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Coronapandemie – Eindämmungsmaßnahme – Untersagung des Betriebs von Fitnessstudios

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – Az.: OVG 11 S 51/20 – Beschluss vom 22.05.2020

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt als Inhaberin eines Fitnessstudios eine vorläufige Aussetzung der Untersagung des Sportbetriebs ihres Studios gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Maßnahmen zu Eindämmung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 in Brandenburg in der Fassung vom 8. Mai 2020 (GVBl. II Nr. 30, S. 1) – SARS-CoV-2-EindV im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO. Gleichzeitig hat sie einen Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gegen die Verordnung eingereicht.

§ 6 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV lautet:

(1) Der Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimmbädern, Fitnessstudios, Tanzstudios sowie der Betrieb von Thermen, Wellnesszentren und ähnlichen Einrichtungen ist untersagt (auch soweit diese Einrichtungen Bestandteil von Beherbergungsstätten sind). Dies gilt nicht für öffentliche und private Sportanlagen unter freiem Himmel

1. zur Wahrnehmung schulischer Bewegungsangebote,

2. ab dem 15. Mai 2020 für den kontaktfreien Sport- und Trainingsbetrieb im Breiten- und Freizeitsport.

Coronapandemie – Eindämmungsmaßnahme - Untersagung des Betriebs von Fitnessstudios
Symbolfoto: Von Oleksandr Zamuruiev /Shutterstock.com

Satz 1 gilt nicht für den Trainingsbetrieb der Berufssportlerinnen und -sportler und der Kaderathletinnen und -athleten der olympischen und paralympischen Sportarten an Bundes- oder Landesstützpunkten oder an den Olympiastützpunkten. Er gilt auch nicht für den Betrieb von öffentlichen und privaten Marinas, Bootsanlegestellen und vergleichbaren Einrichtungen.

Die Antragstellerin beantragt, § 6 Abs. 1 Satz 1 SARS-CoV-2-EindV des Antragsgegners vom 8. Mai 2020, soweit darin das Betreiben eines privaten Fitnessstudios untersagt wird, einstweilen, längstens jedoch bis zur Entscheidung über ihren Normenkontrollantrag, außer Vollzug zu setzen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO bleibt ohne Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 Bbg VwGG entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen, nicht von Nr. 1 erfassten, im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften und damit auch über die angegriffene Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 SARS-CoV-2-EindV.

Die Antragstellerin ist als Inhaberin des o.g. Fitnessstudios im Land Brandenburg auch antragsbefugt gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sich die in § 6 Abs. 1 Satz 1 SARS-CoV-2-EindV geregelte Untersagung des Sportbetriebs ihres Studios insbesondere auf ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und ihr aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitetes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auswirken kann.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.

Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsachenentscheidung unaufschiebbar ist.

Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09. April 2020 – 3 MR 4/20 –, Rn. 3 – 5, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 30.03.2020 – 20 NE 20.632 –, juris Rn. 31 ff., jeweils unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 – 4 VR 5.14 -, juris Rn. 12).

Hiernach ist der begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits deshalb nicht dringend geboten, weil die von der Antragstellerin angegriffene Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 SARS-CoV-2-EindV der Prüfung im Normenkontrollverfahren voraussichtlich standhalten wird.

2.1. Rechtsgrundlage der SARS-CoV-2-EindV ist § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Danach werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung und Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020). Aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG folgt, dass der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ umfassend ist und der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen eröffnet, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09. April 2020 – 3 MR 4/20 -, juris Rz. 10). Dies ist gerechtfertigt, weil sich die Fülle der Schutzmaßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht von vornherein übersehen lässt (vgl. Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 zu dem insoweit vergleichbaren § 34 BSeuchG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16/11 –, BVerwGE 142, 205-219, Rz. 24).

Soweit die Antragstellerin meint, der Erlass der SARS-CoV-2-EindV sei rechtswidrig, weil sie nicht vom Vorbehalt des Gesetzes gedeckt sei, und darauf verweist, dass die Anordnung weitreichender Grundrechtseingriffe der Ermächtigung durch ein formelles Gesetz bedürfe, die Maßnahmen hier aber aufgrund einer Rechtsverordnung angeordnet worden seien, folgt der Senat dem weder hinsichtlich der Rechtsverordnung insgesamt noch hinsichtlich der hier konkret in Rede stehenden Regelung. Er hat in seinem Beschluss vom 17. April 2020 – OVG 11 S 22/20 – (Rn. 21 – 22, juris; darauf verweisend auch Beschluss v. 29. April 2020, – OVG 11 S 30/20 -, juris Rn 19 f.) ausgeführt:

„… Zwar ist die Regelung [des § 28 IfSG] als offene Generalklausel ausgestaltet, um den Infektionsschutzbehörden bzw. über den Verweis in § 32 Satz 1 IfSG dem Verordnungsgeber ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen zu eröffnen (OVG Münster, Beschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 44f. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Jedoch hat der Gesetzgeber unter anderem bereits mit der nur beispielhaften Aufzählung in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG, wonach Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränkt oder verboten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon geschlossen werden können, deutlich gemacht, dass in Konkretisierung der mit der Generalklausel eröffneten Handlungsmöglichkeiten auch weitreichende – und damit auch die von der Antragstellerin angesprochenen wesentlichen – Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit in Betracht kommen können (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 9. April 2020 – 1 B 97/20 -, juris Rn. 34). Dies umfasst grundsätzlich auch Geschäftsschließungen als mögliche Schutzmaßnahmen. Denn Einzelhandelsbetriebe mit Publikumsverkehr ähneln den ausdrücklich genannten Veranstaltungen und sonstigen Zusammenkünften insoweit, als dass sie ebenso wie diese Anziehungspunkte für Menschen an einen begrenzten Ort sind und damit ein besonderes Risiko für die Verbreitung einer von Mensch zu Mensch übertragenen Krankheit darstellen (so OVG Münster, a.a.O., Rn. 46 ff. unter Hinweis auf BayVGH, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 CS 20.611 -, juris Rn. 11 ff.). Auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob sich die Schließungsanordnung auf § 28 Absatz 1 S. 1 IfSG oder auf § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG stützen kann, kommt es insoweit nicht an.“

Hieran hält der Senat auch für die hier verfahrensgegenständliche Neufassung der SARS-CoV-2-EindV und für die in Rede stehende Schließung von Fitnessstudios fest.

2.2 Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind mit Blick auf die andauernde Pandemielage wegen des neuartigen Coronavirus erfüllt (vgl. dazu ausführlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Mai 2020 – 13 MN 162/20 -, juris Rn 21 ff.), weshalb die zuständigen Stellen zum Erlass „notwendiger Schutzmaßnahmen“ verpflichtet sind. Dies stellt die Antragstellerin hier auch nicht in Abrede.

2.3 Entgegen ihrer Auffassung ist aber auch nicht feststellbar, dass die mit § 6 Abs. 1 Satz 1 SARS-CoV-2-EindV (u.a.) angeordnete Untersagung des Betriebs von Fitnessstudios die sich insbesondere aus der Beschränkung auf „notwendige“ Schutzmaßnahmen sowie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ergebenden Grenzen des dem Verordnungsgeber zustehenden Auswahlermessens gegenwärtig bereits überschreitet.

2.3.1 Die Antragstellerin verkennt bereits den insoweit zu beachtenden Prüfungsmaßstab.

Sie führt aus, dass Ziel der SARS-CoV-2-EindV bzw. der sich aus deren Anordnungen ergebenden Grundrechtseingriffe „nicht – wie fälschlicherweise immer wieder angenommen – pauschal die (Volks-)Gesundheit“ sei, da diese von vielen anderen Faktoren (wie Umweltbelastungen oder gefährdendem Verhalten Dritter) abhängig sei und von jedem einzelnen selbst beispielsweise durch seine Ernährung oder sein Freizeitverhalten positiv wie negativ beeinflusst werden könne. Deshalb könne auch „hier nicht die (Volks-)Gesundheit und damit einher gehend das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung als Beurteilungsmaßstab herangezogen“ werden. Maßgeblich für die Betrachtung könne „nur ein gesundheitsrelevanter Aspekt, nämlich die Vermeidung der Überforderung des Gesundheitssystems“ sein, was zu einer „Verschiebung des Prüfungsmaßstabs im Rahmen der Verhältnismäßigkeit“ führe. Da der Schutz des Lebens nur „ein mittelbarer Effekt des eigentlichen Zwecks – hier der Steuerung des kapazitätsgerechten Pandemieverlaufs -“ sei und die Einschätzung der für den Zweck der Kapazitätssicherung erforderlichen Maßnahmen mangels punktgenauer Vorhersehbarkeit der verfügbaren Kapazität oder der Anzahl der Intensivpatienten „lediglich Hypothesen“ zulasse, seien „auch mildere Mittel zuzulassen, um die Intensität der Grundrechtseingriffe strikt zu begrenzen, bis über einen gewissen Zeitraum Erfahrungen und Tatsachen halbwegs überprüfbare Prognosen“ ermöglichten. Auch das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht erlaube bei prognostischer Unsicherheit typischerweise nur den Gefahrerforschungseingriff, nicht jedoch die Anwendung einschneidender grundrechtsrelevanter Maßnahmen. Ohne hinreichende tatsächliche Erkenntnisse könne „der maximalinvasive Eingriff“ nicht gerechtfertigt sein.

Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen, denn es verkennt die sich aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Grundsätze. Dass die Regelungen einer Verordnung wie der hier in Rede stehenden in Ansehung der aktuellen Coronavirus-Epidemie dem in § 1 Abs. 1 IfSG umschriebenen Zweck dienen, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, ändert nichts daran, dass Ziel der Verordnung „namentlich der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit“ ist, zu dem der Staat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht nur berechtigt, sondern auch verfassungsrechtlich verpflichtet ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse v. 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 -, juris Rn 8, Beschluss v. 12. Mai 2020 -1 BvR 1027/20 -, juris Rn 6, und v. 1. Mai 2020 – 1 BvR 1003/20 -, juris Rn 7; konkret mit Blick auf Fitnessstudios auch BVerfG, Beschluss v. 28. April 2020 -1 BvR 899/20 -, juris Rn 13). Die Regelungen dienen nicht etwa einer abstrakten „(Volks-)Gesundheit“, sondern dem Schutz des der überragend wichtigen Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit gerade auch der stärker gefährdeten Risikogruppen angehörenden Bürger. Die Vermeidung der Überforderung des Gesundheitswesens ist lediglich ein – wenn auch wesentliches – Mittel zur Erreichung dieses überragenden Ziels.

Bei der Wahrnehmung seiner Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben des Einzelnen zu stellen sowie vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit zu schützen, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (BVerwG, Beschluss v. 12. Mai 2020 -1 BvR 1027/20 -, juris Rn 6). Denn es hängt von vielen Faktoren, insbesondere von der Eigenart des Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter ab, was konkret zu tun ist. Auch wenn Freiheits- und Schutzbedarfe der verschiedenen Grundrechtsträger in unterschiedliche Richtungen weisen, haben der Gesetzgeber und die von ihm zum Verordnungserlass ermächtigte Exekutive von Verfassung wegen einen Spielraum für den Ausgleich dieser wiederstreitenden Grundrechte. Im Fall der hier in Rede stehenden Schutzmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie besteht wegen der im fachwissenschaftlichen Diskurs auftretenden Ungewissheiten und der damit unsicheren Entscheidungsgrundlage auch ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum. (BVerfG, Beschluss v. 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 -, juris Rn 10). Dieser Spielraum kann zwar mit der Zeit – etwa wegen besonders schwerer Grundrechtsbelastungen und wegen der Möglichkeit zunehmender Erkenntnis – geringer werden. Dem kann aber grundsätzlich dadurch Rechnung getragen werden, dass der Verordnungsgeber Freiheitsbeschränkungen von vornherein befristet und durch wiederholte Änderungen ständig lockert.

Angesichts der überragenden Bedeutung des Schutzes von Leben und körperlicher Unversehrtheit sowie des ihm auch bei noch unsicherer Tatsachengrundlage zustehenden Einschätzungsspielraums ist der Verordnungsgeber danach keineswegs von vornherein gehalten, von „maximalinvasiven“ Anordnungen wie denen zur Schließung (u.a.) von Fitnessstudios abzusehen oder sich gar auf „Gefahrerforschungseingriffe“ zu beschränken.

2.3.2 Davon ausgehend ist die in § 6 Abs. 1 Satz 1 SARS-CoV-2-EindV geregelte Untersagung des Sportbetriebs u.a. in Fitnessstudios auch angesichts der aktuellen Lage und des Standes der fachwissenschaftlichen Kenntnisse über Ausbreitung und Verlauf der Krankheit Covid-19 bei summarischer Prüfung noch nicht unverhältnismäßig.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind Grundrechtseingriffe nur zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) noch gewahrt wird (vgl. Beschlüsse des Senats vom 20. Mai 2020 – OVG 11 B 49/20 und OVG 11 B 52/20 -; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 07. Mai 2020 – 1 S 1244/20 –, Rn. 21, juris).

2.3.2.1. Bei summarischer Prüfung ist die Untersagung des Betriebs von Fitnessstudios zur Erreichung der Verordnungsziele auch aktuell noch geeignet und erforderlich.

Die Antragstellerin macht geltend, angesichts des aktuellen Verlaufs der Pandemie in Deutschland, insbesondere im Land Brandenburg, im Landkreis Oberhavel und in der Stadt Oranienburg sei die Aufrechterhaltung der Betriebsuntersagung für ihr Fitnessstudio nicht mehr erforderlich. Denn die Zahl der Neuinfektionen sei nach dem Stand vom 12. Mai 2020 deutschlandweit auf 933 Fälle und im Land Brandenburg gegenüber dem Vortag auf lediglich 5 Fälle zurückgegangen. Insgesamt gebe es in Deutschland derzeit 19.298 akut infizierte Personen, in Brandenburg nur noch 390 Personen und im Landkreis Oberhavel lediglich 68 Personen. In diesem Landkreis liege die Zahl der Neuinfektionen bei 3,3 je 100.000 Einwohner, mithin weit unter der von Bund und Ländern festgelegten Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Insgesamt sei die Gefährlichkeit des Coronavirus nach der Zahl der Todesfälle im Vergleich zur Influenzawelle 2017/18 überschätzt worden. Hiervon ausgehend erweise sich die fortdauernde Schließung von Fitnessstudios mit hoher Wahrscheinlichkeit als nicht (mehr) erforderlich. Insoweit sei auf die nach der Rechtsprechung diverser Oberverwaltungsgerichte dem Verordnungsgeber obliegende fortwährende Beobachtungs- und Überprüfungspflicht hinsichtlich des Festhaltens an Einschränkungen, d.h. deren Erforderlichkeit bzw. der Aufhebung oder Modifizierung im Falle der Feststellung weitgehender Nutzlosigkeit hinzuweisen. Im Land Brandenburg sei bezogen auf Fitnessstudios bislang (zu Unrecht) nichts geschehen. Angesichts der geringen Neuinfektionsrate sei eine vollständige Schließung von Fitnessstudios, insbesondere auch ihres, nicht mehr erforderlich, vielmehr lasse sich das Ziel, Neuinfektionen und daraus resultierende Infektionsketten hinreichend zu vermeiden, durch ein umfassendes, im Ergebnis weniger einschneidendes Hygiene- und Sicherheitskonzept erreichen. Ein solches sei von ihr erarbeitet worden. Werde das Hygiene- und Sicherheitskonzept angewendet, könne die „wohl nachgewiesene“ Möglichkeit der normalen Tröpfcheninfektion durch Husten und Niesen durch Einhaltung der dafür erforderlichen Abstände eingehalten werden. Sensible Bereiche – „wie etwa Duschen“ – seien komplett gesperrt. Die Übertragung von vermehrungsfähigen SARS-CoV-2-Viren über sogenannte Aerosole werde in keiner der vom RKI durchgeführten Studien näher untersucht. Aus dem beigefügten Steckbrief des RKI zu COVID-19 (Stand 15. Mai 2020) gehe jedoch hervor, dass RNA nicht geeignet sei, eine andere Person zu infizieren. Aufgrund dessen seien auch das zeitweilig gesteigerte Atemverhalten der Nutzer, die Räumlichkeit selbst oder die Frage der Luftdurchmischung keine tauglichen Kriterien für die Annahme, dass durch den Betrieb von Fitnessstudios die Anzahl von Neuinfektionen signifikant ansteige. Darüber hinaus werde die regelmäßige Durchlüftung der Räumlichkeiten mit Frischluft von außen dazu beitragen, dass etwaige vorhandene Ansteckungsgefahren minimiert werden könnten. Es bestehe auch keine Gefahr, dass das Sicherheitskonzept der Antragstellerin nicht umgesetzt oder überwacht würde. Das Personal der Antragstellerin sei hinreichend eingewiesen und sensibilisiert und es verfüge über das Hausrecht, von dem bei Verstößen gegen die Hygienevorschriften konsequent Gebrauch gemacht werde.

Dies vermag die Entbehrlichkeit der (weiter andauernden) Schließung der Fitnessstudios nicht zu begründen. Die Maßnahme ist auch gegenwärtig noch geeignet und erforderlich, der bei sportlicher Betätigung in geschlossenen Räumen aus der räumlichen Nähe der anwesenden Personen über eine längere Verweildauer entstehenden erhöhten Infektionsgefahr zu begegnen (vgl. Amtliche Begründung zu § 6 der Verordnung, Stand 14. Mai 2020).

Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland auch in seiner aktualisierten Risikobewertung vom 30. April 2020 unverändert insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (ebenso Lagebericht vom 19. Mai 2020, S. 12). Es handele sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Bei einem Teil der Fälle seien die Krankheitsverläufe schwer und teilweise auch tödlich (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung .html, abgerufen am 19. Mai 2020). Unter „Infektionsschutzmaßnahmen und Strategie“ (vgl. oben genannte Fundstelle) wird unter anderem ausgeführt, dass die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich ergänzt werden sollten.

Davon ausgehend vermag allein die von der Antragstellerin angeführte deutliche Verringerung der Anzahl der (durch Test bestätigt) infizierten Personen im Land Brandenburg noch keine abweichende Risikoeinschätzung zu begründen. Abgesehen davon, dass die Zahlt tatsächlich erkrankter Menschen möglicherweise deutlich höher liegt als diejenige der gemeldeten Ansteckungsfälle (vgl. Ziff. 10 des von der Antragstellerin selbst in Bezug genommenen Steckbriefs des RKI zu COVID-19 v. 15.5.2020), hat der exponentielle Anstieg der Infektionszahlen im März 2020 deutlich gemacht, dass das SARS-CoV-2-Virus, das auch durch mild erkrankte, asymptomatisch Infizierte oder Menschen ganz ohne Symptome übertragen werden kann (vgl. dazu auch Ziff. 23 des Steckbriefs), ein hohes Ansteckungspotenzial hat. Daran hat sich nichts geändert. Nach wie vor stehen weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie zur Verfügung und insbesondere – aber nicht nur – für Risikogruppen (ältere Menschen oder solche mit prädisponierenden Vorerkrankungen) kann eine Erkrankung zu schweren Krankheitsverläufen, Langzeitfolgen oder sogar zum Tod führen (vgl. Ziff. 4 u. 5 des Steckbriefs). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber von einem auch gegenwärtig noch anzunehmenden hohen Gefährdungsgrad ausgeht und wirkungsvolle Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des hochansteckenden Virus zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bürger, der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens und des Schutzes des in medizinischen Einrichtungen tätigen Personals weiterhin für erforderlich hält (vgl. dazu und zum Folgenden die Amtliche Begründung der Verordnung v. 14. Mai 2020, A. Allgemeiner Teil).

Das Vorbringen der Antragstellerin, wonach Neuinfektionen und daraus resultierende Infektionsketten durch ein umfassendes, im Ergebnis weniger einschneidendes Hygiene- und Sicherheitskonzept „hinreichend“ erreicht werden könnten, verkennt, dass die Erforderlichkeit einer Maßnahme nur durch eine gleich geeignete – und nicht nur „hinreichend“ wirksame – Alternativmaßnahme in Frage gestellt werden kann. Davon kann hier schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil das Ansteckungsrisiko im Falle der Untersagung des Betriebs bei Null liegt, während bei Öffnung und dem zwangsläufigen Aufeinandertreffen von Menschen beim Aufsuchen, Aufenthalt und Verlassen der Studios zumindest ein Restrisiko verbleibt (i.d.S. auch Beschluss des Senats vom 20. Mai 2020 – OVG 11 S 49/20 -, S. 7 unter Verweis auf VGH Bad.-Wü, Beschluss vom 7. Mai 2020 – 1 S 1244.20, juris Rz. 23 EA, zur andauernden Untersagung des Betriebs von Spielhallen).

Unabhängig davon erscheint es dem Senat durchaus fraglich, ob – wie die Antragstellerin meint – durch Anwendung und Einhaltung eines Hygiene- und Sicherheitskonzepts wie des ihrigen in Fitnessstudios die Möglichkeit der normalen Tröpfcheninfektion durch Husten und Niesen durch Einhaltung der dafür erforderlichen Abstände oder durch Schmierinfektionen „gleich wirksam“ eingehalten werden könnte wie ohne die beanstandete Untersagung des Betriebs der Studios. Die jederzeitige und dauerhafte Einhaltung aller Maßnahmen eines solchen HygieneKonzepts dürfte von den durchschnittlichen, zwar an sportlicher Betätigung, nicht notwendigerweise aber zugleich auch an der Einhaltung von Hygiene- oder sonstigen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes interessierten Besuchern eines Fitnessstudios kaum in stärkerem Maße und verlässlicher erwartet werden können als von der – von der Antragstellerin so genannten – „breiten Masse der Bevölkerung“, die in Einzelhandelsläden zu finden sei. Schon die durch die Nachrichten gehenden Bilder von sich drängenden, weder Abstand wahrenden noch Mund-Nasen-Bedeckungen tragenden Besuchern anlässlich der Wiedereröffnung der Fitnessstudios in Nordrhein-Westfalen begründen hieran erhebliche Zweifel. Auf ein etwa abweichendes Verhalten gerade der Nutzer der Antragstellerin kann es angesichts der Geltung der Verordnungsregelung für alle Fitnessstudios im Land nicht ankommen. Hinzu kommt, dass die Übertragung von vermehrungsfähigen SARS-CoV-2-Viren über sogenannte Aerosole u.a. wegen des Atemverhaltens der sich körperlich betätigenden Nutzer und der regelmäßig längeren Aufenthaltsdauer in einem Fitnessstudio von erheblicher Bedeutung ist. Die dadurch entstehenden Ansteckungsrisiken sind bisher zwar noch nicht abschließend untersucht. In dem von der Antragstellerin selbst angeführten Steckbrief des RKI wird auf Grundlage der bisher vorliegenden Erkenntnisse aber ausdrücklich resümiert, dass die bisherigen Untersuchungen insgesamt darauf hinweisen würden, „dass SARS-CoV-2-Viren über Aerosole auch im gesellschaftlichen Umgang übertragen werden können“ (unter Ziff. 1, Übertragungswege). Für die gegenteilige Behauptung der Antragstellerin findet sich dort kein Anhalt. Unter diesen Umständen muss die Untersagung des Betriebs von Fitnessstudios durch § 6 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV weiterhin als erforderlich angesehen werden.

2.3.2.2. Die danach geeignete und erforderliche Maßnahme der Untersagung des Betriebs von Fitnessstudios ist derzeit voraussichtlich auch noch angemessen.

Der mit der Beschränkung verbundene Eingriff in die Grundrechte der Betreiber von Fitnessstudios aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG und in ihr aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitetes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sind unzweifelhaft gravierend, da sie den einzelnen Inhaber des Betriebes und die von diesem beschäftigten Arbeitnehmer in ökonomischer Hinsicht gegebenenfalls existenziell betreffen. Dem gegenüber stehen jedoch die ebenfalls gravierenden Folgen einer weiterhin möglichen erneuten Zunahme der Zahl der Ansteckungen mit dem Corona-Virus für die hochwertigen Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie eines erneuten Ansteigens der Infektionszahlen für das Gesundheitswesen und nach den oben unter 2.3.1 dargelegten Maßstäben ist derzeit noch nicht erkennbar, dass der Verordnungsgeber den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum durch die Aufrechterhaltung dieser Regelung bereits überschritten hätte.

Die Antragstellerin verweist zwar zutreffend darauf, dass die Untersagung ihres Betriebs mittlerweile schon über zwei Monate andauere, und dass es regional nur noch zu wenigen Neuinfektionen komme. Die von der Antragstellerin angeführte deutliche Verlangsamung des Infektionsgeschehens in Deutschland und speziell in Brandenburg ist aber gerade eine Folge der bisherigen Eindämmungsmaßnahmen, zu denen auch das hier angegriffene Verbot gehört. Der Verordnungsgeber, der schon ausweislich der regelmäßigen Anpassungen der Verordnung sowohl die gesunkenen Infektionszahlen als auch die erheblichen Auswirkungen der Verordnungsregelungen auf alle Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung durchaus im Blick hat, hat dennoch angenommen, dass aus infektiologischen Gründen noch keine vollständige Normalisierung möglich sei, sondern entsprechend dem zwischen den Bundesländern und der Bundesregierung abgestimmten Konzept nur eine schrittweise Lockerung erfolgen könne, weil sich die Folgen solcher Lockerungen nicht zuverlässig abschätzen ließen (Amtliche Begründung der Verordnung, A. Allgemeiner Teil). Dieses Moment der Prognoseunsicherheit einerseits und die nicht zu unterschätzenden Folgen einer eventuellen (Re-)Dynamisierung des Infektionsgeschehens andererseits rechtfertigen es auch aus Sicht des Senats, nicht sämtliche zuvor beschlossenen Einschränkungen in gleicher Weise zu lockern, sondern zunächst diejenigen Lebensbereiche auszuwählen, bei denen eine Lockerung der Einschränkungen nach der Beurteilung des Verordnungsgebers als besonders dringlich, aber gleichwohl vertretbar erscheint, und die Maßnahmen im Übrigen in kurzzeitigen Abständen auf ihre Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zu prüfen (Amtliche Begründung der Verordnung, A Allgemeiner Teil, vgl. auch bereits Senatsbeschluss vom 23. April 2020 – OVG 11 S 25/20 –, Rn. 19, juris). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand umfangreiche Programme aufgelegt hat, um die wirtschaftlichen Härten durch umfangreiche Soforthilfeprogramme zu mildern. Dass diese die durch Betriebsschließungen entstehenden Schäden – die Antragstellerin selbst trägt diesbezüglich nur vor, dass ihre Mitgliederzahl stagniere, ohne etwaige ihr daraus entstehende wirtschaftliche Nachteile konkret und nachvollziehbar darzulegen und glaubhaft zu machen – regelmäßig nicht vollständig kompensieren können, steht ihrer Beachtlichkeit bei der Prüfung der andauernden Zumutbarkeit nicht entgegen. Der brandenburgische Verordnungsgeber ist aufgrund des ihm einzuräumenden Einschätzungsspielraums auch weder rechtlich gehalten, Lockerungsmaßnahmen anderer Bundesländer zeitgleich zu übernehmen (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Mai 2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rz. 39 m.w.N.), noch ist seine Entscheidung quasi rechnerisch durch einen Vergleich der aktuellen Infektionszahlen mit denen anderer Bundesländer vorgezeichnet. Im Rahmen seines Gesamtkonzepts, dem angesichts der Prognoseunsicherheiten notgedrungen ein „experimentelles Moment“ innewohnt, ist auch die Einschätzung des Verordnungsgebers nicht zu beanstanden, dass Fitnessstudios – deren Wiedereröffnung im Zuge der nächsten Aktualisierung der Verordnung nunmehr für die Zeit ab dem 28. Mai 2020 angedacht ist (vgl. Pressemitteilung der Staatskanzlei vom 19. Mai 2020 zu Anpassungen der Eindämmungs- und Quarantäne-Verordnung) – derzeit noch geschlossen bleiben müssen.

Soweit die Antragstellerin demgegenüber meint, dass die Gefahr von Neuinfektionen in Fitnessstudios – auf das explizit in Bezug genommene Fitnessstudio gerade der Antragstellerin selbst kann es angesichts der Geltung der Verordnungsregelung für alle Studios in Brandenburg auch insoweit nicht ankommen – nicht signifikant höher sei als in anderen Räumlichkeiten, die für den Besucherverkehr geöffnet seien, wie etwa Läden des Einzelhandels oder Gaststätten, vermag dies weder das Konzept der nur stufenweisen Lockerung noch die – der Sache nach am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu messende – Nichteinbeziehung der Fitnessstudios in den Kreis der bereits umgesetzten Lockerungsmaßnahmen in Zweifel zu ziehen. Denn nach aktuellem Kenntnisstand (vgl. Steckbrief des RKI unter Ziff. 1) dürfte die Behauptung eines nicht höheren Ansteckungsrisikos in Fitnessstudios schon tatsächlich unzutreffend sein, weil nach aktuellem Kenntnisstand in geschlossenen, zur Sportausübung genutzten Räumen insbesondere die Gefahr einer Ansteckung mit Covid 19 über Aerosole erheblich höher sein dürfte als in Einzelhandelsgeschäften, Gaststätten oder Frisiersalons. Aber auch sonst dürfte die Einschätzung des Verordnungsgebers nicht zu beanstanden sein, dass die Wiederöffnung von Fitnessstudios – nicht zuletzt angesichts der mit § 6 Abs. 1 Satz 2 SARS-CoV-2-EindV bereits wieder ermöglichten Nutzung öffentlicher und privater Sportanlagen unter freiem Himmel – in einem Gesamtkonzept schrittweiser Lockerungen weniger dringlich ist als die der für die Versorgung der Bevölkerung unerlässlichen Einzelhandelsgeschäfte, der inzwischen wieder geöffneten Gaststätten oder der Frisiersalons. Dass andere Bundesländer bei der Entscheidung über ihre Lockerungsmaßnahmen andere Prioritäten gesetzt und im Detail anders entschieden haben, steht dem nicht entgegen.

2.4. Auch der von der Antragstellerin unter Verweis auf die Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 SARS-CoV-2-EindV gerügte (weitere) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

Gem. § 6 Abs. 1 Satz 3 SARS-CoV-2-EindV gilt die Untersagung des Sportbetriebs in Satz 1 – neben den Sonderregelungen für den Sportbetrieb unter freiem Himmel in Satz 2 – nicht für den Trainingsbetrieb der Berufssportlerinnen und -sportler und der Kaderathletinnen und -athleten der olympischen und paralympischen Sportarten an Bundes- und Landesstützpunkten oder an den Olympiastützpunkten.

Ein mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstandender sachlicher Differenzierungsgrund ergibt sich für den genannten eng umgrenzten Personenkreis an den genannten Stützpunkten daraus, dass dessen Trainingsbetrieb besser zu überwachen ist und im eigenen Interesse auch besser überwacht wird, es sich – anders als bei Mitgliedern in Fitnessstudios – um eine vergleichsweise geringe Zahl betroffener Personen handelt, so dass ein deutlich geringeres Infektionsrisiko für die Gesellschaft besteht, und dass sich dieser Personenkreis – zusätzlich zum Schutz nach Art. 2 Abs. 1 GG – noch auf den Schutz nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Mai 2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rz. 38).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Verfahrenswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich mangels konkreter Angaben der Antragstellerin zur Bemessung ihres Interesses an dem in Nr. 54.2.1. des Streitwertkatalogs 2013 für gewerberechtliche Untersagungsverfahren angenommenen Wert von 15.000 EUR, der im Hinblick auf die hier begrenzte Dauer der Maßnahme zu halbieren ist (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 8. April 2020 – 3 EN 245/20 –, juris Rn. 57). Von einer nochmaligen Halbierung war angesichts der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache abzusehen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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