Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen – Az.: 13 B 785/20.NE – Beschluss vom 07.08.2020
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin bietet unter anderem Tages- und Businessreisen in Omni- und Kleinbussen an. Sie begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung der in der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 1. Juli 2020 (GV. NRW. S. 456a), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. Juli 2020 (GV. NRW. S. 698), angeordneten Hygiene- und Infektionsschutzstandards für Fahrten in Reisebussen.
§ 15 CoronaSchVO lautet auszugsweise wie folgt:
(4) Reisebusreisen und sonstige Gruppenreisen mit Bussen sind unter Beachtung der in der Anlage zu dieser Verordnung festgelegten Hygiene- und Infektionsschutzstandards zulässig.
(5) In den Schulsommerferien 2020 sind Tagesausflüge, Ferienfreizeiten, Stadtranderholungen und Ferienreisen für Kinder und Jugendliche unter Beachtung der in der Anlage zu dieser Verordnung festgelegten Hygiene- und Infektionsschutzstandards zulässig. In Bezug auf die Unterbringung sind zusätzlich die Maßgaben nach Absatz 3 sowie in Bezug auf die Durchführung von Reisen und Transfers mit (Klein-) Bussen die Maßgaben nach Absatz 4 zu beachten.
In der Anlage „Hygiene- und Infektionsschutzstandards“ zur Coronaschutzverordnung sind unter Ziffer IX ergänzend folgende Regelungen niedergelegt:
1. Fahrgäste, die bei Beginn der Beförderung Symptome einer Atemwegserkrankung aufweisen, müssen von der Beförderung ausgeschlossen werden.
2. Treten die Symptome bei einem Fahrgast während der Beförderung auf, ist der betroffene Fahrgast von anderen Personen abzusondern. Der Betroffene muss sobald wie möglich die Busreise abbrechen. Insbesondere muss jeglicher Kontakt zu anderen Personen vermieden werden und ein Mindestabstand von 1,50 m gewahrt werden.
3. Fahr- und Betriebspersonal mit Symptomen einer Atemwegserkrankung darf nicht für Beförderungen eingesetzt werden.
4. Fahrgäste müssen sich vor jedem Betreten des Busses die Hände waschen oder desinfizieren. Das Busunternehmen hat Desinfektionsmittel (mind. „begrenzt viruzid“) zur Verfügung zu stellen. Auf nicht kontaktfreie Begrüßungsrituale (Händeschütteln etc.) ist zu verzichten. Zu- und Ausstieg müssen so geregelt werden, dass der Abstand von mind. 1,5 m eingehalten wird.
5. Die Fahrgäste werden vor Reiseantritt über die geltenden Infektionsschutzmaßnahmen informiert.
6. Soweit die Kontaktdaten der Fahrgäste dem Busunternehmen nicht bereits bekannt sind, sind diese Kontaktdaten sowie die Zeiträume der Beförderung unter Einholen des Einverständnisses nach § 2a Absatz 1 der CoronaSchVO zu erheben. Jedem Fahrgast ist durch das Busunternehmen für die gesamte Dauer der Beförderung, die erst mit dem Erreichen des Fahrtziels endet, ein bestimmter Sitzplatz zuzuweisen. Der Fahrgast darf nur denjenigen Sitzplatz einnehmen, der ihm durch das Busunternehmen zugewiesen worden ist. Ein Besetzungsplan ist im Fahrzeug mitzuführen und nach der Fahrt zusammen mit den Kontaktdaten aufzubewahren.
7. Während der Beförderung ist zwischen Personen, einschließlich des Fahr- und Betriebspersonals, grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m einzuhalten. Kann der Mindestabstand von 1,5 m wegen des Besetzungsgrades des Fahrzeugs mit Fahrgästen – auch nach Maßgabe von Ziffer 8 – nicht eingehalten werden, gilt Ziffer 11.
8. Bei der Besetzung von Sitzplätzen durch das Busunternehmen darf der Mindestabstand von 1,5 m unterschritten werden, wenn die betreffenden Sitzplätze durch eine Gruppe besetzt werden, die aus Personen besteht, die gem. § 1 Absatz 2 CoronaSchVO von Kontaktverboten im öffentlichen Raum ausgenommen sind. Zu Sitzplätzen (einschließlich des Fahrerplatzes) von Personen außerhalb einer solchen Gruppe oder anderen Gruppen ist ein Mindestabstand von 1,5 m jedoch einzuhalten.
9. Die Fahrgäste sind verpflichtet, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen
a. beim Zustieg in das Fahrzeug
b. beim Verlassen des Fahrzeugs
c. beim kurzzeitigen Verlassen des Sitzplatzes gem. § 21a Abs. 1 Nr. 6 StVO.
10. Mitglieder des Fahr- und Betriebspersonals sind verpflichtet, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen
a. während des Zustiegs und Ausstiegs der Fahrgäste
b. wenn sie sich im besetzten Fahrzeug bewegen.
11. Fahrgäste und Mitglieder des Fahr- und Betriebspersonal sind verpflichtet, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen während des gesamten Aufenthalts im Omnibus, wenn im Einzelfall während der Beförderung aufgrund der Besetzung der Sitzplätze der Mindestabstand von 1,5 m zwischen Sitzplätzen (einschließlich des Fahrerplatzes) nach Maßgabe von Ziffer 8 nicht im gesamten Fahrzeug eingehalten werden kann. Abweichend von Satz 1 muss auf dem Fahrerplatz keine Mund-Nase-Bedeckung getragen werden, wenn gleichwirksame Schutzmaßnahmen ergriffen worden sind (z. B. Abtrennung des Fahrerplatzes von Einstieg und Fahrgastraum durch Glas, Plexiglas).
12. Auf die Verpflichtungen gemäß den vorstehenden Regelungen weist das Busunternehmen die Fahrgäste vor Antritt der Fahrt sowie über eine Durchsage zu Beginn der Fahrt hin.
13. Bordtoiletten bleiben außer Betrieb.
14. Im Bus dürfen durch das Betriebspersonal nur verpackte Speisen ausgegeben werden. Beim Ausgeben von Getränken und Speisen muss das Betriebspersonal Einweghandschuhe und Mund-Nase-Bedeckung tragen.
15. Reisegepäck wird ausschließlich vom Fahr-und Betriebspersonal in den Gepäckraum ver- und entladen.
16. Nach Abschluss jeder Beförderung werden durch das Fahr- und Betriebspersonal Kontaktstellen wie z. B. Haltegriffe, Armlehnen und Klapptische desinfiziert oder mit einem fettlösenden Haushaltsreiniger gereinigt. Die Reinigungsmaßnahmen für den gesamten Bus einschließlich Handkontaktflächen werden in einem Reinigungsplan festgelegt. Die regelmäßige Reinigung und Wartung der Lüftungsanlagen muss sichergestellt werden.
17. Personen, die nicht zur Einhaltung der vorstehenden Regeln bereit sind, sind von der Beförderung auszuschließen.
Die Antragstellerin hat am 26. Mai 2020 einen Normenkontrollantrag gestellt (13 D 92/20.NE) und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Die in der Anlage zur CoronaSchVO niedergelegten Hygiene- und Infektionsschutzstandards seien unverhältnismäßig, die meisten Maßnahmen seien nicht erforderlich. So habe beispielsweise ein Desinfektionsmittel mit dem Wirkungsbereich „mindestens begrenzt viruzid“ keinen Effekt und sei die Erhebung von Kundenkontaktdaten überflüssig, weil nicht überprüft werden könne, ob die Daten korrekt seien. Überdies werde dem Fahrpersonal mit der Pflicht zur Kontrolle des Gesundheitszustands der Fahrgäste eine sachfremde Aufgabe auferlegt, für die es nicht ausgebildet sei. Die Maßnahmen verstießen zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da solche Vorgaben nicht für den Zug- und Flugverkehr, die Schülerbeförderung sowie den öffentlichen Personennahverkehr angeordnet worden seien.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, im Wege der einstweiligen Anordnung § 15 Abs. 4 und 5 Satz 2 Var. 2 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer IX der Anlage zur CoronaSchVO bis zu einer Entscheidung über ihren Normenkontrollantrag auszusetzen.
Der Antragsgegner verteidigt die angegriffenen Regelungen und beantragt, den Antrag abzulehnen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der sich die Antragstellerin bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens gegen die Hygiene- und Infektionsschutzstandards bei Fahrten in (Klein-)Bussen wendet, hat keinen Erfolg. Der gemäß § 47 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet. Die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung ist nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten (§ 47 Abs. 6 VwGO). Der Normenkontrollantrag in der Hauptsache bleibt voraussichtlich ohne Erfolg, weil sich die Regelungen in § 15 Abs. 4 und 5 Satz 2 Var. 2 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer IX der Anlage zur CoronaSchVO bei einer wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen (1.). Auch unter Berücksichtigung etwaig verbleibender Unsicherheiten bei der rechtlichen Bewertung erscheint eine Außervollzugssetzung der streitgegenständlichen Normen nicht dringend geboten (2.).
Vgl. zu den Entscheidungsmaßstäben BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 6. April 2019 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 32, und vom 26. August 2019 – 4 B 1019/19.NE -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 – 2 MN 379/19 -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.
1. Rechtsgrundlage für § 15 Abs. 4 und 5 Satz 2 Var. 2 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer IX der Anlage zur CoronaSchVO ist § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020 (BGBl. I 587). Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können gemäß § 32 Satz 2 IfSG die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Satz 1 der Vorschrift durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG kann die zuständige Behörde insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach Satz 2 der Regelung kann die Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 unter anderem Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten.
Es steht nicht durchgreifend in Zweifel, dass die in Ziffer IX Nr. 2 der Anlage zur CoronaSchVO niedergelegte Pflicht zur „Absonderung“ von Fahrgästen, bei denen während der Beförderung Symptome einer Atemwegserkrankung auftreten, die auf einen COVID-19-Verdachtsfall schließen lassen, wie Fieber, Husten und Atemnot, auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel gestützt werden kann. Nach verständiger Würdigung der Gesamtregelung, in der darauf hingewiesen wird, dass insbesondere jeder Kontakt zu anderen Personen zu vermeiden und ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu wahren ist, geht der Senat trotz der verwendeten Begrifflichkeit nicht davon aus, dass es sich hierbei um eine Absonderung handelt, die auf § 30 IfSG zu stützen wäre. In der Sache handelt es sich nämlich, schon aufgrund der begrenzten Raumkapazität in einem (ggf. vollbesetzten) Bus, nicht um eine solche Isolierung, die von der zuständigen Behörde gegenüber Ansteckungsverdächtigen im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG angeordnet werden kann, sondern um einen speziellen Fall der Anordnung eines Abstandsgebots.
Vgl. zur Absonderung nach § 30 IfSG Senatsbeschlüsse vom 5. Juni 2020 – 13 B 776/20.NE -, juris, Rn. 32, und vom 13. Juli 2020 – 13 B 968/20.NE -, juris, Rn. 46.
a. Hinsichtlich der Verordnungsermächtigung des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG hat der Senat bereits mit Beschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 46, sowie vom 16. April 2020 – 13 B 452/20.NE -, juris, Rn. 33 ff., und – 13 B 471/20.NE -, juris, Rn. 34 ff., auf den er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, entschieden, dass sie hinsichtlich der Regelungen der Coronaschutzverordnung voraussichtlich den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt (juris, Rn. 37 ff.), etwaige verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes jedenfalls im vorliegenden Pandemiefall nicht durchgreifen (juris, Rn. 50 ff.) und ein Verstoß gegen das Zitiergebot voraussichtlich nicht vorliegt (juris, Rn. 62 ff.).
b. An der formellen Rechtmäßigkeit des § 15 Abs. 4 und 5 Satz 2 Var. 2 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer IX der Anlage zur CoronaSchVO bestehen keine Bedenken. Die für Fahrten in Reisebussen angeordneten Hygiene- und Infektionsschutzstandards dürften sich voraussichtlich auch als materiell rechtmäßig erweisen.
aa. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die durch Rechtsverordnung normierten streitgegenständlichen Regelungen nach § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG liegen voraussichtlich vor.
Für die Anordnung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen ist es nach § 28 Abs. 1 IfSG erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine übertragbare Krankheit aufgetreten ist, deren Weiterverbreitung verhindert werden soll. Das ist vorliegend der Fall, da in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen, eine Vielzahl von Infektionsfällen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 bestätigt wurden.
Vgl. Robert Koch-Institut, COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 6. August 2020, vgl. auch Dashboard der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zur Corona-Pandemie, abrufbar unter: https://www.giscloud.nrw.de/corona-dashboard. html.
Die in § 15 Abs. 4 und 5 Satz 2 Var. 2 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer IX der Anlage zur CoronaSchVO normierten Hygiene- und Infektionsschutzstandards, wonach die Antragstellerin im Wesentlichen verpflichtet ist,
– beim Auftreten eines COVID-19-Verdachtsfalls „Absonderungsmaßnahmen“ zu ergreifen und den Betroffenen von (der Fortsetzung) der Reise auszuschließen (Nr. 1 bis 3),
– zur Kontaktpersonennachverfolgung Kundendaten zu erheben (Nr. 6),
– Hygienemaßnahmen wie
– das Bereithalten von Desinfektionsmittel (Nr. 4 Satz 2),
– eine Sitzplatzzuweisung (Nr. 6 Satz 2 bis 4),
– die Außerbetriebsetzung der Bordtoiletten (Nr. 13),
– die Ausgabe von verpackten Speisen und Getränken durch das mit Einweghandschuhen und Mund-Nase-Bedeckung ausgestattete Betriebspersonal (Nr. 14),
– das Ver- und Entladung des Gepäcks ausschließlich durch das Fahr- und Betriebspersonal (Nr. 15),
– die Reinigung des Busses nach Abschluss jeder Beförderung (Nr. 16)
umzusetzen, und
– Fahrgäste von der Beförderung auszuschließen (Nr. 17), die nicht bereit sind,
– Hygienemaßnahmen wie das Waschen oder Desinfizieren der Hände vor jedem Betreten des Busses (Nr. 4 Satz 1),
– Abstandsregeln bei Auftreten eines COVID-19-Verdachtsfalls (Nr. 2), während des Zu- und Ausstiegs (Nr. 4 Satz 3), bei Begrüßungsritualen (Nr. 4 Satz 2) sowie – vorbehaltlich der Ausnahmebestimmungen (Nr. 8 und 11) – während der Beförderung (Nr. 7) sowie
– die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung beim Zu- und Aussteigen sowie beim kurzfristigen Verlassen des Sitzplatzes (Nr. 9 und 10) und wenn die Besetzung der Sitzplätze einen Mindestabstand nicht gewährleistet (Nr. 11),
einzuhalten, stellen auch Schutzmaßnahmen i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.
Vgl. zu Hygiene- und Infektionsschutzstandards als Schutzmaßnahmen nach der Coronaschutzverordnung z. B. Senatsbeschlüsse vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, vom 10. Juni 2020 – 13 B 617/20.NE -, und vom 17. Juni 2020 – 13 B 594/20.NE -, sowie vom 22. Juli 2020 – 13 B 886/20.NE -, jeweils juris.
bb. Es spricht weiter Überwiegendes dafür, dass der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat, soweit er unter den in § 15 Abs. 4 und 5 Satz 2 Var. 2 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer IX der Anlage zur CoronaSchVO näher beschriebenen Voraussetzungen während der Fahrt in Reisebussen zur Einhaltung von Hygiene- und Infektionsschutzstandards verpflichtet.
(1) Unzweifelhaft können Schutzmaßnahmen nicht nur gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern (sog. „Störer“) erlassen werden, sondern auch gegenüber der Allgemeinheit oder (sonstigen) Dritten (sog. „Nichtstörer“), wenn ein Tätigwerden allein gegenüber „Störern“ eine effektive Gefahrenabwehr nicht gewährleistet, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; Senatsbeschlüsse vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70, sowie vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 82 ff.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. März 2020 – OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 24.
So verhält es sich hier schon deshalb, weil aus tatsächlichen Gründen vielfach gar nicht klar ist, ob eine Person „Störer“ oder „Nichtstörer“ ist. Nach aktuellem Erkenntnisstand kann nämlich eine Übertragung des Virus durch eine infizierte Person schon bis zu drei Tage vor Symptombeginn oder auch bei einem asymptomatischen Verlauf der Erkrankung, den der Betroffene selbst gar nicht wahrgenommen hat, stattfinden. Es reicht mithin nicht aus, im Zusammenhang mit bevölkerungsbezogenen Maßnahmen, die darauf abzielen, infektionsrelevante soziale Kontakte zu unterbinden oder zumindest zu beschränken, allein „Störer“ in die Pflicht zu nehmen.
Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 30 f.; Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-)Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, in: NJW 2020, 1097 (1101).
(2) Auch Art und Umfang der hier in Rede stehenden Verpflichtungen sind nicht erkennbar ermessensfehlerhaft. § 15 Abs. 4 und 5 Satz 2 Var. 2 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer IX der Anlage zur CoronaSchVO genügen voraussichtlich dem in § 28 Abs. 1 IfSG zum Ausdruck kommenden Gebot strikter Verhältnismäßigkeit.
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass es unter Berücksichtigung der aktuellen Gefährdungslage voraussichtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Verordnungsgeber der Einschätzung des Robert Koch-Instituts folgend die Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln sowie die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in bestimmten sozialen Situationen weiterhin als maßgebliche Grundbausteine der in der gegenwärtigen Pandemielage – in der sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten vornehmlich im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole sowie gegebenenfalls über Schmierinfektionen besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet -, vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html#doc13776792bodyText1, Stand: 24. Juli 2020, geeigneten und erforderlichen bevölkerungsbezogenen antiepidemischen Maßnahmen zur Eindämmung der Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus ansieht, vgl. dazu im Einzelnen z. B. Senatsbeschlüsse vom 22. Juli 2020 – 13 B 886/20.NE -, und vom 28. Juli 2020 – 13 B 675/20.NE -, jeweils juris, und flankierend die Erhebung von Kundenkontaktdaten vorschreibt, um mögliche Infektionsketten zeitnah zu unterbrechen.
Vgl. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss vom 23. Juni 2020 – 13 B 695/20.NE -, juris,
Daran hält der Senat unter Berücksichtigung des Antragsvorbringens mit Blick auf die streitgegenständlichen Regelungen fest. Insbesondere teilt der Senat nicht die Einschätzung der Antragstellerin, die Bereitstellung eines Desinfektionsmittels zur Umsetzung der Händehygiene mit dem Wirkungsbereich „begrenzt viruzid“ und die Anordnung zur Reinigung von Kontaktstellen innerhalb des Busses nach Abschluss jeder Beförderung seien überflüssig. Nach gegenwärtigen Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts handelt es sich bei solchen Desinfektionsmitteln um geeignete Produkte zur Handdesinfektion, die außerhalb des medizinischen und pflegerischen Bereichs zum Einsatz kommen sollten, wenn ein – an sich regelmäßig ausreichendes – Händewaschen nicht möglich ist. Auch erscheint die Wischdesinfektion zur Reinigung von Kontaktstellen (jedenfalls) nach Abschluss jeder Beförderung nicht offensichtlich fehlsam.
Vgl. Robert Koch-Institut, Händedesinfektion unter den Bedingungen der SARS-CoV-2-Pandemie, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 7. Mai 2020, und Hinweise zu Reinigung und Desinfektion von Oberflächen außerhalb von Gesundheitseinrichtungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Reinigung_Desinfektion.html, Stand: 3. Juli 2020.
Darüber hinaus dürfte es dem Fahr- und Betriebspersonal auch möglich und zumutbar sein, das Auftreten von Symptomen einer Atemwegserkrankung bei den Fahrgästen festzustellen und daran anschließend Maßnahmen zur Verhinderung einer möglichen Weiterverbreitung des Coronavirus zu treffen. Typische Symptome wie Husten, Fieber und Atemnot dürften üblicherweise auch von nicht medizinisch geschultem Personal wahrgenommen werden können bzw. von dem Betroffenen oder aus der Gruppe heraus an das Fahr- und Betriebspersonal weitergegeben werden. Überdies dürfte ein schnelles Einschreiten im Verdachtsfall nicht nur mit Blick auf den Gesundheitsschutz der Fahrgäste, sondern auch aufgrund der medialen Wirkung beim Auftreten eines Ausbruchsgeschehens im Unternehmensinteresse liegen.
Schließlich sind die streitgegenständlichen Regelungen unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen derzeit auch noch angemessen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es das einzig objektiv richtige angemessene Abwägungsergebnis nicht gibt. Dies gilt schon deshalb, weil der Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers eine von zahlreichen Unbekannten gekennzeichnete und stetig fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnislage zu Grunde liegt, Folgen von bereits erfolgten Lockerungen der Schutzmaßnahmen erst mit Zeitverzögerungen ersichtlich werden und die einzelnen Schutzmaßnahmen ohnehin nicht isoliert betrachtet werden können, sondern Teil eines Gesamtpakts zur Reduzierung der Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus sind. Lockerungen an einer Stelle können deswegen Beschränkungen an anderer Stelle zur Folge haben und umgekehrt. Hinzu tritt, dass der Verordnungsgeber bei seiner Entscheidung neben dem infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrad des jeweils zu regelnden Lebensbereichs auch alle sonstigen relevanten Belange etwa medizinischer, psychologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Art zu bewerten und gewichten hat.
Ausgehend hiervon steht der beabsichtigte Verordnungszweck nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Die Maßnahmen führen zwar unverkennbar zu Grundrechtseinschränkungen von erheblicher Intensität, wobei in erster Linie das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls auch das von der Eigentumsgarantie erfasste Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs.1 GG) betroffen sind. Diese Rechte gelten jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten hier im Ergebnis angesichts der drohenden Überforderung des Gesundheitswesens gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass negative finanzielle Folgen in den letzten Monaten zumindest teilweise durch Hilfen des Antragsgegners und des Bundes aufgefangen wurden und einzelne Unterstützungsmaßnahmen auch aktuell noch zur Verfügung gestellt werden (vgl. dazu den Schriftsatz des Antragsgegners vom 31. Juli 2020). Überdies können die betroffenen Unternehmen ihre Reisen mittlerweile wieder ausführen, wenn auch nur unter Beachtung der angeordneten Restriktionen, die auch Einbußen mit Blick auf die Attraktivität von Busreisen bedeuten können. Soweit diese Angebote aufgrund der bestehenden Gefährdungslage in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen werden als vor Beginn der Pandemie, ist dies nicht Folge der streitgegenständlichen Maßnahmen.
Hinzu kommt, dass die Verordnung in ihrer zeitlichen Geltung befristet ist und aktuell bis zum 11. August 2020 gilt. Damit ist sichergestellt, dass die streitgegenständliche Coronaschutzverordnung gegebenenfalls unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse und Entwicklungen, insbesondere mit Blick auf die schrittweisen und versetzt vorgenommenen Lockerungen, fortgeschrieben werden muss.
(3) Die von der Antragstellerin geltend gemachte Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vermag der Senat ebenfalls nicht festzustellen.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind.
St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 – 1 BvR 2880/11 -, juris, Rn. 38 f., m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 -, juris, Rn. 76.
Dabei ist die sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen.
Vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 14. April 2020 – 13 MN 63/20 -, juris, Rn. 62, und vom 14. Mai 2020 – 13 MN 165/20 -, juris, Rn. 45.
Ebenso dürfte es grundsätzlich nicht zu beanstanden sein, wenn der Verordnungsgeber situationsabhängig auf unterschiedliche Schutzmaßnahmen zurückgreift oder diese – je nach Zweckmäßigkeit – kombiniert.
Vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. Juli 2020 – 13 B 735/20.NE -, Abdruck S. 16, und vom 31. Juli 2020 – 13 B 739/20.NE -, Abdruck S. 12.
Nach diesen Maßgaben stellt es voraussichtlich keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, dass die Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen im Flug- und Bahnverkehr sowie im öffentlichen Personennahverkehr und bei der Schülerbeförderung anders ausgestaltet sind als bei Fahrten in Reisebussen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Beförderungsleistungen durch eine Vielzahl von Hygiene- und Infektionsschutzstandards begleitet werden, die im Flug- und Bahnverkehr nicht (ausschließlich) vom Landesverordnungsgeber stammen, weil sich diese Verkehre grundsätzlich nicht auf eine Leistungserbringung im Kompetenzbereich des Verordnungsgebers beschränken. In der Kombination dürfte (damit aber) bei allen Beförderungsleistungen – situationsabhängig – ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet sein.
So gilt etwa auf den im Rahmen der Flughafenbenutzungs- bzw. -hausordnung des Flughafenbetreibers jedermann zugänglichen Flughafenterminals in Nordrhein-Westfalen, vgl. dazu auch Schaefer, in: NVwZ 2020, 834 (836), das für den öffentlichen Raum, vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juli 2020 – 13 B 719/20.NE -, Abdruck S. 3 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 11. Juni 2020 – 13 MN 192/20 -, juris, Rn. 35, m. w. N., geltende Abstandsgebot gemäß § 2 Abs. 1 CoronaSchVO. Bei der Nutzung von Beförderungsleistungen des Personenverkehrs und seiner Einrichtungen nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 CoronaSchVO gilt die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung. Flankiert werden diese Maßnahmen unter anderem durch Abstands- und Hygieneregeln bei der Sicherheitskontrolle.
Vgl. Bundespolizei, Die Sicherheitskontrolle: So kommen Sie gut an Bord, abrufbar unter: https://www.bundespolizei.de/Web/DE/01Sicher-auf-Reisen/01Mit-dem-Flugzeug/01Sicherheitskon trolle/sicherheitskontrolle_node.html, abgerufen am: 7. August 2020.
Zudem erteilt das Robert Koch-Institut Hinweise für COVID-19-Prozesse im Flugverkehr, die sich mit der Belüftung, dem Umgang eines Indexfalls und der Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln sowie der Maskenpflicht während des Aufenthalts im Flugzeug befassen.
Vgl. Robert Koch-Institut, Hinweise für COVID-19-Prozesse im Flugverkehr, Epidemiologisches Bulletin 29/2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/29/Art_01.html?nn=13490888, Stand: 16. Juli 2020.
Im Übrigen dürften die in Flugzeugen verwendeten Belüftungs- und Filtersysteme mit den in Reisebussen eingesetzten Klima- und Lüftungsanlagen nicht vergleichbar sein und einen regelmäßig deutlich besseren Luftaustausch gewährleisten.
Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Juni 2020 – 20 NE 20.1307 -, juris, Rn. 22.
Eine Kontaktpersonennachverfolgung ist ebenfalls vorgesehen.
Vgl. dazu Robert Koch-Institut, Kontaktpersonennachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html, Stand: 14. Juli 2020.
Dass darüber hinaus – unabhängig von der Frage in welcher Kompetenz eine solche Anordnung liegt – die Bordtoiletten während des Flugs nicht geschlossen sind, ist dem faktischen Umstand geschuldet, dass die Passagiere mangels Alternativen auf deren Nutzung angewiesen sind. Denn während Reisebusse an Raststätten planmäßig oder außerplanmäßig Zwischenstopps einlegen, die zum Toilettenbesuch genutzt werden können, sind vergleichbare Unterbrechungen im Flugbetrieb nicht möglich. Auch die Pflicht der Kunden zum Händewaschen oder zur Desinfektion „vor jedem Betreten“ des Beförderungsmittels entfällt, denn die Passagiere steigen während eines Fluges nicht mehrfach ein und aus. Im Übrigen besteht auch im Flugzeug eine Sitzplatzzuweisung bzw. eine Obliegenheit, den einmal eingenommenen Sitzplatz nicht zu tauschen. Die Verladung des Reisegepäcks in den Passagieren nicht zugänglichen Gepäckraum erfolgt durch das Flughafenpersonal.
Ebenso gelten bei Reisen mit der Bahn innerhalb Nordrhein-Westfalens auf den Bahnhöfen das Abstandsgebot und in den Zügen, in denen üblicherweise kein Mindestabstand eingehalten werden kann, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nach Maßgabe von §§ 1, 2 CoronaSchVO. Darüber hinaus wenden, soweit ersichtlich, die Eisenbahnunternehmen die vom Robert Koch-Institut bekanntgegebenen Hygieneempfehlungen an, die insbesondere auch Hinweise zur Reinigung und Desinfektion von Oberflächen beinhalten.
Vgl. z. B. Deutsche Bahn, Informationen zum Reisen in der Corona-Zeit, abrufbar unter: https://www.bahn. de/p/view/home/info/corona_startseite_bahnde.shtml, abgerufen am: 7. August 2020; WestfalenBahn, COVID-19: Aktuelle Fahrpläne, Fahrzeiten und weitere Infos, abrufbar unter: https://www.westfalenbahn.de/aktuelles/neuigkeiten/meldung/covid-19-aktuelle-fahr-plaene-fahrzeiten-und-weitere-infos/, Stand: 16. März 2020; Spiegel, So geht Bahnfahren während der Coronakrise, 17. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/reise/bahn-fahren-waehrend-der-corona-krise-was-sie-erwartet-und-was-sie-beachten-sollten-a-599edc36-55e1-4150-806c-05bbc 20ad2e4; Robert Koch-Institut, Hinweise zu Reinigung und Desinfektion von Oberflächen außerhalb von Gesundheitseinrichtungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, abrufbar unter: https://www.rki. de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Reinigung_Desinfektion.html, Stand: 3. Juli 2020.
Wie bei Flugreisen scheidet auch während einer Bahnreise die Inanspruchnahme alternativer Sanitäreinrichtungen aus, weil der Zug vor Erreichen des anvisierten Fahrziels wegen der nur kurzen Halte regelmäßig nicht verlassen werden kann. Die Öffnung der Bord-WCs ist daher ebenfalls faktischen Notwendigkeiten geschuldet. Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass es sachlich gerechtfertigt ist, wenn einzelne Schutzmaßnahmen, die daran anknüpfen, dass bei Fahrten in Reisebussen typischerweise überschaubare feste Personengruppen über einen längeren Zeitraum zusammen reisen, nicht bei Fahrten mit der Bahn gelten. Bei diesen gilt insbesondere nicht die Verpflichtung zum Hände waschen oder desinfizieren vor „jedem“ Betreten des Beförderungsmittels, zur Gepäckverladung in einen „Gepäckraum“, zur Erfassung von Kundenkontaktdaten und zur Sitzplatzzuweisung. Derartige Schutzmaßnahmen können schon wegen der Vielzahl wechselnder Fahrgäste und der großen Anzahl von Haltestellen und Zügen nicht effektiv und ohne schwerwiegende Beeinträchtigung des Verkehrsflusses durchgeführt werden.
Vgl. dazu auch Bay. VGH, Beschluss vom 8. Juni 2020 – 20 NE 20.1307 -, juris, Rn. 20, 23.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beförderungsleistungen der Bahn typischerweise und in einem größeren Umfang für den Berufs- und Pendlerverkehr genutzt werden, der auf ein reibungsloses Funktionieren auch in Stoßzeiten angewiesen ist. Auch dieser Umstand dürfte es rechtfertigen, hier auf weniger ausdifferenzierte Schutzmaßnahmen zurückzugreifen.
Diese Grundsätze dürften auch bei Beförderungsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr und bei der Schülerbeförderung gelten.
Vgl. zu den dortigen Maßnahmen Mobil NRW, Coronavirus – Infos zum Nahverkehr, abrufbar unter: https://www.mobil.nrw/corona.html, abgerufen am: 7. August 2020.
2. Der Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung erscheint auch unter Berücksichtigung etwaig verbleibender Unsicherheiten bei der rechtlichen Bewertung der aus § 15 Abs. 4 und 5 Satz 2 Var. 2 CoronaSchVO i. V. m. Ziffer IX der Anlage zur CoronaSchVO folgenden Beschränkungen für Fahrten in Reisebussen nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Die mit dem weiteren Vollzug der Regelungen einhergehenden Beschränkungen sind angesichts ihrer weiterhin zeitlich befristeten Geltungsdauer sowie der dargelegten Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags, insbesondere unter Beachtung der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommenen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, zumutbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da die angegriffene Regelung mit Ablauf des 11. August 2020 außer Kraft tritt, zielt der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).