LG Hamburg, Az.: 306 O 349/10, Urteil vom 08.07.2011
1. Die Klage wird bzgl. des abgetrennten Teils Ziffer 1. der Klagschrift vom 19.08.2010 abgewiesen.
2. Der Kläger hat die diesbezüglichen Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche aufgrund eines vom Kläger behaupteten Verkehrsunfalls in P vom 06.11.2009. An diesem soll ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug, ein Opel Corsa, beteiligt gewesen sein.
Der Kläger hat, nachdem sein Fahrzeug beschädigt war, seine Vollkaskoversicherung, den Versicherer K A V AG aus H in Anspruch genommen. Der Versicherer hat 9.865,57 € auf den Sachschaden an den Kläger ausgezahlt. Der Kläger musste eine Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 Euro tragen und hat den Sachverständigen Dipl.-Ing. W beauftragt, was Kosten in Höhe von 746,50 Euro nach sich zog.
Der Kläger hat daher beantragt, die Beklagte wie folgt zu verurteilen:
1. an die Vollkaskoversicherung des Klägers, die K A V AG, N in … H, vertreten durch den Vorstand Dr. N R 9.865,57 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2010 zu zahlen.
2. an den Kläger 300,00 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2010 zu zahlen.
3. an den Sachverständigen Dipl.-Ing. W B 746,50 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gerügt mit Schriftsatz vom 21.04.2011 (= Bl. 61 d. A.).
Sie behauptet, dass es zu einem Unfall, also einem plötzlichen und unerwarteten Zusammentreffen der Fahrzeuge, nicht gekommen sei. Sie behauptet, dass es ein gestelltes Unfallereignis vorliege.
Das Gericht hat mit Beschluss vom heutigen Tage angeordnet, dass die Ansprüche gem. Ziffer 1. der Klagschrift (Sachschaden/reguliert durch Kaskoversicherer) und die Ansprüche gem. Ziffer 2. und 3. der Klagschrift (Selbstbeteiligung und Sachverständigenkosten) in getrennten Prozessen verhandelt werden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die von den Parteien ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist bzgl. des hier zu verhandelnden Antrages zu 1 (Sachschaden, durch Kaskoversicherer reguliert) unzulässig, weil das Landgericht Hamburg örtlich unzuständig ist bezüglich dieses Anspruchs.
Die Beklagte hat die Rüge der örtlichen Zuständigkeit rechtzeitig, nämlich vor der mündlichen Verhandlung (§ 39 ZPO) erhoben. § 39 ZPO geht § 296 Abs. 3 ZPO als Spezialvorschrift vor (Thomas/Putzo, 27. Aufl., § 296 Rn. 41 m. w. N., Zöller, 27. Aufl. § 296 Rn. 8 a m. w. N.).
1. Die Voraussetzungen von Artikel 2 Abs. 1 EuGVVO sind nicht gegeben. Der Wohnsitz oder Sitz des Schädigers liegt nicht in H.
2. Das schädigende Ereignis ist in P eingetreten, sodass sich auch nicht aus Artikel 5 Nr. 3 EuGVVO, dem Handlungs- und Erfolgsort, die örtliche Zuständigkeit der Hamburger Gerichte ergibt.
3. Eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger seinen Wohnsitz in H hat.
a)
Zwar ist die Verweisung in Artikel 11 Abs. 2 EuGVVO dahingehend auszulegen, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedsstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar auch gegen den Haftpflichtversicherer erheben kann. Mit dem Klaganspruch zu 1 wird aber ein Anspruch des Kaskoversicherers geltend gemacht, § 86 VVG.
b)
Für den Kaskoversicherer ist die Verweisung in Artikel 11 Abs. 2 EuGVVO nicht dahingehend auszulegen, dass der Kaskoversicherer vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedsstaat, an dem er seinen Sitz hat, eine Klage unmittelbar auch gegen den Haftpflichtversicherer erheben kann.
Denn nach dem Urteil des EuGH vom 17.09.2009 in der Rs C-347/08 ist die Verweisung in Artikel 11 Abs. 2 EuG VVO auf deren Artikel 9 Abs. 1 b dahin auszulegen, dass ein Sozialversicherungsträger als Legalzessionar der Ansprüche des bei einen Autounfall unmittelbar Geschädigten vor den Gerichten des Mitgliedsstaates seiner Niederlassung nicht eine Klage unmittelbar gegen den er ein anderen Mitgliedsstaat niedergelassenen Versicherer des mutmaßlichen Unfallverursachers erheben kann.
Der EuGH stellt maßgeblich darauf ab, dass der Sozialversicherungsträger im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer keine schwächere Partei ist. Dies muss dann erst recht für den Kaskoversicherer gelten. Dieser ist erst recht keine schwächere Partei als der Haftpflichtversicherer, denn Kasko- und Haftpflichtversicherung werden in der Regel von den gleichen Unternehmen angeboten.
c)
Wenn der „starke“ Kaskoversicherer die Ansprüche nachträglich an den Kläger abgetreten hätte, würde der Kläger auch nicht in den Genuss des Gerichtsstands des Art. 9 EuGVVO kommen. Zutreffend hat das Amtsgericht B im Urteil vom 02. Juli. 2010 – 31 C 181/09, zitiert nach Juris, ausgeführt:
„Hinzu kommt, dass Klägerin auch Ansprüche aus abgetretenem Recht eines anderem Versicherungsunternehmens, nämlich ihres deutschen Kaskoversicherers geltend macht. Im Verhältnis des deutschen und niederländischen Versicherungsunternehmens ist das deutsche Versicherungsunternehmen keine schwächere Partei. Insoweit würde die Abtretung an eine (schwächere) GmbH zu einer unzulässigen Umgehung der Regelung der EuG VVO führen“
d)
Dass hier der Kasko-Versicherer die Ansprüche nicht abgetreten hat, sondern der Kläger sie in gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht, ändert daran nichts. Denn im Rahmen der Prozessstandschaft macht der Kläger Ansprüche des Kaskoversicherers geltend. Würde man es zulassen, dass eine „starke“ Partei ihre Ansprüche in gewillkürter Prozessstandschaft von Dritten geltend machen lässt, könnte es auch zum unerwünschten Phänomen des so genannten „Forum-Shopping“ kommen. Der Kaskoversicherer könnte die Ansprüche durch eine Partei geltend machen lassen, die an einem (vermeintlich) besonders klägerfreundlichen Gericht sitzt, an dem eine besonders klägerfreundliche Prozessordnung Prozessordnung gilt pp.
Im Übrigen ist ersichtlich, dass der EuGH mit der oben zitierten Entscheidung in der (Rs C-347/08) seiner eigenen Rechtsprechung, die eine ganz erheblich Ausweitung des (Kläger-)Gerichtsstands zur Folge hatte, eine Grenze ziehen wollte. Wieso er diese Grenze nur ziehen wollte, wenn die Ansprüche übergehen, nicht aber, wenn sie in gewillkürter Prozesstandschaft geltend gemacht werden, ist nicht ersichtlich.
e)
Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 14.6.2011, S. 2 (= Bl. 70 d. A.), der Kläger habe keine andere Möglichkeit, seinen Vertrag schadensfrei zu halten, als die per Gesetz übergegangenen Ansprüche einzuklagen, ist im Ansatz zutreffend. Allerdings hat er nicht dargelegt, wieso es ihm nicht möglich sein soll, in Polen zu klagen.
II. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 709 ZPO.
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