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Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich bei überhöhten Wohnbedarf

Rechtliche Grauzone: Mieter ziehen gegen überhöhte Eigenbedarfskündigung erfolgreich vor Gericht

Das Landgericht Neuruppin hat in einem Urteil entschieden, dass eine Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn der Vermieter einen weit überhöhten Wohnbedarf geltend macht. Im konkreten Fall wurde die Beschwerde des Beklagten akzeptiert und der vorherige Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg abgeändert, sodass die Kosten des Rechtsstreits zwischen den Parteien geteilt werden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 T 38/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Landgericht Neuruppin hat entschieden, dass eine Eigenbedarfskündigung als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann, wenn der geltend gemachte Wohnbedarf deutlich überhöht ist.
  • Im speziellen Fall wurde die Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg revidiert und die Kosten des Verfahrens wurden zwischen den Streitparteien aufgeteilt.
  • Die Kläger hatten Eigenbedarf für ein Reihenhaus geltend gemacht, um es als Wohnhaus für sich und ihre Kinder zu nutzen, was jedoch einer Beweisaufnahme bedurfte.
  • Die Gerichte müssen eine Abwägung zwischen dem Interesse des Vermieters am Erlangen der Wohnung und dem Bestandsinteresse des Mieters vornehmen, wobei der Schutz des Eigentums und die beiderseitigen Belange in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen sind.
  • Für eine wirksame Eigenbedarfskündigung ist es erforderlich, dass der Vermieter den Eigenbedarf ernsthaft verfolgt und vernünftige, nachvollziehbare Gründe anführt.
  • Rechtsmissbrauch kann angenommen werden, wenn der geltend gemachte Eigenbedarf objektiv unsinnig oder missbräuchlich ist, etwa durch die Forderung eines weit überhöhten Wohnbedarfs.
  • Die Entscheidung des Gerichts hängt von der Beweislage ab, und die Kläger müssen den Eigenbedarf im Prozess durch Zeugen oder andere Beweismittel belegen.
  • Das Urteil betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung und Begründung von Eigenbedarfskündigungen, um Missbrauch zu vermeiden.

Eigenbedarfskündigung: Wenn der Vermieter zu viel Platz braucht

Sie haben eine Wohnung gemietet und erhalten plötzlich eine Eigenbedarfskündigung vom Vermieter. Was nun? Nicht immer ist eine solche Kündigung rechtmäßig. In diesem Artikel beleuchten wir den Fall einer Eigenbedarfskündigung, bei der der Vermieter einen überhöhten Wohnbedarf geltend macht.

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass der Vermieter grundsätzlich berechtigt ist, sein Eigentum selbst zu nutzen. Dies bedeutet, dass er Ihnen kündigen kann, um die Wohnung selbst zu bewohnen oder an Familienangehörige zu vermieten. Allerdings muss er dafür ein berechtigtes Interesse haben und die Kündigung muss für Sie nicht unzumutbar sein.

Ein wichtiger Aspekt bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Eigenbedarfskündigung ist der Wohnbedarf des Vermieters. Dieser muss angemessen sein und sich an den tatsächlichen Lebensverhältnissen des Vermieters und seiner Familie orientieren.

In der Praxis kommt es häufig zu Streitigkeiten darüber, ob der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf tatsächlich angemessen ist. In diesem Artikel werden wir anhand eines aktuellen Urteils die Rechtsprechung zu diesem Thema näher erläutern und Ihnen aufzeigen, worauf Sie bei einer Eigenbedarfskündigung achten sollten.

Zunächst einmal sollten Sie sich bewusst sein, dass die Gerichte den Wohnbedarf des Vermieters grundsätzlich respektieren. Dies bedeutet, dass sie nicht ihre eigenen Vorstellungen von angemessenem Wohnen an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters setzen können.

Allerdings kann eine Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Vermieter einen weit überhöhten Wohnbedarf geltend macht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Vermieter eine Wohnung mit deutlich mehr Wohnfläche oder Zimmern beansprucht, als er für sich und seine Familie tatsächlich benötigt.

In dem hier zu besprechenden Urteil hat das Gericht entschieden, dass eine Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich war, weil der Vermieter eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 150 Quadratmetern für sich und seine Ehefrau beansprucht hatte. Das Gericht stellte fest, dass diese Wohnfläche für ein Ehepaar ohne Kinder deutlich überhöht sei.

Im Folgenden werden wir die Entscheidung des Gerichts näher erläutern und Ihnen aufzeigen, welche Kriterien bei der Prüfung der Angemessenheit des Wohnbedarfs herangezogen werden.

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Im Zentrum eines aufsehenerregenden Rechtsstreits am Landgericht Neuruppin stand eine Eigenbedarfskündigung, die von den Klägern als Mittel zur Beendigung eines Mietverhältnisses eingesetzt wurde. Der Fall, der unter dem Aktenzeichen 4 T 38/23 verhandelt wurde, drehte sich um die Frage, ob die geltend gemachten Gründe für die Kündigung rechtsmissbräuchlich waren, weil der behauptete Eigenbedarf der Kläger als überhöht angesehen wurde.

Die Anfänge eines strittigen Rechtsstreits

Ausgangspunkt der juristischen Auseinandersetzung war die Entscheidung der Kläger, ein Mietverhältnis aufgrund von Eigenbedarf zu kündigen. Sie argumentierten, das Mietobjekt, ein Reihenhaus, für sich und ihre Kinder als Wohnhaus nutzen zu wollen. Als Gründe führten sie den gestiegenen Platzbedarf sowie die Notwendigkeit eines Arbeitsplatzes im Homeoffice an. Zudem betonten sie die Wichtigkeit der räumlichen Nähe zu anderen Familienmitgliedern. Diese Argumente wurden jedoch von den Beklagten angezweifelt, was schließlich zur juristischen Überprüfung des Kündigungsmotivs führte.

Der Kern des rechtlichen Disputs

Das rechtliche Problem in diesem Fall lag in der Beurteilung, ob die von den Klägern vorgebrachten Gründe für den Eigenbedarf tatsächlich stichhaltig und nachvollziehbar waren oder ob es sich dabei um einen Rechtsmissbrauch handelte. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht vor, dass eine Kündigung des Mietverhältnisses auf Eigenbedarf möglich ist, sofern der Vermieter die Räumlichkeiten für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Allerdings muss dieser Bedarf ernsthaft verfolgt werden und darf nicht objektiv unsinnig oder gar missbräuchlich sein.

Die Entscheidung des Landgerichts Neuruppin

Das Landgericht Neuruppin kam zu dem Schluss, dass eine weiterführende Beweisaufnahme erforderlich gewesen wäre, um die Glaubwürdigkeit und Stichhaltigkeit der von den Klägern vorgebrachten Gründe für den Eigenbedarf zu überprüfen. Infolgedessen wurde auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hin der ursprüngliche Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg abgeändert. Die Kosten des Rechtsstreits wurden den Parteien zu gleichen Teilen auferlegt. Diese Entscheidung unterstreicht, dass die Gerichte eine sorgfältige Prüfung vornehmen müssen, bevor sie eine Eigenbedarfskündigung als rechtmäßig anerkennen. Dabei spielt insbesondere die Abwägung der beiderseitigen Interessen eine zentrale Rolle.

Warum das Gericht zu diesem Schluss kam

Das Gericht legte großen Wert auf die Notwendigkeit, dass die Kläger ihren behaupteten Eigenbedarf konkret und substantiiert darlegen und beweisen müssen. Die bloße Behauptung, die Wohnung für sich und die Familie zu benötigen, reicht nicht aus, insbesondere wenn die Gegenpartei diese Behauptung in Frage stellt. Da in diesem Fall eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen wäre, um die Wahrhaftigkeit und die Ernsthaftigkeit des Eigenbedarfs zu bestätigen, wies das Gericht darauf hin, dass ohne diese Beweisaufnahme keine endgültige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Kündigung getroffen werden kann.

Das Urteil des Landgerichts Neuruppin stellt klar, dass die Geltendmachung von Eigenbedarf einer sorgfältigen Prüfung bedarf und nicht leichtfertig als Mittel zur Kündigung von Mietverhältnissen eingesetzt werden darf.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird der Missbrauch einer Eigenbedarfskündigung definiert?

Der Missbrauch einer Eigenbedarfskündigung wird in verschiedenen Kontexten definiert und kann unterschiedliche Formen annehmen. Ein zentraler Aspekt ist der vorgetäuschte Eigenbedarf, bei dem der Vermieter die Kündigung mit Eigenbedarf begründet, obwohl ihm bekannt ist, dass dieser nicht gegeben ist. Dies kann bereits dann gegeben sein, wenn der Vermieter eine Eigenbedarfskündigung androht oder sich darauf beschränkt, Eigenbedarf anzumelden, und der Mieter daraufhin freiwillig auszieht, weil er keinen Anlass hatte, den Angaben des Vermieters zu misstrauen.

Ein weiterer Aspekt des Missbrauchs ist die Rechtsmissbrauchsthematik, bei der eine Eigenbedarfskündigung wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) unwirksam sein kann, wenn sich der Vermieter mit seinem Ausspruch zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt. Hierbei ist strittig, inwieweit der Vermieter den Eigenbedarf konkret in Erwägung gezogen haben muss, damit Rechtsmissbrauch bejaht werden kann. Es gibt Meinungen, die davon ausgehen, dass die bloße Möglichkeit von Eigenbedarf zur Bejahung von Rechtsmissbrauch ausreicht, während andere Ansichten konkrete Anhaltspunkte für einen künftigen Eintritt eines Eigenbedarfs fordern.

Missbrauch von Eigenbedarfskündigungen kann auch in der Form betrieben werden, dass Vermieter ihre Pflichten vernachlässigen, was im schlimmsten Fall zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann. Dies hat zur Folge, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird und der Mieter in dem Mietobjekt bleiben darf.

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Vorgetäuschter Eigenbedarf kann zudem strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und als Betrug gewertet werden. Neben strafrechtlichen Konsequenzen können Mieter auch Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn Eigenbedarf angemeldet wird, obwohl dieser nicht besteht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Missbrauch einer Eigenbedarfskündigung in der Vortäuschung eines nicht vorhandenen Eigenbedarfs, im Rechtsmissbrauch durch widersprüchliches Verhalten des Vermieters sowie in der Vernachlässigung von Vermieterpflichten bestehen kann. Entscheidend ist, dass der Eigenbedarf tatsächlich besteht und nachvollziehbar begründet wird, um Missbrauchsvorwürfen entgegenzuwirken.

Was sind berechtigte Interessen für eine Eigenbedarfskündigung?

Berechtigte Interessen für eine Eigenbedarfskündigung sind im deutschen Mietrecht klar definiert. Ein Vermieter kann ein Mietverhältnis kündigen, wenn er die Wohnung für sich selbst, seine Familienangehörigen oder zu seinem Haushalt gehörende Personen benötigt. Dies ist in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB festgelegt. Zu den Familienangehörigen zählen beispielsweise Ehegatten, Kinder, Eltern und Geschwister des Vermieters. Auch Lebenspartner können unter bestimmten Voraussetzungen als Angehörige gelten.

Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und die Gründe für die Kündigung sowie eine angemessene Frist enthalten. Es muss deutlich gemacht werden, für wen der Vermieter die Wohnung benötigt. Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn der Vermieter die Wohnung primär zu privaten Wohnzwecken nutzen will. Dies umfasst auch die Nutzung als Zweitwohnung oder Ferienwohnung.

Es ist wichtig, dass der Vermieter die Gründe für den Eigenbedarf ausführlich schriftlich darlegt. Ein „Nachschieben“ von Kündigungsgründen, die nicht ausdrücklich im Kündigungsschreiben genannt wurden, ist nur dann zulässig, wenn diese Gründe nach der Kündigung aufgetreten sind.

Eine Eigenbedarfskündigung kann auch dann vorgeschoben sein, wenn ein Vermieter seit längerem Verkaufsabsichten hegt und der von ihm benannten Eigenbedarfsperson den Wohnraum in der Zwischenzeit nicht zur Verfügung stellt.

Zusätzlich kann der Vermieter die Wohnung auch für berufliche Zwecke nutzen wollen, was im Einzelfall ebenfalls ein berechtigtes Interesse darstellen kann.

Es ist jedoch zu beachten, dass eine Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam ist, wenn sie nur vorgeschoben ist oder wenn dem Vermieter oder der benannten Person vor Ablauf der Kündigungsfrist auch andere Wohnungen zur Verfügung stehen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 573 Abs. 1 S. 1 BGB: Definiert die allgemeinen Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung durch den Vermieter. Es erfordert ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses. Im Kontext des Urteils ist dies relevant, da die Eigenbedarfskündigung nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses zulässig ist.
  • § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB: Spezifiziert die Bedingungen für eine Eigenbedarfskündigung, nämlich dass der Vermieter die Räumlichkeiten für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Dieser Paragraph steht im Mittelpunkt des Urteils, da der strittige Punkt der vermeintliche Eigenbedarf des Vermieters ist.
  • § 91a ZPO: Regelt die Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache. Die Anwendung dieses Paragraphen im Urteil zeigt, dass das Gericht eine Entscheidung über die Kostenverteilung basierend auf einer Prognose, wie der Fall ohne Erledigung ausgegangen wäre, getroffen hat.
  • Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG: Gewährleistet den Schutz des Eigentums und ermöglicht dem Eigentümer unter anderem die Nutzung seiner Wohnung im Falle von Eigenbedarf. Dieser Artikel untermauert das Recht des Vermieters, die Wohnung selbst zu nutzen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.
  • § 141 ZPO: Ermöglicht die Anhörung von Parteien im Gerichtsverfahren. Dieser Paragraph wurde im Urteil erwähnt, um die Bedeutung der persönlichen Anhörung in Fällen, wo keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen, zu betonen.
  • § 448 ZPO: Ermöglicht die Vernehmung der Parteien als Beweismittel. Im Kontext des Urteils deutet dies darauf hin, dass das Gericht die Möglichkeit einer solchen Vernehmung in Betracht ziehen würde, um den behaupteten Eigenbedarf zu überprüfen, falls keine ausreichenden Beweise vorliegen.


Das vorliegende Urteil

LG Neuruppin – Az.: 4 T 38/23 – Beschluss vom 30.06.2023

In Sachen hat das Landgericht Neuruppin – 4. Zivilkammer – am 30.06.2023 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 05.05.2023, Az. 20 C 240/22, abgeändert:

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner und der Beklagte zu je 1/2.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere innerhalb der Frist der §§ 91a Abs. 2 S. 1, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.

Die Kosten des Rechtsstreits waren den Parteien zu je 1/2 aufzuerlegen, da die Entscheidung des Rechtsstreits von einer durchzuführenden Beweisaufnahme abhängig gewesen wäre.

Im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO findet eine Prognose statt, wie das Verfahren betreffend die Hauptsache ohne die übereinstimmende Erledigung – hier den Prozessvergleich – ausgegangen wäre und wer die Kosten des Verfahrens hätte tragen müssen. Dies erfordert eine Prognoseentscheidung betreffend die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung, für die § 91a ZPO als Entscheidungsparameter die „Billigkeit“ und den „bisherigen Sach- und Streitstand“ vorgibt. Es hat also eine summarische Prüfung zu erfolgen.

Da die Entscheidung des Rechtsstreits vorliegend von einer Beweisaufnahme abhängig ist, haben die Parteien die Kosten zu je 1/2 zu tragen (so auch Jaspersen in BeckOK ZPO, Vorwerk / Wolf, 48. Ed., Stand: 01.03.2023, § 91a, Rn. 31.1).

Die Kläger haben sich auf Eigenbedarf berufen. Dessen Vorliegen hätte im Rahmen einer Beweisaufnahme festgestellt werden müssen. Voraussetzung für eine Eigenbedarfskündigung ist, dass gem. § 573 Abs. 1 S. 1 BGB ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht, das gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB dann vorliegt, wenn der Kläger die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Bei der Auslegung und Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB haben die Gerichte die Interessenabwägung des Gesetzgebers zwischen dem Erlangungsinteresse des Vermieters und dem Bestandsinteresse des Mieters in einer Weise nachzuvollziehen, die dem Eigentumsschutz Rechnung trägt und die beiderseitigen Belange von Vermieter und Mieter in einen verhältnismäßigen Ausgleich bringt. Der Vermieter wird durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in seiner Freiheit geschützt, die Wohnung bei Eigenbedarf selbst zu nutzen oder durch privilegierte Angehörige nutzen zu lassen. Die Gerichte sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) zu setzen. Dem Erlangungswunsch des Vermieters sind allerdings zur Wahrung berechtigter Belange des Mieters Grenzen gesetzt. Zur Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung ist es deshalb erforderlich, dass der Vermieter den Eigenbedarfswunsch ernsthaft verfolgt und er vernünftige, nachvollziehbare Gründe anführt und der geltend gemachte Eigenbedarf nicht objektiv unsinnig oder missbräuchlich ist. Rechtsmissbrauch in diesem Sinne kann dabei angenommen werden, wenn der Vermieter weit überhöhten Wohnbedarf geltend macht, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters nicht erfüllen kann oder der Wohnbedarf des Vermieters in einer anderen Wohnung ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann, was unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu beurteilen ist (BGH NJW 2015, 1590, Rn. 15 f.).

Derartig vernünftige Gründe sind durch die Kläger substantiiert vorgetragen worden, indem sie behauptet haben, das Reihenhaus für sich und ihre Kinder als Wohnhaus nutzen zu wollen, insbesondere wegen des gestiegenen Platzbedarfs und wegen der Tätigkeit des Klägers in Heimarbeit. Zudem ist behauptet worden, der Umzug sei wegen der sodann gegebenen räumlichen Nähe zu anderen Familienmitgliedern erforderlich.

Ob diese Gründe vorliegen, kann allerdings nicht allein aus der Anhörung des Klägers gem. § 141 ZPO – um eine solche und nicht eine Parteivernehmung handelte es sich vorliegend – geschlossen werden. Anerkannt ist, dass jedenfalls in den Fällen, in denen die Partei keinen Zeugen zur Verfügung hat („Vier-Augen-Gespräch“), ihr Gelegenheit zu geben ist, ihre Darstellung in den Prozess persönlich im Wege der Anhörung nach § 141 ZPO einzubringen (BVerfG NJW 2017, 3218, Rn. 58). In allen anderen Fällen der Beweisnot einer Partei, bei denen es sich nicht um einen Fall des „Vier-Augen-Gesprächs“ handelt, kann über § 141 ZPO nicht der unmittelbare Beweis geführt werden, sondern dieser nur ergänzend zur Überzeugungsbildung beitragen (MükoZPO/Fritzsche, 6. Auflage 2020, § 141, Rn. 6 f. m.w.N.).

Insofern hätten die Kläger die Behauptung, es liege Eigenbedarf vor, im Prozess etwa durch Zeugen beweisen müssen, ein „Vier-Augen-Gespräch“ oder eine vergleichbare Situation lag nicht vor. Das Ergebnis einer derartigen Beweisaufnahme ist offen. Richtig ist, dass der Zeugenbeweis nur zu der in Schönfließ bestehenden familiären Unterstützung angeboten wurde, nicht ersichtlich ist aber, dass die Kläger – insbesondere nach Hinweis des Amtsgerichts, der sodann angezeigt gewesen wäre – nicht auch für die anderen den Eigenbedarf begründenden Umstände Zeugen hätten anbieten können. Selbst wenn Zeugen hinsichtlich der behaupteten Tatsachen nicht gestellt werden könnten und eine Beweisnot gegeben wäre, die eine (subsidiäre) Vernehmung der Kläger nach § 448 ZPO möglich werden ließe (MükoZPO/Schreiber, 6. Auflage 2020, § 448, Rn. 4), so käme es jedenfalls auf eine Beweisaufnahme durch Parteivernehmung nach § 448 ZPO an, deren Ergebnis – trotz der Äußerungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung – nur als offen gewertet werden kann.

 

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