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Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht ist kein Befangenheitsgrund

Gerichtliche Rechtslage-Einschätzung: Kein Befangenheitsgrund?

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) zurückgewiesen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht nicht als Befangenheitsgrund angesehen wird. Die Richter betonten, dass vorläufige Meinungsäußerungen im Rahmen der Prozessleitung nicht die Unparteilichkeit in Frage stellen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 W 22/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Beschwerde der Kläger zurückgewiesen: Das Gericht sieht keinen Befangenheitsgrund in der Beurteilung der Rechtslage.
  2. Rechtsstreit um Abwasseranlage: Der Fall betraf die Duldung von Arbeiten an einer gemeinsamen Abwasseranlage.
  3. Verfahrensverlauf: Zahlreiche Fristverlängerungen und Kommunikationen zwischen den Parteien und Sachverständigen.
  4. Rolle der Einzelrichterin: Richterin Dr. ### behielt die Prozessleitung und gab Hinweise zur Rechtslage.
  5. Unparteilichkeit des Gerichts: Die Einschätzungen der Richterin wurden als Teil der Prozessleitung angesehen, nicht als Voreingenommenheit.
  6. Verfahrensbehandlung und rechtliches Gehör: Trotz fehlender Weiterleitung eines Schreibens sah das Gericht keine Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs.
  7. Kostenentscheidung: Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  8. Gegenstandswert des Ablehnungsgesuchs: Festsetzung des Werts basierend auf dem Wert des zugrunde liegenden Verfahrens.

Rechtliche Bewertungen durch Gerichte und Befangenheitsfragen

In der Welt der Rechtsprechung ist die Frage der Befangenheit von Richtern ein Thema, das sowohl für Juristen als auch für Laien von großer Bedeutung ist. Es geht um das Vertrauen in die Unparteilichkeit und Objektivität der Justiz. Die Einschätzung der Rechtslage durch ein Gericht und deren Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Befangenheit sind dabei zentral.

Die Frage, ob und inwiefern richterliche Beurteilungen oder vorläufige Einschätzungen als Befangenheitsgründe angesehen werden können, berührt den Kern des Rechtswesens. In einem spezifischen Fall hat ein Landgericht eine Entscheidung getroffen, die von den Klägern in einem Beschwerdeverfahren angefochten wurde. Dies wirft Licht auf die komplexen Überlegungen, die bei der Beurteilung von Befangenheit und der Rolle der Gerichte in der Rechtsfindung eine Rolle spielen. Tauchen Sie mit uns tiefer in einen konkreten Fall ein, der diese Thematik aufgreift und beleuchtet, wie Gerichte mit dem sensiblen Thema der Befangenheit umgehen.

Rechtsstreit um Abwasseranlage eskaliert

Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht ist kein Befangenheitsgrund
(Symbolfoto: Bildgigant /Shutterstock.com)

Die juristische Auseinandersetzung begann mit einem Rechtsstreit über die Duldung von Montage- und Reparaturarbeiten an einer gemeinschaftlichen Abwasseranlage. Die Kläger forderten von den Beklagten, die Durchführung dieser Arbeiten zu dulden. Um die Situation zu klären, ordnete das Landgericht die Einholung eines Gutachtens zur Undichtigkeit der Abwassersammelgrube und zur Wirtschaftlichkeit eines möglichen Neubaus der Anlage an. Der Sachverständige, Dipl-Ing. (Name 01), wurde mit der Erstellung dieses Gutachtens beauftragt. Verschiedene Fristverlängerungen und Schreiben des Sachverständigen deuteten auf Verzögerungen und Herausforderungen im Verlauf des Verfahrens hin.

Verfahrensverlauf und Beschwerde der Kläger

Das Landgericht setzte mehrfach Fristen für die Abgabe des Gutachtens und drohte mit Ordnungsgeldern. Der Sachverständige bat wiederholt um Fristverlängerungen, teilweise begründet durch die Pandemielage. Diese Verzögerungen führten schließlich dazu, dass die Kläger ein Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht einreichten. Sie sahen ihre Rechte verletzt, da ein Schreiben des Sachverständigen nicht an sie weitergeleitet wurde. Das Landgericht wies dieses Gesuch als unbegründet zurück. Daraufhin legten die Kläger sofortige Beschwerde beim Brandenburgischen Oberlandesgericht ein.

Richterliche Unparteilichkeit im Fokus

Das Oberlandesgericht Brandenburg hatte zu entscheiden, ob die Handlungen und Entscheidungen des Landgerichts und insbesondere der Vorsitzenden Richterin Anlass zu Befangenheitsvermutungen geben. Laut § 42 Abs. 1, 2 ZPO kann ein Richter abgelehnt werden, wenn begründete Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. In diesem Fall wurden die Handlungen der Richterin, einschließlich der Erteilung von Hinweisen und Fristsetzungen, geprüft. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die von der Richterin erteilten Hinweise und die Verfahrensleitung keinen Befangenheitsgrund darstellten.

Gerichtsurteil und seine Bedeutung

Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde der Kläger zurück und betonte, dass die Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht im Rahmen seiner materiellen Prozessleitung legitim sei und nicht als Befangenheit gewertet werden könne. Zudem führte das Gericht aus, dass die Kläger durch das Unterbleiben der Weiterleitung des Schreibens des Sachverständigen keinen entscheidenden Nachteil erlitten hätten. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass gerichtliche Einschätzungen und prozessuale Maßnahmen sorgfältig abgewogen werden müssen, um die Unvoreingenommenheit und Objektivität der Justiz zu gewährleisten. Der Fall zeigt auf, dass Beschwerden über vermeintliche Befangenheit eines Richters eingehend geprüft werden, wobei ein hohes Maß an Beweis erforderlich ist.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet eine Befangenheit eines Richters im juristischen Kontext?

„Befangenheit eines Richters“ bezieht sich auf eine Situation, in der ein Richter möglicherweise nicht in der Lage ist, ein Verfahren unparteiisch und unvoreingenommen zu führen. Dies kann aufgrund persönlicher Beziehungen, Vorurteilen oder anderen Umständen der Fall sein, die seine Objektivität in Frage stellen könnten. In solchen Fällen kann eine Partei in einem Gerichtsverfahren einen Befangenheitsantrag stellen, um den Richter auszutauschen.

Ein Richter kann als befangen angesehen werden, wenn es einen Grund gibt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich parteiisch oder voreingenommen ist. Entscheidend ist, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Richter einseitig oder fehlerhaft agiert oder zu einem Beteiligten grob unhöflich wird.

Es gibt verschiedene Gründe, die zur Befangenheit eines Richters führen können. Dazu gehören besondere Beziehungen des Richters zu den Prozessbeteiligten oder zum Verfahrensgegenstand. Beispielsweise kann ein Richter in Angelegenheiten seines Ehe- oder Lebenspartners ausgeschlossen sein. Auch das Verhalten des Richters in oder außerhalb des Rechtsstreits kann zur Befangenheit führen.

Wenn ein Befangenheitsantrag anerkannt wird, wird der betroffene Richter in der Regel durch einen anderen Richter ersetzt. Eventuell bereits ergangene Entscheidungen des betroffenen Richters, die auf der Grundlage seiner Befangenheit angefochten werden, können – sofern nachgewiesen – zurückgenommen oder abgeändert werden. Es ist jedoch zu beachten, dass die Stellung eines Befangenheitsantrags im Einzelfall zeitliche Verzögerungen im Verfahren verursachen kann.

Wie wird die Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht definiert?

Die Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht bezieht sich auf die Anwendung von Rechtsnormen auf einen bestimmten Sachverhalt, um eine Entscheidung zu treffen. Diese Beurteilung spielt eine bedeutende Rolle in Gerichtsverfahren, da sie die Grundlage für die Feststellung von Tatsachen und die Anwendung von Rechtsnormen bildet.

Die Beurteilungskompetenz des Gerichts basiert auf dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 Strafprozessordnung (StPO) bzw. § 286 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies bedeutet, dass das Gericht die Beweise frei würdigt und auf dieser Grundlage entscheidet, ob eine bestimmte Tatsache gegeben ist oder nicht.

Darüber hinaus ist das Gericht verpflichtet, einen Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO zu geben, wenn die Parteien erkennbar einen wesentlichen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt übersehen oder für unerheblich erachtet bzw. die Rechtslage falsch eingeschätzt haben.

Die Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht kann auch durch die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe erfolgen. In diesem Fall erfolgt die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs durch die Heranziehung allgemein anerkannter Definitionen, etwaiger Verwaltungsvorschriften oder untergesetzlicher Regelwerke.

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Schließlich kann die Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht auch dazu führen, dass eine neue Rechtslage geschaffen wird (konstitutive Wirkung) oder das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses festgestellt wird (deklarative Wirkung).


Das vorliegende Urteil

OLG Brandenburg – Az.: 1 W 22/23 – Beschluss vom 15.11.2023

Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. August 2023 – 13 O 176/19 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger.

Der Wert der Beschwerde wird auf bis 6.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagten auf die Duldung der Durchführung von Montage- und Reparaturarbeiten an einer im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehenden Abwasseranlage in Anspruch.

Das Landgericht hat – nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter – durch Beweisbeschluss vom 30.6.2020 und 29.7.2020 die Einholung eines schriftlichen Gutachtens zur Undichtigkeit der Abwassersammelgrube, der Möglichkeit eines Neubaus der Abwasseranlage und deren Wirtschaftlichkeit durch den Sachverständigen Dipl-Ing. (Name 01) in ### angeordnet. Am 29.7.2020 hat es die Akten an den Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens bis 28.10.2020 versandt.

Unter dem 1.12.2020 hat das Landgericht dem Sachverständigen eine Nachfrist bis 4.1.2021 unter Androhung der Verhängung eines Ordnungsgeldes gesetzt. Dazu hat sich der Sachverständige mit Schreiben vom 4.12.2020 geäußert, das das Landgericht an die Parteien weitergeleitet hat. Mit Schreiben vom 16.12.2020 hat der Sachverständige der Beschlussfassung unter Hinweis auf die seinerzeitige Pandemielage widersprochen, woraufhin das Landgericht ihm eine Frist zur Erstattung des Gutachtens bis 1.3.2021 gesetzt hat.

Unter dem 3.3.2021 hat das Landgericht eine Sachstandsanfrage an den Sachverständigen gerichtet. Dieser hat mit Schreiben vom 16.3.2021 unter Hinweis auf die damalige Pandemielage erneut eine Fristverlängerung erbeten. Nach Anhörung der Parteien zum Inhalt des Schreibens hat das Landgericht dem Sachverständigen daraufhin eine Fristverlängerung bis 31.5.2021 gewährt.

Mit Schreiben vom 28.5.2021 hat der Sachverständige eine weitere Fristverlängerung erbeten, die das Landgericht nach Anhörung der Parteien bis 30.8.2021 gewährt hat. Mit Schreiben vom 23.8.2021 hat der Sachverständige neuerlich eine Fristverlängerung bis 31.10.2021 erbeten, die das Landgericht unter entsprechender Benachrichtigung der Parteien ebenfalls gewährt hat. Mit Schreiben vom 21.10.2021 hat der Sachverständige die Durchführung eines Ortstermins am 18.11.2021 in Aussicht gestellt, woraufhin das Landgericht durch Beschluss vom 22.10.2021 eine Frist zur Beibringung des Sachverständigengutachtens bis 22.11.2021 unter erneuter Androhung eines Ordnungsgeldes gesetzt hat. Mit Schreiben vom 15.11.2021 hat der Sachverständige sodann die Aufhebung des Ortstermins mitgeteilt; die Gründe dafür hat er mit Schreiben vom 5.12.2021 erläutert.

Zum 1.12.2021 ist der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Dr. ### als Einzelrichterin übergegangen.

Auf deren Sachstandsanfrage vom 18.3.2022 hat der Sachverständige mit Schreiben vom 30.3.2022 die Durchführung eines Ortstermins in der 18. Kalenderwoche und Fertigstellung des Gutachtens in der 22. Kalenderwoche in Aussicht gestellt. Mit Schreiben vom 14.4.2022 hat er die Durchführung des Ortstermins am 6.5.2022 mitgeteilt. Beide Schreiben sind den Parteien übermittelt worden.

Auf eine weitere Sachstandsanfrage der Einzelrichterin vom 1.7.2022 hat der Sachverständige mit Schreiben vom 22.7.2022 mitgeteilt, dass er im Nachgang des Ortstermins mit der Auswertung umfänglicher Unterlagen befasst sei, die Antwort auf eine von ihm gehaltene Nachfrage bei der unteren Wasserbehörde erwarte und im Anschluss an seinen Urlaub im August 2022 der Ortstermin mit Dichtigkeitsprüfung der Anlage Anfang September des Jahres stattfinden werde.

Auf eine neuerliche Sachstandsanfrage der Einzelrichterin vom 4.10.2022 hat der Sachverständige mit Schreiben vom 23.10.2022 mitgeteilt, dass er den Ortstermin vorbereite, der in der 47. Kalenderwoche stattfinden werde; auch dieses Schreiben ist den Parteien zugeleitet worden.

Mit Schreiben vom 23.2.2023 hat der Sachverständige sodann die Rückgabe seiner öffentlichen Bestellung mitgeteilt und um seine Entpflichtung gebeten.

Durch Beschluss vom 20.3.2023 hat die Einzelrichterin die Entpflichtung vorgenommen und umfängliche Hinweise zu der aus ihrer Sicht fehlenden Schlüssigkeit der Klage zur Stellungnahme bis 30.4.2023 erteilt. Der Beschluss ist den Klägern am 24.3.2023 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 2.5.2023 haben sie zu den erteilten Hinweisen Stellung genommen.

Im Anschluss an eine Akteneinsicht durch ihren Prozessbevollmächtigten haben die Kläger mit Schriftsatz vom 3.7.2023 ein Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. ### ausgebracht. Dazu hat die abgelehnte Richterin am 5.7.2023 eine dienstliche Äußerung abgegeben, die den Parteien zur Stellungnahme binnen zwei Wochen zugeleitet worden ist.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 2.8.2023, der den Klägern am 3.8.2023 zugestellt worden ist, das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen haben die Kläger am 17.8.2023 sofortige Beschwerde beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, nachdem sie insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden ist. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung sieht der Senat von der Durchführung des Abhilfeverfahrens nach § 572 Abs. 1 ZPO ab (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 572, Rn. 4).

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 42 Abs. 1, 2 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, das Vorliegen eines Sachverhalts, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Richters gibt (BVerfGE 82, 30, 38; 90, 138, 139; BGH NJW 2014, 1227, 1228; 1995, 1677, 1678; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42, Rn. 9). Dazu zählen Verstöße gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot, eine negative Einstellung gegenüber einer Partei unter Bevorzugung der anderen Partei, unsachliche Äußerungen oder die willkürliche Benachteiligung oder Behinderung einer Partei in der Ausübung ihrer Rechte (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42, Rn. 20 ff., m. w. N.). Erforderlich ist stets, dass das Verhalten des Richters geeignet ist, den Eindruck einer unsachlichen, auf Voreingenommenheit beruhenden Einstellung gegenüber der Partei oder der streitbefangenen Sache zu erwecken (BGH NJW-RR 1986, 738 f.). Keine tauglichen Ablehnungsgründe sind vorläufige Meinungsäußerungen und Einschätzungen des Richters im Rahmen der materiellen Prozessleitung, bloße Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen, soweit die Grenze zur Willkür nicht überschritten ist (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42, Rn. 26 ff., m. w. N.). Nach § 44 Abs. 2 ZPO hat die Partei die von ihr vorgebrachten Ablehnungsgründe glaubhaft zu machen, wobei sie selbst zur Versicherung an Eides statt nicht zugelassen werden darf.

Nach diesen Grundsätzen ist eine fehlende Unparteilichkeit der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Dr. ### nicht zu besorgen.

Die von ihr erteilten Hinweise vom 20.3.2023 stellen ihre Unparteilichkeit nicht in Frage. Denn es handelt sich um eine Einschätzung der Rechtslage, zu der die abgelehnte Richterin im Rahmen der ihr obliegenden materiellen Prozessleitung befugt und berufen ist. Dabei lässt schon die Ausführlichkeit der Hinweise und die darin erfolgten eingehenden Begründungen der dargestellten Sichtweisen die Annahme eines fehlenden Rechtsbezugs oder einer willkürlichen Verfahrensbehandlung nicht zu. Dass, wie in der Ablehnungsschrift vom 3.7.2023 ausgeführt wird, der Hinweisbeschluss der Vorbereitung der Entscheidung dient, kann dabei nicht für eine Besorgnis der Befangenheit angeführt werden, da die Vorbereitung der zu treffenden Entscheidung das Wesen eines jeden Hinweises nach § 139 ZPO ist und die Kläger eine – mehr als auskömmliche – Gelegenheit hatten und noch haben, durch weiteren Sachvortrag ein ihnen günstiges Prozessergebnis herbeizuführen. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf der Vermeidung eines richterlichen Arbeitsaufwands entbehrt einer tragfähigen Grundlage und ist nicht glaubhaft gemacht.

Das – nach dem Inhalt der Akten tatsächlich geschehene – Unterbleiben der Weiterleitung des Schreibens des Sachverständigen ### vom 22.7.2022 an die Parteien und die von den Klägern darin gesehene Verkürzung ihres rechtlichen Gehörs begründen gleichfalls nicht eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin. In Fällen der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann die Besorgnis der Befangenheit angezeigt sein, wenn sich die richterliche Verfahrensbehandlung spürbar und unmittelbar zum Nachteil der ablehnenden Partei auswirkt (OLG Hamburg, Beschluss vom 26.1.2018 – 7 W 4/18 -; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42, Rn. 23). So liegt der vorliegende Fall indes nicht. Denn die Kläger sind – ebenso wie die Beklagten – im Vorfeld des Schreibens des Sachverständigen vom 22.7.2022 durchgehend über den Stand der Erstellung des Sachverständigengutachtens auf dem Laufenden gehalten und ebenso von den nachfolgenden Korrespondenzen zwischen der abgelehnten Richterin und dem Sachverständigen im Oktober 2022 und Dezember 2022 informiert worden. Nachdem der Sachverständige im Anschluss an sein Schreiben vom 23.7.2022 mit weiterem Schreiben vom 23.10.2022 die weitere Vorgehensweise erläutert hat und jenes Schreiben den Klägern bekannt gemacht worden ist, sind die Kläger durch die fehlende Übersendung des Schreibens vom 22.7.2022 lediglich über wenige Wochen hinweg an der Ergreifung der in der Beschwerdeschrift vom 17.8.2023 dargestellten Maßnahmen gehindert gewesen, was dazu führt, dass der Verfahrensbehandlung in Bezug auf das Schreiben des Sachverständigen vom 22.7.2022 nicht ein zu einem Erfolg des ausgebrachten Ablehnungsgesuchs führendes Gewicht beigemessen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht der Gegenstandswert für Ablehnungsgesuche dem Wert des zugrunde liegenden Verfahrens (vgl. Senat NJW-RR 1999, 1291, 1292).

 

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