AG Hamburg – Az.: 22a C 296/17 – Urteil vom 12.07.2018
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.250,– € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 11.12.2017 zuzahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung, also der EGVO 261/04.
Über das Unternehmen … hat der Kläger eine Flugreise von Hamburg nach Krakau und zurück gebucht und zwar für sich und 8 weitere Personen. Das Unternehmen … hat dem Kläger gemäß Anlage K 1 die Hin- und Rückflüge bestätigt und zwar die Hinflüge für den 14.07.2017 und die Rückflüge für Sonntag, den 16.07.2017 (BI. 6 d. A.; im Folgenden werden nur noch die Blattzahlen als solche benannt). Die Beklagte hatte in ihrem System die Rückflüge nicht für den 16.07.2017 reserviert, sondern eine Buchung für 9 Fluggäste für den 16.06.2017 getätigt. Als der Kläger am 16.07.2017 mit seinen 8 Mitreisenden am Gate einchecken wollte, wurde ihnen der Einstieg verweigert mit der Begründung, dass das Flugzeug voll sei und sie auf diesen Flug nicht gebucht seien.
Der Kläger beruft sich auf den gemäß K 1 für den 16.07.2017 bestätigten Rückflug von Krakau nach Hamburg und macht im Hinblick auf die verweigerte Luftbeförderung einen Ausgleichsanspruch für sich und die übrigen 8 Reisenden geltend. Die persönlichen Ansprüche der übrigen 8 Reisenden wurden an den Kläger abgetreten.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf die von seinem Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag von 2.250,00 € an den Kläger nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wendet ein, dass bei ihr keine Flüge für den 16.07.2017 gebucht worden seien, sondern lediglich für den 16.06.2017. Auf eine Bestätigung eines etwaigen Dritten käme es nicht an. Die Fluggastrechteverordnung nenne unmissverständlich eine Buchungsbestätigung und eine solche habe es für den 16.06.2017 gegeben. Die Bestätigung der Beklagten an … müsse sich der Kläger zurechnen lassen, genauso wie die vermeintlich falsche Bestätigung seines Reisevermittlers an ihn. Das Übertragungsrisiko liege nach allgemeinen Stellvertretungsregeln bei demjenigen, der sich der Stellvertretung bediene. Das Übermittlungsrisiko trage der Fluggast.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die von ihren Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der geltend gemachte Ausgleichsanspruch gem. Art. 4 III, Art. 7 I a) EG/VO 261/04 steht dem Kläger zu.
Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Gründen:
1. Anspruch des Klägers auf 2.250,- Euro gem. Art. 4 III, 7 I a) EG/VO 261/04
Der Kläger begehrt einen Ausgleichsanspruch gem. Art. 4 III, 7 I a) EG/VO 261/04 im Hinblick auf eine gegen den Willen von Gästen eines gebuchten Fluges erfolgte Verweigerung der Beförderung. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Anspruchsteller einen entsprechenden Flug auch gebucht hatten und sie über eine bestätigte Buchung für den Flug verfügten (Art. 2 II EG/VO 261/04) und dass ihnen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert wurde. Seine Höhe ergibt sich aus Art. 7 I EG/VO. Im Übrigen ist der Ausgleichsanspruch ein höchstpersönlicher Anspruch, der nur den jeweiligen Reisenden zusteht.
1.1. Bestätigte Buchung für den Flug
Der Kläger hat unter Bezugnahme auf K 1 eine bestätigte Buchung schlüssig dargetan.
Soweit die Beklagte eine bestätigte Buchung für die 9 Reisenden dieses Verfahrens bestreitet, wird dies durch K 1 widerlegt. K 1 weist eine Buchung für die 9 Personen unter dem Buchungscode ERVSJNX für den Easyjetflug U2 23498 vom 16. Juli bei planmäßigem Abflug um 20.45 in Krakau aus. Es sich nämlich so, dass eine bestätigte Buchung für einen Flug im Sinne des Art. 3 II a) EG/VO 261/04 nicht erst dann vorliegt, wenn ein Fluggast eine bestätigte Buchung von Seiten des Flugunternehmens hatte, sondern bereits dann, wenn er über eine Buchungsbestätigung des Reiseunternehmens oder Flugvermittlers verfügt. Dies ergibt sich bereits aus der Legaldefinition des Art. 2 g EG/VO 261/04, in der es heißt, dass eine Buchung ein Beleg sei, aus dem hervorgehe, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder (Hervorhebung durch das Gericht) Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde (Vgl. auch BGH NJW 2015, 2181; BGH X ZR 138/15; Schmid, BeckOK Fluggastrechteverordnung, 6. Edition, Rz. 29; Führich, Reiserecht, 5. Auflage, Rz. 1014), wie auch vom Kläger mit Schriftsatz vom 15.2.18 zu Recht geltend gemacht. Wenn aber nach der Rechtsprechung des BGH eine Buchungsbestätigung des Vermittlers den Anforderungen des Art. 3 II a), Art. 2 g EG/VO genügt, dann trägt das Risiko einer unterlassenen Ausführung der bestätigten Buchung durch den Vermittler, das Flugunternehmen und nicht der Fluggast. Eine solche Risikoverteilung bestätigt auch die Entscheidung des EuGH vom 11.5.17 (C-302/16), in der der EuGH die Ausgleichshaftung des Flugunternehmens aufrecht hält, obwohl es selbst rechtzeitig den Vermittler über eine Annullierung unterrichtet hatte, so dass ein Anspruch hätte entfallen können, dieser diese Unterrichtung aber nicht rechtzeitig an den Kunden weiter geleitet hat. Dem Flugunternehmen bleibt in solchen Fällen lediglich ein Regress aus dem Vermittlungsvertrag gegenüber dem Vermittler. Fehlverhalten des Flugunternehmens ist damit im Kontext derartiger Fälle keine Voraussetzung des Ausgleichsanspruches.
Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.3.18 nach wie vor, trotz des Hinweises in der mündlichen Verhandlung auf K 1, bestreitet, dass es eine Buchungsbestätigung für den 16.07.17 gegeben habe, trägt sie dem unstreitig vorliegenden Sachverhalt nicht hinreichend Rechnung. K 1 liegt vor, K 1 enthält eine Bestätigung eines Rückfluges für den 16. Juli, K 1 ist eine Bestätigung von …‚ dem Vermittler der Flüge, und damit gibt es eine Buchungsbestätigung für den 16.7.17, die sich die Beklagte zurechnen lassen muss.
Die Beklagte kann K 1 auch nicht mit Nichtwissen bestreiten, denn sie kann sich K 1 ansehen. Sie könnte lediglich die Echtheit der Urkunde in Frage stellen, was sie aber nicht getan hat.
Die bislang fehlende Aktivlegitimation für die übrigen acht Passagiere hat der Kläger mit den mit K 3 belegten Abtretungen nunmehr hergestellt.
Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.4.18 wiederholt, dass bei ihr „unstreitig keine Buchung des Klägers und der Zedenten vorliege, trägt sie den mit Beschluss vom 9.4.18 nicht Rechnung, ebenso wenig mit, der These, dass es auf eine Bestätigung eines etwaigen Dritten nicht ankäme. Der Beklagte steht es zwar frei, der zitierten Legaldefinition des Art. 2 g EG/VO 261/04 nicht Rechnung zu tragen und die zitierte Rechtsprechung des BGH und EuGH für falsch zu halten, das Gericht jedoch wendet die Legaldefinition an und folgt der zitierten Rechtsprechung von BGH und EuGH. Soweit die Beklagte meint, es sei hier relevant, dass die Legaldefinition vorn „Reiseunternehmen“ spreche und nicht vom Reisevermittler, überzeugt auch dies nicht. Soweit auch eine Buchungsbestätigung eines Reiseunternehmens nach der Verordnung genügt, steht dies zunächst der These der Beklagten entgegen, dass allein eine von ihr ausgestellte Buchungsbestätigung relevant sei. Die Verordnung lässt auch die von einem Dritten ausgestellte Buchungsbestätigung genügen, und zwar die vom Reiseunternehmen. Ob das Reiseunternehmen nun den Flug nur vermittelt oder aber auf eigenes Risiko veranstaltet hat, ist eine Differenzierung, auf die es nach dem Sinn und Zweck der Regelung offenkundig nicht ankommt. Maßgeblich ist allein, dass der Kunde über eine von einem Reiseunternehmen ausgestellte Buchungsbestätigung verfügt, die für die Fliegenden und den Flug die entsprechenden Daten individualisiert. Auf die Frage, ob das Flugunternehmen es selbst in irgendeiner Weise zu verantworten hätte, dass in ihrem System keine Buchung vorgenommen wurde, kommt es nach der Regelung der Verordnung nicht an. Auch ein Pauschalreiseunternehmen, dass den Flug in eigenem Namen veräußert hat, könnte es unterlassen haben, die Buchung an das ausführende Flugunternehmen weiter zu leiten und der Verordnung würde es dennoch für einen Anspruch des Reisenden gegen das ausführende Flugunternehmen genügen, dass der Reisende über eine Bestätigung des Reiseunternehmens verfügt und nicht auch über eine Bestätigung des ausführenden Flugunternehmens. Dementsprechend hat auch der BGH nur darauf abgestellt, dass die Bestätigung eine individuellen Flug für individuelle Personen bestätigt: „Der Abschluss eines eine Luftbeförderung umfassenden Reisevertrags kann nicht ohne weiteres als ein solcher Beleg angesehen werden. Dem steht schon entgegen, dass der Reisevertrag nicht notwendigerweise die Festlegung auf einen bestimmten Flug im Sinne der Fluggastrechteverordnung enthalten muss. Da die Regelung in Art. 2 Buchst. g FluggastrechteVO ausdrücklich auch eine von dem Reiseveranstalter akzeptierte und registrierte Buchung erfasst, kann aber auch nicht angenommen werden, dass der Buchungsbeleg stets vom Luftverkehrsunternehmen stammen noch auch nur gegenüber dem Reisenden und Fluggast notwendig den Anschein erwecken muss, vom Luftverkehrsunternehmen zu stammen. Im Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 2 Buchst a FluggastrechteVO enthaltene zusätzliche Erfordernis der Bestätigung der Buchung wird es vielmehr genügen, dass dem Fluggast vom Reiseveranstalter ein Beleg überlassen worden ist, aus dem sich verbindlich die vorgesehene Luftbeförderung mit einem bestimmten, typischerweise durch Flugnummer und Uhrzeit individualisierten, Flug ergibt.“ (BGH NJW 2015, 2181). Diese Anforderungen erfüllt die Bestätigung des Reiseunternehmens … aus K 1. Der Umstand, dass … die Flüge vermittelt hat und nicht in eigener Regie veranstaltet hat, ist offenkundig kein Kriterium der Verordnung und der Rechtsprechung des BGH. Auch die zitierte EuGH-Entscheidung, die auf die Informationsabläufe zwischen dem Kunden und dem Reisevermittler abstellt und einen Anspruch gegenüber der Fluggesellschaft nicht, deswegen entfallen lässt, weil die Fluggesellschaft die Erfüllung des Tatbestandes der Verordnung nicht zu vertreten hatte, bestätigt diese Auslegung der Norm. In dem Fall, der der Entscheidung des EuGH zugrunde lag, ging es um einen Online-Vermittler von Flügen, ebenso wie hier, im Falle der Vermittlung durch … Nach alledem genügte, die vom Online-Reisevermittler … mit K 1 ausgestellte individuelle, auf konkrete Personen und konkrete Flüge ausgestellte Buchungsbestätigung als Buchungsbestätigung im Sinne des Art. 2 II EG/VO 261/04.
1.2. Gegen den Willen verweigerte Beförderung
Der Kläger hat auch schlüssig dargetan, ohne dass die Beklagte dies streitig gestellt hätte, dass ihm und den anderen 8 Flugreisenden die Beförderung gegen ihren Willen von Krakau nach Hamburg auf dem gebuchten und mit K 1 bestätigtem Flug Easyjet U2 234498 verweigert wurde.
1.3. Höhe des Anspruches
Der Höhe nach ergibt sich der Ausgleichsanspruch aus Art. 7 I a) EG/VO. Gem. Art. 7 1 a) haben die Fluggäste einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 250 Euro, wenn es sich um eine Flug mit einer Entfernung bis zu 1.500 km handelte. Das ist hier bei einem Flug von Krakau nach Hamburg der Fall.
1.4. Inhaber des Anspruches
Eine Anspruchsinhaberschaft hat der Kläger zwar zunächst nur schlüssig dargetan, für den ihn betreffenden Flug, nicht für die übrigen 8 Ansprüche, was er jedoch sodann durch die vorgetragene und unstreitig gebliebene Abtretung der Ansprüche der übrigen 8 Fluggäste geheilt hat.
2. Anspruch auf Verzugszinsen ab 22.8.17
Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 286, 288 I BGB. Verzug ist allerdings nicht ab dem 22.8.17 schlüssig begründet, sondern erst ab Rechtshängigkeit. In Verzug geraten ist die Beklagte noch nicht durch den Ablauf der in der Forderung aus K 3 gesetzten Zahlungsfrist, also dem 21.8.17. Die Übersendung einer Rechnung, die eine Zahlungsfrist enthält, füllt keine gleichzeitige Mahnung aus (BGH NJW 2008, 50). Das Forderungsschreiben aus K 3 entspricht einer Rechnung. Verzugszinsen stehen der Klägerin damit erst ab Rechtshängigkeit zu (§ 286 I S. 2 BGB).
3. Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.