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Ausgleichsansprüche wegen annullierten Rückfluges/Verspätung Ersatzflug

LG Frankfurt – Az.: 2-24 S 183/19 – Urteil vom 02.04.2020

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30.7.2019 (Az. 31 C 2061/19 (96)) wird zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufung hat der Kläger zu 1) 31 % und haben die übrigen Kläger jeweils 23 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger machen Ausgleichsleistungen nach der Fluggastrechteverordnung sowie Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Hotelkosten geltend.

Die Kläger besaßen bestätigte Buchungen für Flüge am 19.5.2018 von Frankfurt über Amsterdam nach Wilhelmstad/Curacau (…, …) sowie Rückflüge am 31.5.2018 von Oranjestad/Curacau über Amsterdam nach Frankfurt (…, …), die jeweils von der Beklagten auszuführen gewesen wären.

Die Beklagte annullierte sowohl den Hin- als auch den Rückflug. Darüber wurden die Kläger mit E-Mail vom 15.5.2018 (Anl. K2, Bl. 10 der Akte), d.h. 16 Tage von dem geplanten Rückflug, in Kenntnis gesetzt. In dieser E-Mail wurde keine Ersatzbeförderung angeboten.

Mit einem selbst gebuchten Ersatzflug (für den Hinflug) erreichten die Kläger Wilhelmstad/Curacau mit einer Verspätung von mehr als 11 Stunden, so dass sie die Hotelunterkunft für die erste Nacht nicht nutzen konnten. Die dafür aufgewendeten 169 € verlangen sie von der Beklagten ersetzt.

Mit einem Ersatzflug (für den Rückflug) erreichten die Kläger ihren Zielort in Frankfurt am Main mit einer Verspätung von 5 Stunden und 25 Minuten gegenüber dem ursprünglich gebuchten, annullierten Flug. Der Ersatzflug, auf den die Kläger auf ihre Eigeninitiative hin von der Beklagten umgebucht wurden (…, …), war jedoch gegenüber den planmäßigen Flugzeiten nicht verspätet.

Die Beklagte regulierte außergerichtlich die geltend gemachten Ausgleichsansprüche der Kläger für den annullierten Hinflug in Höhe von jeweils 600 €.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 30.7.2019, dem Klägervertreter zu gestellt am 2.8.2019, die auf Ausgleichsleistungen für den Rückflug sowie Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Hotelkosten gerichtete Klage vollumfänglich abgewiesen.

Ausgleichsansprüche wegen des annullierten Rückfluges gemäß Art. 5, 7 der Fluggastrechteverordnung seien ausgeschlossen, da die Beklagte die Kläger gemäß Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung über die Annullierung mehr als 2 Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet habe. Hinsichtlich des Vorlaufes sei auf den konkret betroffenen Flug, vorliegend den annullierten Rückflug, abzustellen, und nicht auf den Hinflug.

Es könne dahinstehen, ob die Beklagte gegen ihre Pflicht gemäß Art. 5 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung verstoßen habe, wonach die von einer Annullierung betroffenen Fluggäste „Angaben zu einer möglichen anderweitigen Beförderung“ erhalten sollen, „wenn die Fluggäste über die Annullierung unterrichtet werden“. Eine solche Pflichtverletzung begründe keine Ausgleichsansprüche.

Auch bestünde kein Ausgleichsanspruch wegen einer etwaigen Verspätung des ersatzweise gebuchten Rückflugs. Die Kläger hätten weder vorgetragen, dass die Beklagte insoweit das ausführende Luftfahrtunternehmen gewesen sei, noch hätten sie die genauen Flugzeiten und Daten des Ersatzfluges mitgeteilt.

Ein Anspruch auf Erstattung der nutzlos aufgewendeten Hotelkosten i.H.v. 169 € scheide aus, weil infolge der von der Beklagten erklärten Anrechnung der Ausgleichsleistungen auf den Schadensersatzanspruch dieser vollständig untergegangen sei.

Mit der am 2.9.2019 eingelegten und innerhalb der bis zum 2.11.2019 (einem Samstag) verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 4.11.2019 begründeten Berufung verfolgen die Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf Ausgleichsleistungen wegen der Annullierung des Rückfluges und auf Erstattung der Übernachtungskosten weiter.

In der Berufungsinstanz haben die Kläger – unbestritten – vorgetragen, dass die Ersatzflüge für den Rückflug ebenfalls von der Beklagten durchgeführt worden seien. Auf Betreiben der Kläger hätte die Beklagte die Kläger „innerhalb der Airline“ auf einen anderen Flug „umgebucht“. Dass dieser Ersatzflug verspätet gewesen sei, wird nicht vorgetragen. Es wird lediglich behauptet, der Ersatzflug von Curacao über Amsterdam nach Frankfurt „hätte im Vergleich zum ursprünglich gebuchten Flug am Ende 5,25 Std. Verspätung“ gehabt.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Amtsgericht Ausgleichsansprüche wegen des annullierten Rückfluges gem. Art. 5, 7 der Fluggastrechteverordnung als ausgeschlossen angesehen, da die Beklagte die Kläger gemäß Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung über die Annullierung mehr als 2 Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet habe. Unstreitig wurden die Kläger mit E-Mail vom 15.5.2018, d.h. 16 Tage vor dem geplanten Rückflug am 31.5.2018, von der Annullierung in Kenntnis gesetzt.

Aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Vorschrift setzt der Ausschluss des Anspruchs nicht voraus, dass zeitgleich mit der Information über die Annullierung ein Ersatzflug angeboten wird. Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung lautet:

„Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 eingeräumt, es sei denn, sie werden über die Annullierung mindestens 2 Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet“. Ein zusätzliches Erfordernis wird nicht verlangt.

Dafür spricht auch die systematische Auslegung. Für den Fall, dass über die Annullierung weniger als 2 Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet wird, verlangen Art. 5 Abs. 1 c) ii) und iii) der Fluggastrechteverordnung, dass der Fluggast zusätzlich ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhält.

Dies entspricht auch der ratio der Verordnung. Für den Fall, dass der Fluggast zumindest 2 Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung unterrichtet wird, geht der Verordnungsgeber davon aus, dass die Vorlaufzeit ausreichend ist, dass der Fluggast sich eigenverantwortlich um einen Ersatzflug kümmern kann, sei es, dass er seinen Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen auf eine anderweitige Beförderung zum Endziel gemäß Art. 8 Abs. 1 b), c) der Fluggastrechteverordnung verfolgt, oder dass er sich bei einem anderen Luftverkehrsunternehmen um einen Ersatzflug bemüht.

Aufgrund des klaren Wortlautes kann entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht von einer planmäßigen Regelungslücke ausgegangen werden, so dass eine analoge Anwendung der Voraussetzungen der Fälle ii) und iii) auf den Fall des Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung nicht in Betracht kommt. An einer Regelungslücke fehlt es des Weiteren aufgrund der Tatsache, dass der Fluggast nicht schutzlos gestellt ist, da ihm gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf anderweitige Beförderung gem. Art. 8 Abs. 1 b), c) der Fluggastrechteverordnung bzw. im Falle der Verweigerung ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist es auch unbeachtlich, dass die Information über die Annullierung erst auf Nachfrage seitens der Kläger erfolgte. Nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung ist alleine entscheidend, ob der betroffene Fluggast mindestens zwei Woche vor der planmäßigen Abflugzeit von der Annullierung unterrichtet worden ist oder nicht. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob diese Mitteilung eigeninitiativ seitens des Luftfahrtunternehmens oder erst auf Nachfrage seitens des Fluggastes erfolgt ist.

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Zutreffend hat das Amtsgericht auch befunden, dass für die Frage der Berechnung der Vorlaufzeit der Unterrichtung über die Annullierung ausschließlich auf den konkret annullierten Flug abzustellen sei, vorliegend auf den annullierten Rückflug, und nicht auch auf einen gemeinsam gebuchten Hinflug.

Ausgleichsansprüche wegen annullierten Rückfluges/Verspätung Ersatzflug
(Symbolfoto: Von NicoElNino/Shutterstock.com)

Der Begriff des „Fluges“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung ist dahingehend auszulegen, dass es sich dabei um einen tatsächlichen Luftbeförderungsvorgang handelt, der eine Einheit einer Beförderung von einem Start- zu einem Endpunkt darstellt. Nicht dagegen können mehrere aufeinanderfolgende Beförderungen zu einem einzigen Flug zusammengefasst werden, etwa ein Hin- und ein Rückflug, auch wenn diese in Form eines einzigen Vertrages gemeinsam gebucht wurden (vgl. EuGH, Urteil 10.7.2008, Az. C-173/07, NJW 08, 2697). Wenn Hin- und Rückflug zu einem einzigen einheitlichen Flug zusammengefasst würden, führte dies im Übrigen zu einer nicht sachgerechten Verkürzung der Rechte der Fluggäste. Im Falle der Annullierung sowohl des Hin- als auch des Rückfluges (so wie vorliegend) würde der Fluggast nur einmal eine Entschädigung erhalten.

Mithin ist vorliegend der Hinflug am 19.5.2018 gegenüber dem streitgegenständlichen Rückflug am 31.5.2018 ein eigenständiger Flug, so dass für die Berechnung der Ausschlussfrist nach Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung nicht auf den Hinflug abzustellen ist. Eine andere Auslegung wäre auch sinnwidrig. Nach der ratio von Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung soll eine Vorlaufzeit von zumindest 2 Wochen für den Fluggast ausreichend sein, um sich selbst um einen Ersatzflug zu bemühen. Welche Zeit letztlich zwischen der Mitteilung der Annullierung des Rückfluges und des planmäßigen Abflugs des Hinfluges lag, ist insoweit unerheblich. Ausgleichsansprüche wegen des annullierten Hinfluges sind nicht streitgegenständlich und wurden bereits vorgerichtlich reguliert.

Ebenso wenig kommt es darauf an, wo sich der Fluggast im Zeitpunkt der Mitteilung über die Annullierung befindet. Dass es für einen Fluggast während des Urlaubes mitunter schwierigen ist, sich um eine Ersatzbeförderung zu kümmern, hat keinen Einfluss auf den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs. Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung stellt ausschließlich auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung ab und differenziert nicht nach dem Aufenthaltsort des Fluggastes.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann die in Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung normierte Zweiwochenfrist auch nicht „nach Treu und Glauben im Einzelfall angemessen verlängert werden“. Wegen des klaren Wortlautes ist keine Ausnahme möglich.

Zutreffend hat es das Amtsgericht auch dahinstehen lassen, ob die Beklagte gegen ihre Pflicht gemäß Art. 5 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung verstoßen hat.

Insoweit ist bereits fraglich, ob die Pflicht gemäß Art. 5 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung, wonach die von einer Annullierung betroffenen Fluggäste „Angaben zu einer möglichen anderweitigen Beförderung“ erhalten sollen, „wenn die Fluggäste über die Annullierung unterrichtet werden“, nicht nur die – vorliegend nicht einschlägigen – Fälle des Art. 5 Abs. 1 c) ii) und iii) der Fluggastrechteverordnung betrifft, wonach der Anspruch auf Ausgleichsleistung nur dann ausgeschlossen ist, wenn die betroffenen Fluggäste zusätzlich zu der Unterrichtung über die Annullierung ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhalten müssen, sondern auch den vorliegenden Fall, dass die Mitteilung über die Annullierung alleine zum Anspruchsausschluss führt, allerdings der von der Annullierung betroffene Fluggast gemäß Art. 5 Abs. 1 a), 8 Abs. 1 b), c) der Fluggastrechteverordnung dennoch (auch ohne ein mit der Information über die Annullierung zeitgleich erfolgtes Angebot) einen Anspruch auf anderweitige Beförderung hat. Aufgrund der systematischen Stellung spricht allerdings vieles dafür, dass die in Art. 5 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung normierte Pflicht nur die Fälle des Art. 5 Abs. 1 c) ii) und iii) der Fluggastrechteverordnung betrifft, und nicht den vorliegend einschlägigen Fall des Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung.

Darüber hinaus würde selbst für den Fall, dass Art. 5 Abs. 2 auch auf den vorliegenden Fall des Art. 5 Abs. 1 c) i) der Fluggastrechteverordnung anwendbar wäre, eine Verletzung der Pflicht, mit der Unterrichtung über die Annullierung zeitgleich eine Ersatzbeförderung anzubieten, nicht einen Ausgleichsanspruch nach sich ziehen.

Die Fälle, in denen eine Pflichtverletzung zu einem Ausgleichsanspruch führt, sind in der Fluggastrechteverordnung ausdrücklich und abschließend geregelt, nämlich die Fälle der Annullierung (Art. 5, 7) sowie der Nichtbeförderung (Art. 4, 7 der Fluggastrechteverordnung). Weder in Art. 5 Abs. 2 noch in Art. 8 der Fluggastrechteverordnung wird normiert, dass die Verletzung der Pflicht, eine Ersatzbeförderung anzubieten, einen Ausgleichsanspruch begründet. Bei dem Anspruch auf anderweitige Beförderung zum Endziel handelt es sich um eine Unterstützungsleistung gemäß Art. 8 der Verordnung. Werden Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 der Fluggastrechteverordnung nicht erbracht, hat der Fluggast einen Anspruch auf Ersatz der Selbstabhilfekosten (vgl. EuGH, Urteil 31.1.13, Az. C-12/11, NJW 13, 921). Dieser Schadensersatzanspruch ist nach allgemeiner Meinung auch auf die Verweigerung der Unterstützungsleistungen nach Art. 8 der Fluggastrechteverordnung zu übertragen, so dass im Falle der Verweigerung bzw. des Nichtangebots eines Ersatzfluges der betroffene Fluggast bei einem anderen Luftverkehrsunternehmen einen Ersatzflug buchen und seine Kosten als Schadensersatz erstattet verlangen kann (vgl. Führich, Reiserecht, 7. Aufl. § 42, Rn. 13). Die Möglichkeit der Erstattung eines konkreten, bezifferten Schadens steht einem Anspruch auf einen pauschalen Aufwendungsersatz im Sinne des Ausgleichsanspruchs gemäß Art. 7 der Fluggastrechteverordnung entgegen. Darüber hinaus gewährt die Verordnung nur Mindestrechte, die weitergehende Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht nicht ausschließen, Art. 12 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung.

Ebenso wenig kann den Klägern wegen der Verletzung der Pflicht, mit der Unterrichtung über die Annullierung zeitgleich eine Ersatzbeförderung anzubieten, in analoger Anwendung von Art. 7 der Fluggastrechteverordnung ein Ausgleichsanspruch zugesprochen werden. Die Voraussetzungen für eine Analogie, nämliche eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage, sind nicht erfüllt. Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Art. 7 der Fluggastrechteverordnung, wonach Fluggästen nur dann ein Ausgleichsanspruch zusteht, wenn „auf diesen Artikel Bezug genommen wird“, d.h. für den Fall der Annullierung und der Beförderungsverweigerung, und aufgrund der Tatsache, dass die Verordnung nur Mindestrechte gewährt, ist keine planwidrige Regelungslücke erkennbar.

Im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht auch entschieden, dass wegen einer etwaigen Verspätung des Ersatz-Rückfluges keine Ausgleichsansprüche bestehen.

Die Art. 5, 6 und 7 der VO sind dahingehend auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können. Sie können ebenfalls den in Art. 7 der VO vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, d.h. wenn sie ihr Ziel nicht früher als 3 Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunft erreichen (EuGH, Urt. 19.11.2009, Az. C-402/07).

Vorliegend kann dahinstehen, ob wegen der Verspätung eines für einen annullierten Flug gemäß Art. 8 Abs. 1 b), c) der Fluggastrechteverordnung angebotenen Ersatzfluges überhaupt ein – zusätzlicher – Ausgleichsanspruch bestehen kann, insbesondere, ob der von einem annullierten Flug betroffene Fluggast über eine bestätigte Buchung auch für den Ersatzflug im Sinne des Art. 3 Abs. 2 a) der Fluggastrechteverordnung verfügt, und ob der Fluggast nicht „kostenlos“ auf dem Ersatzflug befördert wird, was die Nichtanwendbarkeit der Verordnung zur Folge hätte, Art. 3 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung.

Selbst wenn man annehmen würde, dass dem Fluggast dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch für den Fall eines um mehr als 3 Stunden verspäteten Ersatzfluges zustehen kann, wären diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt.

Die vom EuGH geforderten Anspruchsvoraussetzung, dass die Fluggäste „wegen eines verspäteten Fluges“ ihr Ziel nicht früher als 3 Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreichen (EuGH, Urt. 19.11.2009, Az. C-402/07), liegt nicht vor. Keiner der in Betracht kommenden Flüge war verspätet. Der ursprünglich gebuchte Flug wurde annulliert, und der Ersatzflug war ersichtlich nicht verspätet. Auch in der Berufungsinstanz haben die Kläger nicht vorgetragen, dass der Ersatzflug gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit um mehr als 3 Stunden verspätet am Endziel in Frankfurt angekommen sei. Vielmehr haben sie lediglich vorgetragen, dass die Ankunft in Frankfurt gegenüber der planmäßigen Ankunft des annullierten Fluges um mehr als 5 Stunden verspätet gewesen sei. Aufgrund des Vergleiches der planmäßigen Ankunftszeit des annullierten Fluges in Frankfurt am 1.6.2018 um 13:35 Uhr und der planmäßigen Ankunftszeit des Ersatzfluges am 1.6.2018 um 18:40 Uhr ergibt sich, dass der Ersatzflug gegenüber der planmäßigen Ankunft – wenn überhaupt – nur geringfügig, in keinem Fall jedoch um mehr als 3 Stunden, verspätet gewesen sein kann. Anders als vom EuGH gefordert, haben die Kläger nicht wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erlitten, sondern wegen der Annullierung des ursprünglich gebuchten Rückfluges. Es liegt auf der Hand, dass für die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch wegen der Verspätung eines Ersatzfluges besteht, d.h. für die Berechnung der Ankunftsverspätung, nicht auf die planmäßige Ankunftszeit des annullierten Fluges, sondern auf die planmäßige Ankunftszeit des Ersatzfluges, abzustellen ist. Bei dem Ersatzflug handelt es sich auch nicht um den verspätet durchgeführten ursprünglich gebuchten Flug, sondern um einen gänzlich anderen Flug mit anderer Flugnummer. Wenn der Fluggast infolge einer Annullierung nicht planmäßig am Endziel angekommen ist – wie vorliegend -, kann wegen der Annullierung ein Ausgleichsanspruch gem. Art. 5, 7 der Fluggastrechteverordnung bestehen. Der gemäß Art. 8 Abs. 1 b) der Fluggastrechteverordnung geschuldete Ersatzflug muss dagegen den Fluggast nicht zu den gleichen Zeiten befördern wie der annullierte Flug, sondern nur zum „frühest möglichen Zeitpunkt“. Dass ein von einer Annullierung betroffener Fluggast, der letztlich mit einem Ersatzflug befördert wird, in der Regel nicht zu der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges sein Endziel erreicht, liegt auf der Hand.

Schließlich hat das Amtsgericht zutreffend befunden, dass ein etwaiger Anspruch auf Erstattung der nutzlos aufgewendeten Hotelkosten für die erste Nacht in Curacau wegen der verspäteten Ankunft des Hinfluges i.H.v. 169 € infolge der von der Beklagten erklärten Anrechnung der für den Hinflug gewährten Ausgleichsleistungen untergegangen sei, Art. 12 der Fluggastrechteverordnung.

Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung können auf Ersatzansprüche wegen nutzlos gewordener Aufwendungen, die durch die verspätete Ankunft am Reiseziel entstanden sind, angerechnet werden, wenn die Ersatzansprüche – ebenso wie der Ausgleichsanspruch – auf einer Annullierung bzw. großen Ankunftsverspätung des betroffenen Fluges beruht, und damit dem Ausgleich derselben durch die Annullierung bzw. verspätete Ankunft entstandenen Schäden dient. Die Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung dient nicht nur dem pauschalierten Ersatz immaterieller Schäden in Form von Unannehmlichkeiten, sondern soll dem Fluggast auch ermöglichen, Ersatz seiner materiellen Schäden zu erlangen (vgl. BGH, Urteil 6.8.2019, Az. X ZR 165/18, MDR 19, 1437).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die nutzlos aufgewandten Hotelkosten beruhten auf der annullierungsbedingt verspäteten Ankunft am Reiseziel in Curacau. Da der Ausgleichsanspruch auch dem Ersatz von materiellen Schäden dient, ist der streitgegenständliche Vermögensschaden auch vom Schutzzweck des Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung erfasst, so dass letzterer auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 und 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

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