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Corona-Soforthilfe auf Pfändungsschutzkonto gezahlt

Zweckgebundene Leistung unpfändbar

AG Zeitz – Az.: 14 M 222/20 – Beschluss vom 02.09.2020

1. Der dem Schuldner nach § 850k Abs. 1 und 2 ZPO zu gewährende monatliche Freibetrag wird gemäß § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. §§ 851, 765a ZPO für den Monat Juli 2020 einmalig um 2.202,52 € erhöht.

2. Es wird angeordnet, dass der Schuldner über den unter Punkt 1) festgestellten Erhöhungsbetrag des pfändungsfreien Betrages für den Monat Juli 2020 bis zum Ende des Kalendermonats der Rechtskraft dieser Entscheidung verfügen darf. Soweit der Schuldner bis dahin nicht über ihn verfügt hat, wird angeordnet, dass dieser Betrag entsprechend § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO in dem darauffolgenden Kalendermonat nicht von der Pfändung erfasst ist und dem Schuldner zusätzlich zur freien Verfügung steht.

3. Die mit Beschluss vom 04.08.2020 angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird aufgehoben.

4. Der Beschluss wird mit seiner Rechtskraft wirksam.

Gründe

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Zeitz – Vollstreckungsgericht – vom 05.01.2018 (Geschäftszeichen: 5 M 1480/17) wurde auf Antrag der Gläubigerin unter anderem der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Guthabens auf seinem als Pfändungsschutzkonto geführten Konto (P-Konto) gegenüber der Drittschuldnerin gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen.

Am 03.08.2020 beantragte der Schuldner die Freigabe der ihm mit Bescheid der Investitionsbank Sachsen-Anhalt vom 07.07.2020 gewährten und am 10.07.2020 seinem P-Konto gutgeschriebenen Corona-Soforthilfe in Höhe von 2.202,52 € zusätzlich zu seinem monatlichen Freibetrag von 1.178,59 €.

Der Schuldner legte dar, dass er die Corona – Soforthilfe zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen aufgrund der Corona-Krise benötigt. Er bezog sich in seinem Antrag auf die Zweckbindung der Soforthilfe gemäß Bescheid vom 07.07.2020. Demnach dient die Soforthilfe der Finanzierung von Verbindlichkeiten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand des Unternehmens des Schuldners, die nicht aus den fortlaufenden Einnahmen des Geschäftsbetriebes bezahlt werden können, zur Überwindung der durch die Corona-Pandemie bedingten wirtschaftlichen Existenzbedrohung des Schuldners.

Die Gläubigerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie äußerte sich nicht.

Der Antrag des Schuldners ist zulässig und in der Sache erfolgreich.

Der Schuldner begehrt mit seinem Antrag auf Freigabe der seinem P-Konto gutgeschriebenen Corona-Soforthilfe grundsätzlich die gerichtliche Festsetzung eines von dem Freibetrag nach § 850k Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO abweichenden pfändungsfreien Betrages. Eine entsprechende Freigabe der Corona-Soforthilfe nach § 850k Abs. 4 ZPO ist gesetzlich jedoch nicht vorgesehen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Feststellung ist auf die in § 850k Abs. 4 ZPO genannten Beträge beschränkt, wozu die Corona-Soforthilfe nicht gehört. Insbesondere handelt es sich dabei nicht um geschützte Einkommensbeträge, die nach § 850a ZPO unpfändbar wären oder um bedingt pfändbare Bezüge nach § 850b ZPO. Die Corona-Soforthilfe stellt auch keine unpfändbaren Einkommensbeträge zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 850f oder sonstige Einkünfte nach § 850i ZPO dar. Auch die weiteren in § 850k Abs. 4 ZPO aufgezählten Pfändungsvorschriften finden keine Anwendung auf die Corona-Soforthilfe. Es handelt es sich auch nicht um eine einmalige Sozialleistung, welche gemäß § 850k Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO gesetzlich von der Pfändung ausgenommen wäre. Denn die Corona-Soforthilfe ist steuerpflichtig und wird im Rahmen der Gewinnermittlung berücksichtigt, wodurch sie sich von Sozialleistungen unterscheidet (vgl. Hinweise des Bundesfinanzministeriums auf der Homepage https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2020-03-13-Corona-FAQ.html).

Wie sich aus dem Zuwendungsbescheid des Schuldners vom 07.07.2020 ergibt, handelt es sich bei der Zuwendung um eine Kleinbeihilfe im Sinne der „Geänderten Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“, die auf der Grundlage des „Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19“ (ABl. der EU C 91I vom 20.03.2020) von der Europäischen Kommission genehmigt wurde (Entscheidung der Kommission vom 24.03.2020 und 11.04.2020). Die Corona-Soforthilfe stellt eine zweckgebundene Leistung dar, die nach § 851 Abs. 1 ZPO an der Quelle unpfändbar ist. Denn die Soforthilfe dient dem Ausgleich finanzieller Engpässe aufgrund der Corona-Krise. Die Zweckbindung ergibt sich ebenso wie die Unpfändbarkeit der Zuwendung aus dem Bescheid vom 07.07.2020. Demnach darf die Soforthilfe nur zur Finanzierung von Verbindlichkeiten aus dem laufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzierungsaufwand (u.a. gewerbliche und auf die unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit bezogene Mieten, Pachten, Leasingraten, Energie- und Instandhaltungskosten, Prämien für betrieblich veranlasste Versicherungen) verwendet werden, die nicht aus den laufenden Einnahmen des Geschäftsbetriebes gedeckt werden können. Kosten des privaten Lebensunterhalts, wie z.B. die Miete der Privatwohnung, Krankenversicherungsbeiträge oder Beiträge zur privaten Altersvorsorge, können nicht durch die Soforthilfe abgedeckt werden. Hierfür wurde vielmehr der Zugang zur Grundsicherung (nach SGB II) vereinfacht (vgl. Hinweise des Bundesfinanzministeriums). Desgleichen darf die Soforthilfe nicht für die Tilgung von Altschulden verwendet werden, da sie nur zur Deckung der laufenden gewerblichen und auf die unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit bezogenen Kosten genutzt werden darf. Die bestimmungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung der Soforthilfe wird durch die zuständigen Stellen geprüft.

Corona-Soforthilfe auf Pfändungsschutzkonto gezahlt
(Symbolfoto: Von bangoland/Shutterstock.com)

Damit ist unzweifelhaft, dass die Corona-Soforthilfe eine zweckgebundene Leistung darstellt, die nicht zur Tilgung der Altschulden des Schuldners eingesetzt werden darf. Eine Pfändung der Soforthilfe an der Quelle scheidet gemäß § 851 Abs. 1 ZPO aus.

Die Unpfändbarkeit (aufgrund der Zweckbindung) erlischt jedoch im Zeitpunkt der Gutschrift der Sonderzahlung auf dem P-Konto, da der Anspruch des Schuldners auf Zahlung der Zuwendung mit Gutschrift auf dem P-Konto erlischt und zu einem Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen die kontoführende Bank wird. Eine Freigabe von Gutschriften zweckgebundener und daher grundsätzlich unpfändbarer Leistungen auf dem P-Konto durch das Vollstreckungsgericht ist (derzeit) gesetzlich nicht geregelt. Der Kontopfändungsschutz für ein P-Konto besteht nämlich grundsätzlich unabhängig von der Art der Gutschrift. Abweichende Bestimmungen sind im Einzelfall durch das Vollstreckungsgericht für die gemäß § 850k Abs. 4 ZPO festgelegten Beträge möglich. Zweckgebundene unpfändbare Leistungen zählen jedoch nicht dazu, da § 850k Abs. 4 ZPO nicht auf § 851 ZPO Bezug nimmt.

Es wäre jedoch unbillig und würde für den Schuldner eine unangemessene Härte darstellen, wenn die Soforthilfe aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung bei Gutschrift auf einem P-Konto dem Schuldner (nach Überschreiten der Sockelfreibeträge nach § 850k Abs. 1 und 2 ZPO) nicht mehr zur Überwindung des coronabedingten Liquiditätsengpasses zur Verfügung stehen, sondern den Altgläubigern ausgezahlt werden würde. Dem Schuldner würde damit die aus staatlichen Mitteln zur Verfügung gestellte finanzielle Zuwendung für seine wirtschaftliche Existenzsicherung fehlen. Außerdem würde die Zuwendung zweckfremd verwendet und der Schuldner müsste mit einer Rückforderung durch die staatlichen Stellen rechnen.

Es ist daher unter Anwendung der besonderen Schuldnerschutzvorschrift des § 765a ZPO auf Schuldnerantrag die Unpfändbarkeit dieser Gutschrift der Corona-Soforthilfe auf dem P-Konto des Schuldners durch das Vollstreckungsgericht analog § 850k Abs. 4 ZPO festzustellen (vgl. zur individuellen Ergänzungsfunktion des § 765a ZPO auch BGH, Beschluss vom 04.07.2007 – VII ZB 15/07 -, juris). Denn die Pfändung der Corona-Soforthilfe nach Gutschrift auf dem P-Konto würde für den Schuldner eine sittenwidrige Härte darstellen und liefe dem gesetzgeberischen Ziel der Soforthilfe entgegen, dass dem von der Corona-Krise betroffenen Schuldner zur Überbrückung von coronabedingten Zahlungsausfällen und damit zur Existenzsicherung eine einmalige Sonderzahlung aus staatlichen Mitteln zukommen soll (vgl. auch LG Köln, Beschluss vom 23. April 2020 – 39 T 57/20 –, juris).

Überwiegende Belange der Gläubigerin stehen einer Pfandfreigabe der Corona-Soforthilfe nicht entgegen, da diese weder vorgetragen wurden noch erkennbar sind. Bei der Gläubigerin handelt es sich auch nicht um eine sog. Anlassgläubigerin, die von der Zweckgebundenheit der Corona-Soforthilfe geschützt wäre, da die Forderungen von Altgläubigern – aus der Zeit vor Corona – nicht durch die Soforthilfe bedient werden dürfen.

Mithin war die am 07.07.2020 auf dem P-Konto gutgeschriebene Corona-Soforthilfe in voller Höhe für den Schuldner pfandfrei zu stellen.

Um sicherzustellen, dass dem Schuldner dieser pfändungsfreie Betrag der Corona-Soforthilfe tatsächlich zugutekommt, war anzuordnen, dass der Schuldner über den zusätzlich pfandfrei gestellten Betrag bis Ende des Kalendermonats der Rechtskraft der Entscheidung verfügen darf und eine Übertragung des nicht verbrauchten Teils in den darauffolgenden Monat entsprechend § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 – VII ZB 27/17 –, Rn. 28, juris).

Die Wirksamkeit der Entscheidung war von der Rechtskraft abhängig zu machen, um den Beteiligten ausreichend Möglichkeit zur Prüfung und Rechtsmitteleinlegung zu geben.

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