeitsbereichs nicht in der Lage. Die Beteiligten verglichen sich daraufhin dahingehend, dass die Beklagte dem Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente in der satzungsgemäßen Höhe für den Zeitraum von November 2015 bis Dezember 2017 gewährt und es dem Kläger unbenommen sei, einen neuen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente zu stellen.
Mit Schreiben vom 26.09.2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. Er sei gegenwärtig und auf Dauer berufsunfähig und bereit, zum Nachweis seiner Berufsunfähigkeit an einem Untersuchungs- und Begutachtungsverfahren nach § 14 Abs. 2 der Satzung der Beklagten mitzuwirken. Er reichte einen Protokollauszug einer Sitzung des Landgerichts Stade vom 29.08.2018 ein, in der Herr Dr. …, Facharzt für psychosomatische Medizin, als Sachverständiger Angaben zum Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers machte.
Mit Bescheid vom 15.11.2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente unter Berufung auf das Gutachten von Frau Dr … ab. Das Gutachten sei schlüssig, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Es lägen keine neuen Anhaltspunkte für eine Berufsunfähigkeit vor. Da die Untersuchung des Klägers durch Frau Dr. … erst am 16.05.2018 stattgefunden habe, sei eine erneute Begutachtung nicht erforderlich.
Dagegen erhob der Kläger unter dem 06.12.2018 Widerspruch. Sein aktueller Gesundheitszustand müsse ermittelt werden. Dem Gutachten von Frau… das viele Unzulänglichkeiten aufweise, komme aufgrund des Vergleichsabschlusses keine rechtliche oder tatsächliche Bedeutung mehr zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es bestehe keine Pflicht und auch keine Veranlassung zur Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens. Aus dem Wortlaut von § 14 Abs. 2 ihrer Satzung ergebe sich vielmehr, dass die Entscheidung darüber in ihrem Ermessen liege. Das abgeschlossene Gerichtsverfahren entfalte keine Sperrwirkung, sodass das Gutachten von Frau Dr … berücksichtigt werden könne. Der Kläger sei in der Lage, einen ärztlichen Beruf auszuüben, da sich dessen Gesundheitszustand nach den Ausführungen des Gutachtens gegenüber den Jahren 2014 und 2016 gebessert habe.
Am 27.06.2019 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2019 zu verpflichten, ihm die beantragte Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 01.10.2018 nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung des Versorgungswerkes der Beklagten zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger nicht klagebefugt sei. Er habe keine Nachweise für eine dauernde oder vorübergehende Berufsunfähigkeit, sondern nur für eine Arbeitsunfähigkeit vorgelegt. Zudem habe er gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers einen Anspruch auf Verdienstausfall, den er nicht gegenüber dem Versorgungswerk geltend machen könne. Die Klage sei aber auch unbegründet. Der Kläger habe seinem Antrag auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente bereits keine vollständigen Unterlagen beigefügt. Er sei auch den Auflagen aus dem Bewilligungsbescheid vom 20.08.2014, eine leitliniengemäße Therapie durchzuführen, einen Wiedereingliederungsplan in das Berufsleben auszuarbeiten und einen Arbeitsversuch gemäß § 14 Abs. 5 ihrer Satzung zu unternehmen, nicht nachgekommen. Er habe sie nur selektiv über seine Lebensumstände im Rahmen des seinerzeitigen Berentungsverfahrens informiert. Der Kläger habe bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses in einer stabilen Beziehung gelebt, das gemeinsame Kind betreut und seinen Lebensmittelpunkt aufgrund der beruflichen Umorientierung seiner Lebensgefährtin von Hamburg nach Berlin verlegt. Er sei den häuslichen Aufgaben intensiv nachgegangen und habe mehrmals die Woche Sport getrieben. Dies alles belege eine nachhaltige Besserung seines Gesundheitszustandes. Seit dem Umzug nach Berlin habe der Kläger zudem keine therapeutischen Maßnahmen mehr ergriffen. Der zivilgerichtlich bestellte Sachverständige habe nicht die Berufsunfähigkeit, sondern die Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt Juni 2017 festgestellt. Zudem habe auch Herr Dr … eine umgehende Wiedereingliederungsmaßnahme zu diesem Zeitpunkt für möglich gehalten. Für den Kläger sei ein breites Feld ärztlicher Tätigkeiten eröffnet. Er könne z.B. beim Versorgungsamt, beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, in einer Allgemeinarztpraxis ohne Notfallversorgung oder einer Blutspendeeinrichtung tätig sein. Auch eine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin komme in Betracht. Der Arbeitsmarkt sei für arbeitssuchende Ärzte derzeit außerordentlich günstig. Diese Arbeitsplätze könnten vom Kläger mit dem bestehenden Leistungsvermögen ausgefüllt werden und ermöglichten ihm die Sicherung der persönlichen Existenz. Allein dieses Bestehen von Arbeitsmöglichkeiten schließe eine Leistungspflicht aus. Die fortdauernde Weitergewährung einer Berufsunfähigkeitsrente führe zu einer Perpetuierung des Krankheitsbildes des Klägers, der sich in der bestehenden Situation eingerichtet habe und keine Notwendigkeit einer beruflichen Tätigkeit sehe.
Mit Beschluss vom 15.06.2021 hat die Kammer Herrn Dr …, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, zum Sachverständigen bestellt … und beauftragt, Fragen zum Gesundheitszustand des Klägers und dessen Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit zu beantworten. Am 17.06.2021 erfolgte die ambulante Exploration des Klägers.
Im fachpsychiatrischen Gutachten vom 20.08.2021 führt Herr Dr … aus, dass beim Kläger eine dekompensierte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit … narzisstischen, vermeidenden und abhängigen Anteilen vorliege. Die narzisstischen Anteile basierten auf einem brüchigen Selbstwert oder der ständigen Suche nach narzisstischer Zufuhr wie Lob, Bestätigung und Anerkennung. Die Ohnmachtsgefühle nach dem Verkehrsunfall 2007 hätten bei ihm zu einer nicht mehr tolerablen Schwächung des Selbstwertes geführt und vermutlich auch die anschließende depressive Symptomatik verursacht, was den Selbstwert weiter geschwächt habe. Weitere psychische Erkrankungen seien nicht deutlich geworden. Eine in den Vorgutachten beschriebene Depression sei nicht erkennbar und es bestünden klinisch keine Hinweise für eine posttraumatische Belastungsstörung; der Kläger fahre trotz des Unfalls offensichtlich seit längerer Zeit auch längere Strecken und nachts mit dem Auto. Eine Dysthymia, d.h. eine seit mindestens zwei Jahren bestehende depressive Verstimmung, die weniger ausgeprägt sei als bei einer depressiven Episode, könne nicht ausgeschlossen werden. Der Kläger habe angegeben, die Jahre 2018 und 2019 seien seit langem die besten gewesen, sodass es ihm – anders als nach dem Tod der Mutter 2013 – offenbar auch möglich gewesen sei, 2019 den Tod des Vaters ohne erneuten depressiven Einbruch zu bewältigen. Die Selbstwertproblematik des Klägers habe zur Folge, dass er im interpersonellen Bereich Beeinträchtigungen aufzeige, die durch sein auffällig erscheinendes Verhalten und den Mangel an Empathie verstärkt würden. Er zeige bei mehr oder weniger verantwortungsvollen Aufgaben Versagensängste mit somatischen Beschwerden. Es bestehe anscheinend ein Interesse an einer beruflichen Tätigkeit im arztfremden Bereich; konkreten Nachfragen zu ärztlichen Bürotätigkeiten, z.B. beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, sei er jedoch ausgewichen. Die Aufnahme einer geregelten Tätigkeit könne zu einer stützenden Struktur und einer Stärkung des Selbstwertes führen. Grundsätzlich sei es dem Kläger vor dem Hintergrund der bestehenden Diagnose und der damit verbundenen Einschränkungen möglich, einer ärztlichen Tätigkeit nachzugehen. Es sei dem Kläger trotz bereits bestehender Persönlichkeitsstörung auch in der Vergangenheit gelungen, über mehrere Jahre einer anspruchsvollen ärztlichen Tätigkeit nachzugehen. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 23.05.2018 sei bei vergleichbarem psychopathologischen Befund von einer weiteren Stabilisierung auszugehen. Im Gegensatz zur damaligen Einschätzung werde zunächst lediglich die Aufnahme einer eher patientenfernen Tätigkeit im reduzierten Umfang empfohlen, um interpersonelle Konflikte und Überforderung zu vermeiden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass niedrigschwellig Versagensängste und Ohnmachtsgefühle auftreten, was zu einer erneuten depressiven Dekompensation führen könne. Aufgrund der beschriebenen Beeinträchtigungen sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger die Anforderungen der Tätigkeit als chirurgischer Assistenzarzt erfüllen könne. Bei Tätigkeiten in Allgemeinarztpraxen, betriebsärztlichen Abteilungen, Unternehmen, Krankenhäusern, Hochschulkliniken, Rehabilitations- und Gesundheitszentren, in medizinischen Laboren oder bei Blutspendediensten oder im Krankentransport- und Rettungsdienst sei die Arbeit in der Regel mit Zeitdruck bei gleichzeitig hoher Verantwortung und engem Patienten- und Teamkontakt verbunden. Es sei dabei von einer schnellen Überforderung des Klägers und im Zuge der Kränkung, als ehemaliger Chirurg nun solchen Tätigkeiten nicht gewachsen zu sein, von einer erneuten Dekompensation einer depressiven Symptomatik auszugehen. Entsprechendes gelte für Tätigkeiten in ambulanten sozialen Diensten, Altenpflegeheimen, Hospizen, Kurzzeitpflegeeinrichtungen und Einrichtungen zur Eingliederung und Pflege von Menschen. Vorstellbar seien aber Tätigkeiten mit eher geringem Patientenkontakt, insbesondere, wenn die Möglichkeit einer Supervision der Tätigkeit und einer Teilung der Verantwortung bestehe. Denkbar sei z.B. die Erstellung von Gutachten und Verwaltungstätigkeiten. Für Tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens wie z.B. beim Versorgungs- oder Gesundheitsamt, in der Forschung und Entwicklung im Bereich der Medizin, an Fachhochschulen und Berufs- und Fachakademien sowie als Gutachter beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung gelte, dass solche Tätigkeiten aus psychiatrischer Sicht in zunächst reduziertem Umfang, um Überforderungserlebnisse zu vermeiden, vorstellbar seien. Grundsätzlich könne durch eine ambulante oder stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung eine weitere Stabilisierung erreicht werden. Störungsbedingt sei aber die erforderliche Behandlungsmotivation nicht erkennbar. Dass es in den letzten Jahren dennoch zu einer Besserung gekommen sei, liege möglicherweise an einer korrigierenden Beziehungserfahrung.
Die Beklagte meint, das Gutachten zeige, dass der Kläger aufgrund der weiteren Stabilisierung seines Gesundheitszustandes in der Lage sei, einer ärztlichen Tätigkeit nachzugehen. Es seien keine psychischen Erkrankungen diagnostiziert worden, die einer ärztlichen Tätigkeit entgegenstünden. Gerade für die empfohlenen patientenfernen Tätigkeiten ohne Nachtdienste gebe es für approbierte Mediziner zahlreiche Betätigungsmöglichkeiten. Es sei satzungsrechtlich unerheblich, ob der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Weiterbildungsassistent im Fachgebiet der Chirurgie wieder ausüben könne, solange er – wie vorliegend – zu anderen ärztlichen Tätigkeiten imstande sei. Er könne insbesondere auch in der pharmazeutischen Industrie tätig sein.
Der Kläger meint, das Gutachten bestätige das Vorliegen von seelischen Beeinträchtigungen, die entgegen der Auffassung des Sachverständigen auch den genannten Verweisungstätigkeiten entgegenstünden. Das Gutachten sei diesbezüglich nicht ausreichend bestimmt und in sich unschlüssig. Es fehle an Feststellungen dazu, in welchem zeitlichen Umfang er zur Ausübung anderer ärztlicher Tätigkeiten imstande sei. Unklar sei auch, ob ihm überhaupt Patientenkontakt zugemutet werden könne und was unter einem „geringen Patientenkontakt“ zu verstehen sei. Die vom Sachverständigen für chirurgische Tätigkeiten beschriebene Gefahr einer schnellen Überforderung und Kränkung bestünde auch bei den Verweisungstätigkeiten. Das Gutachten gehe auch nicht auf die persönlichen und fachlichen Anforderungen für diese Tätigkeiten und deren Vorliegen bei ihm ein. Es fehle an einer Ermittlung des jeweiligen Aufgabenbereichs. So führe eine Tätigkeit beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung oder beim Versorgungsamt regelhaft zu Patientenkontakt. Die genannten Verweisungstätigkeiten seien auch mit einem hohen Maß an Verantwortungs- und Erledigungsdruck verbunden. Es sei auch unberücksichtigt geblieben, dass er im Falle einer Bewerbung aufgrund seiner seelischen Beeinträchtigungen voraussichtlich abgelehnt werde und der Arbeitsmarkt für vergleichbare ärztliche Tätigkeiten für ihn verschlossen sei. Es dürften nur Tätigkeiten herangezogen werden, für die eine ärztliche Approbation oder Berufserlaubnis rechtlich zwingend erforderlich sei. Der Sachverständige sei auch nicht auf seine objektiv vorliegenden Beschwerden eingegangen; er leide unter einer arteriellen Hypertonie und mehreren Episoden einer Retinopathia centralis serosa, welche durch Stress und Belastung ausgelöst würden.
Die Kammer hat Herrn Dr. … in der mündlichen Verhandlung als Sachverständigen zur Erläuterung des fachpsychiatrischen Gutachtens vom 20.08.2021 befragt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
I.
Die als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig. Der Kläger ist insbesondere klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), denn es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ihm ein Anspruch auf (Weiter-)Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente nach § 13 Abs. 1 der Satzung der Beklagten zusteht. Er hat bereits mit dem in der Klageschrift vom 27.06.2019 angekündigten Klageantrag und der Angabe des Versorgungswerkes der Ärztekammer Bremen als hiesige Beklagte deutlich gemacht, dass er einen Anspruch nach § 13 Abs. 1 der Satzung der Beklagten geltend macht und keinen Schadensersatzanspruch für den erlittenen Verdienstausfall gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid vom 15.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2019 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ab dem 01.10.2018 gemäß § 13 Abs. 1 der Satzung der Beklagten.
1. Gemäß § 13 Abs. 1 der Satzung der Beklagten hat jedes Mitglied, das mindestens für einen Monat Versorgungsabgabe geleistet hat und das infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte voraussichtlich dauernd zur Ausübung des ärztlichen Berufes unfähig ist und eine ärztliche Tätigkeit unter Anzeige an die Ärztekammer nicht mehr ausübt, Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der Beklagten erhält ein Mitglied, das wegen einer absehbar nur vorübergehenden Berufsunfähigkeit eine ärztliche Tätigkeit länger als sechs Monate nicht ausüben kann, Berufsunfähigkeitsrente auf Zeit. Der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente entsteht, wenn die satzungsmäßigen Voraussetzungen vorliegen, mit Beginn des folgenden Monats, frühestens jedoch mit dem Beginn des Monats, der auf den Eingang des Antrags folgt, § 14 Abs. 3 der Satzung der Beklagten. Der Begriff der Berufsunfähigkeit in § 13 Abs. 1 der Satzung der Beklagten unterscheidet sich von dem entsprechenden Begriff in der gesetzlichen Sozialversicherung. Der Rentenanspruch entsteht erst bei völliger Unfähigkeit, den Arztberuf auszuüben; eine Minderung der Berufsfähigkeit kommt regelmäßig als Versorgungsgrund nicht in Betracht. Kann der Arzt seinen Beruf noch in vermindertem oder verändertem Umfang ausüben, ist er nicht berufsunfähig. Andererseits entsteht der Rentenanspruch auch dann, wenn der Betreffende nicht generell erwerbsunfähig ist und in einem anderen Beruf tätig sein könnte (OVG Bremen, Urt. v. 24.11.1999 – 1 A 122/99 –, juris Rn. 62 zur Satzung der Beklagten; vgl. auch VGH BW, Urt. v. 14.01.2019 – 9 S 2349/17 –, juris Rn. 40 zur Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg).
2. Die Kammer ist nach der informatorischen Befragung des Klägers sowie der Erläuterung des fachpsychiatrischen Gutachtens vom 20.08.2021 durch Herrn Dr. … nicht zu der notwendigen Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass der Kläger ab dem 01.10.2018 – dem auf die Antragstellung folgenden Monat – im Sinne des § 13 Abs. 1 der Satzung der Beklagten berufsunfähig war und aktuell berufsunfähig ist.
Zwar war er weder am 01.10.2018 noch ist er zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gesundheitlich imstande, seiner früheren Tätigkeit als Assistenzarzt in der Chirurgie nachzugehen (a). Dies gilt aber nicht für andere ärztliche Tätigkeiten, auf die er in zumutbarer Weise verwiesen werden konnte und kann (b).
a) Die Kammer geht übereinstimmend mit den Beteiligten davon aus, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen aktuell, aber auch bereits seit dem 01.10.2018 nicht in der Lage ist bzw. war, als Assistenzarzt in der Chirurgie tätig zu sein.
Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen von Herrn Dr … in dessen Gutachten und in der mündlichen Verhandlung liegt beim Kläger aktuell (wie bereits am 01.10.2018) eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, vermeidenden und abhängigen Anteilen vor. Diese Persönlichkeitsstörung wirkt sich jedenfalls mittelbar auf die Fähigkeit des Klägers, als Assistenzarzt in der Chirurgie tätig zu sein, aus. Der Sachverständige hat anschaulich und überzeugend erläutert, dass sich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, die sich – so auch beim Kläger – üblicherweise bereits in der Kindheit oder Jugend entwickelt, dem Grunde nach zwar nicht unmittelbar auf die Fähigkeit der Berufsausübung als Arzt auswirkt. So hat der Kläger trotz dieser psychischen Erkrankung in der Vergangenheit durch narzisstische Zufuhr ein hohes Funktionsniveau gezeigt. Eine Tätigkeit des Klägers als Assistenzarzt in der Chirurgie hätte nach den Angaben des Sachverständigen aber zur Folge, dass es „ziemlich zeitnah“ zu einer (erneuten) Dekompensation und damit zu einer mittelschweren Depression kommen würde, die wiederum die Berufsunfähigkeit des Klägers zur Folge hätte. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass und warum der Kläger nicht in der Lage ist und war, die mit seiner früheren ärztlichen Tätigkeit einhergehenden Arbeiten unter Zeitdruck bei hoher Verantwortung und engem Patienten- und Teamkontakt wahrzunehmen, ohne dass die Gefahr besteht, dass eine Dekompensation eintritt. Diese Beurteilung deckt sich mit den Einschätzungen von Frau Dr. … und Herrn Prof. Dr. … in den vorangegangenen Gutachten.
b) Zur Überzeugung der Kammer steht jedoch fest, dass der Kläger bereits seit dem 01.10.2018 in der Lage ist, anderen ärztlichen Tätigkeiten, auf die er verwiesen werden konnte und kann, nachzugehen.
aa) Unter welchen Voraussetzungen eine Berufsunfähigkeit vorliegt, welchen Grad sie erreichen muss und ob und in welchem Umfang eine Verweisung auf andere Tätigkeiten zulässig ist, bestimmt allein das jeweilige Landesrecht (BVerwG, Beschl. v. 07.06.1996 – 1 B 127/95 –, juris Rn. 5). § 13 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten definiert den Begriff der ärztlichen Tätigkeit, zu deren Ausübung das Mitglied außerstande sein muss, weit als „jede Tätigkeit, bei der [die] ärztliche Vorbildung überwiegend verwandt werden kann“. Ein aus Gesundheitsgründen in seiner Berufsfähigkeit eingeschränkter Arzt muss sich daher unter Umständen auf eine andere als die bislang ausgeübte ärztliche Tätigkeit verweisen lassen. So kann ein Arzt, der bisher behandelnd tätig war, grundsätzlich auch auf nicht kurative Tätigkeiten in der Forschung und in der Lehre, im öffentlichen Gesundheitswesen oder bei gesetzlichen und privaten Krankenkassen verwiesen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob diese (kurativen oder nicht kurativen) Tätigkeiten in angestellter oder selbstständiger Form ausgeübt werden; grundsätzlich kommen neben vollschichtigen Tätigkeiten auch Tätigkeiten auf Teilzeitbasis in Betracht. Allerdings muss das Ausweichen auf die neue ärztliche Tätigkeit zumutbar und realistisch sein. Zum einen muss die existenzsichernde Funktion der Berufsausübung weiterhin gewährleistet sein, zum anderen muss die Aufnahme einer neuen Tätigkeit eine reale Möglichkeit darstellen (OVG Bremen, Urt. v. 24.11.1999 – 1 A 122/99 –, juris Rn. 63 m.w.N.; OVG NRW, Urt. v. 14.07.2017 – 17 A 681/16 –, juris Rn. 52 zur Satzung der Nordrheinischen Ärzteversorgung).
Die einem Mitglied der Beklagten zumutbaren Verweisungstätigkeiten sind nicht anhand der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zur Ärzteversorgung Niedersachsen zu bestimmen, wonach als Verweisungstätigkeiten lediglich solche Tätigkeiten in Betracht kommen, für die eine Approbation oder eine Berufserlaubnis im Sinne der §§ 3 und 10 BÄO Vorbedingung ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.01.1999 – 8 L 5642/98 –, juris Rn. 4 und Urt. v. 26.04.2007 – 8 LB 212/05 –, juris Rn. 34 zur Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen). Denn anders als die streitgegenständliche Satzung der Beklagten enthält § 16 der Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen gerade keine Definition der ärztlichen Tätigkeit, die für ein weites Verständnis streitet. Bei Mitgliedern der Beklagten genügt es in Anlehnung an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zur mit § 13 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten nahezu wortgleichen Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 3 der Satzung der Nordrheinischen Ärzteversorgung, dass die Verweisungstätigkeit lediglich innerhalb des ärztlichen Berufsbildes liegt, ohne dass eine Approbation oder Berufserlaubnis für diese zwingend vorausgesetzt wird (vgl. OVG NRW, Urt. v. 14.07.2017 – 17 A 681/16 –, juris Rn. 52 f.). Indem die ärztliche Vorbildung „überwiegend verwandt“ werden können muss und sich die Verweisungstätigkeit dem ärztlichen Berufsbild zuordnen lassen muss, droht auch keine Gefahr einer sinnwidrigen Ausuferung der Verweisungstätigkeiten (so aber OVG Lüneburg, Urt. v. 26.04.2007 – 8 LB 212/05 –, juris Rn. 34).
Die Frage, welcher Maßstab bei der „realen Möglichkeit“ einer Arbeitsaufnahme im ärztlichen Berufsfeld anzulegen ist, insbesondere inwieweit hierbei eine (abstrakte oder konkrete) Betrachtung der Arbeitsmarktchancen vorzunehmen ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil wird unberücksichtigt gelassen, ob der Arbeitsmarkt ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten für den Betroffenen bietet und dabei betont, dass die Berufsunfähigkeitsrenten der berufsständischen Versorgungswerke nur das Risiko abdeckten, aus gesundheitlichen Gründen aus ärztlicher Tätigkeit kein hinreichendes Einkommen mehr erzielen zu können; nicht erfasst sei das allgemeine Arbeitsmarktrisiko, auf dem vorhandenen Arbeitsmarkt nicht zum Zuge zu kommen (OVG Bln-Bbg, Urt. v. 29.01.2016 – OVG 12 B 23/14 –, juris Rn. 35 zur Satzung des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Berlin). Ob der Betroffene eine Verweisungstätigkeit wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen überhaupt erlangen könne, sei daher nicht entscheidend (VG München, Urt. v. 14.05.2007 – M 3 K 06.2880 –, juris Rn. 28 zur Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung; VG Köln, Urt. v. 21.03.2017 – 7 K 2504/14 –, juris Rn. 27 zur Satzung des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein). Das Verwaltungsgericht sei insbesondere nicht verpflichtet, in eine konkrete Prüfung einzutreten und aufzuzeigen, welche Tätigkeiten im ärztlichen Bereich, für die der Kläger von seiner Ausbildung und Berufserfahrung her unter Berücksichtigung der Einschränkung der körperlichen bzw. geistigen Fähigkeiten geeignet ist, zumutbar und zugänglich sind. Das Risiko, bei eingeschränkter Berufsfähigkeit keine ärztliche Tätigkeit ausüben zu können, könne nicht durch die Gewährung von Ruhegeld ausgeglichen werden (BayVGH, Beschl. v. 09.06.2000 – 9 ZB 99.3604 –, juris Rn. 2 zur Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung).
Überzeugend wird von der überwiegenden Rechtsprechung die (abstrakte) Möglichkeit der Erwirtschaftung eines zumindest existenzsichernden Einkommens verlangt (so auch OVG Bln-Bbg, Urt. v. 29.01.2016 – OVG 12 B 23/14 –, juris Rn. 35) und der Verweis auf Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht vorhanden sind, ausgenommen (OVG NRW, Urt. v. 14.07.2017 – 17 A 681/16 –, juris Rn. 56). Zwar genüge es, wenn der aus den verbliebenen Betätigungsmöglichkeiten ergebende Tätigkeitszuschnitt in der Berufswirklichkeit tatsächlich und nicht nur theoretisch oder in extremen Ausnahmefällen anzutreffen sei. Verwiesen werden könne aber nicht auf Tätigkeiten, die nur in Einzelfällen nach den besonderen Anforderungen eines bestimmten Betriebes geschaffen oder auf spezielle Bedürfnisse eines bestimmten Mitarbeiters zugeschnitten worden seien (sog. Nischen- oder Schonarbeitsplätze), sowie auf Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt nur in so geringer Zahl bereitstünden, dass von einem „Arbeitsmarkt“ praktisch nicht mehr die Rede sein könne (OVG NRW, Urt. v. 14.07.2017 – 17 A 681/16 –, juris Rn. 54 m.w.N.). Auch die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg geht im Ausgangspunkt davon aus, dass es auf die subjektive Vermittelbarkeit des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt nicht ankomme. Für eine Berufsunfähigkeit genüge es jedoch nicht, dass eine Verweisungstätigkeit abstrakt vorhanden sei. Vielmehr sei zusätzlich zu fragen, in welchem Umfang die verbliebene Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben noch nutzbar gemacht werden könne. Es habe eine konkrete Prüfung der verbleibenden Erwerbsmöglichkeiten unter Berücksichtigung spezifischer gesundheitlicher oder beruflicher Einschränkungen zu erfolgen. Eine noch verbliebene Leistungsfähigkeit müsse außer Betracht bleiben, wenn dem Mitglied des Versorgungswerks der Arbeitsmarkt aufgrund seines Gesundheitszustandes tatsächlich praktisch verschlossen sei. Habe der Betroffene bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage mit der Leistungsfähigkeit, die er noch bieten könne, eine – wenn auch schlechte – Chance, eine Verweisungstätigkeit zu erhalten, so sei er nicht berufsunfähig. Habe er dagegen bei vernünftiger Betrachtung praktisch keine derartige Chance mehr, sei er vom Arbeitsmarkt schlechthin ausgeschlossen und damit berufsunfähig (OVG Lüneburg, Urt. v. 26.04.2007 – 8 LB 212/05 –, juris Rn. 39 m.w.N.). Auch die Kammer sieht in der subjektiven Vermittelbarkeit des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt einen Umstand, der für einen Anspruch auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente nicht von Belang ist, soweit fraglich ist, ob sich der Betroffene im Falle von mehreren Bewerbern um eine Stelle wird durchsetzen können. Dabei handelt es sich um das allgemeine Arbeitsmarktrisiko, mit dem jeder Bewerber um eine Stelle konfrontiert ist, und das sich je nach konkreter Bewerberlage verringert oder erhöht. Die ärztlichen Tätigkeiten, auf die der Betroffene verwiesen wird, müssen jedoch tatsächlich, d.h. in ausreichend großer Anzahl vorhanden sein und der Betroffene muss gesundheitlich und fachlich in der Lage sein, die dort geforderten Aufgaben wahrnehmen zu können. Steht von vornherein fest, dass dem Betroffenen wegen fehlender gesundheitlicher oder fachlicher Eignung, d.h. losgelöst von einer etwaigen Konkurrenzsituation, der Zugang zu dieser Ausweichtätigkeit generell verschlossen ist, scheidet ein Verweis aus.
bb) Gemessen daran ist die Kammer davon überzeugt, dass für den Kläger ärztliche Verweisungstätigkeiten tatsächlich zur Verfügung standen und stehen, zu deren Ausübung er gesundheitlich in der Lage und auch derart fachlich qualifiziert war und ist, dass der Zugang zu diesen Tätigkeiten nicht von vornherein verschlossen war und ist.
(1) Nach den Ausführungen von Herrn Dr. … liegen beim Kläger jedenfalls seit dem 01.10.2018 keine Depressionen und auch keine posttraumatische Belastungsstörung (mehr) vor. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass die im Rahmen der vorgenommenen Exploration berichteten Aktivitäten, die sich bereits in den Vorgutachten wiederfinden, dem Vorliegen einer Depression entgegenstehen, deren Hauptsymptome eine gedrückte, depressive Stimmung, ein Interessensverlust und Freudlosigkeit sowie ein Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit sind. Ebenso nachvollziehbar ist für die Kammer zudem die Einschätzung des Sachverständigen, dass die Bereitschaft des Klägers, regelmäßig (auch für längere Strecken und nachts) Auto zu fahren, gegen das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung spricht. Läge beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vor, wäre anzunehmen gewesen, dass er zur Exploration durch den Sachverständigen und zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht nachts mit dem Auto und mit mehreren Zwischenstopps anreist, zumal genügend anderweitige Anreisemöglichkeiten bestehen. Charakteristisch für eine posttraumatische Belastungsstörung ist gerade, dass der Betroffene möglichst Umstände meidet, die der Belastung ähneln.
(2) Ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass beim Kläger neben der narzisstischen Persönlichkeitsstörung keine weiteren psychischen Erkrankungen vorliegen, konnte und kann er trotz vorhandener gesundheitlicher Einschränkungen insbesondere auf eine Tätigkeit bei Gesundheits- und Versorgungsämtern und beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung verwiesen werden.
(a) Gutachtertätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens sowie beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung standen und stehen tatsächlich in ausreichend großer Anzahl zur Verfügung; es handelt sich gerade nicht um sogenannte Nischen- oder Schonarbeitsplätze. Dies ergibt bereits eine einfache Recherche zu aktuellen Stellenausschreibungen der 15 Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen der Bundesländer bzw. Bundesländerzusammenschlüsse, aber auch der Gesundheits- und Versorgungsämter.
(b) Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Kläger bereits am 01.10.2018, aber auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gesundheitlich in der Lage war bzw. ist, durch Anspannung seiner vorhandenen Willenskräfte die aufgezeigten Verweisungstätigkeiten auszuüben.
Herr Dr. … hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass die beim Kläger diagnostizierte narzisstische Persönlichkeitsstörung Probleme im interpersonellen Bereich hervorruft, dies einer ärztlichen Tätigkeit dem Grunde nach aber nicht entgegensteht. Er hat erklärt, dass ein unverändert hoher Patientenkontakt bei gleichbleibendem Zeitdruck ohne Möglichkeit, die getroffene Entscheidung nochmal zu überdenken, zeitnah eine erneute Dekompensation zur Folge haben wird, und dass diese Gefahr – entgegen der Einschätzung von Frau D…m Gutachten vom 23.05.2018 – auch bei einer Tätigkeit in einer Allgemeinarztpraxis besteht. Der Sachverständige hat aber auch dargelegt, dass ärztliche Tätigkeiten in zunächst reduziertem Umfang und mit eher geringem Patientenkontakt vorstellbar sind. Er hat dies für die Kammer nachvollziehbar damit begründet, dass der Kontakt zu Patienten als solcher den Kläger nicht vor Herausforderungen stellt, sondern eine kurze Taktung mit einer Vielzahl an Kontakten in einem bestimmten Zeitraum. Der Sachverständige hat wiederholt betont, dass aus psychiatrischer Sicht das Eintreten von Überforderungssituationen vermieden werden muss und wichtig ist, dass der Kläger in Ruhe arbeiten kann. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass derartige Überforderungssituationen bei einer Tätigkeit beim Gesundheits- oder Versorgungsamt oder beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit zunächst reduzierter Arbeitszeit und reduziertem Patientenkontakt auftreten. Der Sachverständige hat sich im Gegenteil trotz der langen Zeit der Erwerbslosigkeit des Klägers dahingehend festgelegt, dass die aufgezeigten Verweisungstätigkeiten aus psychiatrischer Sicht vorstellbar sind. Er hat für die Kammer auch nachvollziehbar aufgezeigt, dass die Wiederaufnahme einer ärztlichen Tätigkeit förderlich ist, damit der Kläger eine narzisstische Zufuhr erhält und sein gekränktes Selbstwertgefühl gestärkt wird. Der aus Sicht der Kammer gegebenen gesundheitlichen Eignung für die aufgezeigten Verweisungstätigkeiten steht nicht entgegen, dass der Sachverständige im Rahmen der Erläuterung des Gutachtens vom 20.08.2021 ausgeführt hat, dass er davon abrät, mit einer patientennahen Arbeit zu beginnen, und dass die aufgezeigten Verweisungstätigkeiten stets auch mit Kontakt zu Patienten oder Kollegen verbunden sind. Denn der Sachverständige hat bereits im Gutachten vom 20.08.2021 – dort noch recht pauschal – ausgeführt, dass derartige Tätigkeiten für den Kläger „in zunächst reduziertem Umfang“ und insbesondere bei der Möglichkeit, nicht alleinverantwortlich tätig zu sein, vorstellbar sind. Diese Einschätzung hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung präzisiert und nachvollziehbar begründet. Er hat ausgeführt, dass der Kläger geringfügigen Patientenkontakt, der auch bei Tätigkeiten im Versorgungsamt oder beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nicht gänzlich auszuschließen ist, durchaus bewältigen kann, da er den Kontakt zu Patienten gelernt und auch lange ausgeübt hat. Entscheidend ist das Maß des zeitlichen Drucks, den der Kläger verspürt. Zutreffend hat der Sachverständige zudem dargelegt, dass der Zeitdruck bei Tätigkeiten in Gesundheits- und Versorgungsämtern nicht so hoch ist wie bei Tätigkeiten in der Klinik oder Praxis. Er hat konkretisiert, dass aus psychiatrischer Sicht eine Exploration von ca. einer Stunde, wie sie in Gesundheits- und Versorgungsämtern in unregelmäßigen Abständen stattfinden, für den Kläger möglich sind und er zu Beginn ca. drei bis vier Stunden täglich tätig sein kann.
Ist und war der Kläger danach gesundheitlich in der Lage, die aufgezeigten Verweisungstätigkeiten zunächst mit einem Teilzeitanteil von ca. 50 % auszuüben, ist für ihn der Zugang zu diesen Tätigkeiten aufgrund der Notwendigkeit der Arbeitszeitreduzierung nicht faktisch verschlossen. Denn die im Rahmen einer Internetrecherche auffindbaren aktuellen Stellenausschreibungen für Stellen bei Gesundheits- und Versorgungsämtern und beim Medizinischen Dienst weisen ausnahmslos auf die Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeitmodellen und Teilzeitbeschäftigungen hin (siehe z.B. die Stellenausschreibung für eine Stelle als Arzt/Ärztin beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin https://www.finestjobs.com/Stellenanzeige/Facharzt-Fachaerztin-D-Bzw-Arzt-Aerztin-D-351204?cp=BA, für eine Stelle als Arzt/Ärztin beim Verbraucherschutz- und Gesundheitsamt des Landkreises Barnim https://www.barnim.de/fileadmin/barnim_upload/11_Personalamt/Stellenausschreibungen /2021/210823-Arzt-Aerztin-KJGD-Infektionsschutz-53-93_.pdf, für Stellen als Amtsarzt/Amtsärztin und Arzt/Ärztin in der Hygiene und Umweltmedizin im Gesundheitsamt des Landkreises Ostprignitz-Ruppin https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/stelle/amtsarzt-amtsaerztin-m-w-d-305099-1a-1 sowie https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/stelle/arzt-m-w-d-der-hygiene-undumweltmedizin-305099-1a-2, alle aufgerufen am 09.09.2021). Zudem genügt es, wenn das Versorgungswerkmitglied lediglich die Hälfte der regulären Arbeitszeit arbeiten kann. Denn eine Berufsunfähigkeit ist nicht schon dann gegeben, wenn die in der Vergangenheit ausgeübte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht in der gewohnten Art und Weise und in dem gewohnten zeitlichen Umfang fortgesetzt werden kann (vgl. VG Stade, Urt. v. 27.05.2020 – 6 A 383/15 –, juris Rn. 159 zur Alterssicherungsordnung der Apothekerversorgung Niedersachsen; OVG NRW, Urt. v. 18.11.2009 – 17 A 251/07 –, juris Rn. 40, 56 zur Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe; VG München, Urt. v. 12.11.2009 – M 12 K 08.3040 –, juris Rn. 29 zur Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung; VG Köln, Urt. v. 16.07.2003 – 9 K 478/00 –, juris Rn. 17 zur Satzung des Versorgungswerkes der Apothekerkammer Nordrhein). Der gesundheitlich mögliche Arbeitszeitumfang korreliert aber mit dem Erfordernis, dass durch die Verweisungstätigkeit die existenzsichernde Funktion der Berufsausübung weiterhin gewährleistet sein muss. Ein Versorgungswerkmitglied muss sich auf eine zeitlich reduzierte Tätigkeit nicht verweisen lassen, wenn dieser keine existenzsichernde Funktion mehr zukommt (VG München, Urt. v. 12.11.2009 – M 12 K 08.3040 –, juris Rn. 29). Es ist nicht ersichtlich, dass eine zunächst und möglicherweise auch längerfristig zeitlich eingeschränkte ärztliche Tätigkeit zur Folge hätte, dass die existenzsichernde Funktion gefährdet wäre. Die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente zielt nicht auf die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards, sondern auf eine Existenzsicherung ab (vgl. BayVGH, Beschl. v. 09.08.2019 – 21 ZB 17.928 –, juris Rn. 44 und Urt. v. 26.07.1995 – 9 B 93.2788 –,juris).
(c) Der Kläger war und ist auch nicht von vornherein aufgrund einer fehlenden fachlichen Qualifikation vom Zugang zu den genannten Verweisungstätigkeiten ausgeschlossen. Zwar trifft es zu, dass der Sachverständige keine Feststellungen zu den fachlichen Anforderungen für diese Tätigkeiten getroffen hat. Dies entsprach aber auch nicht seinem Gutachtensauftrag. Zur Feststellung dieser Anforderungen bedarf es nicht der Beauftragung eines Sachverständigen. Eine Recherche zu den in großer Anzahl ausgeschriebenen Stellen für ärztliche Tätigkeiten bei Gesundheits- und Versorgungsämtern sowie den Medizinischen Diensten der Krankenversicherungen ergibt zwar, dass – auch insoweit ist dem Kläger zuzustimmen – für viele ausgeschriebene Stellen beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung eine Facharztanerkennung zwingend vorausgesetzt wird (so die aktuellen Stellenangebote bei den Medizinischen Diensten Nordrhein https://www.md-nordrhein.de/karriere/stellenangebote/, Bremen https://www.md-bremen.org/karriere/stellenangebote/, Hessen https://www.mdhessen.de/wir-als-arbeitgeber/stellenangebote/, Mecklenburg-Vorpommern https://www.md-mv.de/karriere/stellenangebote/, Niedersachsen https://www.mdniedersachsen.de/karriere/, Rheinland-Pfalz https://www.mdrlp.de/karriere/stellenangebote/, Sachsen https://karriere.md-sachsen.de/berufsgruppearzt.html, Sachsen-Anhalt https://www.md-san.de/karriere/stellenangebote/ und Thüringen https://www.md-th.de/karriere/stellenangebote/, alle aufgerufen am 09.09.2021). In der Regel wird zusätzlich eine mehrjährige Berufserfahrung in der Praxis vorausgesetzt. Bei vielen Medizinischen Diensten der Krankenversicherungen – u.a. bei dem mit Blick auf den Wohnort des Klägers am nächsten liegenden Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg – wird jedoch lediglich eine mehrjährige Berufserfahrung vorausgesetzt (so die aktuellen Stellenangebote bei den Medizinischen Diensten Berlin-Brandenburghttps://www.md-bb.org/karriere/stellenangebote/, Westfalen-Lippe https://www.md-wl.de/karriere/stellenangebote/, Nord https://www.mdnord.de/karriere/stellenangebote/, Baden-Württemberg https://www.mdbw.de/karriere/stellenangebote/, Bayern https://www.mdbayern.de/karriere/stellenangebote/ und Saarland https://www.mdsaarland.de/karriere/stellenangebote/, alle aufgerufen am 09.09.2021). Der Kläger verfügt aufgrund seiner Tätigkeit im … und im Klinikum … über Berufserfahrung. Ob er sich im Falle einer Konkurrenzsituation gegen Mitbewerber wird durchsetzen können, die gegebenenfalls über mehr berufliche Erfahrung und/oder eine Facharztanerkennung verfügen, ist Teil des allgemeinen Arbeitsmarktrisikos, das von der berufsständischen Rentengewährung nicht erfasst ist. Auch die in großer Anzahl ausgeschriebenen Stellen bei den Gesundheits- und Versorgungsämtern setzen zwingend eine Approbation als Ärztin bzw. Arzt voraus, während eine Facharztanerkennung oftmals lediglich „wünschenswert“ oder „gern gesehen“ ist. Die aktuellen Stellenausschreibungen für den Raum Berlin und Brandenburg zeigen, dass der Bedarf an approbierten Ärztinnen und Ärzten groß ist und über eine ärztliche Approbation hinausgehende fachliche Qualifikationen fakultativ sind (siehe z.B. die Stellenausschreibung für eine Stelle als Arzt/Ärztin beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin https://www.finest-jobs.com/Stellenanzeige/Facharzt-Fachaerztin-D-Bzw-Arzt-Aerztin-D-351204?cp=BA, für eine Stelle als Arzt/Ärztin beim Verbraucherschutz- und Gesundheitsamt des Landkreises Barnim https://www.barnim.de/fileadmin/barnim_upload/11_Personalamt/Stellenausschreibungen /2021/210823-Arzt-Aerztin-KJGD-Infektionsschutz-53-93_.pdf, für Stellen als Amtsarzt/Amtsärztin und Arzt/Ärztin in der Hygiene und Umweltmedizin im Gesundheitsamt des Landkreises Ostprignitz-Ruppin https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/stelle/amtsarzt-amtsaerztin-m-w-d-305099-1a-1 sowie https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/stelle/arzt-m-w-d-der-hygiene-undumweltmedizin-305099-1a-2 sowie für eine Stelle als Arzt/Ärztin im Öffentlichen Gesundheitsdienst des Landkreises Prignitz https://www.landkreisprignitz.de/globalcontent/documents/aktuelles/2021/2021_05_19_stelle_Arzt.pdf, alle aufgerufen am 09.09.2021).
(d) Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger es unter Umständen schwer haben wird, sich auf dem Arbeitsmarkt gegen jüngere Mitbewerber mit Facharztanerkennung und/oder längerer, durchgängiger Berufserfahrung ohne zeitliche Unterbrechung durchzusetzen. Diese Erschwernisse betreffen aber die subjektive Vermittelbarkeit des Klägers und sind dem allgemeinen Arbeitsmarktrisiko zuzuordnen; es handelt sich gerade nicht um medizinisch festgestellte gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Bei den im Schriftsatz des Klägers vom 03.09.2021 angekündigten Beweisanträgen handelt es sich mangels Beweisantragstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung um bloße Beweisanregungen, denen vorliegend nicht nachzugehen war. Denn die vom Kläger begehrte „Auskunft des zuständigen MDK, des zuständigen Versorgungsamtes und der zuständigen Agentur für Arbeit“ zum Ausschluss des Klägers vom Zugang zu ärztlichen Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zielt auf die Bewertung der konkreten subjektiven Vermittelbarkeit des Klägers ab, die – abgesehen von gesundheitlich bedingten Eignungseinschränkungen – im berufsständischen Berufsunfähigkeitsbewilligungsverfahren gerade keine Berücksichtigung findet. Ein bestimmter Medizinischer Dienst der Krankenversicherung sowie ein bestimmtes Versorgungsamt können zudem keine Auskunft darüber geben, ob die Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen und Versorgungsämter grundsätzlich Ärzte, die nur in Bereichen ohne regelmäßigen Patientenkontakt einsetzbar sind, einstellen, da es stets auf die konkrete Bewerberlage ankommt. Zudem ist die Kammer – wie dargelegt – nach den gutachterlichen Ausführungen von Herrn Dr. … davon überzeugt, dass der Kläger sehr wohl regelmäßig, wenn auch in geringerer Taktung Patientenkontakt haben kann. Die zuständige Agentur für Arbeit kann ebenfalls keine allgemeingültige Aussage zu einer generellen Erfolglosigkeit einer Bewerbung des Klägers treffen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmen ist, dass bei Ärztinnen und Ärzten „Vollbeschäftigung“ herrscht und der steigende Facharztbedarf kaum gedeckt werden kann; gerade für Kliniken besteht das Problem, offene Arztstellen zu besetzen (so auch BayVGH, Beschl. v. 09.08.2019 – 21 ZB 17.928 –, juris Rn. 44). Bei der Berufsgruppe der Ärztinnen und Ärzte auch ohne Spezialisierung handelt es sich seit dem Jahr 2013 durchgängig um einen sogenannten „Mängelberuf“ (Bundesagentur für Arbeit, Fachkräfteengpassanalyse Dezember 2017, S. 35). Die berufsspezifische Arbeitslosenquote lag im Jahr 2017 bei 1,2 % (BA, a.a.O., S. 15, 33), sodass die Bundesagentur von „Vollbeschäftigungsniveau“ spricht (BA, Blickpunkt Arbeitsmarkt Mai 2018, S. 94). Auch die aktuelle Fachkräfteengpassanalyse 2020 führt aus, dass sich in ärztlichen Berufen Engpässe zeigen (Bundesagentur für Arbeit, Fachkräfteengpassanalyse Mai 2021, S. 16).
c) Ein Anspruch auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ergibt sich auch nicht aus einer gesundheitlichen Einschränkung in Form einer arteriellen Hypertonie und einer Retinopathia centralis serosa.
Zum einen fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass durch Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) oder eine Erkrankung der Netzhaut des Auges (Retinopathia centralis serosa) die Leistungsfähigkeit des Klägers nennenswert beeinträchtigt war bzw. ist. Bereits die erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen verhalten sich nicht zu etwaigen Auswirkungen auf die Berufsfähigkeit des materiell beweisbelasteten Klägers. Zum anderen fehlt es insoweit an einem satzungsgemäßen Antrag bei der Beklagten. Die Beantragung einer Berufsunfähigkeitsrente – und nachfolgend deren gerichtliche Geltendmachung – erfordert neben der Antragstellung als solcher die Angabe eines konkret benannten Grundes bzw. mehrerer konkret benannter Gründe, der bzw. die die Berufsunfähigkeit bedingen soll bzw. sollen. Dieses konkrete Begründungserfordernis für einen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente erschließt sich bereits aus allgemeinen Grundsätzen der Mitwirkungspflicht, wonach derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen und Umstände darzulegen hat. Zudem erfordern Sinn und Zweck sowie die Systematik der satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten eine konkretisierende kausale Begründung des Antrags auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente, da die Beklagte nur dadurch in die Lage versetzt wird, zeitnah und gezielt eine verantwortungsvolle Überprüfung einzuleiten, bei der sie neben der fürsorglichen Berücksichtigung der individuellen Interessen des Anspruchstellers auch die Interessen der Solidargemeinschaft vor einer unberechtigten Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen wahren kann (vgl. OVG NRW, Urt. v. 18.11.2009 – 17 A 629/05 –, juris Rn. 42 ff. zur Satzung des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein).
d) Ob eine etwaige unzureichende Mitwirkung des Klägers an der Verbesserung seines Gesundheitszustandes einen Ausschlussgrund für die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente darstellt, kann dahinstehen.
Der Umstand, dass erfolgversprechende, zumutbare Therapiemöglichkeiten noch nicht gänzlich ausgeschöpft sind, wird regelmäßig unter dem Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit einer Berufsunfähigkeit diskutiert (so u.a. OVG NRW, Urt. v. 14.07.2017 – 17 A 681/16 –, juris Rn. 65 ff.; VG Stuttgart, Urt. v. 14.01.2021 – 4 K 6874/19 –, juris Rn. 43 zur Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung). Zudem kann ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten oder Obliegenheiten des Versorgungswerkmitgliedes auch einen Ausschlussgrund für die (Weiter-)Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente darstellen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.06.2010 – 17 A 346/07 –, juris Rn. 34 zur Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen). Dies setzt aber voraus, dass der Ausschlussgrund einen entsprechenden Rückhalt im anzuwendenden Satzungsrecht findet (OVG SH, Urt. v. 18.11.2005 – 3 LB 4/05 –, juris Rn. 18; Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Urt. v. 24.08.2004 – 2 A 68/03 –, juris Rn. 27, jeweils zur Satzung für die Versorgungseinrichtung der Ärztekammer Schleswig-Holstein). § 14 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2, Abs. 2 Satz 4 der Satzung der Beklagten enthält solch einen Sanktionsmechanismus, nach dem der Verpflichtete unter Umständen Nachteile dergestalt hinnehmen muss, dass er bestehende eigene Rechte verliert bzw. nicht mehr geltend machen kann oder dass er Rechte, die er bei Wahrung der Obliegenheit erwerben würde, nicht erhält. Dort ist geregelt, dass der Anspruch auf Berufungsunfähigkeitsrente endet, wenn eine gemäß § 14 Abs. 2 der Satzung der Beklagten verlangte Maßnahme nicht innerhalb einer festgelegten Frist begonnen wurde. Nach § 14 Abs. 2 Satz 4 der Satzung der Beklagten kann der Verwaltungsausschuss der Beklagten verlangen, dass sich das Mitglied, das Rente beantragt hat oder erhält, einer vom medizinischen Gutachter empfohlenen Heilbehandlung oder qualifizierenden Maßnahmen unterzieht, wenn zu erwarten ist, dass diese Maßnahmen die Gründe der Berufsunfähigkeit beseitigen oder eine drohende Berufsunfähigkeit verhindern und für den Antragsteller zumutbar sind.
Angesichts der zur Verfügung stehenden Verweisungstätigkeiten bedarf es keiner Entscheidung, ob der Kläger gegen die Vorgaben aus § 14 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2, Abs. 2 Satz 4 der Satzung der Beklagten verstoßen hat, indem er sich – entgegen der Forderung im Bewilligungsbescheid vom 20.08.2014 – eigenen Angaben zufolge seit Ende 2016 nicht mehr in eine psychotherapeutische Behandlung begeben hat oder ob es an einer persönlichen Vorwerfbarkeit fehlt, da er aufgrund der bei ihm diagnostizierten Persönlichkeitsstörung keine Behandlungsmotivation (mehr) verspürt; ein Zusammenhang zwischen der fehlenden Behandlungsmotivation und der psychischen Erkrankung ist nach Angaben des Sachverständigen anzunehmen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant
- Berufsunfähigkeitsrente: Das Hauptthema des Urteils betrifft die Frage, ob der Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankung Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente hat. Im deutschen Recht ist die Berufsunfähigkeitsrente in verschiedenen Gesetzen und Regelungen verankert, insbesondere im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sowie in den jeweiligen Versorgungswerken und Satzungen. Im vorliegenden Fall ist der Kläger Mitglied des Versorgungswerks der Ärztekammer Bremen, in dessen Satzung entsprechende Regelungen zur Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente enthalten sind.
- Sozialversicherungsrecht / SGB VI: Das Sozialversicherungsrecht ist in diesem Fall relevant, da die Berufsunfähigkeitsrente für Ärzte durch das Versorgungswerk geregelt ist, welches als berufsständische Versorgungseinrichtung im Sinne des Sozialgesetzbuchs VI (SGB VI) fungiert. Die Regelungen des SGB VI, insbesondere § 240 SGB VI, betreffen die Grundsätze für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, was der Berufsunfähigkeitsrente nahekommt.
- Begutachtung und Beweisanforderungen: Im vorliegenden Fall spielen psychiatrische Gutachten und die Nachbegutachtungen eine zentrale Rolle für die a) Feststellung der Berufsunfähigkeit des Klägers und b) die Entscheidung des Gerichts. Die mastge Berufsordnung für die Ärztekammer Bremen regelt hierbei beispielsweise die Anforderungen an die ärztliche Begutachtung.
- Öffentliches Recht / Verwaltungsrecht: Da die Auseinandersetzung um die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente durch das Versorgungswerk der Ärztekammer Bremen stattfindet, handelt es sich um einen Streit aus dem Bereich des öffentlichen Rechts bzw. des Verwaltungsrechts. Das Verfahren wird daher vor dem Verwaltungsgericht Bremen geführt.
- Mitwirkungspflicht: Die Mitwirkungspflicht des Klägers ist als ein weiterer relevanter Punkt in diesem Urteil zu erwähnen. Dabei handelt es sich um die Verpflichtung des Versicherten, bei der Klärung der Frage der Berufsunfähigkeit mitzuwirken und die erforderlichen Maßnahmen zur Genesung zu unternehmen, wie z.B. die Teilnahme an einer Psychotherapie. In Deutschland ist die Mitwirkungspflicht im SGB I (§§ 60-65) geregelt.
FAQ: Häufig gestellte Fragen
Was ist eine Berufsunfähigkeitsrente und wie unterscheidet sie sich von einer Erwerbsminderungsrente?
Eine Berufsunfähigkeitsrente ist eine Leistung, die bei einer privaten oder berufsständischen Versicherung abgeschlossen werden kann, um im Falle einer Berufsunfähigkeit finanziell abgesichert zu sein. Sie wird gezahlt, wenn der Versicherte aufgrund einer Krankheit oder Behinderung seinen zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kann. Die Erwerbsminderungsrente hingegen ist eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie wird ab einer bestimmten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gezahlt, unabhängig davon, welchen Beruf der Betroffene zuletzt ausgeübt hat.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente zu haben?
Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente sind in erster Linie in der jeweiligen Versicherungspolice oder der Satzung eines Versorgungswerkes, wie im Fall des Versorgungswerks der Ärztekammer Bremen, festgelegt. Grundsätzlich muss der Versicherte aufgrund einer Krankheit oder Behinderung in der Lage sein, seinen zuletzt ausgeübten Beruf nur noch in einem sehr eingeschränkten Umfang oder gar nicht mehr auszuüben. Meist wird auch eine Mindestdauer für die Berufsunfähigkeit gefordert, z.B. 6 Monate. Um den Anspruch geltend zu machen, sind oft ärztliche Atteste oder Gutachten erforderlich, die die berufliche Beeinträchtigung bestätigen.
Was ist ein Gutachten und welche Rolle spielt es bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsrente?
Ein Gutachten ist eine fachliche Stellungnahme eines Experten, in diesem Fall meist eines Arztes oder Psychologen, der die körperliche oder psychische Verfassung des Betroffenen beurteilt und einschätzt, ob und inwieweit die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist. Solche Gutachten spielen in der Regel eine zentrale Rolle bei der Beantragung und Feststellung einer Berufsunfähigkeit, da sie als Beweismittel für die betreffende Krankheit oder Behinderung sowie deren Auswirkungen auf die Ausübung des Berufes dienen. Versicherungen und Versorgungswerke lassen häufig eigene Gutachten erstellen, um den Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente zu prüfen.
Kann eine Berufsunfähigkeitsrente auch befristet gewährt werden?
Ja, eine Berufsunfähigkeitsrente kann auch zeitlich befristet gewährt werden. Dies hängt von den individuellen Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Prognose hinsichtlich der Verbesserung der gesundheitlichen Situation und der möglichen Wiedereingliederung in das Berufsleben ab. Bei befristeter Berufsunfähigkeitsrente ist es wichtig, rechtzeitig vor Ablauf des befristeten Leistungszeitraumes die Verlängerung zu beantragen und ggf. erneute gutachterliche Stellungnahmen einzuholen.
Wie kann man gegen eine Ablehnung der beantragten Berufsunfähigkeitsrente vorgehen?
Wenn die Berufsunfähigkeitsrente von der Versicherung oder dem Versorgungswerk abgelehnt wird, kann man Widerspruch gegen die Ablehnung einlegen. Im Widerspruchsverfahren sollten neue Argumente und/oder zusätzliche medizinische Gutachten vorgelegt werden, die die Berufsunfähigkeit belegen. Falls der Widerspruch erfolglos ist, kann man auch den Rechtsweg beschreiten und Klage beim zuständigen Gericht einreichen. Hierbei sollte man sich rechtzeitig anwaltlichen Rat einholen, um die Erfolgsaussichten und mögliche Strategien abzuwägen.