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Digitalkamerakauf – Berechnung eines Minderungsanspruchs

AG Halle – Az.: 93 C 4299/10 – Urteil vom 06.10.2011

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 120,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. November 2010 zu bezahlen.

2.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 32 % und die Beklagte 68 %.

4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet. Anspruchsgrundlage ist § 398 BGB in Verbindung mit § 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 414 BGB.

Die Klägerin kann – aus abgetretenem Recht des Zeugen Dr. G…. – gemäß § 441 Abs. 4 Satz 1 BGB die Rückzahlung des zuviel gezahlten Kaufpreises verlangen. Die streitgegenständliche Digitalkamera hat, wie die Inaugenscheinnahme in der mündlichen Verhandlung und die Vernehmung des Zeugen Dr. G…. ergeben hat, einige Mängel:

Auf dem eingeschalteten Display zeigen zwei kleine blaue Flecken.

Die Abdeckung des Auflöseknopfs ist abgefallen, sodass sich am Auslöser ein kleines Drähtchen befindet, welches sich insbesondere in der Kleidung verhaken kann

Der Ein/Aus-Schalter ist lose.

Digitalkamerakauf - Berechnung eines Minderungsanspruchs
Symbolfoto: Von dotshock/Shutterstock.com

Zwei greift nicht die Vermutung des § 476 BGB, weil sich die Mängel erst nach Ablauf von sechs Monaten gezeigt haben. Jedoch geht das Gericht davon aus, dass es sich nicht um normalen Verschleiß oder normale Abnutzung handelt, sondern dass die Mängel der Kamera von Anfang an innewohnten und sich diese eben nur später gezeigt haben.

Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die Schäden nicht, wie die Beklagte behauptet, bei einem Herunterfallen der Kamera entstanden sind. Der Zeuge Dr. G… hat nachvollziehbar erläutert, dass die (leichte) Einbeulung am Objektivring nicht dadurch entstand, dass die Kamera herunterfiel, sondern dadurch, dass der Zeuge die Kamera im Urlaub in der Hosentasche hatte und hierbei die Kamera beim Sitzen in einem Hotelstuhl versehentlich gegen eine feste Armlehne drückte. Es ist auch kaum nachvollziehbar, wie die Einbeulung beim Herunterfallen entstanden sein soll. Ebenso schließt das Gericht nach der Aussage des Zeugen Dr. G… aus, dass die streitgegenständlichen Mängel entstanden sind, als er die Kamera versehentlich gegen die Armlehne des Hotelstuhls drückte. Es ist auch kaum nachvollziehbar, wie etwa durch ein Drücken gegen die feste Armelehne die Abdeckung des Auslöseknopfs abgegangen sein und der Ein/Aus-Schalter lose geworden sein soll.

Das Gericht weist auch ausdrücklich darauf hin, dass es diese Überzeugung nicht deshalb gewonnen hat, weil aufgrund des formalen Tricks der Abtretung der materiell berechtigte Dr. H… G… nicht Kläger war und daher als Zeuge vernommen werden konnte. Wenn er als Kläger informatorisch angehört worden wäre, wäre die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht anders verlaufen. Der inhaltliche Wert einer Aussage ist unabhängig von der formalen Stellung der Auskunftsperson (Zeuge oder Partei). Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass einem Zeugen mehr zu glauben ist als den Angaben einer Partei in einer informatorischen Anhörung. Das Gericht hat gemäß § 286 ZPO den gesamten Inhalt der Verhandlung zu würdigen, wozu Parteianhörungen ebenso zählen wie Zeugenvernehmungen. Das Gericht darf sogar im Rahmen der freien Beweiswürdigung einer Parteierklärung, auch wenn sie außerhalb einer förmlichen Parteivernehmung erfolgt ist, den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen geben (BGH NJW 2003, 2527, 2528). Es darf nicht sein, dass einen Verkehrsunfallprozess stets diejenige Partei gewinnt, die im Gegensatz zur Gegenseite zufälligerweise einen Zeugen hat. Dies hieße, das Ergebnis eines Prozesses vom Zufall abhängig machen. Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet es sogar, die Partei, die keinen Zeugen hat, gemäß § 141 ZPO anzuhören und das Ergebnis der Anhörung bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (BGH a.a.O., ebenso EGMR NJW 1999, 1413f., BVerfG NJW 2001, 2531f.).

Der Zeuge Dr. G… hat auch zunächst, wie von § 439 BGB verlangt, Nacherfüllung verlangt. Die Beklagte hat aber die Nacherfüllung verweigert. Die Vorschläge der Beklagten (der Zeuge Dr. G… solle die Beseitigung der Mängel bezahlen und hierfür 110,12 € aufwenden, die Kamera unrepariert zurücknehmen und hierfür 40,00 € zahlen oder aber die Kamera kostenlos umweltgerecht durch die Beklagte entsorgen lassen) haben mit einer Nacherfüllung im Sinne des § 439 BGB nichts zu tun und beruhen offenbar auf dem bei Geschäften weitverbreiteten populären Rechtsirrtum, dass ein Kunde (von Anfang an oder jedenfalls nach Ablauf von sechs Monaten) keine Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer habe, sondern auf Garantieleistungen des Herstellers zu verweisen sei, Mängelbeseitigung durch den Verkäufer aber bezahlen müsse.

Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch. Der Mängelanspruch verjährte in zwei Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB), die Verjährung begann mit Übergabe der Kamera am 29. November 2008 (§ 438 Abs. 2 2. Halbsatz BGB). Verjährung wäre somit mit Ablauf des 29. November 2010 eingetreten, sodass die am 29. November 2010 bei Gericht eingegangene und der Beklagten am 14. Februar 2011 zugestellte Klage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 167 ZPO die Verjährung hemmte. Die Zustellung der Klage erfolgte „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO. Die Klägerin hat alles ihr mögliche unternommen, um eine schnellstmögliche Zustellung der Klage zu erreichen, insbesondere hat sie nach Anforderung den Kostenvorschusses binnen zwei Wochen eingezahlt, was ausreichend ist (Zöller-Greger, ZPO, 27. Auflage, § 167 Rn. 15), eingezahlt. Auch durfte die Klägerin die Anforderung des Kostenvorschusses abwarten, da zwischen Einreichung der Klage und Anforderung des Kostenvorschusses noch keine drei Wochen lagen (Zöller-Greger a. a. O.). Für die weitere Verfahrensverzögerung (Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens erfolgte am 12. Januar 2011, die Verfügung wurde erst am 8. Februar 2011 ausgeführt) kann die Klägerin nichts.

Der Minderungsbetrag ist von der Klägerin aber der Höhe nach falsch berechnet. Gemäß § 441 Abs. 3 Satz 1 BGB ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der mangelfreien Sache zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Das Gesetz verlangt insoweit eine Schätzung (§ 441 Abs. 3 Satz 2 BGB), sodass die Klägerin nicht, wie mit Schriftsatz vom 29. September 2011 geschehen, behaupten kann, dass eine andere Bestimmung des Minderungsbetrages als durch Abzug der Reparaturkosten „keine plausibel herleitbare Begründung“ gewährleiste. Das Gericht muss also eine von § 441 Abs. 3 Satz 2 BGB ausdrücklich angeordnete Schätzung vornehmen, zumal die exakte Ermittlung des Minderungsbetrages durch ein Sachverständigengutachten zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis steht (§ 287 Abs. 2 ZPO). Das Gericht schätzt die Minderung auf 50 %, da es sich um mehrere Mängel handelt, die zwar für sich genommen jeweils geringfügig, insgesamt aber doch ärgerlich sind. Da jedoch die Kamera ihren Zweck, Bilder aufzunehmen, einwandfrei erfüllt (dies hat der Zeuge Dr. G… ausdrücklich bekundet), kommt ein höherer Betrag nicht in Betracht.

Nicht in Betracht kommt es im vorliegenden Fall, den Minderungsbetrag durch die von der Beklagten ermittelten Reparaturkosten zu bestimmen. Der Minderwert kann im Einzelfall der (fiktive) Reparaturaufwand sein, ist es aber häufig nicht, weil in vielen Fällen die Beseitigung eines Mangels hohe Kosten erfordert und eine mangelhafte Sache im Geschäftsverkehr oder Gebrauch einen nur wenig geminderten Wert haben kann (Palandt-Weidenkaff, BGB, 68. Auflage, § 411 Rn. 15). Die Minderung darf nicht ohne weiteres nach den Reparaturkosten bestimmt werden (Matusche-Beckmann in: Staudinger, Neubearbeitung 2004, § 441 Rn. 22). Der Reparaturaufwand kann vielmehr nicht entscheidend sein, auch wenn er Anhaltspunkte liefert (Westermann in: Münchner Kommentar zum BGB, 5. Auflage, München 2008, § 441 Rn 14).

Da durch die Mängel der Kaufsache ihr Wert um 50 % gemindert ist, hat die Beklagte 50 % des Kaufpreises, somit 74,50 €, zurückzuzahlen.

Gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB hat die Beklagte die der Höhe nach zutreffend berechneten vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin zu ersetzen.

Insgesamt hat die Klägerin folgende Ansprüche:

Hauptforderung: 74,50 €

Vorgerichtliche Anwaltskosten: 46,41 €

Summe: 120,91 €

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 BGB, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Es ist kein Grund zu erkennen, gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO die Berufung zuzulassen.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 110,12 € festgesetzt.

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