Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Az: 3 Sa 497/09
Urteil vom 26.01.2010
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 02.07.2009 – Az: 7 Ca 1961/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.949,50 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Parteien bestand bis zum 23.08.2008 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger war für die Beklagte als Kraftfahrer tätig. Wegen verschiedener, vom Kläger als Fahrer in der Zeit vom 05.06./06.06.2008 bis zum 04.07.2008 begangener Ordnungswidrigkeiten setzte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, 56068 Koblenz, mit dem Busgeldbescheid vom 16.09.2008 eine Geldbuße in Höhe von 8520,00 EUR nebst Gebühr (426,00 EUR) und Auslagen (3,50 EUR) gegen den Kläger fest. Die vom Kläger begangenen Ordnungswidrigkeiten sind auf den Seiten 3 ff. des Bußgeldbescheides im Einzelnen näher bezeichnet, – worauf verwiesen wird.
Der Kläger begehrt von der Beklagten, ihn von der Zahlungsverpflichtung aus dem Bußgeldbescheid vom 16.09.2008 freizustellen.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 02.07.2009 – 7 Ca 1961/08 – (dort S. 2 ff. = Bl. 58 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 27.07.2009 zugestellte Urteil vom 02.07.2009 hat der Kläger am 11.08.2009 Berufung eingelegt und diese am 19.10.2009 – innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist (s. dazu den Verlängerungsbeschluss vom 28.09.2009, Bl. 82 d.A.) mit dem Schriftsatz vom 19.10.2009 (Bl. 84 ff. d.A.) begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 19.10.2009 verwiesen.
Dort rügt der Kläger u.a., dass das Arbeitsgericht die besonderen Umstände des vorliegenden Falles nicht gewürdigt habe. Der Kläger bringt vor, dass das Schreiben der Beklagten vom 23.07.2008 ein deutlicher und nicht zu vernachlässigender Hinweis darauf sei, dass die Beklagte jedenfalls in der Vergangenheit regelmäßig entsprechende Geldbußen bei Verstößen gegen das Fahrpersonalgesetz erstattet bzw. gezahlt habe. Beachte man diesen Hintergrund, seien die Anforderungen, die das Arbeitsgericht an den Sachvortrag des Klägers gestellt habe, überzogen. Dadurch, dass die Darlegungs- und Beweislast ausschließlich beim Kläger angesiedelt werde, komme es zu einer nicht zu tolerierenden Besserstellung der Beklagten. Eine Partei, die sich (wie die Beklagte) in der Vergangenheit derart verhalten habe, dürfe nicht auch noch einen Vorteil daraus ziehen, – so meint der Kläger – dass sie die Unterlagen, die die darlegungs- und beweisbelastete Partei für ihren Vortrag benötige, in ihrem Besitz habe und sich über deren Inhalt ausschweige. Der Kläger folgt dem Arbeitsgericht jeweils nicht darin, soweit es angenommen hat, der pauschale Verweis auf die der Beklagten vorliegenden Tourenpläne genüge nicht, und der Beklagten sei nicht aufzugeben gewesen, die Tourenpläne vorzulegen. Es gehe hier – so macht der Kläger weiter geltend -, nicht um eine unzulässige Ausforschung des Sachverhalts, sondern vielmehr um das Erkennen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Dazu führt der Kläger weiter aus (s. dazu S. 3 ff. der Berufungsbegründung). Dem entsprechend meint der Kläger, dass das Arbeitsgericht zunächst der Beklagten habe aufgeben müssen, zu dem von ihr dem Kläger erteilten Fahraufträge vorzutragen, soweit sie von dem Bußgeldbescheid erfasst seien. Dabei hätte das Arbeitsgericht der Beklagten auch aufgeben können bzw. müssen, entsprechend Beweis anzutreten und die Tourenpläne vorzulegen. Er, der Kläger, könne derzeit mangels eigener Aufzeichnungen und mangels hinreichend konkreter Erinnerung an die Fahraufträge nur vortragen, dass er stets für Touren zwischen dem Ruhrgebiet und dem süddeutschen Raum eingesetzt worden sei, – und zwar jeweils mit mindestens zwei Ladestellen und zwei Abladestellen (Anweisung durch den „Junior-Chef“ M. S. und den Disponenten Sch.). Dem Kläger – so führt dieser weiter aus – sei es nicht zumutbar gewesen, sich den Anordnungen seines Arbeitgebers zu widersetzen. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger immer dann, wenn er M. S. oder den Disponenten Sch. darauf hingewiesen habe, dass die ihm angewiesenen Touren bei Einhaltung der zulässigen Lenkzeiten nicht zu schaffen seien, die Antwort erhalten habe, er solle durchfahren, sonst sei er seinen Job los. Er, der Kläger, sei angesichts der auf Seite 4 (unter Ziffer 4.) der Berufungsbegründung genannten Umstände dringend darauf angewiesen gewesen, mit seiner Arbeit Geld zu verdienen und seine Arbeitsstelle nicht zu verlieren bzw. aufs Spiel zu setzen. Deshalb habe er aus Furcht vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes die Anordnungen seines Arbeitgebers auch befolgt, soweit sie rechtswidrig gewesen seien.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 02.07.2009 – 7 Ca 1761/08 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord aus dem Bußgeldbescheid vom 16.09.2008 zu Aktenzeichen 000 in Höhe von 8.949,50 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt nach näherer Maßgabe ihrer Berufungsbeantwortung vom 18.11.2009, worauf verwiesen wird (Bl. 111 ff. d.A.), das Urteil des Arbeitsgerichts.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu recht als unbegründet abgewiesen. Der vom Kläger geltend gemachte Freistellungsanspruch ist nicht gegeben. Aufgrund eigener rechtlicher Überprüfung macht sich die Berufungskammer die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu eigen und stellt dies hiermit bezugnehmend gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt es nicht, den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt anders rechtlich zu beurteilen als dies das Arbeitsgericht getan hat. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
1. Der Kläger hat das Vorliegen eines Ausnahmefalles im Sinne des BAG-Urteils vom 25.01.2001 – 8 AZR 465/00 – nicht schlüssig dargetan. Vielmehr ist es dem Kläger zumutbar gewesen, sich den (vom Kläger behaupteten) Anordnungen seines Arbeitgebers (bzw. des „Junior-Chef“ M. S. und des Disponenten Sch.) zu widersetzen. Insoweit ist es anerkanntes Recht, dass entgegenstehende Anordnungen seines Arbeitgebers den Arbeitnehmer (Fahrer) grundsätzlich nicht entlasten und (auch) daher nicht zu einem Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Erstattung einer verhängten Geldbuße führen. Nach näherer Maßgabe der auf Seite 5 des Bußgeldbescheides zitierten Rechtsvorschriften aus dem Fahrpersonalgesetz, der Fahrpersonalverordnung und der Verordnungen (EG) Nr. 561/06 und Nr. 3820/85 ist der Kläger als Fahrer im Straßenverkehr selbst dafür verantwortlich gewesen, dass es nicht kommt zur:
– Überschreitung der Tageslenkzeit,
– Überschreitung der zulässigen Lenktage,
– Verkürzung der Wochenruhezeit,
– Überschreitung der Lenkzeit innerhalb von zwei Wochen,
– Verkürzung der Fahrtunterbrechung,
– Überschreitung der zulässigen Lenkdauer und
– Verkürzung der Tagesruhezeit.
Die im Bußgeldbescheid zitierten Bußgeldvorschriften dienen der Sicherheit im Straßenverkehr. Sie dienen (auch) dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer. Beachtet der Berufskraftfahrer diese Vorschriften, muss er angesichts des materiellen Arbeitsrechts (§ 626 BGB; § 1 KSchG; § 273 BGB; § 612a BGB) und angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG) keine rechtlichen Nachteile im und für das Arbeitsverhältnis (etwa in Form einer Kündigung) befürchten. Den rechtstreuen Arbeitnehmer schützt die Rechtsordnung. Aus diesem Grunde ist es vorliegend dem Kläger zumutbar gewesen, sich unzulässigen, von Arbeitgeberseite erteilten Anordnungen (- sollten diese erfolgt sein -) zu widersetzen.
2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB hat der Kläger nicht hinreichend dargetan, so dass seinen Beweisangeboten nicht nachzugehen war. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer derartigen sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung trägt derjenige, der sich auf § 826 BGB beruft. Der jeweilige Anspruchssteller hat die Voraussetzungen der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung darzulegen und zu beweisen. Von diesem Grundsatz ist zutreffend das Arbeitsgericht ausgegangen. Es hat diesen Grundsatz auch zutreffend auf den vorliegenden Fall angewendet und dabei die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers für die Umstände, die die Sittenwidrigkeit der Schädigung ausmachen, weder überspannt, noch erheblichen Vortrag des Klägers außer Acht gelassen. Muss allerdings eine Partei Umstände darlegen (und beweisen), die zu dem ihrem Einblick entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören, so können ihr zwar Darlegungs- und Beweisprobleme entstehen, da Beweisermittlungs- und Ausforschungsanträge nicht zulässig sind. Es ist jedoch anerkanntes Recht, dass die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auf generalisierenden Risikozuweisungen beruht und daher nicht (ohne weiteres) vom Einzelfall abhängig gemacht werden kann. Das Vorbringen des Klägers erweist sich (auch) nicht unter den Gesichtspunkten einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast bzw. einer sekundären Behauptungslast der an sich nicht beweispflichtigen Partei als schlüssig. Der Kläger hat keinen Vortrag geleistet, der weiter gehendere Darlegungen bzw. Einlassungen oder Vorlegungspflichten der Beklagten hätte auslösen können. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Kläger hier ja gerade nicht außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufes steht. Davon, dass der Kläger keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, kann nicht ausgegangen werden. Es geht vorliegend eben nicht um Umstände, die zu dem dem Einblick des Klägers entzogenen Bereich der Beklagten gehörten. Das Verhalten, das jeweils zu den verhängten Bußgeldern geführt hat, betrifft eigene Handlungen des Klägers und eigene Wahrnehmungen des Klägers. Davon ausgehend hätte der Kläger näher dazu vortragen können und müssen, welche Termin- oder sonstige Vorgaben und Arbeitsanweisungen ihm jeweils wann für die fraglichen Fahraufträge im Juni 2008 und Anfang Juli 2008 erteilt worden sind. Damit entfällt im Streitfall ein Ersatzanspruch des Klägers nach § 826 BGB, weil er keine konkreten Anordnungen von Beklagtenseite dargelegt hat, die zwangsläufig zu Überschreitungen der zulässigen Lenktage, der Wochenruhezeit, der gesetzlichen Lenkzeiten und Lenkdauer sowie zur Verkürzung von Ruhezeiten und Fahrtunterbrechungen führen mussten. Aus diesem Grund muss es bei der erstinstanzlichen Klageabweisung verbleiben.
3. Dahingestellt bleiben kann, ob der in der Geldbuße (nebst Gebühr und Auslagen) liegende Vermögensnachteil überhaupt als Schaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB angesehen werden kann. Diesbezüglich bestehen Bedenken im Hinblick auf das Wesen und den Zweck der Geldbuße (und den damit notwendigerweise verbundenen Nebenkosten, wie Verwaltungsgebühr und Auslagen). Das Wesen der Geldbuße im Sinne des OWiG besteht wohl darin, dass ihr die Aufgabe zukommt ein bestimmtes staatliches Ordnungsgefüge (hier: Regelung des Verhaltens im Straßenverkehr) in seinem Bestand zu bewahren. Gerade im Bereich des Straßenverkehrs ist dieses Ordnungsgefüge notwendig für die Erhaltung eines sicheren und rücksichtsvollen Miteinanderauskommens der Verkehrsteilnehmer. Das Bußgeld soll den jeweiligen Täter davon abhalten, in Zukunft geahndete oder gleichartige Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften zu begehen. Ihm soll eine nachdrückliche bzw. eindringliche Pflichtenmahnung erteilt werden und ihm soll das finanzielle Risiko einer Zuwiderhandlung bewusst gemacht werden. Würde die Rechtsordnung dem Täter einen Anspruch darauf zubilligen, von den finanziellen Belastungen, die mit der Verhängung eines Bußgeldes verbunden sind, freigestellt zu werden, dann würde die Geldbuße den mit ihr verfolgten Zweck verfehlen. Es bestünde die ernste Gefahr, dass das Prinzip der Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung in Frage gestellt würde.
II. Die Kosten seiner erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger tragen. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und unter den dort genannten Voraussetzungen bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113 Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 – 2000 einzulegen.
Darauf wird der Kläger hingewiesen.