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WEG – Photovoltaikanlage über Erhaltungsrücklage finanzierbar?

Wohnungseigentum im Wandel: Photovoltaik mit Erhaltungsrücklage realisierbar?

Das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr erklärte den Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Finanzierung einer Photovoltaikanlage aus der Erhaltungsrücklage für ungültig. Der Kläger, ein Miteigentümer, hatte gegen den Beschluss geklagt, da er weder an den Kosten noch am Nutzen der Anlage beteiligt werden sollte und die Mittelverwendung der Rücklage als zweckwidrig ansah.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 13 C 1169/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Ungültiger Beschluss: Der Beschluss zur Finanzierung einer Photovoltaikanlage aus der Erhaltungsrücklage wurde für ungültig erklärt.
  2. Zweckbindung der Erhaltungsrücklage: Die Erhaltungsrücklage ist zweckgebunden und darf nur für Erhaltungsmaßnahmen verwendet werden.
  3. Beteiligung des Klägers: Trotz des Ausschlusses des Klägers aus Kosten- und Nutzenbeteiligung würde er indirekt durch die Verwendung der Erhaltungsrücklage beteiligt.
  4. Formelle Ordnungsgemäßheit: Der Beschluss kam formell ordnungsgemäß zustande, inhaltlich widersprach er aber ordnungsgemäßer Verwaltung.
  5. Zweck der Erhaltungsrücklage: Die Mittel sollen primär für Reparaturen und Ersatzbeschaffungen, nicht für neue Anschaffungen wie eine Photovoltaikanlage, verwendet werden.
  6. Modernisierende Erhaltung: Der Begriff der Erhaltung kann modernisierende Maßnahmen umfassen, jedoch nicht die Erstanschaffung einer Anlage.
  7. Finanzielle Aufteilung: Die Finanzierung sollte teilweise aus der Rücklage und teilweise von zustimmenden Eigentümern erfolgen.
  8. Klageberechtigung und -begründung: Die Klage des Miteigentümers war zulässig und begründet aufgrund der Zweckentfremdung der Rücklage.

Nutzung der Erhaltungsrücklage für Photovoltaikanlagen: Ein rechtliches Dilemma

Im Zentrum der heutigen rechtlichen Betrachtung steht die Frage, inwieweit eine Erhaltungsrücklage im Rahmen des Wohnungseigentumsgesetzes für die Installation von Photovoltaikanlagen verwendet werden darf. Dieses Thema berührt nicht nur Aspekte des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit, sondern auch grundlegende Prinzipien der Verwaltung und des Umgangs mit gemeinschaftlichen Mitteln innerhalb einer Eigentümergemeinschaft.

Photovoltaikanlage
(Symbolfoto: anatoliy_gleb /Shutterstock.com)

Die Diskussion dreht sich um die Balance zwischen modernen ökologischen Anforderungen und den traditionellen Regelungen der Gemeinschaftsfinanzen. Dabei stehen die rechtlichen Grenzen und Möglichkeiten einer solchen Investition im Fokus. Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist von hoher Aktualität und Relevanz, da sie die Weichen für die zukünftige Gestaltung von gemeinschaftlichem Eigentum und dessen Anpassung an ökologische Standards stellt. Der nachfolgende Inhalt beleuchtet ein konkretes Urteil, das wichtige Richtlinien für die Verwendung von Rücklagen in Eigentümergemeinschaften setzt und somit einen Präzedenzfall für ähnliche Fälle schaffen könnte. Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf die Details und die Tragweite dieser Entscheidung werfen.

Streit um Photovoltaikanlage und Erhaltungsrücklage vor Gericht

Das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr stand kürzlich vor einer entscheidenden Frage: Darf eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Erhaltungsrücklage für die Installation einer Photovoltaikanlage nutzen? Dieses Thema, das sowohl rechtliche als auch ökologische Aspekte berührt, führte zu einer intensiven rechtlichen Auseinandersetzung, die weitreichende Folgen für Eigentümergemeinschaften in ganz Deutschland haben könnte.

Der Weg zum Rechtsstreit: Eine Entscheidung der Eigentümergemeinschaft

Auslöser des Rechtsstreits war der Beschluss einer Eigentümergemeinschaft in Mülheim, der vorsah, 10.000 Euro aus der Erhaltungsrücklage für die Installation einer Photovoltaikanlage zu verwenden. Der Kläger, ein Mitglied der Gemeinschaft, war gegen diesen Beschluss, der im September 2022 gefasst wurde. Er argumentierte, dass die Mittel der Erhaltungsrücklage ausschließlich für Instandhaltungsmaßnahmen verwendet werden dürfen und nicht für die Finanzierung neuer Anlagen wie einer Photovoltaikanlage. Zudem wurde bemängelt, dass der Kläger weder an den Kosten noch am Nutzen der geplanten Anlage beteiligt werden sollte.

Die rechtlichen Herausforderungen des Falles

Das rechtliche Problem in diesem Fall lag in der Interpretation und Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes, insbesondere hinsichtlich der Bestimmungen zur Erhaltungsrücklage. Die Kernfrage war, ob die Finanzierung einer Photovoltaikanlage als eine Art der Instandhaltung oder Modernisierung betrachtet werden kann und ob die Verwendung der Rücklage für solche Zwecke mit dem Gesetz vereinbar ist. Darüber hinaus stand die Frage im Raum, ob die Entscheidung der Eigentümergemeinschaft, den Kläger von Kosten und Nutzen der Anlage auszuschließen, rechtens war.

Urteil des Amtsgerichts Mülheim: Ein wegweisender Beschluss

Das Amtsgericht Mülheim gab dem Kläger Recht und erklärte den Beschluss der Eigentümergemeinschaft für ungültig. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Erhaltungsrücklage gemäß § 19 Abs. 1 und 2 des Wohnungseigentumsgesetzes nur für Erhaltungsmaßnahmen verwendet werden darf. Die Installation einer Photovoltaikanlage fällt nicht unter diese Kategorie, da sie eine neue Anschaffung darstellt und nicht der Instandhaltung oder Modernisierung dient. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Kläger indirekt an den Kosten beteiligt worden wäre, obwohl er laut Beschluss ausgeschlossen wurde, was einen Widerspruch darstellte. Die Entscheidung des Gerichts hebt die Bedeutung der genauen Zweckbindung der Erhaltungsrücklage hervor und setzt klare Richtlinien für deren Verwendung in Wohnungseigentümergemeinschaften.

Das Urteil, das auf einer detaillierten Prüfung der rechtlichen Bestimmungen basiert, liefert eine wichtige Orientierung für ähnliche Fälle in der Zukunft. Es zeigt, dass bei der Verwaltung von Gemeinschaftseigentum die gesetzlichen Vorgaben strikt einzuhalten sind und dass innovative Projekte wie die Installation von Photovoltaikanlagen sorgfältig im Rahmen dieser Gesetze geplant und finanziert werden müssen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Rolle spielt die Erhaltungsrücklage in einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem WEG?

Die Erhaltungsrücklage spielt eine zentrale Rolle in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Sie dient als finanzielle Reserve für die Kosten unerwarteter Reparaturen und größerer Sanierungen des Gemeinschaftseigentums. Die Erhaltungsrücklage ist ein Vermögen, das der WEG zur Verfügung steht und sie ist zweckgebunden, um ausschließlich Maßnahmen der Erhaltung, also der Instandhaltung, zu finanzieren.

Die Verwaltung der Erhaltungsrücklage obliegt in der Regel dem Hausverwalter. Die Rücklage muss auf einem gesonderten Konto der Eigentümergemeinschaft geführt werden, um im Falle der Insolvenz des Verwalters nicht in die Insolvenzmasse einzufließen.

Die Erhaltungsrücklage ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber sie ist ein wichtiger Teil einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Die Höhe der Erhaltungsrücklage ist nicht gesetzlich festgelegt und richtet sich nach den konkreten Verhältnissen in der Wohnanlage. Eine Formel zur Berechnung der Erhaltungsrücklage geht davon aus, dass innerhalb von 80 Jahren der 1,5-fache Wert der Baukosten für die Instandhaltung des Gebäudes anfällt.

Die Erhaltungsrücklage darf grundsätzlich nur für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums der Immobilie verwendet werden. In Ausnahmefällen kann ein Teil der Erhaltungsrücklage verwendet werden, um einen wirtschaftlichen Engpass zu überbrücken, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.

Die Erhaltungsrücklage bleibt immer im Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft und steht nicht dem Einzelnen zur Verfügung. Daher kann ein einzelner Eigentümer keinen Anteil an diesem Gemeinschaftsvermögen verlangen, über den er verfügen könnte, oder den er sich zum Beispiel bei Verkauf seiner Wohnung auszahlen lassen könnte.

Die Erhaltungsrücklage ist ein wichtiges Instrument einer Eigentümergemeinschaft, um den Erhalt des Werts und Standards der Wohnanlage zu gewährleisten.

Inwiefern dürfen Mittel der Erhaltungsrücklage für Modernisierungsmaßnahmen wie die Installation einer Photovoltaikanlage verwendet werden?

Mittel der Erhaltungsrücklage dürfen grundsätzlich nur für Instandhaltungsmaßnahmen des Gemeinschaftseigentums verwendet werden. Die Installation einer Photovoltaikanlage fällt jedoch unter Modernisierungsmaßnahmen und nicht unter Instandhaltung. Daher ist die Verwendung der Erhaltungsrücklage für solche Maßnahmen nicht direkt vorgesehen.

Allerdings können Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) beschließen, eine Photovoltaikanlage gemeinschaftlich zu erwerben und zu installieren. In diesem Fall müssen die Eigentümer die Kosten für die Anlage und deren Installation tragen. Die Finanzierung kann durch die Erhöhung der monatlichen Hausgeldzahlungen, durch Sonderumlagen oder durch die Bildung einer gesonderten Rücklage für Modernisierungsmaßnahmen erfolgen.

Es ist wichtig, dass die WEG die Installation einer Photovoltaikanlage als Modernisierungsmaßnahme beschließt und die Kostentragung sowie die Verteilung der Erträge aus der Anlage regelt. Bei der Beschlussfassung für energetische Modernisierungsmaßnahmen ist grundsätzlich eine doppelte qualifizierte Mehrheit der Eigentümergemeinschaft erforderlich.


Das vorliegende Urteil

AG Mülheim a.d.R. – Az.: 13 C 1169/22 – Urteil vom 25.10.2023

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr auf die mündliche Verhandlung vom 27.09.2023 für Recht erkannt:

Der am 26.09.2022 zu TOP 3 gefasste Beschluss der Eigentümergemeinschaft wird für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch den Kläger abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

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Tatbestand:

Der Kläger ist Miteigentümer der aus drei Parteien bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft ### in Mülheim. Er hält dabei einen Miteigentumsanteil von 344/1.000 inne verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 (2. OG, Keller und zwei Kammern im Dachgeschoss). Auf die Teilungserklärung vom 20.07.1962 (BI. 25 ff d. A.) wird Bezug genommen. Gem. § 15 Abs. 1 der Teilungserklärung gewährt jedes Wohnungseigentum dem jeweiligen Eigentümer ein Stimmrecht.

Mit Schreiben vom 02.09.2022 lud ### für den 26.09.2022 zu einer Eigentümerversammlung ein. ### ist nicht nur Miteigentümer, sondern war zum damaligen Zeitpunkt auch Verwalter der Eigentümergemeinschaft. Das Einladungsschreiben benannte als TOP 3 die „Installation einer Photovoltaikanlage“. Dem Einladungsschreiben waren unter anderem ein Angebot der Fa. ### vom 18.8.2022 über die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf den Dächern des Wohnhauses und der Garagen der WEG sowie ein Informationsschreiben beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Einladungsschreiben (BI. 33 d. A.) und die Anlagen (BI. 34 ff d.A.) Bezug genommen.

En der Eigentümerversammlung vom 26.09.2022 wurde sodann unter TOP 3 der hier angefochtene Beschluss gefasst, wobei der Kläger dagegen und die anderen Eigentümer dafür stimmten. Mit der am 25.10.2022 eingegangenen Klage ficht der Kläger diesen Beschluss an.

Der Kläger ist der Ansicht, der zu TOP 3 gefasste Beschluss widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung.

Der Gegenstand der Beschlussfassung sei im Einladungsschreiben nicht hinreichend bezeichnet. Bei der Beschlussfassung habe – unstreitig – nur ein Angebot vorgelegen. Es sei aber die Einholung von mindestens drei Angeboten erforderlich. Die Instandhaltungsrücklage unterliege einer Zweckbindung und dürfte nicht für die Finanzierung baulicher Veränderungen eingesetzt werden. Der Kläger behauptet, da in der Anlage ein Sanierungsstau bestehe, werde das Geld aus der Instandhaltungsrücklage kurzfristig benötigt. Gem. Ziff. 2 des angefochtenen Beschlusses soll er weder an den Kosten noch an den Nutzen der Photovoltaikanlage beteiligt werden. Auch aus diesem Grund dürften die Mittel der Erhaltungsrücklage nicht für die Installation der Photovoltaikanlage genutzt werden. Der Kläger behauptet weiter, das Angebot der Fa. ### sei fälschlicherweise für ein Einfamilienhaus konzipiert worden. Die Anbindung des Hauses an das öffentliche Neu wäre so nicht möglich. Eine ordnungsgemäße Installation für das hier betroffene Mehrfamilienhaus sei technisch erheblich aufwendiger und teuer und würde sich auch nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren. Der Kläger meint weiter, der angefochtene Beschluss regele nicht die interne Verteilung der Einnahmen und Kosten. Er behauptet, es sei eine genaue Zuordnung des vom Energieversorgungsunternehmens bezogenen Strom auf die einzelnen Wohneinheiten technisch und kaufmännisch nicht möglich, ebenso wenig eine Zuordnung des bezogenen Stroms aus der Photovoltaikanlage. Da die Installation eines intelligenten Steuersystems nicht vorgesehen sei, würden die Elektroautos bei dem Anschluss an die Ladesäulen immer priorisiert Strom aus der Photovoltaikanlage beziehen, während die anderen Verbraucher in den Wohnungen das Nachsehen hätten. Da er kein Elektroauto besitzt, würde er im Falle einer späteren Beteiligung an Kosten und Nutzen der Photovoltaikanlage benachteiligt. Schließlich meint der Kläger, es hätte vor Beschlussfassung eine nähere Untersuchung der Statik der Garage erfolgen müssen.

Der Kläger beantragt, den Beschluss der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 26.9.2022 zu Tagesordnungspunkt 3:

„1. Eine hochwertige PV-Anlage mit einer hohen Leistung (laut Angebot rund 19 kWp) soll auf den Dächern des Wohnhauses und der Garagen zu einem Gesamtpreis von etwa 30.000 bis 33.000 Euro installiert werden. Aus der Erhaltungsrücklage werden 10.000,00 Euro für die energetische Sanierung eingesetzt. Der darüberhinausgehende Betrag wird von den beiden zustimmenden Eigentümern zu gleichen Teilen finanziert.

2. Der ablehnende Eigentümer wird weder an den Kosten noch an dem Nutzen der PV-Anlage beteiligt.

3. Bei einem so komplexen Vorhaben soll die exakte Ausgestaltung der Kaufverträge, die Spezifikationen der Anlage und das interne wie externe Abrechnungsverfahren erst nach dem grundlegenden Beschluss der zustimmenden Eigentümer ermittelt werden.

4. Daher werden die Punkte jeweils nach Voranschreiten des Vorhabens durch die zustimmenden Eigentümer beschlossen.“

für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass noch kein konkretes Angebot beschlossen worden sei. Aufgrund der Komplexität des Vorhabens habe die exakte Ausgestaltung der Kaufverträge, die Spezifikationen der Anlage und das Abrechnungsverfahren erst nach dem grundlegenden Beschluss der zustimmenden Eigentümer ermittelt werden sollen. Sie meint weiter, die Verwendung der Instandhaltungsrücklage für thermische oder energietechnische Verbesserungen sei keine zweckwidrige Verwendung, zumal eine eiserne Reserve verbleibe. Die Beklagte behauptet, das Angebot der Fa. ### sei speziell für das hier in Rede stehende Objekt erstellt worden, so dass davon auszugehen sei, dass die elektrischen Installationen sach- und fachgerecht durchgeführt werden. Die Firma ### habe zugesagt, dass über zusätzliche Zähler sowohl der Netzbezug als auch der Solarstrombezug jedes einzelnen Haushalts nachzuhalten sein werde. Die Statik der Garage sei kein Problem.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat die Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 26.09.2022 innerhalb eines Monats erhoben (§ 45 S. 1 WEG) und innerhalb von zwei Monaten begründet (§ 45 S. 2 WEG).

Der unter TOP 3 gefasste Beschluss ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Klägers im Einladungsschreiben das Thema zu TOP 3 ausreichend bezeichnet.

Die Einberufung zur Eigentümerversammlung muss u.a. die Tagesordnung enthalten. Diese muss so formuliert werden, dass jeder Wohnungseigentümer erkennen kann, Ober welche konkreten Angelegenheiten Beschlüsse gefasst werden sollen (Bärmann/ Merk, WEG, 15. Aufl., § 24 Rdn. 40). Dies ist hier mit der Umschreibung „Installation einer Photovoltaikanlage“ ausreichend geschehen. Dass sich Details aus einem Begleitschreiben ergeben, ist dabei unschädlich.

Der Beschluss entspricht aber inhaltlich nicht ordnungsgemäßer Verwaltung i.S.d. § 19 Abs. 1 WEG. Die Eigentümergemeinschaft hat beschlossen, dass zur Finanzierung der Photovoltaikanlage 10.000 Euro aus der Erhaltungsrücklage entnommen werden sollen. Der darüberhinausgehende Betrag soll von den beiden zustimmenden Eigentümern zu gleichen Teilen finanziert werden. Zugleich wurde beschlossen, dass der ablehnende Eigentümer (also der hiesige Kläger) weder an den Kosten noch an dem Nutzen der Photovoltaikanlage beteiligt werden soll.

Dies ist bereits inhaltlich widersprüchlich. Indem die Erhaltungsrücklage zur Finanzierung der Photovoltaikanlage eingesetzt wird, wird entgegen Ziff. 2 des Beschlusses auch der Kläger an den Kosten beteiligt, denn der Kläger hat mit seinen Zahlungen die Instandhaltungsrücklage der Gemeinschaft mit aufgebaut und er würde künftig den Differenzbetrag wieder mit auffüllen müssen.

Darüber hinaus unterliegt die Erhaltungsrücktage einer Zweckbindung. Die Mittel in der Erhaltungsrücklage dürfen ihrer Zweckbestimmung gemäß nur für die Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmen i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG eingesetzt werden. Unter Erhaltung (früher Instandhaltung und Instandsetzung) fallen alle Arbeiten am Gemeinschaftseigentum des Gebäudes, die der Bestanderhaltung und Bestandsicherung dienen, insbesondere Reparaturen und Ersatzbeschaffung (Grziwotz in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 19 WoEigG, Rn. 11).

Zwar ist der Begriff der „Erhaltung“ weit auszulegen und kann auch modernisierende Erhaltungen umfassen.

Dabei werden noch zu einer modernisierenden Instandsetzung solche Maßnahmen gerechnet, die über die bloße Reparatur oder Wiederherstellung des früheren Zustandes hinausgehen, wenn die Neuerung die technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt. Voraussetzung ist jedoch stets, dass ein schwerwiegender Mangel des Gemeinschaftseigentums, also dessen Reparaturbedürfigkeit, gegeben ist (Sommer/Heinemann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Auflage 2022, b) Maßnahmen der Erhaltung, Rn. 104). Daran fehlt es vorliegend. Die Wohnungseigentümergemeinschaft will nicht eine vorhandene Anlage instand setzen oder erneuern, sondern als Maßnahme im Rahmen der Energiewende eine Photovoltaikanlage erstmals anschaffen. Dies unterfällt nicht dem Begriff der modernisierenden Erhaltung.

Die Erhaltungsrücklage darf für andere Zwecke nicht verwendet werden. Allerdings kann die Zweckbindung der Mittel in der Erhaltungsrücklage von den Wohnungseigentümern vorbehaltlich einer entgegenstehenden Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss aufgehoben und/ oder verändert werden. Eine solche Teilauflösung der Erhaltungsrücklage entspricht aber nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn diese hinreichend hoch angesammelt ist und auch nach der Teilauflösung weiterhin bleibt. Verbleibt nur noch eine „eiserne Reserve“, ist sicherzustellen, dass eine zeitnahe Rückführung gewährleistet ist.

Vorliegend sollen von insgesamt 16.000 Euro Erhaltungsrücklage 10.000 Euro entnommen werden zur teilweisen Finanzierung der Photovoltaikanlage. Damit würde mehr als die Hälfte der Erhaltungsrücklage aufgelöst und für andere Zwecke verwendet werden und zwar ohne dass geklärt ist, ob und wenn ja wie die Erhaltungsrücklage wieder aufgefüllt werden soll. Zusammen mit dem Umstand, dass nach dem gefassten Beschluss der Kläger gerade nicht an Kosten beteiligt werden soll, widerspricht dieses Vorgehen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Der Beschluss war daher für ungültig zu erklären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gegenstandswert: 31.000 Euro

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