Streit um Zaun und Bäume: Nachbarschaftsstreit vor Gericht
Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Az.: 13 S 108/22) vom 07.03.2023 behandelt einen Nachbarschaftsstreit um die Einfriedung von Grundstücken. Es befasst sich mit der Unterlassung des Zurückschneidens von Fichten und der Kostenteilung für die Errichtung eines Zauns. Der Beklagte wird zur Unterlassung verurteilt, die Klage bezüglich der Kostenteilung für den Zaun wird jedoch abgewiesen, da keine wesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch das Grundstück des Beklagten vorliegt.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Unterlassung des Zurückschneidens: Der Beklagte wird verurteilt, das Zurückschneiden der Fichten auf dem Grundstück des Klägers zu unterlassen.
- Keine wesentliche Beeinträchtigung: Das Gericht sieht keine wesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch das Grundstück des Beklagten.
- Kostenteilung für den Zaun abgelehnt: Der Anspruch des Klägers auf hälftige Kostenteilung für den Zaun wird abgewiesen.
- Allgemeine Einfriedungspflicht: Eine allgemeine Einfriedungspflicht im Saarland besteht nicht, nur bei Bedarf zum Schutz vor wesentlichen Beeinträchtigungen.
- Keine Verantwortlichkeit für Wildtiere: Der Beklagte ist nicht verantwortlich für Wildtiere, die vom eigenen Grundstück auf das des Klägers gelangen.
- Rechtliche Grundlagen: Das Urteil stützt sich auf das Saarländische Nachbarrechtsgesetz und das Bürgerliche Gesetzbuch.
- Selbsthilferecht: Dem Beklagten steht grundsätzlich ein Selbsthilferecht zum Rückschnitt der Äste zu, jedoch nur innerhalb seines Grundstücks.
- Keine Revision zugelassen: Eine Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Übersicht:
- Streit um Zaun und Bäume: Nachbarschaftsstreit vor Gericht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Konflikte an der Grundstücksgrenze: Einfriedungspflicht und Nachbarrecht
- Der Streit um die Einfriedungspflicht: Ein Fall vor dem LG Saarbrücken
- Hintergrund des Rechtsstreits: Die Zaunproblematik
- Juristische Komplexität: Das Urteil des Amtsgerichts und die Berufung
- Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken: Eine differenzierte Betrachtung
- ✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Konflikte an der Grundstücksgrenze: Einfriedungspflicht und Nachbarrecht
Im Bereich des Nachbarrechts treten häufig Konflikte auf, die sich um die Einfriedung von Grundstücken drehen. Diese Thematik ist besonders relevant, wenn es um die Gestaltung und Instandhaltung von Grenzeinrichtungen wie Zäunen geht, die zwei benachbarte Grundstücke voneinander trennen. Das Urteil zu solchen Angelegenheiten kann weitreichende Folgen für die beteiligten Parteien haben, insbesondere im Hinblick auf die Kostenteilung und die Verantwortlichkeiten bezüglich der Erhaltung und Pflege dieser Grenzbereiche.
Die rechtlichen Auseinandersetzungen, die aus der Einfriedungspflicht resultieren, betreffen häufig sowohl zivilrechtliche als auch verwaltungsrechtliche Aspekte. Im Fokus steht dabei, inwieweit die Beteiligten zur Errichtung, Erneuerung oder Instandhaltung der Einfriedungen verpflichtet sind und welche Rolle das Nachbarrecht dabei spielt. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit einem konkreten Fall, der vor dem Landgericht Saarbrücken verhandelt wurde, und geben Einblick in die Komplexität solcher Rechtsstreitigkeiten. Tauchen Sie mit uns in die Details dieses interessanten Falles ein, um zu erfahren, wie das Gericht entschieden hat und welche Lehren daraus für das Nachbarrecht gezogen werden können.
Der Streit um die Einfriedungspflicht: Ein Fall vor dem LG Saarbrücken
In einem bemerkenswerten Fall vor dem Landgericht Saarbrücken, Az.: 13 S 108/22, ging es um die Einfriedungspflicht von Grundstücken und damit verbundene Nachbarschaftskonflikte. Der Kern des Streits drehte sich um die Kosten für die Errichtung eines Zaunes sowie um die Unterlassung des Zurückschneidens von Fichten, die von einem Grundstück auf das andere ragten.
Hintergrund des Rechtsstreits: Die Zaunproblematik
Die Parteien, Nachbarn, waren in einen Disput verwickelt, nachdem der Kläger einen maroden Maschendrahtzaun durch einen neuen 1,4 m hohen Doppelstabmattenzaun ersetzte, für den er vom Beklagten die Hälfte der Kosten, konkret 789,26 Euro, forderte. Dieser Betrag wurde vom Beklagten nicht entrichtet. Darüber hinaus verlangte der Kläger die Unterlassung des Zurückschneidens von Fichten durch den Beklagten, die über die Grenze ragten. Der Kläger behauptete, der neue Zaun sei notwendig, um Wildtiere abzuhalten, und berief sich auf eine Zustimmung der Rechtsvorgänger des Beklagten.
Juristische Komplexität: Das Urteil des Amtsgerichts und die Berufung
Das Amtsgericht gab der Klage teilweise statt, indem es den Beklagten zur Zahlung der hälftigen Zaunkosten und zur Unterlassung des Zurückschneidens der Fichten verurteilte. Der Beklagte legte Berufung ein, indem er argumentierte, das Amtsgericht habe die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 NachbG SL nicht korrekt geprüft. Er verneinte eine Eintrittspflicht, da der Zaun allein auf dem Grundstück des Klägers stehe und es keine wesentlichen Beeinträchtigungen von seinem Grundstück aus gebe.
Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken: Eine differenzierte Betrachtung
Das Landgericht Saarbrücken stellte fest, dass die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts keinen Anspruch des Klägers auf Zahlung der hälftigen Zaunkosten rechtfertigen. Es verneinte eine generelle Einfriedungspflicht im Saarland und damit auch die Pflicht des Beklagten zur anteiligen Kostenübernahme. Bezüglich des Unterlassungsanspruchs des Klägers in Bezug auf die Fichten, entschied das Gericht zugunsten des Klägers. Der Beklagte hatte die Fichten über die Grenze hinaus bis zum Stamm zurückgeschnitten, was eine Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums darstellte.
Das Urteil zeigt die Bedeutung einer differenzierten juristischen Bewertung in Fällen des Nachbarrechts. Es betont die Notwendigkeit, die spezifischen Umstände jedes Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere bei Fragen der Einfriedungspflicht und der damit verbundenen Kosten. Dieser Fall am LG Saarbrücken ist ein exemplarisches Beispiel für die Komplexität rechtlicher Auseinandersetzungen im Bereich des Nachbarrechts, insbesondere wenn es um die Abgrenzung von Eigentum und die Verantwortlichkeiten für Grenzeinrichtungen geht.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was ist die Einfriedungspflicht von Grundstücken im Nachbarrecht?
Die Einfriedungspflicht von Grundstücken im Nachbarrecht bezieht sich auf die gesetzliche Verpflichtung, ein Grundstück an oder auf der Grenze zum Nachbargrundstück einzufrieden, wenn dies der Nachbar verlangt. Diese Pflicht dient dem nachbarlichen Rechtsfrieden und hilft, nachbarliche Streitigkeiten zu vermeiden.
Die meisten Nachbarrechtsgesetze der Bundesländer gehen davon aus, dass gesetzliche Regelungen über die Pflicht zur Einfriedung von Grundstücken dem nachbarlichen Rechtsfrieden dienen und nachbarliche Streitigkeiten zu vermeiden helfen. Die Ausgestaltung der Einfriedungspflicht variiert jedoch von Bundesland zu Bundesland.
In einigen Bundesländern besteht eine Einfriedungspflicht zum Schutz des Nachbarn, in anderen besteht eine generelle Einfriedungspflicht, wenn dies ortsüblich ist, und in wieder anderen besteht eine Einfriedungspflicht für bebaute oder gewerblich genutzte Grundstücke in Innenortslage.
Es ist zu beachten, dass das öffentliche Recht keine Einfriedungspflicht zum Schutz benachbarter Grundstücke kennt. Die Bauordnungen der Bundesländer regeln Einfriedungspflichten nur für Baugrundstücke entlang öffentlicher Wege, Straßen und Plätze.
Grundsätzlich hat jeder Grundstücksbesitzer gemäß § 903 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Recht, auf seinem Grundstück Zäune oder andere Arten der Einfriedung zu errichten, um sich vor unbefugtem Betreten zu schützen. Eine Einfriedungspflicht besteht jedoch nur dann, wenn ein unmittelbarer Nachbar verlangt, dass ein Zaun oder eine Hecke die Grundstücke optisch klar voneinander trennen soll.
Die Kosten für die Errichtung und Unterhaltung der Einfriedung werden in der Regel von beiden Nachbarn zu gleichen Teilen getragen. Es ist jedoch immer ratsam, sich auf das Nachbarrechtsgesetz und die Bauordnung des jeweiligen Bundeslandes sowie die Vorgaben der örtlichen Baubehörde zu berufen, um Streitigkeiten zu vermeiden.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass eine Einfriedung, die nicht ortsüblich ist, vom Nachbarn zur Entfernung verlangt werden kann. In einigen Nachbarrechtsgesetzen ist auch geregelt, welche Art und Höhe der Einfriedung erlaubt ist, wenn keine Ortsüblichkeit festgestellt werden kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einfriedungspflicht von Grundstücken im Nachbarrecht von Bundesland zu Bundesland variiert und in der Regel nur dann besteht, wenn dies vom Nachbarn verlangt wird.
Welche Rolle spielen Grenzsteine bei der Bestimmung von Grundstücksgrenzen?
Grenzsteine spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung von Grundstücksgrenzen. Sie dienen dazu, den Verlauf der Grundstücksgrenzen im Gelände leicht erkennen zu können und sind in der Regel fest im Boden verankert.
Grenzsteine werden zur Markierung von Flurstücksgrenzen genutzt und sind auch für die Bestimmung der Ausmaße von Grundstücken von entscheidender Bedeutung. Sie werden normalerweise direkt in die Grenzpunkte gesetzt und eine imaginäre, gerade Linie zwischen zwei Grenzsteinen zeigt dann den Grenzverlauf.
Auf Grenzsteinen mit einem Kreuz markiert die Mitte des Kreuzes den Grenzpunkt. Auch bei anderen Grenzzeichen ist der Mittelpunkt gleichbedeutend mit dem Grenzpunkt.
Die Materialien, aus denen Grenzsteine bestehen, können variieren. Häufig wurden Sandstein, Schiefer, Marmor, Kalkstein, Granit oder Basalt für Grenzsteine in Deutschland verwendet. Heute sind Grenzsteine meist aus Granit oder Beton gefertigt.
Es ist die Pflicht des Grundstücksbesitzers, sich um den Erhalt und die Erkennbarkeit der Grenzsteine zu sorgen. Das unbefugte Verändern oder Entfernen von Grenzzeichen stellt nach den Vermessungs- und Katastergesetzen der Bundesländer eine Ordnungswidrigkeit dar.
Die Abmarkungspflicht der Grundstücksgrenze ist vom jeweiligen Bundesland abhängig. In Berlin, Hamburg und Niedersachsen gibt es keine Abmarkungspflicht, in allen anderen Bundesländern müssen Grundstücksbesitzer die Flurstücksgrenze kennzeichnen.
Bei Unklarheiten über den Verlauf der Grundstücksgrenzen können Grenzsteine als Beweis dienen. Uneindeutige Grundstücksgrenzen können auch dann entstehen, wenn die Linie nicht mit den Daten aus dem Grundbuch beziehungsweise aus dem Liegenschaftskataster übereinstimmt.
Bei fehlenden Grenzsteinen ist das Auffinden und Markieren der Grundstücksgrenzen bedeutsam. Im Wald sind nicht selten noch Grenzsteine aufzufinden, die teilweise mit Humus und Erdreich überdeckt sind und freigelegt werden sollten.
Das vorliegende Urteil
LG Saarbrücken – Az.: 13 S 108/22 – Urteil vom 07.03.2023
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Völklingen vom 13.05.2022 – 16 C 40/21 (11) – abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:
a) Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Fichten, die auf dem Grund-stückdesKlägers, …, …, an der Grenze zur Einfahrt des Grundstücks des Beklagten, …, … stehen, über die Grundstücksgrenze hinaus – welche anhand der gedachten Linie zwischen den in roter Farbe in den Boden eingelassenen Grenzsteinen verläuft – auf klägerischer Seite zurückzuschneiden. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 5.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von einem Tag für je 1.000,00 Euro, angedroht.
b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Hälfte der Kosten für die Errichtung eines Zaunes, die Errichtung eines Zaunes im Bereich der Einfahrt des Beklagten sowie die Unterlassung des Zurückschneidens von Fichten bis auf das Grundstück des Klägers.
Die Parteien sind Nachbarn. Zwischen beiden Grundstücken war von den Rechtsvorgängern der Parteien ein ca. 80 cm hoher Maschendrahtzaun errichtet. Nachdem dieser Zaun marode war, entfernte der Kläger am 23.04.2020 den alten Zaun und ließ an gleicher Stelle einen neuen, 1,4 m hohen, Doppelstabmattenzaun errichten. Hierfür fielen Kosten in Höhe von 1.578,52 Euro an, wovon der Kläger dem Beklagten die Hälfte in Rechnung stellte. Eine Zahlung durch den Beklagten erfolgte nicht. Daneben befinden sich an der Grundstücksgrenze im Bereich der Einfahrt des Beklagten auf dem Grundstück des Klägers mehrere Fichten, welche in das Grundstück des Beklagten hineinragten und deshalb von dem Beklagten Ende Juli 2020 zurückgeschnitten wurden. Außergerichtlich haben die Parteien erfolglos ein Schiedsverfahren durchgeführt.
Mit der Klage hat der Kläger die Hälfte der angefallenen Kosten (789,26 Euro) sowie die Errichtung eines Grenzzaunes von 1,4 m Höhe im Bereich der Einfahrt des Beklagten durch den Beklagten begehrt. Daneben begehrt er die Unterlassung des Rückschnitts grenzständiger Fichten. Er hat behauptet, er habe dem Beklagten am 06.04.2020 die Absicht angezeigt, den Zaun zu erneuern. Es handele sich um einen Grenzzaun. Dieser sei erforderlich, da über das Grundstück des Beklagten Wildtiere, insbesondere Rehe, auf das Grundstück des Klägers gelangen und dessen Rosen abfressen und den Garten zertrampeln würden. Der Beklagte sei im Übrigen an die vormals erteilte Zustimmung seiner Rechtsvorgänger gebunden. Der neu errichtete Zaun sei ortsüblich. Ein Selbsthilferecht des Beklagten anlässlich der Fichten sei bereits verjährt, da der Grundstücksanteil des Beklagten, auf welchem der Rückschnitt vorgenommen wurde, bereits 2002 vom Beklagten erworben worden sei und die Fichten schon zu diesem Zeitpunkt auf diesen Grundstücksteil ragten. Der Beklagte habe die Fichten darüber hinaus teilweise bis zum Stamm und damit bis auf das Grundstück des Klägers zurückgeschnitten, sodass diese nunmehr in ihrem Bestand gefährdet seien. Darüber hinaus hätten die Fichten eine Barriere gegen die Wildtiere dargestellt, welche nunmehr fehle. Der Beklagte sei daher verpflichtet an dieser Stelle eine Einfriedung anzubringen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat eine Eintrittspflicht verneint. Der Zaun stehe – früher wie heute – allein auf dem Grundstück des Klägers. Für den Rückschnitt der Fichten seien 317,50 Euro (Bl. 49 d.A.) angefallen. Mit diesem Betrag werde hilfsweise die Aufrechnung erklärt.
Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat der Klage in Höhe von 789,26 Euro stattgegeben und den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, die Fichten über die Grundstücksgrenze hinaus auf dem Grundstück des Klägers zurückzuschneiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat darauf hingewiesen, dass es sich bei dem errichteten Zaun um einen Grenzzaun handele, weshalb der Beklagte nach § 44 Abs. 2 NachbG SL zur Erstattung der hälftigen Kosten verpflichtet sei. Der Zaun sei nach den Feststellungen des Gerichtssachverständigen in Abweichung der Feststellungen des Gerichts vor Ort auch ortsüblich. Dagegen könne der Kläger von dem Beklagten nicht die Errichtung eines Zaunes im Bereich der Einfahrt verlangen, da von dem Grundstück des Beklagten keine wesentliche Beeinträchtigung ausgehe. Dass gelegentlich Rehe auf das Grundstück gelangen würden, sei nicht ausreichend. Der Beklagte habe betreffend die Fichten zwar ein Selbsthilferecht, soweit diese in sein Grundstück hineinragten. Er dürfe diese jedoch nicht bis auf das Grundstück des Klägers zurückschneiden.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung unter Hinweis, das Amtsgericht habe die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 NachbG SL nicht geprüft und daher fehlerhaft einen Anspruch des Klägers betreffend die gemeinsame Kostentragung für die Errichtung des Zaunes bejaht. Das Gericht setze sich darüber hinaus in Widerspruch zu seinen eigenen Feststellungen. Den Unterlassungsantrag des Klägers habe das Gericht unzulässigerweise selbsttätig umgestaltet.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten im Rahmen eines Ortstermins am 17.02.2023.
II.
Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, sie ist mithin zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg. Die der Berufung nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen rechtfertigen eine abweichende Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
1. Zu Recht weist die Berufung darauf hin, dass die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts einen Anspruch des Klägers auf Zahlung der hälftigen Zaunkosten in Höhe von 789,26 Euro aus § 44 Abs. 2 Satz 2 Saarländisches Nachbarrechtsgesetz (NachbG SL) nicht tragen.
a) Nach dieser Vorschrift haben die Nachbarn die Kosten der Errichtung einer den §§ 43, 44 NachbG SL entsprechenden Einfriedung je zur Hälfte zu tragen. Diese Kostentragungspflicht setzt voraus, dass beide Grundstücksnachbarn, mithin auch der Beklagte, zur Einfriedung ihres Grundstücks verpflichtet sind, § 44 Abs. 1 NachbG SL. Eine allgemeine Einfriedungspflicht existiert im Saarland indes nicht. Lediglich dann, wenn die Einfriedung zum Schutz des Nachbargrundstücks vor wesentlichen Beeinträchtigungen erforderlich ist, sieht § 43 Abs. 1 NachbG SL eine Einfriedungspflicht vor.
b) Derartige wesentliche Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks von dem Grundstück des Beklagten lassen sich bereits dem klägerischen Vortrag nicht entnehmen, wovon das Amtsgericht hinsichtlich des Klageantrags zu Ziff. 2 selbst ausgegangen ist, was allerdings im Rahmen des Klageantrags zu Ziff. 1 nicht angesprochen wurde. § 43 NachbG SL ist ein Sonderfall der §§ 906, 1004 BGB. Beeinträchtigungen in diesem Sinne sind dem Inhalt des Eigentums widersprechende, nach Dauer und Intensität nicht nur ganz unerhebliche Eingriffe in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers. Die Beeinträchtigung muss unmittelbar oder mittelbar auf den Willen eines Störers zurückzuführen sein, d.h. den Eigentümer des Nachbargrundstücks muss eine Verantwortlichkeit als „Untätigkeitsstörer“ treffen. Zwar mag das Grundstückseigentum allein auch schon Verpflichtungen begründen; das führt jedoch nicht zu einer Gefährdungshaftung des Eigentümers, sondern lediglich zu Handlungs- und Einstandspflichten wegen der Schaffung oder Eröffnung einer „Anlage“ als Gefahrenquelle. Deshalb kommt einerseits eine Haftung des Grundstückseigentümers für unerlaubte Handlungen, die bei Gelegenheit der Benutzung des Grundstücks durch Dritte verübt werden und sich gegen den Nachbarn richten, grundsätzlich nicht in Betracht. Andererseits trifft den Eigentümer jedoch die Verantwortlichkeit für den Zustand seines Grundstücks, soweit es seiner Einwirkung unterliegt, und die Verpflichtung, die Benutzung dieses Grundstücks so zu regeln, dass der dort eröffnete Verkehr geringstmögliche Gefahren und Beeinträchtigungen für die Nachbarn mit sich bringt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. April 1990 – 9 U 230/89 –, Rn. 16, juris).
c) Soweit sich der Kläger darauf beruft, es seien mehrfach Rehe über das Grundstück des Beklagten auf das Grundstück des Klägers gelangt, welche den klägerischen Garten zertrampelt und die Rosen abgefressen hätten, vermag dies eine Verantwortlichkeit des Beklagten nicht zu begründen. Unabhängig davon, dass eine derartige Häufigkeit, die eine Wesentlichkeit der Beeinträchtigung begründen würde, nicht erkennbar ist, besteht keine Verantwortlichkeit des Beklagten für die Wildtiere. Würde man dem Beklagten eine entsprechende Einfriedungspflicht auferlegen, könnten die Rehe dennoch auf unmittelbarem Weg auf das Grundstück des Klägers gelangen. Damit geht die Beeinträchtigung – selbst bei unterstellter Wesentlichkeit – nicht von dem Grundstück des Beklagten aus, sodass eine Verpflichtung zur Einfriedung seines Grundstücks durch den Beklagten nicht besteht. Ohne eine solche Verpflichtung besteht auch keine Pflicht des Beklagten zur anteiligen Kostenübernahme nach § 44 Abs. 2 Satz 2 NachbG SL. Auf die erstinstanzlich diskutierte Frage der Ortsüblichkeit kommt es danach nicht an.
2. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 922 Satz 2 BGB.
a) Danach haben die Nachbarn, die eine Grenzanlage im Sinne des § 921 BGB gemeinschaftlich nutzen, deren Unterhaltungskosten zu gleichen Teilen zu tragen. Hierbei kann offenbleiben, ob es sich bei der Zaunanlage zwischen den Grundstücken der Parteien tatsächlich um eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 BGB handelt(e). Denn der Kläger macht vorliegend keine Unterhaltungskosten im Sinne des § 922 Satz 2 BGB geltend. Solcherlei Unterhaltungskosten sind Aufwendungen, die erforderlich sind, um die Grenzeinrichtung in ihrer zweckentsprechenden Beschaffenheit zu erhalten. Nicht zu den Unterhaltungskosten zählen die Kosten der Errichtung (MüKoBGB/Brückner, 9. Aufl. 2023, § 922 Rn. 6). Nachdem der Kläger den vorhandenen, ca. 80 cm hohen, Maschendrahtzaun entfernt und durch eine neue Zaunanlage ersetzt hat, handelt es sich nicht um Unterhaltungskosten, sondern vielmehr um Kosten für die Neuerstellung. Fehlt es wie hier an einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Nachbarn, trägt die Kosten der Neuerrichtung einer Grenzanlage jedoch der Errichtende, §§ 921 f. BGB (Grziwotz/Lüke/Saller, NachbarR-HdB, Kap. 2 Das Grundstück und seine Grenzen, Rn. 86, beck-online). Denn §§ 921, 922 BGB enthalten – anders als §§ 43 ff. NachbG SL – keine Verpflichtung, eine Grenzeinrichtung zu schaffen oder an ihrer Errichtung mitzuwirken (BeckOKBGB/Fritzsche, 64. Edition, § 921 Rn. 14).
b) Der Kläger kann insoweit auch nicht damit gehört werden, es handele sich bei der Neuerrichtung des Zaunes um eine Form der Wiederherstellung, nachdem die alte Zaunanlage marode war. Denn der Kläger hat nicht die vormalige Grenzanlage – soweit man eine solche annimmt – in Form eines ca. 80 cm hohen Maschendrahtzaunes wiederhergestellt, sondern vielmehr einen 1,4 m hohen Doppelstabmattenzaun errichtet. Dies stellt eine gänzlich andere Form der Einfriedung dar. Insoweit genießen bestehende Grenzanlagen Bestandsschutz. Ohne Zustimmung des Nachbarn darf ein Teil keine Veränderungen vornehmen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2017 – V ZR 42/17 –, juris, Rn. 18). Eine solche Zustimmung des Beklagten hat der Kläger indes nicht eingeholt. Nachdem der Kläger eine neue Zaunanlage errichtete, ist der Beklagte auch nicht an eine etwaig erteilte Zustimmung der Rechtsvorgänger zu der bisherigen Zaunanlage gebunden.
3. Die Berufungsangriffe des Beklagten gegen die Unterlassungsverpflichtung zum Rückschnitt der Fichten gehen jedoch fehl. Insoweit ergibt sich der Anspruch des Klägers aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, nachdem der Beklagte durch den Rückschnitt der Fichten auf dem klägerischen Grundstück das Eigentum des Klägers beeinträchtigt hat, ohne dass dieser gem. § 1004 Abs. 2 BGB insoweit zur Duldung verpflichtet ist.
a) Zwar ist ein Anspruch des Beklagten gegen den Kläger auf turnusmäßigen Rückschnitt der von dem klägerischen Grundstück herüberragender Äste gegeben. Der Kläger selbst trägt hierzu vor, dass die Äste der Fichten bereits zum Zeitpunkt der Übertragung des Grundstücksstreifens an der Garageneinfahrt auf den Beklagten weit in diesen Grundstücksanteil hineinragten (Bl. 15 d.A.). Dieser Anspruch des Beklagten folgt ebenfalls aus § 1004 Abs. 1 BGB, daher überwachsende Zweige grundsätzlich eine Störung des Grundeigentums darstellen und ungeachtet des daneben bestehenden Selbsthilferechts nach § 910 BGB den negatorischen Abwehr- und Beseitigungsanspruch begründen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Juli 2020 – 12 U 113/19 –, juris, Rn. 211). Nachdem der Kläger seiner Beseitigungspflicht innerhalb der ihm gesetzten Frist bis zum 31.07.2020 nicht nachkam, war der Beklagte nach § 910 Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt, die herüberragenden Zweige selbst abzuschneiden.
Soweit der Kläger rügt, der Beklagte habe sein Selbsthilferecht ausgerechnet im August vorgenommen, wodurch aufgrund der Sommerhitze der Bestand der Bäume gefährdet sei, ist dies unerheblich. Das Abschneiderecht des § 910 BGB ist – außer durch öffentlich-rechtliche Naturschutzvorschriften – in aller Regel nicht beschränkt, und zwar auch dann nicht, wenn der Baum durch den Abschnitt abzusterben droht oder seine Standfestigkeit verliert, weil der den Baum besitzende Nachbar die Pflanze regelmäßig zuschneiden (lassen) muss, um Beeinträchtigungen anderer Grundstücke zu vermeiden, und bei Verstößen gegen diese aus dem Gemeinschaftsverhältnis i.V.m. Landesnachbarrecht folgende Verpflichtung selbst die Ursache für den Rückschnitt nach § 910 Abs. 1 BGB setzt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 234/19 –, juris, Rn. 23 ff.). Der Kläger ist damit grundsätzlich verpflichtet, die streitgegenständlichen Fichten regelmäßig so zurückzuschneiden, dass eine Beeinträchtigung des Beklagtengrundstücks gänzlich vermieden wird.
b) Allerdings darf der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks nur den auf seinem Grundstück befindlichen Überwuchs abschneiden. Jenseits der Grundstücksgrenze darf der Eigentümer nichts mehr abschneiden und das Nachbargrundstück auch nicht betreten (BeckOKBGB/Fritzsche, 64. Edition, § 910 Rn. 6 m.w.N.). Vorliegend haben die Parteien im Rahmen des zweitinstanzlich durchgeführten Ortstermins unstreitig gestellt, dass die Grenze der beiden Grundstücke im Bereich der Einfahrt des Beklagtengrundstücks anhand der gedachten Linie zwischen den in roter Farbe im Boden eingelassenen Grenzsteinen verläuft. Demnach darf der Beklagte die streitgegenständlichen Fichten nur zurückschneiden, soweit sie diesen Grenzverlauf – zu seinem Grundstück hin – überwachsen. Schon das Erstgericht hat diesbezüglich festgestellt, dass ein Rückschnitt bis zum Stamm der Fichten – wovon sich auch die Kammer im Rahmen des Ortstermins überzeugen konnte – erfolgt ist, sodass der Beklagte den Rückschnitt der Fichten auch auf Seiten des klägerischen Grundstücks vorgenommen hat.
c) Die gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr wird – wie schon das Amtsgericht ausgeführt hat – durch den erstmaligen Verstoß gegen § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB indiziert (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Dezember 2015 – V ZR 160/14 –, juris, Rn. 25). Eine Ausräumung der hier begründeten Wiederholungsgefahr liegt nicht vor. Sie entfällt insbesondere nicht bereits durch die bloße Erklärung des Störers, die fragliche Verhaltensweise in Zukunft zu unterlassen oder kein Recht zur Störung zu beanspruchen bzw. durch die Einstellung gleichartiger Handlungen während eines längeren Unterlassungsrechtsstreits. Vielmehr bedarf es wie im Wettbewerbs- und Äußerungsrecht in aller Regel der Abgabe einer ernsthaften, hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. BeckOKBGB/Fritzsche, 64. Edition, § 1004 Rn. 93 m.w.N.).
Die Abgabe einer solchen Unterlassungserklärung durch den Beklagten ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
d) Soweit die Berufung rügt, das Erstgericht sei im Hinblick auf den Unterlassungsantrag über den klägerischen Antrag hinausgegangen, verfängt dies nicht. Die vorgenommene Abänderung des Klageantrags zu 3. stellt ein Minus i.S.d. § 308 Abs. 1 ZPO dar.
4. Die Androhung des Ordnungsgeldes und der ersatzweisen Ordnungshaft beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO. Die Höhe des erstinstanzlich festgesetzten Ordnungsgeldes wurde seitens des Berufungsführers nicht angegriffen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).